ARCHIV
FÜR
SLAVISCHE PHILOLOGIE
UNTER MITWIRKUNG
VON
A. BRÜCKNER, J. GEBAÜER, C. JIRECEK, A. LESKIEN,
BERLIN, PRAG, WIEN, LEIPZIG,
W. NEHRING, ST. NOVAKOVIÖ, A. \YESSELOFSKY,
BRESLAU, BELGRAD, ST. PETERSBURG,
HERAUSGEGEBEN
V. J A G I C.
SIEBENUNDZWANZIGSTER BAND. J
5 3QRGG
BERLIN, V^^TT^
WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG.
1905.
^
1 1 u
Inhalt.
Abhandlungen. Seite
Noch einmal t und l in den altkirchenslavischen Denkmälern, von
A. Leskien 1
Slavisclie Wortdeutungen, von K. Strekelj 41
Zur Geschichte der serbischen Deklination, von G. Iljinskij, mit
Bemerkungen von V. Jagic 73
Slavische Fragmente aus der Bibliothek S. Giacomo dclla Marca in
Montepiandone, von Ludwig v. Thallöczy und V. Jagic . 79
Die grossrussische Dialektologie in den letzten fünf Jahren (1897 —
1901), von N. Durnovo 91
Zur glagolitischen Schrift, von A. Leskien 161
Eine alt-russische Schrift, von V. Gar dthauscn 168
Le prix normal du ble ä Constantinople pendaut le moyen äge et le
Code de Stephan Dusan empereur des Serbes, par St. Nova-
kovic 173
CoKK et coKajii.HHKB ds la Serbie du moyen äge, par St.Novakovic 175
Die Echtheit der Mönchsreden desKyrill vonTurov, von L. K. Goetz 181
Zum Accente im Gailthalerdialekte, von Ivan Grafenauer . . . . 195
Die slavische Vertretung von indogerm. o, von PaulKretscbmer 228
Einige Hypothesen über die Sprache der Skythen und Sarmaten, von
A. Sobolevskij 24^0
Cech (lext) und Cach (qax-B), von A. Sobolevskij 244
Ein Schreiben des Patriarchen Gennadios Schoiarios an den Fürsten
Georg von Serbien, von E. von Dobschütz 246
Eine altbosnische slavisch-griechische Inschrift, von M. Resetar . 258
Poln. Glossen aus dem Anfang des XV. Jahrb., von Kaluzniacki. 265
Die Zeitrechnung und die Monatsnamen der Huzulen, von Kaiuz-
niacki 269
Die Sonnwendlieder der westgaliz. Kleinrussen, von Kaiuzniacki 273
Die Vokale "b, b in den Codices Zographensis und Marianus, von
A. Leskien 521
Die neuesten Forschungen über den slavischen Klemens, von P. A.
Lavrov 350
Zwei Lobreden, vielleicht von Klemens geschrieben, von P. A. L a v r o v 373 --^
Meine Zusätze zum Studium der Werke des slavischen Klemens, von
V. Jagic 384 '''
IV Inhalt.
Seite
Noch einmal Klagenfurt-Celovec, von P. Lessiak 412
Ein Grigorovic'sches Menaeum-Blatt aus dem XII. Jahrhundert, von
Gr. Iljinskij, mit Zusatz von V. Jagic 424
Die Vokale x und B im Codex Suprasliensis, von A. Las kien . , . 481
Die Mundart der Gegend von Uherci bei Lisko, vonl.Werchratskij 513
Prosodisches und Metrisches bei Karel Jaromir Erben, mit besonderer
Berücksichtigung des Gedichtes »Zähorovo loze«, von Jaroslav
Sutnar 527
Die Vorlage zur Komödie «0 BpcMa!« von Katharina II., von D.Pro-
haska 563
Kritischer Anzeiger.
CiszewskijUeber Feuerherd, ethnologische Studie, angez. von Pivko 126
Surmin, Die kroatische Wiedergeburt, angez. von V.Jagic . . . . 133
Ozwald, Dialect von Polstrau, angez. von J. Grafenauer 138
Breyer, Bio- und bibliographische Beiträge, angez. von M. Resetar 140
Bericht über die Thätigkeit der Sevcenko-Gesellschaft, verfasst von
M. Hrusevskyj 279
Iljinskij, Ein Fall der gramm. Analogie, angez. von M. Resetar . . 299
v. Utaszyn, Die Entpalatalisirung, angez. von WI. N ehr in'g . . . . 300
A.Trstenjak, Die Slovenenim Somogyer Komitat, angez. von V. Jagic 303
Puskin's Onjegln in polu.Uebersetzung, ang. vonWl. Nakonieczny 433
Neueste Publikationen (Vondräk, Grunskij) über Kijever Blätter,
angez. von V.Jagic 441
Jevsejev, Das Buch des Proph. Daniel, angez. von V. Jag iö . . . 447
Michajlov, Altes Erbe in kroat.-glagol. Kirchenbüchern, angez. von
V.Jagic 454
Baudouin de Courtenay, Sprachwiss. Skizzen, angez. von V. Jagiö . 458
Benni, Zur poln. Wortbildung, angez. von V. Jagic 460
Petruszewicz, lieber die älteste arische, insbes. slavische Familie,
angez. von V. Jagic 461
Dezelic, Biographie des Bischofs M. Vrhovac, angez. von D. Prohaska 463
Lukjanenko, Der Kajdialekt, angez. von V. Jagic 578
Hosek, Böhm. -mähr. Dialekte, II. Theil, angez. von V. Jagic . . . 586
Ignatii Georgii Vitae, herausg. von P. Popovic, angez. von V. Jagiö 587
Drei Gedichte Vetraniö's, herausg. von Kolendic, angez. von J. N a g y 596
Die Zeitschrift des kroat. Laudesarchivs, angez. von V. Jagic . . . 598
Jermolov, Die landwirthschaftl. Volksweisheit, angez. von V. Jagic 600
Kleine Mittheilungen.
Der Ausdruck bxc&ä-b in altkirchenslavischen Denkmälern, von A.
Sachmatov, mit Zusatz von V. Jagic 141
Ein Nachtrag zu Bd. XXVI, S. 571, von E. Sievers 142
Ljudevit Stur's slovak. Monatsbezeichnung, von Dr. Fran Ilesic . 142
Inhalt. V
Seite
Nochmals Klagenfurt-Celövec, von J. Schein igg 146
Kollär'sAntheil an politischen Broschüren, von Dr. Josef Karäsek 154
Beiträge zur Geschichte der slav. Philologie, von Prof. ©. Surmin . 304
Spolari — Spolarich, von V. Jagiö 313
Zur Etymologie von »presustvo«, von L. Pin tar 314
Nachtrag zum Aufsatz »Eine altrussische Schrift« (S. 169 — 172), von
Z. Kuziela 326
Sloven. -5tm, von F. Lorentz 465
Preuss. lüMiri, von F. Lorentz 467
Slovinz.^rt^M^sc und verwandtes, von F. Loren tz 469
Urslav. fz6 »Schlange«, von F. Lorentz 475
Preuss. Bevölkerung auf dem linken Weichselufer, von F. Lorentz 470
Bemerkungen zu den in päpstlichen Urkunden überlieferten ostsee-
wendischen Namensformen, von F. Lorentz 474
Zwei briefliche Aufzeichnungen P. J. Safarik's, mitgetheilt von Wl.
Nehring, mit Zusätzen von V. Jagid 476
Ein Brief V. Oblak's an St. Novakovid, mitgetheilt von St. Nova-
kovic 477
^VBeuÄHJa, von St. Novakoviö 480
Serbokroat. ÄaZos", (rothe) Tulpe', von M.Rese tar 608
Serbokroat. zSr ,num, forsan', vonM. Resetar 609
Ueber die slavische Philologie an den Universitäten Deutschlands,
von der Redaction d. Arch. f. slav. Phil 610
Eine typographische Thorheit, von der Redaction d. Arch.f.sl.Ph. 610
Zur Bekehrung Wladimir's L, von H. Krebs 611
Der kluge Knabe. Ein kroatisches Märchen aus dem Kreis »Die kluge
Dirne«, vonV. Jagic und G. Polivka 611
Nekrologe (Alexander Nikolajevic Pypin f, Milivoj Srepel f , Ivan
Tkalcicf, Gregor Krek f , Uarion Ruvaracf, Polychronios
Syrku f, Alex. Iv. Smirnov t), von V. Jagic 630
Sach-, Namen- und Wortregister, von A. Brückner 637
Noch einmal Ti und b in den altkirchenslavischen
Denkmälern.
\
I. Das Sava-Evangelium.
Die Behandlung der Vokale t»,, k ist eine der schwierigsten
Aufgaben der altkirchenslavischen Grammatik. Es ist zwar ver-
hältnissmässig leicht festzustellen, wo ursprünglich 'K und k ge-
standen habeo. Die Möglichkeit geben einzelne altkirchenslavische
Denkmäler selbst, das Ostromirsche Evangelium, die Kiever Blätter,
dazu das Altrussische und die Vergleichung der slavischen Sprachen.
Aber anders steht es, wenn man die übrigen grossen Denkmäler,
Cod. Zogr., Mar., Assem., Psalt. sin.. Euch, sin., Cloz., Supr., Sav.
kn. vornimmt. In keinem von diesen ist der ursprüngliche Zustand
unverändert geblieben : allgemein ausgedrückt kann o für t^, e für
k eintreten: Tv steht an Stelle von altem k, k an Stelle von altem 'k ;
Ti, k sind ganz weggefallen. Die Ursachen sind Einflüsse der
Lokaldialekte, denen die Schreiber der Handschriften angehörten,
und, auch bei etwa gleichem Dialekt, die Weiterentwicklung der
Sprache von der Zeit ihrer ersten Aufzeichnung bis zur Periode
unsrer Handschriften, die mindestens 150 Jahre umfasst. Bei einer
Untersuchung dieser Veränderungen müssen Mar., Psalt, Assem.,
Cloz. zunächst bei Seite stehen, Supr. kommt erst in zweiter Linie
in Betracht, Zogr. und Sav. kn. müssen die Grundlage der Betrachtung
bilden; auf das Euchologium komme ich unter H. zu sprechen. Das
Zographos-Evangelium hat Jagic in den bekannten »Studien über
das altslovenisch-glagolitische Z.-E.« (Archiv I und II, auch nach
dieser Richtung genau behandelt, die Sav. kn. Scepkin in »Pascy-
atÄenie o üstiKi CaBBiiHoß Kunrn« (Petersb. 1S99).
Da ich in der nächsten Zeit Veranlassung habe, mich eingehend
mit altbulgarischer Grammatik zu beschäftigen, liegt es mir ob, die
Archiv für slavische Philologie. XXVII. 1
2 A. Leskien,
Denkmäler, namentlich in Bezug auf 'k, h, wieder durchzugehen
und die neueren Schriften darüber aufs neue zu prüfen, zumal ich
gegen die Richtigkeit der Methode, nach der solche Untersuchungen
in neuester Zeit angestellt wurden, starke Bedenken habe. Wenn
ich zuerst das Sava-Evangelium vornehme, so geschieht es, weil in
Scepkin's Buch eine bestimmte Methode scharf zum Ausdruck
kommt, mit der man sich einmal auseinandersetzen muss, um —
kurz gesagt — nicht ganz konfus zu werden.
Bei der Betrachtung der Sav. kn. habe ich die naheliegende
Vergleichung mit andern Quellen fast ganz unterlassen, denn diese,
da sie aus andern Orten, andern Dialekten und andrer Zeit stam-
men können, konnten auf den Dialekt des Schreibers der Sav. kn.;
wenn er seine Mundart wirklich getreu wiedergegeben hat, keinen
Einfluss üben, und wenn die Ueberlieferung hier eine lebendige
Sprache wiedergibt, muss diese sich aus der Handschrift selbst
systematisch darstellen lassen.
Scepkin nämlich drückt seine Bewerthung des Denkmals kurz
so aus (Vorrede zu seiner Ausgabe, Petersb. 1903): «In der Reihe
der altslavischen Denkmäler gibt die Sav. kn. am allerdeutlichsten
die lebendige Sprache des XL Jahrh. wieder und erscheint in dem
Problem der Halbvokale i^, l in dieser Beziehung als Haupt-
auktorität«. PascyatA- S. I heisst es: »die Sprache der Person, die
die Sav.kn. aus diesem glagolitischen Original i) abgeschrieben hat,
gehörte einem bestimmten andern altslavischen Dialekt an, wobei
der Schreiber bei der Abschrift seine heimatliche Mundart mit sol-
cher Kühnheit und Genauigkeit ausdrückte, wie kein einziger von
den Schreibern der übrigen altslavischen Denkmäler. Dank dieser
besonderen Klarheit der Mundart hat die Sav. kn. auch besondere
Bedeutung für die Beurtheilung der übrigen altslavischen Denk-
mäler, da sie sehr oft die Frage entscheidet, was in diesen letzteren
der lebendigen Mundart der Schreiber, was der graphischen Tra-
dition oder dem Original angehört. Deswegen bildet die Erfor-
schung der Sprache der Sav. kn. gewissermassen nothwendig den
Ausgangspunkt für die Erforschung der altslavischen Dialektologie
überhaupt«.
1) Scepkin's Ansicht ist, der Sav. kn. liege ein Original in glagolitischer
Schrift zu Grunde.
Noch einmal x und l in den altkirchenslaviscben Denkmälern. 3
Er hat in PasyacA- as. C. kh. einen erstaunlichen Scliarfsinn
darauf verwendet, alle und jede Schreibung der Silben mit altem
1», h aufzuklären, um so ein sichres und genaues Bild des altbul-
garischen Dialekts zu gewinnen, dem der Schreiber der Handschrift
angehört hat. Ich will im folgenden zeigen, dass das Unternehmen
nicht gelungen ist und nicht gelingen konnte. Setzen wir aber zu-
nächst voraus, es sei gelungen, so handelt es sich um die Begrün-
dung und Erklärung der sehr zahlreichen Abweichungen von einem
rein lautlich bestimmten Idealbilde des Dialekts, die der Codex in
der Wiedergabe der i».-, k-Silben aufweist. Die Ursachen davon
können sein: 1) zufällige Versehen, Verschreibungen, wie sie
überall bei handschriftlicher Ueberlieferung vorkommen, aber für
das Urtheil über die Sprache gleichgiltig sind; 2) einfaches Ab-
schreiben der dialektisch vielleicht anders gefärbten oder einem
älteren Zustand der Sprache angehörenden Vorlage, sei es mecha-
nischer, gedankenloser "Weise, sei es absichtlich aus irgend welchen
äusseren Gründen, z. B. zur Ausfüllung der Zeile, der Deutlichkeit
wegen 0. a. 3) Die lautliche Folgerichtigkeit des dialektischen
Idealbildes kann dadurch gebrochen sein, dass sogenannte Analogie-
bildungen eingetreten sind; auf den vorliegenden Fall angewendet,
dass Tk, k an bestimmten Stellen eigentlich schwinden sollten, aber
nach Formen, wo sie erhalten bleiben mussten, wieder eingefügt
oder festgehalten sind; dass aus Formen, die nach den Regeln des
Dialekts t^ haben sollten, k wieder eingetreten oder bewahrt ist
nach andern Formen, die k nach den geltenden Regeln normal
haben, und umgekehrt.
I. Völliger Schwund von ^k, k.
Zur Veranschaulichung wähle ich zunächst zwei Beispiele
aus: es kommen vor 31 Fälle verschiedener vom lufinitivstamm
des Verbums ntcaTH abgeleiteter Formen, stets ncarn geschrie-
ben, daneben von der Silbengestalt ntc- nur drei Beispiele, ver-
schieden geschrieben: ncH (canes), ms.coM'K, nbcoM'K. Es finden
sich 48 mal Formen des Präsens- und Infinitivstammes von nocK-
-\aTH, ohne Ausnahme mit 'k geschrieben, daneben 6 Beispiele mit
sonstiger Silbe CbA-, cka-, deren Schreibung schwankt: OCAd ocaa
OCAH, OCKAT». ocKAA ockAA (S. 1 24, 1 25). Natürlich wird jeder den
Schluss ziehen: der Schreiber hat rcath gesprochen. Nun scheinen
1*
4 ' A. Leskien,
aber die Bedingungen bei ni^caTH HankcaTH und nocKAaTH ganz
gleich, auch in der Betonung, der Hochton fiel auf die dem nkc-,
CTkA- folgende Silbe. Warum wird also in einem Falle der schwache
Vokal regelmässig ausgeworfen, im andern ebenso regelmässig
bewahrt? Scepkin's Erklärung lautet so (S. 147): »Die vollständig
konsequente Erhaltung des Halbvokals im Verbum nock/iaTH kann
nur durch Analogiewirkung erklärt werden. Wir haben oben ge-
sehen, dass die Verba Kfp;^ KparH und hhuj;^ ncaTH den Halb-
vokal auf lautlichem Wege verloren haben in den vom Infinitiv-
stamm abgeleiteten Formen; in diesen Verben konnte deswegen
keine grammatische Analogie auf die Erhaltung des Halbvokals
wirken, weil der Stamm Ki^p-, nkc- allein stand; eine Entsprechung
zwischen Präsens- und Infinitivstamm fand nicht statt, und in dieser
Beziehung berührten sich beide Verba mit koaki^ kaath, eopi;^
KpaTH, die in der Gruppe ka, Kp nie einen Halbvokal hatten; ckaiä
CKAATh dagegen, das die gleiche Wurzelgestalt in beiden Stämmen
hat, berührte sich mit opiT^ opaTH, ctchür cTfHaTH und der
ganzen Masse der Verba derselben Klasse, die gleichen Wurzel-
vokal in beiden Stämmen haben; der Einfluss dieser Analogie
wurde verstärkt durch das Vorhandensein von ckat^ nocKAT^ mit
einem 'K, das lautlich nicht ausfallen konnte«. Mir kommt das auf-
fallend vor: die Correspondenz der Vokale in opKSv opaTH u. a. soll
die Beibehaltung desselben Verhältnisses in ckahr ckaath be-
wirkt haben; aber wenn nun der Dialekt seiner offenbaren Neigung
zum Auswerfen der schwachen Vokale hier nachgegeben und ein
CAi* nocAi^f;, CAATH nocAATH hervorgebracht hätte, so war ja die
Gleichheit der Wurzelgestalt (ca-) in Präsens- und Infinitivstamm
ebenfalls vorhanden, oder besser ausgedrückt, ohne die Heran-
ziehung einer fiktiven Wurzel: caitR caath, nocAi^ nocAarH
stellen ein ebenso normales Verhältniss dar wie opix>, opaTH u. ä.
Die Hülfe von ckatj. iiockat». nützt nichts, denn woher will man
wissen, dass gerade diese Formen wirken mussten und nicht etwa
die obliquen Casus, in denen nocAa für nccKAa u. s.w. gesprochen
sein kann. Ein ähnliches Verhältniss wie zwischen ncaTH und
CKAATH wiederholt sich in hto und dem Verbum miiT;*^ (S. 125):
95 mal ist hto geschrieben, sicher der schwache Vokal nicht ge-
sprochen, 7 mal steht hts.to, dagegen in 9 Fällen von MkTAi ist der
Vokal stets vorhanden, wird S. 145 als gesprochen angenommen.
Noch einmal i. und t in den altkirchenslavischen Denkmälern. 5
und hier soll die Analogie von mcx^ hicth, nMTx^ rakth u. ä.
die Beibehaltung des k bewirkt haben, also nach demselben Prinzip
wie oben bei CTs.AaTH. Aber ganz gleich sind diese Fälle nicht,
denn die Vokalverhältnisse sind nicht dieselben: in cfluf. opaTH,
CTvA»^ c'KAaTH haben beide Stämme den gleichen Vokal, in HKT;si
MHCTH aber nicht; trotzdem sollen die Sprechenden nicht den nahe-
liegenden Anschluss von mlt;^ an mhcth suchen, um ein *hhtä;
zu bilden (vgl. den umgekehrten Fall Inf. nHcarn statt nkcaTH
nach dem Präs. nHUj;^), sondern nehmen Hfc;i^ hccth. Mir scheint
es an sich misslich, aus den 9 Fällen von HkT- etwas sicheres
schliessen zu wollen; so gut die 9 Beispiele von ht^to aus der
Vorlage übernommen sind, kann das bei dem neunmaligen MkT-
der Fall sein. Aber ich will davon absehen und auf einen andern
Punkt kommen. Betrachtet man das Verzeichniss Scepkin's (S. 115
bis 126), so könnte es scheinen, als ob von den dort verzeichneten
Verben (die Beispiele SHaTH, kaath, lUip'tTH gehören selbstver-
ständlich nicht dahin) überhaupt nur Infinitivstämme auf a den
schwachen Vokal verlieren und nur dann, wenn das Präsens einen
Vollvokal hat: KpaTH (zu Kfp;^; für EkpaTH K'kpaTH) 18 mal,
neben K'kpaTH 4 mal; thath (für r'knaTH; zu iKeH;s^) 9 mal, rk-
HATH einmal; pas-AP^^TH (zu A^P^i = A^^P^^th, A'^P^^t'") ein-
mal; CTk-SA^^TH (zu 3HJKA^) Zweimal, neben c'k3'kA<*'T" einmal;
ncaTH (für nkCATH, zu nHUj;^) 31 mal. Dagegen haben die Verba
mit durchgehendem schwachen Vokal und mit Infinitivstamm auf
t, so wie ckAATH, bei gleichem Vokal in beiden Stämmen die
schwachen Vokale bewahrt: CkAKR ckaath 48 mal, lUikHHK Mk-
HtTH 23 mal, 3kpHR Skp-kTH (s'kp-) 42 mal. Man könnte also
versucht sein, eine irgendwie dann zu begründende Regel aufzu-
stellen: die Infinitivstämme auf a lassen einen schwachen Vokal
der Wurzelsilbe dann schwinden, wenn der Präsensvokal verschie-
den ist; dagegen alle Verba, die im Präsensstamm das gleiche w
oder 1%. haben, behalten es. x4.ber das wäre eine Täuschung, die
Thatsachen stimmen dazu nicht, denn es heisst neben 30 b;^ stets
STvBATH (30 mal, nie 3ßaTH). Dass 3'kßaTH in dem genannten
Verzeichniss Scepkin's nicht steht, kommt nur daher, dass er
Fälle von erhaltenem t», k nicht aufnimmt, wenn die Conso-
nantengruppe, die durch den Ausfall entstehen würde (hier3B),
sonst in Folge dieses Wegfalls nicht vorkommt; daher fehlt dort
6 A. Leskien,
auch KT^^IvTH (BkA'feTH), ebciiso cTvr'KH;Rß'K, weil es vereinzelt
ist, hätte aber mit H3rnaTH rkHaujA parallelisirt werden müssen,
da die Lautverhältnisse bei r'KHaTH und r'KH;¥;TH ganz gleich
sind. Was kann es Überhaupt nützen, gerade vorhandene Parallelen
consonantisch gleicher Lautgruppen herauszuheben und nicht die
Gesammtheit aller Fälle, in denen Gelegenheit zum Ausfall der
schwachen Vokale gegeben war, im Zusammenhang vor Augen zu
haben? Wenn man so verfährt, ergibt sich folgendes Bild: in
Verben ist der schwache Vokal erhalten ausser in den schon oben
angegebenen 1 22 Fällen in sikBaTH 30 mal, E'k;i,'KTH (Bk;i,-) 9 mal,
Präsensformen von j^ti, K'K3-, HS-hü;^ ausnahmslos ca. 30 mal mit
Tk oder h; Präsensformen von math: hj-, bt^-hiih;^ (-mt^h-) 8 mal,
AOßi^AeTi», 2 mal. Präsensformen von >katm, jkkh- jk'kh- 3 mal,
CTbpe (-T'Kpf) 2 mal, nocTKAaiUA 1 mal; Formen des Präsens
pAc-nkH;^ (-nikH-) 13 mal, c'Kr'kH;i^ß'K 1 mal, Präsens ckrh- (der
Infinitivstamm von C'knaTH kommt zufällig nicht vor) 8 mal, dazu
o^fC'Kne 2 mal (3. sg. aor. zu c>YC'kH;ixTH), Präsens TkAHTi». 3 mal,
o^nTvEaTH 2 mal. Also zu jenen 122 kommen noch HO Fälle hinzu;
diesen in runder Zahl 230 Beispielen der Erhaltung von Tv, k in der
Wurzelsilbe von Verben stehen ca. 70 des Schwundes gegenüber,
darunter 31 allein von ncarii, 18 von BpaTH, 9 von rHaTH. L'gend
ein Zufall darf nach Scepkin's Auffassung in diesen Verhältnissen
nicht walten, und er findet sich in der That mit allen Fällen ab.
Ich setze die Stelle (S. 143) zur Charakteristik seiner Methode und
Darstellungsweise hierher: »In den Formen des Verbums MkHi^
MbriHUiH luikH'kTH (immer mit k) konnte sich der Halbvokal laut-
lich nicht halten, offenbar hat auf die Bewahrung des k auch hier
irgend eine Analogie wirksam sein müssen. Wir haben oben ge-
sehen, dass das Verbum skpii^ skpHuiH Skp'KxH (STkp-) ebenfalls
niemals den Halbvokal verliert, unten werden wir neben den Formen
HTO, HtHTO, HHHTOJKf die kouscqueute Schreibung HkT;i^ MkTEiuH
(mtvT-) finden. Von einer orthographischen Manier kann im ge-
gebenen Falle nicht die Rede sein: die konsequente Schreibung
MkHiT^ MkH'RTH, Skp-STH, HkT;^ fiudcu wir auch im Dialekt des
Zographos-Evangeliums (Archiv I, 35—38, 47—48) i). Vielleicht
1) Was die Anführung des Zogr. hier soll, ist mir unverständlich; dessen
Schreib- oder Sprechweise hat doch mit der lebendigen Sprache des Schrei-
Noch einmal t und b in den altkirchenslavischen Denkmälern. 7
hat in den angeführten Formen zu einer Zeit die Sprache versucht,
die alte Silbenzahl dieser Klasse zu bewahren, d. h. z. B. in 3Kp;?;
3kp1iTH nach Analogie von ropi^ix rop'kTH, in HkT;^ mhcth unter
dem Einfluss von n^fT/i; nAtCTH. In der ersten Verbalklasse
wirkten diese Analogien offenbar am stärksten: in der Sav. kn.
finden wir noch k^ksath — ijt».3'kiii;r BkS'kMfiUH KkSKimeTTvu.s.w.,
K'kHATH — K'KH'KHeT'k KkSkNETT». ßkMkH;^T'k, HaMATH — HaMk-
HtUIH HaHkHfT'k U. S. W., JKATH — JK'kH/RT'K >KkHAI, paCRATH
pacnkH;^ u. s. w., Schreibungen ohne den wurzelhaften Halbvokal
kommen nicht vor; so finden wir auch in der zweiten Abtheilung
der I. Kl. soKfT'k — S'KKaY;«; 3T»,Ka 3'kKaT'T\ u. s.w. In allen die-
sen Fällen darf man Analogiewirkuug annehmen. In andern Verbal-
klassen waren die Bedingungen andere und der Halbvokal der
Wurzelsilbe fand keine so starke Stütze; so wurden z. B. neben
nHiii;^ tkih;^ die auf lautlichem Wege gewonnenen Formen ncaTH
THaTH, neben ßep;^ das KpaTH deswegen festgehalten, weil neben
KOAK^ Kopii^ die Formen KAaTH KpaTH ohne Halbvokal bestanden ;
aber auch in dieser (dritten) Klasse finden wir in Sav. kn. nocKAi^
(== MX.) nocKAATH, cTvnaTH c'KHHT'k, in den Fällen, wo in beiden
Stämmen der Wurzelvokal derselbe ist (dagegen neben c'k3H>KA;R
ein c'k3'TkA<*TH und c'K3A*»th). Zu dem Auftreten der Form Mp;^
Mp£iiiH mit ausgefallenem k konnte der zweite Stamm wirken in
seiner Form np-tTH ohne Halbvokal; in den Formen des Verbums
CTp'tTH wirkte dieselbe Analogie, npocrpH Sav. 74 statt npocTkpn,
aber andrerseits finden wir auch npocrp'k 58 neben npocTkplJ 74;
solcher Weise wurden beide Stämme vermischt, vertraten einer den
andern; npocTkp'k. 33, 41, 75b und OTkpkiuH 81 haben das k in
einer Stellung, die den lautlichen Verlust des Halbvokals nicht ge-
stattete. In OTkpf ist der alte Präsensstamm bewahrt, in orivpe
finden wir den Uebergang von k in t». gegen ein Lautgesetz der
Sprache der Sav. kn. ; die Schwankungen tragen auf diese Weise
einen Charakter, wie er sich in den Formen des Verbums ivip;*^ wpeiuH
nicht findet. Das bringt auf den Gedanken, dass das Verbum Tkp;si
Tp-kTH in der lebendigen Rede des Schreibers nicht mehr existirte
und die Schwankungen entweder ausschliesslich graphische Be-
deutung haben oder dem Original der Handschrift angehörten«,
bers der Sav. kn. nichts zu schaffen; mag jener gesprochen haben wie er will,
dieser kann sich darnach nicht gerichtet haben.
8 A. Leskien,
Zu meiner und vielleicht aucli zu des Lesers Erleichterung
stelle ich deutlich neben einander, was alles von Verfahrungs-
weisen einem und demselben Lautverhältniss gegenüber dabei
herauskommt :
1) 3kp;^ Sbp'feTH u. ä. sollten nach der Entwicklungstendenz
der Mundart eigentlich den schwachen Vokal verlieren, behalten
ihn aber, um zu Liebe von ropKR rop'feTH die alte Silbenzahl zu
bewahren.
2) RhcaTH BkpdTH n^HaTH verlieren 'k, k, weil der Präsens-
vokal ein anderer ist, zu Liebe von koaijR KAaTH.
3) 30b;^ S'kßaTH, das den gleichartigen Unterschied von
Präsens- und Infinitivstamm hat, kehrt sich daran nicht, sondern
S'kßaTH bleibt, während man doch vermuthen möchte, sok;?. als
im Vokal gleich mit koah^ Bopi^ könnte eher dem KAaTH EpaTH
ein sßaTH an die Seite stellen, als das im Vokal ganz verschiedene
RHUj;^ sein ncaTH. Man wird doch nicht annehmen sollen, dass
die Einth eilung der Verbalklassen in unsern Grammatiken für die
Sprechenden bestimmend gewesen sei?
4) cka;^ (ckaijR) ckAATH behält das "k, weil es sich anlehnt
an opKR cpaTH und alle die Verba derselben Klasse, die einen
vollen Wurzelvokal haben und ihn also nicht ausfallen lassen
können.
5) Mp;^ verliert k, weil es sich nach Mp'kTH richtet.
6) npocTpH hat sich nach -ctp'Sth gerichtet, daher kein k,
aber npocTkp'k muss sein k aus dem Präsens -CTkp;^ bezogen
haben; der Schreiber hat demnach npocTp;^ gesprochen, wenn ihm
gerade npocrp'kTH dunkel ins Bewusstsein kam, npccTkp-STH,
wenn ihm gerade npocTkp;^ vorschwebte, es kam ihm also nicht
darauf an, bald npocTkp;^ bald ußo^crp^, das eine mal npocTk-
p'tTH, das andre mal npocxp'KTH zu sprechen.
7) Ein wahres Unglück ist CTkpe OT'kpe (3. sg. aor.), dem ist
mit den bisherigen Erklärungsversuchen nicht beizukommen. Was
bleibt übrig? Die verzweifelte Annahme, das Verbum Tkp;s; TptLTH
habe wohl in dem Dialekt des Schreibers überhaupt nicht existirt ;
dann konnte er es ja ruhig buchstäblich aus seiner Vorlage ab-
schreiben.
Aber mit den Verben darf man sich nicht begnügen ; verbale
und nicht verbale Bestandtheile der Sprache unterliegen ja den
\
Noch einmal x und l in den altkirchenslavischen Denkmälern. 9
gleichen lautgesetzlichen Verhältnissen, der gleichen geschichtlichen
Lautentwicklimg der Sprache. Während in den überaus häufigen
Formen von KkCk (onmis) und seinen Ableitungen mit ein paar
Ausnahmen der schwache Vokal beständig fehlt, ebenso in kt^to
(107 mal KTO, 3 mal K'kto), steht er ausnahmslos in K^kUHra und
K'kHASk mit ihren Ableitungen (fast 50 mal). Warum bleibt er
hier? Auf S. 118 werden die wenigen Fälle aufgezählt, in denen
die Präposition bt». (kk) vokallos geworden ist: k cek'K 10 mal (ßk
ceKt: einmal), ß cfAlv\"k einmal; Formen von B'kCfAHTH zeigen
6 mal ßCf/\-, einmal ß'kCfA-, dann werden noch angeführt einmal
vorkommendes ßk chaIj, zweimaliges ßk chi*, dazu der Zusatz :
»die übrigen Beispiele« (nämlich der Lautgruppe ßkc-) »haben nach
c einen Consonanten«. Aus den Gesammtfällen wird S. 126 der
Schluss gezogen: »die Gruppe ßkc- hat offenbar im Dialekt der
Sav. kn. ihren Halbvokal nicht nur in den Grenzen eines und des-
selben Wortes verloren, sondern verlor ihn auch im Sandhi« (ge-
meint ist in Wortgruppen wie ß c6/\'Rx"k). Was berechtigt einen
aber., die paar Fälle, in denen ßi». (ßk) gerade vor c steht, loszu-
trennen von den sonstigen Verbindungen der Präposition mit anders
anlautenden Wörtern? Wie unterscheidet sich denn B'KcaAHTH
B'kCHraTH, ß'k-(ßk-) ckcTH, die im Codex ihr t^ bewahren, von
B'k-(Bk-)cfAHTH? Warum fällt das Tv (k) von bt». (ßk) vor keinem
andern Consonanten als c aus ; was kann den, der bccahth spricht,
hindern bsäth statt ß'kSATH (ßkSATH) zu sprechen und warum
lässt er hier t». (k) bestehen? Ferner, die Formen von ckTßOpHTH
werden 90 mal CTßop-, nur zweimal CkTBop- geschrieben; in Folge
davon heisst es S. 149: »die Gruppe CkTßO- hat ihren Halbvokal
verloren; die vereinzelten Schreibungen cts.tbc»p;r cnkTBCpfi müssen
graphisch erklärt werden, als phonetische Schreibung erscheint für
den Dialekt der Sav. kn. ctb-«. Es wird natürlich kein Mensch
annehmen, der Schreiber der Handschrift habe noch ckTßopHTH
gesprochen. Nach Scepkiu hat er aber nur hier das i». nicht mehr
gehabt, in allen andern Verbindungen das t* von Ck gesprochen.
Ich frage mich dabei vergeblich, was denn die Lautgruppe ct^tbo-
eigentlich für innere Eigenschaften habe, dass gerade sie das 1%.
fallen lassen muss, während noch dazu die Anlautsgruppe ctb- in
der Sprache fast nicht vorkommt. Der sonderbare Schreiber muss
CTBopHTH sprechen, aber CkßfCTH, CkKasdTH, ckAliCTH, ck-
10 . A. Leskien,
nacTH, CTs.p'feCTH spricht er mit 'K, nicht ckecth, cKasATH u. s.w.,
obwohl CB CK CA cn cp der Sprache geläufige Anlautsgruppen sind.
Auf das oben schon erwähnte KkCk (omnis) muss ich noch in
andrer Beziehung eingehen. Nahe an 250 mal wird ßc- geschrieben,
nur 12 mal steht bkc- (bt^c-; einmal b'cl); unter den Fällen sind
15 Beispiele von bcl (= nom.-acc. BkCk). Aus ßkck konnte nach
den sonst beobachtbaren gleichen Lautverhältnissen der erste
schwache Vokal nicht ausfallen, Scepkin bemüht sich aber (S. 128),
ein BCk als gesprochene Form glaubhaft zu machen: »bck anstatt
der alten regelrechten Form ßhCh könnte angesehen werden als
graphische Variante oder Verschreibung, entstanden unter dem Ein-
fluss der obliquen Casus mit bc-; aber die Rechtschreibung der
Sav. kn. ist ganz und gar frei von graphischer Bedingtheit und für
Verschreibungen sind die in Betracht kommenden Formen zu zahl-
reich. Man kann daran denken, dass die Form BCk = Ttäg, yMiurja
(BkCk xcüiit] wird nämlich in den 5 vorkommenden Fällen auch BCk
geschrieben) »wirklich unter dem Einfluss der obliquen Casus ent-
stand, aber nur in der lebendigen Rede. Solche Neubildung wie
BCk ist vollständig möglich auf Grund der Annahme, dass aus-
lautende 'k, k im Dialekt der Sav. kn. noch konsequent ausge-
sprochen wurden, und am Ende eines einsilbigen Wortes, wie wir
gesehen haben, sich sogar der vollvokalischen Gestalt näherte : o
und (((. Dies bezieht sich darauf, dass neben Ck ck (33 mal) auch
5 mal c( an Stellen vorkommt, wo nach dem griechischen Text Ck =
o'öTog erwartet wird (S. 102); nur an einer Stelle Bl. 46'' (= Matth.
21. 42) kann man sicher behaupten, dass das Masc. gemeint ist, an
den andern kann das Neutrum gemeint sein, es sind Stellen, in
denen o^vög eari stark deiktisch steht; aber ich gebe ruhig zu,
dass an allen fünf Stellen ovrog zu verstehen ist. Leider findet
sich nun nicht neben solchem c£ auch ein *BCf = jtäg Tcavxa. Auch
dieser Schwierigkeit wird Scepkin Herr: »wenn sich in der Sav.
kn. neben c« ovrog die Schreibung bc« rcäg nicht findet, so erklärt
sich das wahrscheinlich daraus, dass das Wort Ttäg fast nicht im
Stande war, den starken logischen Accent zu bekommen, unter dem
sich das hinweisende otxog nicht selten befindet«. Ich habe im
Gegentheil die Empfindung, dass an einer ganzen Anzahl von
Stellen, wo BCk steht, ein starker Nachdruck daraufliegt, vgl. z.B.
93'' (Joh. 13. 10) TAdroAa eiuio^ iccyct».- HSM'KBfH'Ki He rp'feEoycT'k
Noch einmal t uud l in den altkirchenslavischen Denkmälern. 1 1
T'KKMO HC»3'R OYM'KITH, tCTTv KO BCb MHCT^K, b leloVl-LeVOg Ol)
XQslav %%eL /; tohg Ttödag viipaad'aij äXX' eoriv -/.ad-ctQog oXog ;
mehr Nachdrücklichkeit kann man doch nicht verlangen; oder 44
(Matth. 18. 30) ßf,A,'k i KT^ca^XH Bk TkiiikHHii,;si, A^^m^A^^^f ktv3-
yVacT'k KCk ^VATvr-k CKOi, wo die slavische Uebersetzung sogar
gegen den griechischen Text (ewg änodCü rb dfp£il6f.ievov) das KkCk
eingesetzt hat, offenbar mit starker Betonung der ganzen Schuld.
Die Schreibung ßck ohne Vokal ist weiter nichts als eine Abbre-
viatur des häufigen und im Zusammenhange ohne weiteres ver-
ständlichen Wortes, und steht ganz auf einer Linie mit K'k (Kon»,),
HßCK'kl (HEKfCkCK'kl), HBCH'ki (HfKf CkH'kl), J^Uh ^'^Hk (AI*MI^)-
Scepkin kommt zu solchen weithergeholten Erklärungsver-
suchen durch seine ganze statistische Methode. Kommt die Weg-
lassung des 'k, k in einem bestimmten Worte regelmässig oder fast
regelmässig oder sehr häufig oder überwiegend vor, so schliesst er,
und wo es sich nicht etwa um Abbreviaturen handelt, wie bei ßCk
^Hk, mit Kecht, die Vokale seien nicht mehr gesprochen worden,
die wenigen Fälle der Erhaltung lassen sich dann einfach als Nach-
ahmung der Vorlage erklären. Sind die Beispiele von Erhaltung
und Verlust an Zahl wenig verschieden oder gleich, so tritt natür-
lich eine Verlegenheit ein, z. B. bei st^ati mit seinen Formen und
Ableitungen: 10 mal 3a-, 10 mal S'kA- (3kA-). Ein weniger scharf-
sinniger Mensch wäre vielleicht thöricht genug zu meinen : ein Mann,
der 10 mal 3a- schreibt und so gesprochen hat, kann in den andern
10 Fällen auch nur so gesprochen haben; wo er noch bimx- (3kA-)
schreibt, hat er eben seine Vorlage abgeschrieben. Nicht so Scep-
kin, er stellt eine viel feinere Erwägung au (S. 138): »in der Gruppe
3'kA- bietet die Sav. kn. bedeutende Schwankungen, wie' man sie
bei dem Schreiber unsers Denkmals im Falle vollkommenen Schwin-
dens des Halbvokals nicht erwarten würde. Man muss bemerken,
dass die Wörter 3A0Ba saoa'^h immer ohne t». geschrieben werden
und man nur in den Formen des Adjektivs S'kA'k, des Substantivs
3'kAO und des Adverbs 3kA'k Schwanken findet; vielleicht
wurde der Halbvokal in diesen Formen durch grammatische Ana-
logie gestützt: nehen 3'kA'k blieben 3'kAA 3'kAO 3kA'K bewahrt,
weil neben B'KA'k AP^^'^'i»' tlie zweisilbigen Formen b'Sao AP**'''^?
neben A'^Kp'k a^^kP'^ vorhanden wäre Man sieht, diese Leute des
XL Jahrh. sind nie verlegen, wenn sie gegen ihre natürliche
12 A. Leskien,
NeiguDg, den schwachen Vokal auszuwerfen, eine Hilfe brauchen,
in irgend einer Sprachecke finden sie immer etwas, das ihnen aus
der Verlegenheit hilft.
In den Worten, die einen an sich möglichen Ausfall von 'k, k
in der Schrift überhaupt nicht zeigen, wird angenommen, der Vokal
sei gesprochen worden, mögen die Widersprüche gegen analoge
Fälle, wo 1%, h in der Schreibung der Sav. kn. nicht steht, in laut-
licher Beziehung noch so gross sein. Wenn man so, wie Scepkin es
thut, alles vereinzelt, die analogen Fälle nicht im Zusammenhang
betrachtet, kommt ein Dialekt heraus, den ich in dieser Gestalt für
eine bare Unmöglichkeit halte. Von welchen Zufälligkeiten übri-
gens seine Bestimmungen zuweilen abhängen, davon noch ein Bei-
spiel: S, 119 werden 14 Fälle des Vorkommens von OBki^a und
seinen Formen genannt, alle mit k ausser einmaligem OB'ki^A;
dazu S. 129 die Bemerkung: »in der Gruppe -Kku,- ist der Ausfall
des k von Jagic zweimal im Zogr. angemerkt, in den übrigen Fällen
wird im Zogr. nur k geschrieben, ein Beweis einer bestimmten
Weichheit des folgenden ii,; in der Sav. kn. gibt es keinen Aus-
fall in dieser Gruppe« u. s. w. Das ganze Gerede ist hinfällig,
wenn Scepkin's Ausgabe zuverlässig ist, denn da steht 125*' wirk-
lich Oßll^A.
Mir kommt die Lösung der Frage nach dem Ausfall der
schwachen Vokale, wenn ich die gesammte Beschaffenheit der
Quelle betrachte, ziemlich einfach vor :
1 ) Der Schreiber hat im allgemeinen in seiner täglichen Rede
die schwachen Vokale in offenen Silben nicht mehr gesprochen.
Dabei gebe ich selbstverständlich zu, dass in einer Anzahl von
Fällen aus bestimmten Gründen, z.B. wegen der Schwierigkeit der
durch den Ausfall entstehenden Consonantengruppe, der Vokal er-
halten bleiben konnte. Aber aus der Ueberlieferung der Sav. kn.
lässt sich nichts derart mit irgend einer Sicherheit erkennen.
2) Wo er die schwachen Vokale schreibt an Stellen , die den
Ausfall erwarten lassen — und die Erwartung ist in einer Masse
von Fällen berechtigt — ist er seiner Vorlage gefolgt. Ein Schrei-
ber des XI. Jahrh. hatte sicher nicht die Absicht, den Evangelien-
text seiner Vorlage in seinen Dialekt umzusetzen, sondern wollte
ihn wiedergeben, wie er ihn vorfand; wenn sich also ältere Sprach-
formen älterer Denkmäler unverändert bei ihm finden, kann man
Noch einmal t und t in den altkirchenslavischen Denkmälern. 13
daraus an sich, aus seiner Handschrift heraus, niemals schliessen,
dass er sie in seinem Lokaldialckt noch gehabt hat.
3) Dabei besteht noch die Möglichkeit, dass Erscheinungen,
die in der Sav. kn. vorkommen und etwa für eine dialektische
Eigeuthümlichkeit ihres Schreibers gelten könnten, schon in seiner
vielleicht ebenfalls dialektisch gefärbten Vorlage standen und von
ihm so wie sie da standen, abgeschrieben wurden, also für seinen
eigenen Dialekt nichts beweisen.
4) Betrachtet man unbefangen die wirklich vorkommenden
Fälle der Weglassung von Tv, k, so stellt sich folgendes heraus:
In dem Verzeichniss Scepkin's habe ich in runder Zahl 880 Fälle
gezählt (die Beispiele von koah>k;i,o zählt er nicht alle auf, es wird
mit Ausuahme von zwei Fällen immer ohne 'k, k geschrieben), da-
von entfallen in runder Zahl 710 auf 7 Wörter und ihre Formen:
B(k)cbL (omnis) 247, kto 107, lUiHon», 100, mto 95, CTßopHTH 90,
MH-K MHOii^ 49, TTiKiuio 22. Dabei habe ich die Fälle nicht be-
rücksichtigt, wo statt der schwachen Vokale über dem Consonan-
ten "^ steht (z. B. lUi'^Hli ca. 50 mal), weil man nicht wissen kann, ob
der Schreiber nicht aus eigner Absicht oder aus seiner Vorlage das
Abbreviaturzeichen gesetzt hat, gesprochen hat er selbstverständ-
lich in diesen 50 malen so gut nur mh'R wie in den 40, wo er das
Zeichen *^ nicht anwendet. Von den angeführten Wörtern sind die
Formen von kkck, k'kto, yKHor-K, MkTO, iuiiiHIj, M'kHOiif; solche, die
in der täglichen Rede ungemein oft vorkommen, wie sie denn auch in
der einfachen Sprache der Evangelien alle Augenblicke stehen. In
diesen so gewöhnlichen Wörtern gibt der Schreiber seiner Sprach-
gewohnheit nach. Mit CKTKopiTf», einem ebenfalls sehr oft ge-
brauchten Worte, wird es sich nicht anders verhalten, zumal die
Bedeutung des Ck- (mit) hier völlig verblasst und das Wort nur
noch Perfektiv zu tkophth ist. Bei den übrigen ca. 170 Fällen
kann man allerlei Betrachtungen anstellen, warum so und nicht
anders geschrieben wird. Schwankt die Schreibung zwischen Er-
haltung von Tk, k und Weglassung, so wird man in den meisten
Fällen sagen müssen, es ist reiner Zufall, ob der Schreiber etwas
sorgfältiger in der Befolgung der alten Vorlage gewesen ist oder
ob er der Aussprache seiner Zeit folgte. Er schreibt die Formen
von STkAT». 10 mal ohne 'k (k), 10 mal mit ihm, die Formen von
KkpaTH (KT^p-) 18 mal KpaTH, 5 mal kt^path, Formen von ^kHk
14 A. Leskien,
12 mal A"-j 15 mal A"^"- (am häufigsten A^\i-, was hier nicht in
Betracht kommt), von ockatv viermal oca-, dreimal oc'ka- cckA-
u.s.w. Wie können solche Zahlen irgendwelche Bedeutung haben?
Wenn er den schwachen Vokal konsequent weglässt, so kann man
auch da Vermuthungen haben, warum es geschieht. Es wird ge-
schrieben npas^i^HTi, natürlich weil hier überhaupt h nicht aus-
fallen konnte, dagegen beständig (11 mal) npasH'Ki npasHH u.s.w.
npasHHK'k (das S. 123 verzeichnete npdSAHHKd ist ein Druckfehler).
Selbstverständlich hat er in allen Formen, wo dem alten h ein
voller Vokal folgte, das h nicht mehr gesprochen, so entstand aus
npasAH'Ki mit Wegfall des a das npasH'ki u. s. w. Der Fall ist
charakteristisch : der Schreiber lässt in den zahlreichen Adjektiven
auf -KHik den schwachen Vokal {h, unter Umständen 'h) so gut wie
niemals weg, in dem ganzen Denkmal finden sich nur ein paar ver-
einzelte Beispiele; npaskHiü npaskHH u.s.w. konnte er aber nicht
schreibeu, weil das neben npasAi^Hi^ gar keine mögliche Sprach-
form ist, offenbar waren für seine Empfindung npaSHa npasHOif
npasHH u. s. w. die normalen Formen zu npasAi^HTv.. Scepkin
hätte sich eigentlich wundern müssen, dass bei der Vorliebe für
weit hergeholte Analogiebildungen, einer wahren Analogiesucbt,
die er dem Manne zuschreibt, dieser gar nicht darauf verfallen ist,
nach der gewiss naheliegenden Analogie von npasAt^Hiv auch ein-
mal npasA^HTü zu sprechen und zu schreiben. Bei der konsequen-
ten Schreibung ncaTH kann es so liegen, dass der Schreiber in
seinem Dialekt nur RHcarH kannte, das ja früh in den südslavi-
schen Sprachen auftritt und endlich nkcaTH ncaTH ganz verdrängt
hat; fand er nun in seiner Vorlage nkcaTH, das er ncaTH las, und
ncaTH, so konnte er diese ihm ungewöhnliche Form beständig
schreiben, wie er sie las. Auf der andern Seite mochte er beständig
nocKAaTH durchführen, weil er vielleicht statt nocTkaaTH schon
nocAATH (aus nocTAATH) hatte und eine Schreibung nocaaTH =
nocTvAATH daher undeutlich war. Ich gebe auf derlei Vermuthun-
gen weiter nichts, man mag sie annehmen oder verwerfen ; es ist
mir genug, dass aus der Betrachtung des Denkmals für den Dialekt
des Schreibers nichts weiter hervorgehen kann als der oben unter
1) ausgesprochene allgemeine Satz.
Noch einmal t und b in den altkirchenslavischen Denkmälern. 15
II. Der sogenannte Umlaut des i»., k.
In den »Studien über das altslov.-glagol. Zographosev.« hat
Jagic einen eigenthtimlichen Vorgang, die Vertretung von i». durcli
b, von k durch 'k unter bestimmten Bedingungeu, beobachtet und
genau behandelt. Das Resultat kann man, von allen Einzelheiten
und Abweichungen und allen weiteren Fragen, die sich daran
knüpfen, einmal abgesehen, auf die Formel bringen: steht eine
Silbe mit ursprünglichem T\ vor einer Silbe mit weichem Vokal, so
geht Ti in k über; steht eine Silbe mit ursprünglichem k vor einer
Silbe mit hartem Vokal, so geht k in i^ über. Das gleiche Ver-
fahren zeigen auch andere Denkmäler in grösserem oder geringe-
rem Grade, darunter Sav. kn. Dies Denkmal hat Scepkin auch in
Bezug auf den »Umlaut« untersucht (S. 186 — 209); eine Einleitung
dazu bildet der allgemeine Abschnitt »Die Gesetze der Verände-
rung der Halbvokale in den slavischen Sprachen« (S. 169 — 186);
hineinzuziehen ist in die Betrachtung auch das Kapitel »Verände-
rung des Lautes k nach s- und s- Lauten« (in jk h qj jka c 3)
S. 150—169. Die Thatsachen sind nach den Angaben Scepkin's
mit einigen Ergänzungen folgende :
1 . Nach lu n; H jk ^ i|i wird ursprüngliches k im Auslaut wie
in inneren Wortsilben so überwiegend durch Ti vertreten (ca. 270 mal
!>>, ca. 60 mal k, vgl. namentlich LU'kA'^ 101 mal gegen nur vier-
maliges mk^i.'k), dass kein Zweifel sein kann, der Schreiber habe
hier 'k gesprochen. Da es nun hierbei gleichgiltig ist, ob die folgende
Silbe harten oder weichen Vokal hat (z. B. a^i^^t^""*^t^j btsJiutx-
HH^T^, s- S. 150), fallen alle Beispiele, wo altes t», nach m u.s. w. statt
k vor folgender harter Silbe steht, aus der Betrachtung des Umlauts
heraus. Scepkin erklärt S. 156 die Erscheinung aus der Organ-
stelluug bei ä u. s.w., die zur Labialisirung führe; ganz richtig, nur
möchte ich bemerken, dass es sich nach meiner Meinung dann nur
um hartes s u. s. w., nicht um erweichtes 6'' u. s. w. handeln kann.
Doch es kommt mir hier nichts darauf an, die Thatsache genügt.
Anders steht die Sache bei 3 und c. Was 3 betrifft, so kann
unter den S. 153 aufgezählten Fällen das einmal vorkommende ck-
3'k;i,aTH nicht in Betracht kommen, da ja hier t». aus k wegen der
folgenden harten Silbe entstanden sein kann; KAH3'k hat ebenfalls
keine Bedeutung, denn es kann ursprünglich so gelautet haben ;
16 A. Leskien,
ferner wenn viermal k'khas'K, dreimal KT».HA3k, zweimal n-SHASk,
einmal CKkAASiiL geschrieben wird, so kann man solchem Zahlen-
verhältniss nichts entscheidendes entnehmen. Alle andern Bei-
spiele beschränken sich auf Formen von Skp-RTH und von B'k3-,
hs-lm;?»: 35 mal steht Skp'tTH, 8 mal ST^-p-kTH; das spricht doch
nicht gerade für den angenommenen Lautvorgang; von ß'KS-,
H3T».iui;^ werden zwar 19 Beispiele aufgezählt, aber davon haben 7
die betreffende Silbe vor folgender harter Silbe, können also nichts
entscheiden, den verbleibenden Fällen stehen aber andere 10 mit
k gegenüber. Dazu kommen mit h K03kAHL|Jk K03kAA 4 mal,
CKBASkHra (116) 2 mal. Man kann hier doch im Ernst nicht reden
von einem Uebergang des k in t». in Folge der Stellung des k nach
3, und die Erklärung des Vorgangs aus einer Aussprache des 5, z
mit vorgestülpten Lippen ist ein schwacher Nothbehelf, denn wie
will man diese Aussprachsart je nachweisen. Wenn man annimmt,
dass der Schreiber 3p'tTH u. s. w. sprach, so konnte es ihm auch
leicht passiren, dass er bei seiner Gewohnheit, die schwachen Vo-
kale gemäss seiner Vorlage zu schreiben auch wo er sie nicht
sprach, in einer massigen Zahl von Fällen den falschen Vokal
setzte. Noch misslicher steht es mit s (S. 154): Formen von KHC'kp'K
dreimal nur so; Formen und Ableitungen von K'bckH'K zweimal mit
tk, einmal mit k. Formen von ockA'K einmal mit 1%, einmal mit k
(oc'kA'k ist auszuschliessen, weil eine Silbe mit hartem Vokal folgt).
Also alles vereinzelte Beispiele; für mich beweist übrigens das
fünfmalige oca- (ocAa u. s. w. S. 125) klar, dass der Schreiber das
k in den offenen Silben nicht sprach, so dass eine Entgleisung
ockAA statt ockAA gar nichts verwunderliches hat. Uebrig bleibt
noch, dass 6 mal CK^e geschrieben wird gegen 4 mal Ck^c, 12 mal
CK (== o'ÖTog) gegen 27 mal ck, wobei das fünfmalige Cf nicht mit-
gezäblt ist, obwohl das auch nur auf ck beruhen kann. Wenn wirk-
lich eine Neigung bestand, die Silben mit ck- in ct».- umzuwandeln,
warum geschieht es nie in dem IS mal vorkommenden BkCk. Da-
bei ist noch zu bedenken, dass es barer Zufall ist, wenn wir nicht
noch viel mehr ck- finden; die beiden häufigen Adjektiva HCKfCkCKiv
HEBfCkHiv (beinahe 50 mal) werden immer abgekürzt geschrieben:
HECK- HKCH-, aber 56'' steht wirklich einmal im Text HBCkHiviA.
Für mich ist Ck^f nichts weiter als getreue Abschrift älterer Vor-
lage, gesprochen aber vom Schreiber sde und deswegen gelegentlich
Jfoch einmal -h und b in den altkirchcnslavischen Denkmälern. 1 7
auch mit einem ebensowenig gesprochenen "k geschrieben. Nicht
anders steht es mit ck ; derselbe Mann schreibt auf derselben
Seite 148 die Wendung oövög kori dreimal Tcrschieden: ck jct'k,
CK fCT'k, cf ecTTi, und ich kann es nicht im entferntesten für mög-
lich halten, dass er in seiner täglichen Rede alle drei Formen
brauchte.
2. Der Uebergang von k in Tv vor folgender harter
Silbe (S. 200), wobei die Stellung nach in u. s. w. natürlich ausser
Betracht bleiben muss. Ich behaupte, dass sich aus der Ueber-
lieferuDg der Sav. kn. nicht entnehmen lässt, dass der Dialekt des
Schreibers diesen Uebergang gekannt hat. Möglicher Weise hat
er so gesprochen, darauf kommt es hier nicht an, sondern nur
darauf, dass seine Schreibweise das nicht beweisen kann. Da
hier Scepkin keine durchgeführten Listen der in Betracht kommen-
den Fälle gibt, gehe ich von meiner eignen Beobachtung aus:
A. Ich zähle von Beispielen des Suffixes -khi». vor folgender
harter Silbe 92. Was steht mm dem gegenüber? KpkKTkHa einmal,
daneben einmal KpkKHO; k'Kcts.H'ki s'Sc'KHOi'iTRiIJa zweimal, da-
neben einmal K'^ckHoyK»; HCß'tp'h.H'ki zweimal, daneben zweimal
HEB'kpkH'ki und die Formen K'RpkH'k B'KpKH'ki 6 mal: no^OKTvHO
einmal (131b), daneben 7 mal no,\,c>KkH- vor harter Silbe; einmal
npHCKOkB'KHa neben npHC!;pkRkMa und npHCKpkEkH'k; c;?;-
KOT'KfrkJ 5 mal nur so ; i^pKß'kHara einmal. Das sind im ganzen
14 Beispiele, davon alle bis auf die beiden letzten in der Schrei-
bung zwischen 'K und k schwankend.
B. Suffix -kCK'k: 29 Beispiele mit k vor folgender harter Silbe,
denen gegenüber 5 Fälle mit t*.: HCKapHOT'kCK'Ki HCKapHOTT»,-
CKO\'Mov' (daneben zweimal HCKapacTkCKTvi), pov'M'kCK'Ki pHnn^-
CK'KIMH, CTpaYCT'kCKOJTf».
C. Suffix -kCTBO : 29 Beispiele, alle mit k ; die 6 Fälle mit
-'kCTKO haben vorher m oder jk (mhojk'kctko, ßaa^'^iHivCTBO u.a.).
Man wird wohl einräumen, dass die unter A — C besprochenen
Fälle keine Handhabe geben für die Annahme, der Schreiber habe
vor harten Silben t». statt k gesprochen. Aber zugegeben, er habe
es gethan, dann sind die 150 Fälle mit k gegenüber den vereinzel-
ten mitT». Fehler vom Standpunkt des Dialekts, natürlich sind
sie ganz richtig als Abschrift einer älteren Vorlage, die hier überall
k hatte. Es ist wirklich erstaunlich, dass der Schreiber in den
Archiv für slavische Philologie. IXVII. 2
lg • A. Leskien,
häufigen Wörtern auf -kH^k, -kck'k, -h,CTBO so selten in seinen
Dialekt verfallen sein soll. Scepkin ist diese Schwierigkeit nicht
entgangen, aber das Prinzip muss gerettet werden, und er versteht
sie glänzend zu lösen (S. 206): »In der Sav. kn. wird ausser einer
unbedeutenden Zahl von oben erwähnten Fällen das k des Suffixes
-kH- der Verwandlung zu t». in Abhängigkeit von folgender harter
Silbe nicht unterworfen. Es ist die Annahme unumgänglich, dass
im Dialekt der Sav. kn. die ursprüngliche Form des Suffixes im
gegebenen Falle durch Analogie gestützt wurde. Die Fälle, wo das
k des Suffixes -kH- sich zu voller Kürze entwickelte i), sind zu
wenig zahlreich, als dass man annehmen könnte, die Analogie sei
ausschliesslich von ihnen ausgegangen (n. sg. m., g. pl. auf -kHiv);
es bleibt die Annahme, dass die Analogie von solchen Gruppen
ausging, wo die umgebenden Consonanten noch das k des Suffixes
-kH- vor verstärkter Irrationalität bewahrten und damit zugleich
vor der Neigung zu i». vor harter Silbe; so konnten z. B. alle die
Gruppen wirkeu, in denen wir nicht ein einziges mal die Schrei-
bung T^ statt k finden: -KkH-, -AkH-, -HkH-, -CTkH-. Ausserdem
konnte die Sprache bei den Adjektiven auf -kHT». -wha -kno unter
dem Einfluss der Adjektiva und Participia auf -«ht». -HH'k -aH'k
nach Bewahrung einer bestimmten Silbenzahl streben. Oben hatten
wir mehrmals Gelegenheit einzuräumen, dass im Dialekt der Sav.
kn. die verschiedenartigen und verwickelten im Schicksal der Vo-
kale 'k und k beobachtbaren Erscheinungen nicht ausschliesslich
durch die Wirkung von Lautgesetzen erklärt werden können (c u.s.w.
Mir werden diese Leute immer räthselhafter; sie haben die Ten-
denz, vor harten Silben k in 'k zu wandeln, bethätigen sie auch in
bestimmten Fällen (z. B. Ki^paTH, s. u.), aber bei dem Suffix -kHii
lassen sie es nicht dahin kommen, sondern in ihrer ungeheuer
feinen Empfindung für Erhaltung von Gleichmässigkeiten in der
Sprache lassen sie sich bestimmen, dem natürlichen Drange zu
widerstehen, und zwar von mehreren Seiten zugleich. Warum ihnen
nun eigentlich nom.-acc. sg. wie K'SpkH'K roac'KI^h'k u. s. w., die
doch als Satzprädikate in der täglichen Rede recht oft vorkommen
1) Gremeint ist die Entwicklung des »irrationalen« i. an Stellen, wo es
nicht ausfüllen kann, zu normaler Kürze, in welchem Falle es auch in e über-
gehen kann.
Noch einmal x und b in den altkirchenslavischen Denkmälern. l9
mussten, nicht dazu genügten, um auch BtkpbHa u. s. w. festzu-
halten, verstehe ich nicht. Genug, es war ihnen nicht hinreichend,
es müssen noch auf sie wirken Gruppen wie -ki^h-, -akh-, -Hkti-,
-CTkH-, in denen nach Scepkin der Vokal nicht ausfällt. Man
könnte hier noch die Zwischenfrage aufwerfen, woher Scepkin
weiss, dass z. B. in der Lautgruppe -CTkH- das h vor gesteigerter
Irrationalität bewahrt blieb; er kann es ja nur wissen aus dem
Denkmal selbst. Es ist zwar richtig, dass hier k niemals ausfällt,
aber das Niemals bezieht sieh auf die beiden allein vorkommenden
Beispiele pacno^cTkNivi und OKpkCTkHA/Ä. Doch wenn man alle
Fragen, die einem bei Scepkin's Verfahren aufstossen, wirklich
stellen wollte, käme man nie zu Ende, und ich lasse das auf sich
beruhen. Die Wirkung der Gruppen -Kkii- u. s. w. genügt aber auch
noch nicht, die Sprechenden empfinden zu Liebe von Adjektiven oder
Participien wie SfAfH'k, EiXATKüHs,, cecrpHH'k, KOJKaHT»,, ^\1vaaH'K,
fem. stAiHA u. s. w. noch das Bedürfniss, in ß1ipkna u. s. w. zu
K'fepkH'k keine Silbe verloren gehen zu lassen. Ich verstehe nur
nicht, warum sie dieser Silbenerhaltungstrieb abhalten soll, das k
in Tk. vor harter Silbe zu verwandeln, ßljpTkHa u.s.w. hätten ja die
gleiche Silbenzahl, Soweit meine Erfahrung in Sprachen reicht,
ist ein Dialekt, wie ihn Scepkin konstruirt, in Sprachgeschichte und
Sprachpsychologie ein unicum, ich empfehle ihn den Psychologen
ganz besonders.
Bei den Formen von -kCKi». versagt die beliebte Analogie an-
derer Formen. Aber man darf doch nicht annehmen, der Schreiber
habe in den 29 Fällen seine Vorlage abgeschrieben. Hier muss er
vielmehr (S. 203) die oben angeführten Fälle mit t». aus dem Urtext
kopirt haben. Und warum? > Obwohl nur das erste von ihnen (t
(den Beispielen) »den lautlichen Bedingungen des Dialekts der
Sav. kn. widerspricht i), kann man vermuthen, dass sie alle vom
Schreiber übernommen sind in der Form, die sie im Original hatten;
in den Suffixen wurde das stark irrationale k im Dialekt der Sav.
kn. hartnäckig gehalten durch Analogie, und es wäre unl)egreiflich,
warum nur in den angeführten sechs Buchwörtern, die fremde geo-
graphische Namen enthalten, t^ geschrieben wird; natürlicher ht es
anzunehmen, dass der Schreiber diese Wörter eben deswe -cn ohne
1) Gemeint ist epÄaHT>cutn, weil es t statt b vor weicher Silbe hat.
2*
20 A. Leskien,
Veränderung aus seinem Original kopirte, weil es Buch Wörter warem.
Nun will es aber das Unglück, dass doch in einigen Ableitungen von
fremden geographischen Namen k steht: zweimal HCKapHOTkCKid,
je einmal rtpkrecHHbCK'kiA, HasapfTbCKa, H{p^aMkCK;fkH^. Aber
auch dagegen kann der geübte Scharfsinn eine Hilfe finden : »Wir
haben schon Gelegenheit gehabt zu bemerken, dass der Schreiber
der Sav.kn. ein gutes Gehör besass und mit Erfolg die Laute seines
heimischen Dialekts in der Schrift ausdrückte, dass er aber dabei
keine gründliche Kenntniss der Buchsprache besass. Im Worte
ipA'iHkCK'k finden wir Schwanken zwischen 'k und i%, aber in
rfpkPECHHh.CK'K, HasapfTLCKTv nur k« (NB., die Wörter kommen
überhaupt im ganzen Text nur einmal vor), »vielleicht aus dem
Grunde, dass dem Schreiber aus dem Evangelientext die Substan-
tiva HfpA'iH'K, HasapfT'k, d. pl. rep^recHHOMT». gut bekannt sein
mussten, von denen er dann die Adjektiva auf -kCK^k gemäss sei-
nem Dialekt ableitete«. Also das wahrlich im ganzen Osten all-
gemein bekannte Wort phm'k poymtsl (Rom) kannte dieser Mann
nicht, konnte daher auch nicht seinem Dialekt gemäss pHMkCKHk
poYMkCK'K bilden, sondern musste aus seiner Vorlage -TkCKT». ab-
schreiben. Ueber dies Erklärungskunststück mag ich kein Wort
mehr verlieren.
D. Die übrigen in Betracht kommenden Fälle sind einzelne
Wörter: Ki^paTH viermal neben gewöhnlichem cpaTH; c'ks'ka^t'M
einmal neben zweimaligem c^kS^aTH ; ockAT». neben cca- viermal;
Formen und Ableitungen von npaßkA^» vor harter Silbe dreimal
mit 'k, einmal mit k ; Formen von Tkiuia bei folgender harter Silbe
5 mal nur mit t».; B'k/i^OKa B'k^OKH^a 9 mal nur so. Bekanntlich
ist K'kpaTH ß'k,A,OKa die stehende Schreibung auch in andern
Quellen, darunter Zogr., und ich bestreite gar nicht, dass es sich
hier um einen lautlichen Vorgang handelt ; was ich bestreite, ist.
dass aus den paar Fällen irgend ein Schluss auf den Dialekt des
Schreibers der Sav. kn. gezogen werden kann, er kann sie sämmt-
lich aus der älteren Vorlage übernommen haben. Er hat an 11
Stellen Formen von Mk3A<», alle mit zweiter harter Silbe, und
schreibt alle mit k, während im Zogr. ebenso konsequent t». steht ;
da haben wir also die verlangte Form. Aber der Schreiber der
Sav.kn. darf lUikSA^ ßicht aus seiner Quelle haben, sondern (S.202)
»man kann annehmen, dass dank der Consonantengruppe m-zd das
Noch einmal x und b in den altkirchenslavischen Denkmälern. 21
k dieses "Wortes noch nicht zu einem beträchtlichen Grade der
Irrationalität gelangt war und seine Neigung zu i». deswegen nicht
so stark war(f. Bei alledem kommt noch ein Umstand hinzu: es
findet sich 'k statt altem h auch vor folgenden weichen Silben.
Aus dem Text habe ich angemerkt: Formen von ß'KS-, HS-kM;^
(HS'kMST'k U.S.W.) 12 mal mit t*, dazu 3 mal c'kHT4.MHtjie; Formen
von 3kp1vTH 8 mal 3'kp- (oAfS'kpHiJUH u. a.) neben sehr zahlreichen
3kp-; pacJi'KHH einmal neben mehrmaligem pacnkHH; CK^e 6 mal
neben Ck^e 4 mal; T'kiui'k 2 mal neben Tkiui'K einmal; ockaa ein-
mal neben einmal ockAA und zweimal ocaa; npdß'K^'k einmal
neben einmal npaKk^'fe; ß'KCk (omnis) einmal; mviiieHHU,;^ ein-
mal; p'kH'RTa einmal neben pki^'tTa pki^'kT« pku,H 9 mal; OT'kpe
einmal neben OTkpe; HHonAEiuiEH'kHHK'K wacA'fe^^'KHHK'K je ein-
mal; OK'Ku.Ä einmal neben OBki^A 8 mal; MtT'ktp'kMH einmal. Es
mögen vielleicht noch ein paar Einzelheiten dazukommen, die ich
übersehen haben kann, bei der geringen Zahl der Fälle (42) gegen-
über der Menge des vor weichen Silben richtig erhaltenen k kommt
nichts darauf an. Wenn man annimmt, der Schreiber habe überall
vor weichen Silben altes k als solches gesprochen, so sind jene Ti
für seinen Dialekt nichts als Fehler, mögen sie nun aus Nachlässig-
keit entstanden sein oder aus buchstäblichem Abschreiben einer
Vorlage, die an der betreffenden Stelle t». hatte. Die Erklärung
genügt vollkommen, auch Scepkin nimmt sie im ganzen an, aber
ohne Spitzfindigkeiten geht es wieder nicht ab (S. 201); ockaa ist
doch möglicher Weise so gesprochen worden und zwar nach Ana-
logie von oc'kA'k. Der Hergang soll dabei der sein: ockAii hat
sein k in T». verwandelt wegen der folgenden harten Silbe oder der
iabialisirenden Wirkung von c oder aus beiden Ursachen, dann
wird das ocka- übertragen in Formen mit folgender weicher Silbe,
daher ockAA. Ich kann mich eines gewissen Mitleids mit dem
armen Schreiber der Sav. kn. nicht erwehren ; was hat der Mann
mit seiner Sprache für Mühe gehabt, ehe er alles in den richtigen
Schick brachte: ockAA sollte er nach dem Gesetz des Dialekts
eigentlich sprechen, thut das auch wohl, denn er schreibt einmal so,
kann sich aber durch oct^ats. bewegen lassen, auch ockAA zu
sagen, dabei schreibt er zweimal ocaa (dazu ocaa ocah), nichts
hinderte ihn natürlich auch so zu sprechen (ockAA cckAA ocaa
stehen auf derselben Seite 84 neben einander); am Ende muss er
22 A. Leskien,
sich in hoffnungsloser Verlegenheit befunden haben, wie er im
täglichen Leben seinen Esel, falls er einen besass, eigentlich be-
nennen sollte.
3. Wandlung von 'k in b vor folgender weicher
Silbe (S. 186 fg.).
Es handelt sich dabei in der Sav. kn. hauptsächlich um die
ausserordentlich zahlreichen Fälle von ßh- Bk3-, von ßk vor Casus.
Von Fällen des kt», vor Casus mit erster weicher Silbe zählt Scepkin
210 Kk, 155 BT^; von bk- bks- in Zusammensetzungen zähle ich
nach dem Verzeichniss S. 192 (mit Abrechnung von 4 Fällen, wo
Bk- vor harter Silbe steht, z. B. b^ko^chth, und den Beispielen
von BkRHTH und BkH'k, die keine Präposition enthalten) in runder
Zahl 260, von erhaltenem bt».- BTkS- ca. 25 (davon kommen 9 auf
Formen von bt^sath, die andern sind vereinzelt). Ferner wird
beständig geschrieben BkOHTH (rufen; konsequent daneben b'ks'k-
nHTH, davon unten) 12 mal, dazu BknAk zweimal; KkH-b (zu btvH'k)
viermal nur so. Was ausserdem vorkommt, ist in der Schreibung
schwankend oder ganz vereinzelt: Formen von K'k^'feTH mit k
7 mal, mit t». 2 mal; einmal SkA'fe, daneben je einmal s^KAli st^ah:
CKpkrkqjA einmal; ck HHiuik dreimal, Ck icoMik einmal, neben zahl-
losen CK vor Casus und in der Zusammensetzung; dazu CkHkMHiyk
3 mal neben CTvHkiui- 11 mal; AWKkBe AiOBkBH 5 mal (vgl. dazu
HcnAC»;\,'kBH; die Formen von u.pkKTü werden alle abgekürzt ge-
schrieben); einige Male im Participialsuffix -kiu- statt -'kiu- (im
ganzen etwa 10 mal), während sonst in der überaus häufigen Form
Tk festgehalten wird.
Es bedarf keiner Versicherung, dass bei dem oben angegebe-
nen Zahlenverhältniss die Schreibungen Bk, BkS kein Zufall sind,
sondern einen bestimmten Grund haben. Die Frage liegt aber so:
kann man aus den sämmtlichen in Betracht kommenden Fällen, wo
statt T». vor weichen Silben k geschrieben steht, für den Dialekt des
Schreibers schliessen, dass er ganz allgemein so gesprochen hat?
Ich leugne das. Weur mau alle Beispiele weglässt, wo t». vor s z c
k zd steht, also die regelmässige Schreibung a^^u^th npuT-KHa
u. s. w., die Participia auf -'kiu-, weil man hier annehmen könnte,
die Consonanten seien hart gesprochen und daher die Wirkung auf
'k nicht eingetreten, so bleiben doch bei jener allgemeinen An-
nahme eine Anzahl Erscheinungen unaufgeklärt. Es wird beständig
Noch einmal i. und t in den altkirchenslavischen Denkmälern. 23
BkHHTH, dazu ßkriAK (^ K'kfiAk) geschrieben, ebenso beständig
aber B'k3'KnHTn; warum hier denn nicht BT^SkiiHTH oder ßk3k-
nHTH ? Die Berufung auf eine angeblieh labialisirende Wirkung
des 3 nützt, wie schon oben ausgeführt, nichts. Man kommt dabei
doch nothwendig auf den Gedanken, der Unterschied von ßknHTH
und ß'k3'KnHTH beruhe darauf, dass dem letzten das ß fehlt.
Ferner muss man die Frage aufwerfen, wie es komme, dass das
auslautende 'k andrer Präpositionen, Ck K'k, die Wandlung vor
weichen Silben nicht eintreten lässt, die paar Beispiele von ck HHMk
und CkHkiiiHL[Jk können doch nichts beweisen, und ein Kk kommt
gar nicht vor. Nun kommt zwar neben 6 mal K'k/k,« ziweimal Kk^e
vor, das gleichartig gebildete ck^f (mit altem k) erscheint 4 mal so,
6 mal als ct%.j^(. Wenn man in diesem Falle von labialisirender
Wirkung des c reden will, so labialisirt doch k nicht, warum denn
niemals Kk hhhi'k u. dergl.; in derselben Lage ist kt^hmta mit
seinen Ableitungen (über 30 Fälle), es wird aber nur kt^h- ge-
schrieben, ebenso K-kHASk mit Ableitungen (12 mal). Das Präsens
nocKAtäR hat nie k; wenn man hier nicht die allgewaltige Analogie
von nctCKAaTH anrufen will, bleibt das unverständlich. Die 8 For-
men des Präsensstammes ckrh-, die 6 Formen von CKTkHHKiv
und c'kT'feX'T^ sind ebenso hartnäckig in Bewahrung des 'k. Der
6 mal vorkommende Lokativ zu c'KH'k heisst immer c'KH'k; hier
ist ein Vergleich mit ß'kH'K (14 mal) und ßkH'6 (4 mal) lehrreich;
dem ß-kH-k hat die Beziehung zu bt^ht». nicht geholfen sein 'k zu
erhalten, die Sprechenden folgen hier ihrem natürlichen Drange
und sprechen BkH-k; in CKWk halten sie Tv fest, weil sie daneben
CKHik haben? weil ihr c labialisirt? Ich unterlasse es, weitere
V
Einzelheiten anzuführen; erklären kann man sie nach Scepkin's
Grundsätzen alle; man hat ja die Wahl: .buchstäbliches Abschrei-
ben der Vorlage, Analogiebildungen der mannigfachsten Art, la-
bialisirende Consonanten, verschiedene Grade der Irrationalität von
Tk, k, endlich — aber das darf nur im äussersten Nothfall ange-
nommen werden — Schreibfehler oder Nachlässigkeiten.
Wenn ich die Ueberlieferung der Sav.kn. betrachte ohne andre
Quellen hineinzumischen und ohne irgendwo gewonnene Theorien,
so komme ich zu folgendem Resultat: 1. abgesehen zunächst von
Bk, Bk3 können die Fälle der Handschrift von ^k statt k vor harten,
von k statt T», vor weichen Silben nicht beweisen, dass in dem Dialekt
24 -^- Leskien,
des Schreibers so gesprochen wurde. 2, ßb, Bk3 sind gesprochene
Formen gewesen, aber ob der Schreiber der Sav.kn. sie gesprochen
hat oder der Schreiber seiner Vorlage, von dem er sie nur übernom-
men hätte, so sprach, lässt sich aus dem Text der Sav. kn. nicht
ausmachen.
III. T., h am Wortende (S. 224 fg.).
Es gibt bestimmte Formenkategorien, bei denen der Schreiber
zwischen t*. und k am Ende schwankt: instr. sg. (urspr. -Mk): -wk
und -mk; loc. sg. pron. (urspr. -Uh): -mt». und -Mh; dat. pl. (urspr.
-wk): -mtv und -Uh; 1. sg. praes. (urspr. -Mh): -wk und -mk; also
sämmtlich Formen mit ursprünglich auslautendem -mt». oder -Mk,
Dazu kommen einige Fälle der 3. sg. praes. auf -Tk (14 Fälle, da-
runter 4 mit Korrektur des -Tk in -ttv) gegenüber der Unmasse
der Beispiele mit dem gewöhnlichen altkirchenslavischen -tt». der
3. sg.pl. praes. Was bleibt, ist wenig genug, fast lauter vereinzelte
Fälle mit t». für altes k: mpkK'kBT». 3 mal (2 mal i^pkK'kßk), einmal
KTs. H;RTp'k, K'kHAST». 4 mal (K'kHASk 3 mal), dazu einmal R'Khas'k
(n'SHASk 2 mal), je einmal bt». ht^. Ha ht». (dagegen Hk = Hk
15 mal), einmal luiaTepT^ (MaTfpk 3 mal). Diese Zahlenverhältnisse
sind zu gar nichts verwendbar, ebensowenig die Zufälligkeit, dass
einmal EAacTT». (gegen 14 mal BAacTk), einmal B'ScT'k neben ein-
mal B'tCTk geschrieben ist, da die alten «-Stämme im ganzen Denk-
mal, wo nicht 6' z U.S.W, vorangeht (Hoqi'k) das k konsequent fest-
halten (rocnoA«*, n;RTk, nAi^Tk, MACTk, ;i,kHk u.s.w., z. Th. sehr
oft vorkommende Wörter). Die fast regelmässige Schreibung H'k-
capT». (17 mal neben viermaligem u.'tcapk) erklärt sich aus der
Verhärtung des p, vgl. gen. n'Kcapa, gen. c;fknkpa zu c;^nkpk;
sonst halten die alten jo-Stämme, wo nicht s z u. s. w. in Betracht
kommt (m;^^;!*, HaiUT») das k konsequent fest: OTki^k ^-feaaTfAk
V
u. s. f. Scepkin zählt dann S. 229 noch die Fälle auf, in denen am
Ende k für t», steht; es sind abgesehen von den biblischen Eigen-
namen (nerpk neben njTp'k, Hasape^k u. dergl.) ein paar verein-
zelte Beispiele, so dass das zufällig nur einmal in der unbestimmten
Form vorkommende A'^kP'i^ als A^^^Pi^ erscheint, einmal ca"M*»
(34 mal mit i^) u. a. d. A., alles ganz gleichgiltige Fehler, die der
Schreiber, wenn er gerade Acht gegeben hätte, ebenso gut hätte
korrigiren können, wie er z. B. OT'kB'SiiJaBk in -ei%. verbessert hat.
Auch die Beispiele von -Tk neben -tt^ sind für mich irrelevant.
Noch einmal i. und l in den altkirchenslavischen Denkmälern. 25
Man kann sehr wohl annehmen, dass das Slavische in der 3. sg.pl.
praes. zwei Formen hatte, auf -n"k und auf -Tk, und diese Doppel-
heit verschieden erklären, aber aus den wenigen Beispielen von
-Tb in der Sav. kn. kann man die Existenz dieser Form für den
Schreiber nicht ableiten. Gerade dass er mehrmals ein schon ge-
schriebenes -Tk in -T'k verbessert, spricht dafür, dass die andern
paar Fälle ibm nur aus Versehen entschlüpft sind.
Die ganze Frage beschränkt sich also auf die Formen mit der
Endsilbe -mt». oder -Mk. Auffallend selten erscheint der dat. pl.
statt des ursprünglichen -M'k mit -Mk; aufgezählt werden (S. 227)
1 Fälle gegenüber der grossen Masse von richtigem -mi'k ; auch diese
verlieren alle Bedeutung, wenn man sieht, dass der Schreiber in
ebenso viel Fällen ein geschriebenes -JJik in -wk korrigirt hat. Die
1. pl. auf -WK schreibt er (nach S. 228) bei den wi- Verben einmal
-Mk (ecMk) gegen 12 mal -M'k (ßlvM'k, hlum'k), bei allen andern
Verben einmal npliM^-feMk 138 (in einem Falle ist die Lesung un-
sicher), sonst in den sehr zahlreichen Fällen nur -wk. Von einer
Vertretung des -wk durch -Mk kann also nicht die Rede sein; was
wirklich in Betracht kommt, ist nur die Ersetzung von -Mk durch
-M'K im instr. sg. und im loc. sg. pron., ferner die 1. sg. praes.
Von -M'k statt -Mk in den Casusendungen zählt Scepkin (S. 230)
122 gegen 225 mit altem -Mk; S. 228 stehen von der 1. sg. pr. mit
-Mk 67, mit -M'k 14 Fälle; zählt man alles zusammen, so ergeben
sich 136 -M'K, 292 -Mk. Die sehr zahlreichen Fälle des -M'K statt
-MK sprechen dafür, dass dem Schreiber der Sav.kn. das -M'K eine
normale Form war, die er überall hätte schreiben können, jedoch
nur in einer Minderzahl von Fällen, aber in einer absolut genommen
hohen Zahl, wirklich geschrieben hat, während er in der Mehrzahl
das -Mk seiner Vorlage abschrieb. Das -M'K kann an sich ver-
schieden gefasst werden. Falls die schwachen Vokale am Ende
überhaupt nicht mehr gesprochen wurden, war es gleichgiltig, ob
er -M'K oder -mk schrieb. Die konsequente Bewahrung des -k im
nom. acc. der i-Stämme lässt sich dagegen nicht geltend machen,
denn da handelt es sich um eine bestimmte Wortkategorie, bei der
auch einen Schreiber, der im täglichen Leben z. B. vlast statt
ßAacTK sprach, das grammatische Bewusstsein, die aus der Schrift-
sprache entnommene Erfahrung, dass zu den Casusformen auf -h,
-ki^ -HHR, -kMHk u. s. w. ein Nom. -Acc. auf -k gehört, dazu führen
26 A. Leskien,
konnte, regelmässig diese Formen mit k zu schreiben (vgl. Supr.).
Die Casusformen auf -Uh, 1. sg. pr. -OK stehen aber ausserhalb
aller solcher Beziehungen. Nimmt man dagegen an, die "k, k am
Ende seien noch gesprochen worden, so muss man schliessen, -mk
sei aus irgend einer Ursache in -M'k übergegangen. Möge man das
nun erklären können oder nicht, die Thatsache wäre da. Das ist
V
aber Scepkin viel zu einfach; S. 231 fg. werden über das Schwan-
ken von -mt». und -Mb merkwürdige Ansichten vorgetragen. Aus-
gegangen wird von dem Satze: weil wir wissen, »mit welcher
Konsequenz der Schreiber der Sav. kn. seine dialektische Redaktion
dem abgeschriebenen Text aufgelegt hat, müssen wir einräumen,
dass beide Endungen, -wk und -mk, in seiner Sprechweise gehört
wurden«. Wenn also beides da war, muss diese Sonderbarkeit er-
klärt werden. Den Ausgangspunkt bildet die Annahme: »lautlich
konnte die Variante -M'k nur im Instrumental entstehen« i). Der
Instrumental muss demnach die Analogie abgegeben haben für die
sonstige, nicht lautliche, Umbildung von -Uh. zu -yk. Nun be-
obachtet Scepkin, dass -mt». im loc. sg. pron. sehr selten ist (S.227):
7 Beispiele (davon. 5 vom Pronomen, 2 vom bestimmten Adjektiv)
mit -lUiTv gegen 115 -mk (96 vom Pronomen, 19 vom best. Adj.).
Hören wir den Grund: offenbar unterlag dieser Casus »fast nicht
oder gar nicht der Analogie von Seiten des Instrumentals«, man
müsse voraussetzen, die wenigen Formen mit -wk seien vom Schrei-
ber mechanisch aus seiner Vorlage übernommen. Nun will es aber
das Schicksal, dass auch im Instrumental der Pronomina (auf
altes -Mk), wo man doch entschieden die Wirkung der Analogie des
nominalen Instrumentals erwarten müsste, da die Formen ja auch
in der Bedeutung ganz gleich sind, das -wk selten ist: nach S. 226
vom eigentlichen Pronomen 10 Beispiele mit -wk gegen 51 mit-MK.
Darüber heisst es: »das führt auf die Annahme, auch hierher seien
sie« (die -mtv) »nur durch Analogie aus der Nominaldeklination
verschleppt« (^xo h ciOAa oni saneceHii jehuii. anajiorien nst nMen-
Horo cKJioHeHiH). Ich verstehe das so: die dem Dialekt normale
Form des instr. pron. war -mk; wo von dem Schreiber -li'k gesetzt
1) Mit Beziehung auf Fortunatov, JIcKuiu no *0HeTHKi ciapocjaBaHCKaro
K3MKa S. 212. Da diese Vorlesungen, so viel ich weiss, nicht gedruckt sind,
kann ich Fortunatov's Begründung nicht kennen ; selbst kann ich keine Ur-
sache finden, warum -mi. gerade im Instr. entstehen inusste.
Noch einmal t und i. in den altkirchenslavischen Denkmälern. 27
ist, kam ihm durch seine Gewohnheit die nominale Form mit -mtv
zu schreiben, dies auch beim Pronomen einigemale in die Feder ;
oder meint Scepkin, die gewöhnliche Sprechweise sei hier -mk ge-
wesen, gelegentlich habe der Schreiber aber nach Analogie des
nominalen Instrumentals auch einmal -wk gesprochen ? Einerlei,
jedenfalls meint er, dass -Mk im instr. sg. pron. zu den gesproche-
nen Formen gehört. Das wird weiter noch folgendermassen begrün-
det: »Man muss seine Aufmerksamkeit darauf richten, dass in der
Deklination der Pronomina -iuik in beiden Casus ohne die Variante
-WK in den Fällen erscheint, wo die Formen aus der Verbindung
mit den übrigen Casusformen ausgeschieden waren, nämlich in den
adverbiellen Ausdrücken tIvMkikj und noToyk . . . offenbar wur-
den T-kiuikJKf und noTOMk in der Sprache nicht mehr empfunden
in der Eigenschaft von Casusformen, sondern ausser Verbindung
mit ihnen in der Eigenschaft von unveränderlichen Wörtern 'c. Es
ist mir ganz räthselhaft, was eigentlich damit begründet werden
soll. Zugegeben, T'feiuik>Ke, noTOiuik hätten selbständiges Leben
gewonnen und T'KuwA^t sei dadurch vor der Wirkung des -iuitv im
Instrumental der Nomina bewahrt geblieben, so hätten doch um so
eher die nicht adverbiell gewordenen Instrumentale wie Hiuik HHMk
(so kommt es 27 mal vor gegen 4 mal hmt». HHiui'k) dem Zuge nach-
geben können; sie thun es hartnäckiger Weise nicht. Wir sind
aber mit den Schwierigkeiten noch lange nicht zu Ende. Der loc.
sg. der bestimmten Deklination des Adjektivs hat 19 mal -Mk, nur
zweimal -mt*; das ist einfach: »der Lokativ der zusammengesetz-
ten Adjektiva hängt in der Verwendung der Endung -Mk vollständig
vom Lokativ der Pronomina ab«. Schön, wir haben aber gesehen,
dass auch der Instrumental der Pronomina sich von der Analogie
des nominalen Instrumentals auf -MT». nicht bezwingen lässt, also
— sollte man denken — verhält sich so auch das bestimmte Ad-
jektiv. Durchaus nicht, sondern die S. 226 gegebenen Beispiele (14)
haben alle -mt*, mit -Mk kommt keins vor. Auch dafür muss ein
Grund gefunden werden, und er findet sich (S. 232): »der Instru-
mental der zusammengesetzten Adjektiva dagegen unterwirft sich
der Analogie der Nominaldeklination, d. h. die Endung -mt». im
Instr. sg. A^^^p-kiHMT». A'^Ep'kiMT». u. s. w. verbreitete sich nach
Analogie der nominalen Form derselben Worte, a^^eP^^i^t*; ^uf die
gleiche Weise übten die Formen KfAHfMT». rAdroA;RijjfM'k ihren
28 A. Leskien,
Einfluss auf Hfri\c;^i4JHü'K rAtirc»A;i^niHLn»,(f. Wem bei diesem
Hin und Her von Analogiebildungen der Atem noch nicht ausge-
gangen ist, verliert ihn vielleicht, wenn die letzte kommt. Scepkin
beobachtet, dass bei den harten o-Stämmen der Instr. sg. in 70
Fällen -om'k, in 18 -ouk hat, dass dagegen bei den weichen o-
Stämmen und den «'-Stämmen das Verhältniss ein sehr anderes ist :
22 mal -iWK -bMiv, 42 mal -tMk -h.Mi^. Was die Trennung der
beiden Kategorien eigentlich für einen Sinn hat, ist mir verborgen.
V
Genug, Scepkin trennt sie, und da nun der Schreiber bei den wei-
chen Stämmen vorwiegend -uk schreibt, muss er auch so ge-
sprochen haben — nach Scepkin's Grundsätzen. Ich hätte nicht
geglaubt, dass menschlicher Scharfsinn für diese Absonderlichkeit
einen sprachlichen Grund finden könnte, aber zu meinem Er-
staunen findet Scepkin einen : » das starke Vorherrschen der Endung
-eyk über -cmtv in der Nominaldeklination kann erklärt werden
durch Einfluss des Lokativs auf-SMk (pronominale Deklination) (f.
Begreifen kann ich das nicht, aber ich verstehe jetzt, was es heisst,
ein Prinzip zu Tode reiten.
Bleibt endlich noch die 1. sg. praes. auf -Mk, -mt»,. Hören wir
auch da Scepkin selbst (S. 233): »In der 1. sg. und pl. der zweiten
Conjugation sind keine Fälle einer Korrektur von -fJk in -MTk vor-
handen. Oifenbar existirten beide Lautformen gleichzeitig im Dia-
lekt der Sav.kn. Auf Bl. 40'' ist das Schluss-k des Wortes KMk auf
einer Kasur geschrieben; wenn mau voraussetzen darf, dass die
Kasur gerade t». löschte, so kann man einen Schluss aus dieser
Thatsache nur machen für das Verbum tCMk (fCMk H'KcLik 56 mal,
tCMTv einmal; andre Verba -ink 11 mal, -mtv 13 mal), in dem der
Wechsel der Endungen -mt». und-Mk im allgemeinen beträchtlich
schwächer ist als bei den Verben ;i,dMk, raiuk, HMaMk«. Wer es
für möglich hält, dass der Schreiber in seinem Dialekt sowohl -Mk
wie -MTs. hatte, wird sich vielleicht höchlich wundern, dass der Mann
bald A^<^i^; B'KMk, HMar.ik, bald ^aM^k, B'bM'k, HMdM'k sprach (bei
HMaMk ist er fast unDarteiisch : 6 mal -ük, 5 mal -mts.), dagegen
dem so sehr häufigen scMk liebevoll sein altes -k belässt.
Man spricht in Deutschland seit mehreren Jahren viel vom
V ^
papiernen Stil. An den Ausdruck werde ich bei Scepkin's Buch
lebhaft erinnert; das ist papierne Sprachforschung und ihr Resultat
ist ein papiernes; eine solche wirklich von Menschen geredete
Noch einmal i. und i. in den altkirchenslavischen Denkmälern. 29
Sprache hat es nie gegeben und kann es nicht geben. Scepkin ver-
kennt die Lage eines altbulgarischen Schreibers des XI. Jahrh.
völlig. Gegeben war ihm ein Text, der, mag er auch schon allerlei
Abweichungen von seiner Grundlage, dem Evangelientext der Zeit
Konstantins und Methods, gehabt haben, jedenfalls auf der zu
deren Zeit festgelegten Schriftsprache beruhte. Diese vor Ablauf
des IX. Jahrh. geschatfene Schriftsprache ist für alle Schreibenden
die Literatursprache gewesen. Sie mochten sie vollkommner oder
unvollkommner handhaben, dialektische Eigenthiimlichkeiten und
Formen ihrer Zeit einfliessen lassen, aber dass es ihnen einfallen
konnte, ihre Vorlagen in einen nicht literarisch fixirten Lokaldialekt
mit bewusster Absicht umzusetzen, ist ganz ausgeschlossen. Wenn
sie aber in einer überkommenen Schriftsprache schrieben, so war
ihre Schreibweise, wie sie auch im täglichen Leben gesprochen
haben mögen, in hohem Grade konventionell, wie das in jeder
Schriftsprache der Welt so ist. Und wie in jeder Schriftsprache der
Welt setzen sich auch gewisse grammatische Normen fest, nach
denen die Schreiber sich richten, auch wenn etwa ihr eigner Dialekt
sie nicht ohne weiteres ergibt, wie ich schon oben beispielsweise
auf die konsequente Bewahrung des k im Auslaut des nom.-acc.
der «-Stämme hingewiesen habe. Keine Beurtheilung handschrift-
licher Ueberlieferung kann ohne diese und andre philologische
Betrachtungen auskommen. Wer die nicht anstellt, nichts oder fast
nichts Konventionelles anerkennt, muss dann freilich beliebige Vor-
kommnisse in einer beliebigen Handschrift alle oder fast alle für
sprachliche Realitäten aus Zeit und Dialekt des Schreibers halten
und wohl oder übel die Aufgabe lösen, alle Sonderbarkeiten und
Widersprüche als normale sprachliche Entwicklungen zu erklären.
Und man kann das auch, wenn man unbedenklich aus der grossen
Rüstkammer abstrakter Möglichkeiten bald die eine , bald die
andre, bald die dritte und vierte beliebig herausgreift und auf den
einzelnen Fall anwendet, ohne jede Rücksicht auf Folgerichtigkeit
und auf die Erfahruog einer nicht papiernen Sprachforschung, dass
keine lebendige Sprache der Welt je so verfahren ist und verfährt.
Noch eins muss ich hinzufügen: auf die Ausführungen Scep-
kiu's über das Verhältniss neubulgarischer Mundarten zu dem von
ihm angenommenen Dialekt der Sav. kn. bin ich nicht eingegangen.
Er spricht sich darüber auch in BB 26, 165 aus, in einer Wider-
30 A. Leskien,
legung von Vondräk's Anzeige seines Buelies im Arcbiv XXII:
»Mein Buch hat eine einheitliche wissenschaftliche Aufgabe, welche
Vondrak gänzlich verschweigt: an der Hand einer Sprachqiielle,
welche mit grösster Klarheit eine lebende altslovenische Mundart
des XI. Jahrh. zumfAusdruck bringt, unternahm ich einen histori-
schen Vergleich des Altslovenischen mit den heutigen Mundarten
des Bulgarischen, um auf Grund der gewonnenen Thatsachen den
Verwandtschaftsgrad beider Sprachen festzusetzen« (es folgt dann
eine kurze Angabe des gewonnenen Kesultats). Diese Tendenz des
Buches liegt auf der Hand, allein ich meine, es handelt sich bei
Scepkin's Buche doch nicht um eine einheitliche wissenschaftliche
Aufgabe, sondern um zwei verschiedene Dinge. Das eine ist die
Aufsuchung von Kennzeichen und Spuren altbulgarischer Dialekte
in der altbulgarischen Ueberlieferung und deren Vergleich mit den
heutigen Mundarten. Ich lasse es dahingestellt, ob bei dem jetzigen
Stande der bulgarischen Dialektologie eine solche Vergleichung zu
einigerraassen sichern Resultaten führen kann. Jedenfalls ist es
sehr dankenswerth, solche Untersuchungen anzustellen, und ich
bin weit entfernt, gegen Arbeiten dieser Art ein prinzipielles Be-
denken zu haben und das Verdienst Scepkin's in dieser Beziehung
zu verkennen. Etwas ganz anderes aber ist es, aus einer bestimm-
ten Handschrift heraus, hier aus der Sav. kn., einen gerade so, wie
es da geschrieben steht, gesprochenen Dialekt erweisen zu wollen.
Diese Aufgabe hat nichts zu thun mit irgend einem Verhältniss zu
irgend welchen neubulgarischen Mundarten, sondern muss allein
aus der Handschrift selbst gelöst werden. Gegen die Methode, die
Scepkin dabei anwendet, musste ich mich aussprechen, weil ich der
Ueberzeugung bin, dass sie auf Irrwegen geht und in die Irre führt.
IL Das Euchologiam Sinai ticum. i)
Die Behandlung des t». und h. ist hier viel einfacher und klarer
als im Savaevangelium. Ich gebe zunächst die Thatsachen. Wenn
Geitler's Ausgabe zuverlässig ist, lassen sich folgende Erschei-
nungen beobachten.
1) Ich kann leider auf die Abhandlung von Prok. Lang, Jazykovedecky
rozbor Euchologia sinajskeho (Programm des Gymnasiums in Pribram lSS8f.),
nicht Rücksicht nehmen, da mir nur die Theile, die die Formenlehre behan-
deln, bekannt geworden sind.
Noch einmal t> und l in den altkirchenslavischen Denkmälern. 31
1. Die gänzli che Weglassung- von 'k, k beschränkt sich
auf das häufige MHor^K, daneben furKHonv m'hop'k m'hojk'ctko
und dergl. ; eine Aufzählung aller Fälle ist unnütz, denn es ist doch
nur ein Zufall, ob ein paar mal mehr oder weniger niHorTv oder
M'Hon». -oder iH'kHor'K geschrieben steht; ferner auf Formen von
BkCK (omnis), sehr selten ausgeschrieben, z. B. kkcKkokr, ge-
wöhnlich b'c- (auch K'ck), einige mal ohne alles Zeichen, z. B.
KCfro u. dergl., die Aufzählung hat auch keinen Werth. Wie ß'c-
steht auch fast regelmässig k'tc» m'to (neben k'Kto mkto). Alles
andere sind vereinzelte Beispiele, einige mal fehlt der Vokal beim
Suffix -kH-, KTsJmHHH\'T»., BUUJHHHMk, HerK>CT'lvl,V,HOMk, KfSa-
KOHHOV'ü^wipHH 74b (in ähnlichen Fällen steht sonst ', z. B. nenpU-
CTaH'HO, hcthh'hov'Moy, HfnopoM'HC»); AHM) und js,nh., dies selbst-
verständlich nur abgekürzte Schreibung, vgl. a'h"^ 73 b; KC»Hi;a, vgl.
KC>H'u,a 64a, np-KHua 82a, mhUth 20b, HfSAOBHt 97a, vereinzelt
-'AiA,c> (neben -jk'ka«^); r'ccah 30, BCfAfHidiA 10a; bk bt», wird
immer ausgeschrieben, vereinzelt erscheint b' cf/\t:\"k 64 b, b' cfKü
67a, vgl. k' TOLioy 51b; öfter iuih'K, mnoi?^ und die der Quelle
eigeuthümliche Genitivform mh« (neben m'h«). Rechnet man die
Fälle, in denen das Zeichen ' steht, ab, so bleibt sehr wenig übrig
und die Handschrift ist also in diesem Punkte recht alterthümlich,
so fehlt in K-KpaTH, ni^paTH, ST^.^aTH, S'KBaTM, n^HaTH, kk-
A'feTH, si^ptiTH u. ä. nie das nk, k.
2. 'K, h nach m m; h m jk^- Es ist eine bemerkenswerthe
Eigenthümlichkeit der Handschrift, dass sie nach h ijj >ka das alte
k unverändert bestehen lässt: von ^h nach m finde ich nur das eine
Beispiel naaMi^ 106b (neben mehrmaligem naank), sonst im Aus-
und Inlaut nur k, gezählt habe ich gegen 100 Fälle, z. B. im Auslaut
HAaMk, KAHHk, M6Mk, HAOßliHk, im lulaut Immer MkTO, so auch die
zum Präs. MkT;*^ gehörigen Formen, so saMkH;*^, immer BlinkHiv,
BkcfeHkCKTvi u. s. w. Hervorzuheben ist dabei, dass der Vokal der
folgenden Silbe gleichgiltig ist, k steht sowohl vor folgender wei-
cher wie vor harter Silbe, vgl. cp'KAi*MkH'feH,pa3aHMkH'R, HCTOMk-
HHKTv mit Cp'KAf^l^HOf, MAOB'fcMkCTBC», pa3i\HHkH0, p;S^MkH'klbÄ.
Nach HJ ist mir ein is. überhaupt nicht begegnet, es heisst c;Ri|jk-
CTBO nfi|jk Hoqjk H0i|JkH;i^t7^. OKpaqjk oyKponikUjeM'K u. s. w.
Ebenso gut kann man sagen, dass Tv auch nach jk^ nicht steht,
denn die beiden Fälle poH^^T^uja 32 b, B«CTO\^;KAT^nc>f 69a müssen
32 A. Leskien,
der Masse der übrigen gegenüber als Versehen gelten, es steht
sonst immer k, z. B. KH;K4,k, OYTBp'K:K;i,k, pojka^^ctko poJKA'*-
CTH'K, H;^JK4,h,H0, 3aGA;f»JKAkLuaaro u.s.w., eine Silbe mit folgen-
dem harten Vokal übt gar keinen Einfluss. Nach u, bleibt eben-
falls k, der Fall ist nur vereinzelt vorhanden, oi^hTa (gen. sg.)
42b, oi^KTCFiik 50b; die häufigen Formen von OTku,k werden
abgekürzt geschrieben.
Anders steht die Sache bei m, jk. Im Auslaut habe ich ein-
mal nach ui ein k notirt, UTvimk, sonst steht nur i\, z. B. immer in
dem ca. 80 mal vorkommenden Haiu'k, ausserdem in mehr ver-
einzelten Fällen : gen. pl. ^k.ovui'K (6 mal), B'kKovm'k, oyKpam'k,
CkKpo^iu'k, OTTi.Kp'kr'km'k; im Inlaut steht in einer geringen
Zahl voü Fällen (gezählt habe ich 12) -uik-, z. B. rp-kiukHaaro.
KTiKormkUJe, MkHHmkCKaaro, uikCTBOKaTH 33b, 34a (darüber
s. u.), dagegen in über 70 Beispielen -iut^- und zwar, was wichtig,
ebensogut vor folgender weicher wie vor harter Silbe, vgl. z. B.
K'kim'kH'k'K, rp'bui'kHHH rp'SiU'kHHK'k rp'Kiu'kH'K, nocaoyuu'k-
AHRT»., CTpauu'k.H'KMk, M'kiLU'ki^Eti^, Hcnpouj'kiiu, pa.s^pOYm'k-
mHiyi\ — rp-Rm-kHOiT^, CTpaiu'kH'ki\"k, Epam'kHO, UkHurniv-
CKTvi, c'krp'Sm'kuja. Man kann also ohne weiteres aussprechen,
dass Ts. nach m das normale ist. Etwas schwankender ist die
Sache bei >k: im Auslaut finde ich nur -'a^k, z. B. Fui;^»;k,
-AOJKk, oij'MTkHon^k, nocAOY^Kk, derartige Worte sind überhaupt
nicht häufig; im Inlaut habe ich 26 Fälle mit ->Kk- verzeichnet,
z. B. »ctJKkK;^^*;, K'ksrJio^KkHO, M;^2KkCKa, noAOJKkma, nojKk-
HKfiT'k U.S.W., dagegen ca. 40 Fälle mit -jkt».- und zwar in einigen
Wörtern ganz oder fast durchgehend, so in -jkt^^o, caov^jK'kEa,
M;RHi'kCTC, vgl. ferner TA^K'kKO, ßpaiKT^^a, nocTHHi'kHa, npH-
AfJK'kHo, ß'kSMOiK'kKO, AA'kJK'kH;^!?^ ; der Vokal der folgenden
Silbe ist auch hier ohne Belang, vgl. MH^K'kHHHMH (daneben 2b
HH^KkH'ba), nOJK'kp'RTf, KTvHHJK'kHHK'k, ;fw>K'kHHK'k, T/ft>K'kllJ/ftkÄ,
caov'/K'kS'S. Man wird nicht zweifeln dürfen, dass jk dem m ganz
parallel läuft, dass auch hier t^ die eigentliche Norm ist.
3. Der Umlaut. A. Die Vertretung von k durch Tv bei
folgender harter Silbe ist ungemein regelmässig durchgebildet.
Von Beispielen des Suffixes -kH- vor harter Silbe habe ich 350
-ivH-, 70 -kH- angemerkt. Dass hier der Prozentsatz des -kH-
ziemlich gross ist, liegt natürlich in der ausserordentlichen Häufig-
Noch eiumal i. und i. in den altkirchenslavischen Denkmälern. 33
keit dieser Bildungen. Es wäre ganz unnütz, nach besonderen
Consonantengruppeu zu fahnden, die etwa altes h gestützt hätten,
gegenüber andern, die der Wandlung kein Hinderniss bereiteten,
denn es kommen alle möglichen Verbindungen und Silbengestalten
vor; ich führe von jeder Art ein paar Beispiele an, die Hunderte
von Fällen alle aufzuzählen, wäre ganz müssig; k — h: ro^oktiHO
AOK'KHOi npHCKpiiKTvHa noTp'kKTvHO L^'kAfK'kHaarc»; B — h: faa-
BTiHO ^».p'k/KaB'kHOI* npOTHET^HaarO ^•^VV*^^''*^"'^ LtpivKOBIv-
HioMb, vgl. vi.oifY^^ß'^"'»^'^'* ^pKBkHaa; a — ^'- ctvH'S^i.'kho
ep'SAT»^"'* o^roAikHO Ka;R;i,'kHa nQAß(ji,'KHis. boat^htj, vgl.
BOAi^H'Ki CBOBO;\,i^naa; AP — ^- KfAPT»^n<>) vgl. f/k,"M*5'^^APi^HC»:
3 — h: OBpasTiHO rpc»3TkH0f, vgl. noAfSkH'Ki; 3A — h: npasAT»^-
H0\"f*T1».; A H: CHAlvHC KaAH/\'kH;«;>il^ B£3HaH/ftA1vH'Kl (im
ganzen 8 Fälle), dagegen häufiger -ak- (im ganzen 19 mal), Formen
von BOAkHK (1 mal), BOAh,HT». (4 mal), BE3HaHMAbH'K (6 mal), J!l,C>-
KpOA'feTfAkH'K (1 mal), C'KA'liTfAkH'K (1 mal), H3BaBHTEAkH'K
ncMAAkH'K (2 mal), coAkH^k cEAkH'k pa3A't:AkH'k ncndB-tAkH-k
C'knp'kcTOAkH'k (je 1 mal) ; auf das Verhalten nach a komme ich
unten zurück; m — h: 3EM'kHa pa30YMT»,H0 TtU'kHa, vgl. 3fMk-
HTüYlv paSOYMkHTvl TflUkHIüMk; H — H: HCTHHT4.H'kl OrH^kHa
CTpaH-kHTvI CKBp'KH'kH'kl Bp'SM«H'kH;Rlili nOBHHT».H;S\ HEH3ApC-
MfH'kHOlTR, Vgl. OrHkHOMk np'^KAOHkH'kl BOA'bSHkHlvI ; R — H:
Kcyni^HO npHCT;Rn'kH;R, vgl. BoroA'KnkHOE; p — h: B'Rp'kH'ki
sascp'KHO H«AHU,fiii'Sp'KH;i; u. SO oft, Beispiele mit -pk- scheinen
zu fehlen, doch vgl. fAHM<>*J'*AP'^H'5; c — a: ckMucA'kHC» beijjh-
CAliHOE, vgl. CkM'klCAkHO HEHl|JHCAkH;^i;i;; C — H: HCBEC11.H0C,
T'KAfC'kH'kl CACBfCKHOt KBaCkHOE KpaCTvHO; CT H: MtCTTiHO
u. andere Formen des sehr häufigen Wortes, KpcT'kHoe, vgl. obaa-
CTkHC H3BlvCTkH0 M/ÄCTkHaa ; CTB — H: BO/Kf CTB-kHOf BOH^C-
CTBTvH'kl, Vgl. BO/KfCTBkNIÜ pOJKA« «^TBkHOlJR ; T H: paBOTliHaa
KeC'kyp'kT'kH'kl COyjT'kHaa RA'kT'kHa JKHBOT'KH'kl, vgl. BAa-
rOA'KTkH'kl RAkTkNUMk; TB — H: MOAHTB'KHTvI.
Von Suffix -kCK- kommen 35 Beispiele als -t»,ck-, 6 als -kCK-
vor, z. B. at^A'KCK;^i7R HAOA'kCKaro co^OM-kCKiü H^EH-kCKa mo-
P'kCKCe HAkT-kCKaarO U. S. W., vgl. AWAkCKIvIbÄ AlOAl^CKTklYT».
rocnoA'«^CKo\f BAHkcKaaro n;RTkCKOYLic»Y HEnpHra3HkCK'kibft. Die
consonantischen Verhältnisse vor dem -kCK- sind auch hier gleich-
giltig.
Archiv für slavische Philologie. XSVII 3
34 A. Leskien,
Vom Suffix -KCTßO 25 Beispiele mit 'k, 7 mit k, jene bei allen
verschiedenen Lautverbindungen, z. B. a'^b'^^tbo M;ft/i,p'KCTKO-
BdTH np'liSOp'kCTBO fCTT^CTKO RpdTpivCTßO RA'tH'KCTBO JKfH'K-
CTKO u. S.W., demgegenüber KaAkcrßO (2 mal), roYKHTfAbCTBO
poAHTfAkCTKo (2 mal), 3aB'k;k,'KT«AiiCTKoy6T'K, diese 6 Beispiele
also alle mit -Ah-, dazu noch ein anderes: po^kCTBC» (10b).
Von anderen Suffixen mit k: immer CB'kT'kA-, CB'kA'kAO
cB'kT'KAOCTK u. s. w. (12 mal); immer npaB'kA** npaB'kA^TH
(18 mal); tat'kb'ki (2 mal); cbatt^ba (2 mal; daneben i^'kAkKd
H'^Ah.KIf^).
Wurzelsilben mit altem k. Die Verba, deren Infinitiv-
stamm ursprünglich -kpa- enthält, haben immer -'Kpa-: K'kpaTH
(17 mal); pasAT^P'» (1 mal); m^paTH (3 mal); statt 3k;i,aTH immer
ST^A^TH (9 mal); dazu noch vereinzelte Fälle: B'kS'KMaTH katv-
H;^L|j/f^hfi 89b, sanAT^BaiUA (vgl. aber sanAkBauü/tv 50a, HSKAk-
BAA^k, EAkBOTHHTü). Nomina: immer TT^ua (12 mal), MivSA^
(3 mal), so auch m^coy n'KCOM'k (je einmal, vgl. dazu n. pl. n'cH
103a), B'KAC»BOKR B'k^OBHl^/Ä, CATi.3a.
Im ganzen habe ich von t», für k bei folgender harter Silbe in
runder Zahl 500 Fälle gezählt, von verbleibendem k in derselben
Lage HO.
Besonders zu bemerken ist, dass vor m qj '^ji, das k bei folgen-
der Silbe mit hartem Vokal unverändert bleibt, z. B. ckKOHknaTH;
dasselbe ist der Fall, wenn dem k ein i; folgt: KONki^a, TBopki^a
U.S.W, und wenn k vor 3 = dz steht: CTkaaniv = urspr. sthd'zanvb.
Es ist das keine Ausnahme, sondern das k bleibt normaler Weise,
weil M i|i JK^ i; 3 (= s) absolut weiche Laute sind, die mit ihnen
anlautende Silbe also als ca-, s't'a- u. s.w. anzusetzen ist. Die Er-
haltung des k begegnet aber auch vor m : H3BaBAkiijaaro npH-
cT;^nAkiuaaro, BkAiOBAkma (in diese Picihe gehört auch o^upii-
ijjBkUjaaro), BOAkmaa, ncKACHkma; der Grund liegt hier darin,
dass A und h = a" h sind, absolut weiche Consonanten. Dann
kommt noch vor noAC>M;kLiia, B'k3B'biiJkma, ckTBOpkujaaro, aber
dies sind nicht die normalen Formen, vgl. daneben ckrp'kiij'kuia
(s. oben 1 .
B. Vertretung von 'k durch k vor folgender weicher
Silbe. Die Erscheinung tritt hervor bei Bk, vor Casus und in Zu-
sammensetzung, 130 mal, bei Bk3- 90 mal. Von konsequenter
Noch einmal i. und i. in den altkirchenslavischen Denkmälern. 35
Durchführiing ist keine Rede, die Fälle von kti kt^s- bei folgender
weicher Silbe sind ausserordentlich zahlreich ; sie anzuführen hätte
keinen Sinn, denn es ist natürlich reiner Zufall , ob ein paarmal
mehr oder weniger btv kt^s- oder kk kks- geschrieben wird; eben-
sowenig hätte es einen Nutzen, alle Fälle von Rk Rk3- anzugeben,
es genügen einige Beispiele : Bk hh^Tv, Kk Hk, Kk HfMk, Bk K-kpt:,
Bk BlvK-K, Bk ^xpIvBO, Bk^lv (legte hinein) Bk^f}K;k,H, Bk tIjao,
Bk TA, Bk BfMMX., Bk REMaAM, Rk TH'tB'fe, Bk nHTkH, RkHHTH.
BkHHMaTH, Bk Ck MdCk, Bk Bp-feM/Ä — BkCH/ATk, BkS^BHrUH,
Bk3BE;l,H, BkCn<\IOH;^B'k, BkCKpIvlUaMV, Bk3EMA<ftH, BkSHCKaB'K,
Bka/ÄAT», BkSBfCfAHM'k, BkBHrpaiJR.T'k, BkSkp'RB'k, BkSAlOBAk,
Bk3iiHKH;^, Bk3B'Ki[ji7f;. AUes was man sonst aus der Handschrift
anfuhren kann , tritt dagegen zurück, wenn auch die Fälle selbst
wichtig sind: es heisst regelmässig BkHHTH (11 mal; B'KnHiJK 3a);
dagegen KkS'knH Bk3'knH{M'k B'kS'KiiHfM'K 43b, Bk3'KnHBTi-
maarc» 50b); zweimal steht BkHli, Formen von K'k^'kTH nur mit
Kk^i,- (11 mal); mehrmals HAT^Tk als HAkTk mit Casus und Ablei-
tungen (10 Fälle), z. B. HAkTk RAkTH nAkTkHaa BknAkqjkiua;
dazu kommen ferner AioskBk (6 mal), AiockBE (2 mal), AK»ckBH
(1 mal), i;1vAkBk (1 mal), i^'tAkBg (2 mal); endlich einige vereinzelte
Fälle: ^vk>K;i,k AkH^4,£BkHHH 2a, OAi»>KA<»»j*^T'k ib. (o^'kjkA'»"
100a), nkTHi^A (n'KTHU/A 54 b), Kp'Snki^HH 77b (vgl. ^'kc'k^'k la],
OKp'knkTHTH 88b, OMkBCHHI€Mk 33a, npHTkMiTR 106a, Ai^H'fe
36b (loc. zu ^kHa oder A^^^^'* Kolik, instr. daneben at^H'J»'*)-
Die Formen von ^OBkAliTH kann man nicht ganz sicher hierher-
rechnen, da das k ursprünglich sein kann. Sonst bleibt überall 'k
vor folgender Silbe mit palatalem Vokal, daher z. B. 3'kA't n-k-
c'Ki^'fe, rAackMk (i.sg.), ;i,ap'KMH (i.pl.), Kp'kße, ra-kth, H3K'kiT'k-
HkCTBO^fMk, BTkC'kAfM'k (= -AfM-k), ROCkAH (= -AH), OKp'kCTk
B'k3-(Bk3-)'knHTH, r;Rr'kHHB'K (28a), K'kHHra, Kl^H/ftSk, K'KJi^i,
npHKp'kBEHi^, oycTp'kMAeHHf, ©Yc^kRH (impcr.), ckn/ftifj/fv, noPAi».-
4IfH0, m^THl^/Ä, nOT'klllHyTi,, TTvIIJ«, AT^JKA, AOKTvJKtT'k,
o;i,'kJKAH 100a. Die Participien auf -'kiu- behalten stets, auch
bei weichem Vokal der folgenden Silbe das 'K, ebenso die Prä-
positionen Ck KTv und andre mit t». auslautende.
Der entgegengesetzte Fall ist, dass k statt 1%. vor harten, iv
statt k vor weichen Silben erscheint.
A. k statt T», vor harten Silben kommt in ca. 20 Fällen
3»
36 A. Leskien,
Tor: einigemal KkSBpaTHTH, KkH;^Tpk, sonst vereinzelt, z. B. bk
npaBk^t,'^, Kk HCCHA'KX'T*, Kk n;SiTk, Bk3A0H;H, Bk3AP<iCTH.
CAa^i^KTü, SkAOKkio; es sind vom Standpunkt des Denkmals an-
gesehen offenbare Fehler.
B. 'k statt k vor weichen Silben tritt in einigen Fällen
regelmässig ein, so im Imperativ von ptKX,.: ß'wu,» p'ki^'kM'k pT»,-
H'kTt (9 mal; Hapki^H 40a), ebenso in den betreffenden Präsens-
und Imperativformen von -kM;s;: BlvH'kMH BTkHTvMlvrJn»., HS'kMH
HS'kMtT'k, BTiSTiMH B'kS'kMIT'K B'kS'kM'kM'k U.S.W. (13 mal .
Sonstige Fälle sind: cb'St'ka'K begegnet 5 mal; statt -kH- erscheint
16 mal -TiH- vor folgender weicher Silbe, B'kp'kHe B-fip-kHHH, npa-
Rf/i,'^""" npaBe^V'kHHHY'k, TliAcckH-KH, heobh;v,'i^"'^i^i^7 cßapT^-
HHKa, KICKBp'kH'kH'k, Y'^aA'^H'S, Oy'^P'^"'*^'^ > BJHfp'kH/MA,
l\(H3Ji,p(^(H'KHH^(, /KfCTOKCtA'traHTvHHK'k U.S.W.; feiHer RH'KH'k-
CTBlk !3 mal), ecT'kCTB'k; crap^kUH (2 mal), CA'kH'ku.t 50b, kov'-
UHpiiCi;1iH, apYtiA'kCl^HH; HtT'kipTkMH; C'kTBOp'kIJJfM'k, CkBAA-
^H'kLUHHM'k, OCKBp'kH'klUHlMk, OCKBp'KH'kUJH 21b; KAT^HeTTi
mehrmals, KA'kMfT'k 45a (vgl. KAfMkUJi* 44a), Kp'ki^jfHHie, ck-
T'kptT'k; T'kM't (viermal); Ck^i,« 37a unmittelbar folgend vier-
mal Ck^f), C'kpiBpO C'kpEBpkHHK'k, M'kLjJ»:^ 82b; T'klJ.'KM'k 98a
(cT^».Tk^H 53b); dazu die Formen von rpTvCBATU 63a, 93 a, 96b.
3. Der Ersatz von k durch e. In jeder beliebigen Silbe
mit altem k, wenn sie die vorletzte Wortsilbe ist und das Wort auf
1%., k auslautet, oder wenn ihr folgen eine Silbe mit t^, k und eine
weitere mit vollem Vokal, wird regelmässig k durch t vertreten,
z. B. in Casusformen HMEHEMk rcA;*iEfMk BfUJm (g. pl.) awa^w^
aanoB-SAfYT^; cm (= syt), ckTBopeH, \-0/K4,eH, bjaih {=-hjh);
-IH-: yi.OCTOfH'k, npaBk/^CH'k, CKBp'kHEH'k CTpaHIHTk, BfSHaMA-
AiHTk, HsrAaroAaHfH'k, noycTCUJfHTi CTpamtHTv, OBeHT»,, cpa-
uifH'kg.pl. BpauucHki^E BpaiUEHii,a, npasAfH'kCTBOY; -ecK-: ^»'fe-
TtCKTk IUi;^>KECK'1». /KtHECK'k H^l.OAfCK'k; -iU,-: aPHfl^k TfAflJ^k
c;^Mtij^k, Mp'kHtMkCKa; -ktb-: BO^KECTBkH'ki nc>A<?BfCTBkK> po-
^K^ecTBkHoi^; -«A-- npaßtAi^H'feMk; -sa-: cB'tTfA'k; -fB-: u'k-
AfE'kHaaro; in Wurzelsilben z. B. JKfSAk, ntck, BkSfMTs., npc-
nfH'kUJHHY'k,OCAfn'klUfM'k,OyMfp'kUJ/S\t*Ä, TfMkHTklMk, AKfpkMH,
BfCk, HfCTk MfCTTiHOe, npHlUfATi npHUJf ^T^lUa npHlUfCTBHf,
CKptJKkUJfT'k, KpfCTk'kH'k, CM3^ (g. pl., daneben cA'ksa).
4. Ersatz von altem 'k durch o, unter den gleichen Be-
Noch einmal i. und t in den altkirchenslavischen Denkmälern. 37
dingungen wie bei i» — ( unter 3., im ganzen spärlich; in Wurzel-
silben: BOHTi, HtAOJK'KHC, Kf CflAOT'KH'KlY'K , COHTv, OYCOllTi-
UJHHM'k, COTkHHK'K, TOKT^MO (TOK'MO); in Suffixeu AWKOKIi
mehrmals), AWKOßkfi^ aK)R0Bhi;i^ (mehrmals), h.'Saokk i^-bAOßHi^
l^'RAOß'kHaa, KpOBKKR, M/f^KOK'K RCCA'fc^i.OK'K KpOTOK'h. CAd^OKTi,
HoroTk; einigemal ko, co: coBiipaujA co3'ka<*M'^' coa'KA'*""^
(mehrmals) co mhoü^ co ßCkMh. co MH'fe 78a (1. mhc = ukh(); ko
BCKKOMk BO BCkYT». BO B'ctMk BO Hk 46a; Vgl. nOCh CBATOH
== -Vk) 17a, RAO^o-ck 14a, a<»P<>V»^ (= -'^X'^^j 98b.
5. Tv und k im Wortauslaut. Abgesehen von dem Tv für
altes k nach m kommen ein paar Fälle vor, wo statt -Mk instr. loc.
-MT». steht, statt -in'k dat. pl. -Mk, aber gegen die ungeheure Zahl
von richtigem -Mk und -wk gerechnet offenbare Versehen, aus
denen man gar nichts schliessen kann. Die 1. sg. praes. kommt
mehrmals als tcWK vor, dagegen H'bcMk 66b, HcnoBtiMk 77b.
Ausserdem ein paar vereinzelte Fälle von 'k statt k : ck = ck 14a,
Bc-k BfCK (= Bkck omnis) 100a, 42b, nacTTüp-k 80b, 82b (vgl.
aber MdHacT-kipk 92a, 104b), i^p-k 93a (vgl. ij,tcapA ib., MTviTdpa
86 a), daneben auch i^'kcapk. Umgekehrt steht k für ii in CKAPh^
47a, fCTk 69b; in dem häufiger vorkommenden btv (Bk) CA't/k.k
wird das k ursprünglich sein, vgl. nocA'6/k,k, oder es ist dem no-
CAU^k nachgebildet. Man kann also sagen, dass, abgesehen von
-ui'k, ev. -JK'K, sonst i^, k im Auslaut regelmässig in alter Weise
erhalten sind.
Das die Thatsachen, aus denen man nach meiner Meinung weit
eher einen bestimmten einheitlichen Dialekt entnehmen könnte als
aus der Sav. kn.; allein ich versuche das nicht, denn auch das
Euchologium bietet keine gerade so gesprochene Mundart. Ich
möchte vielmehr einige der beobachteten Erscheinungen sprach-
geschichtlich deuten und beginne mit der Vertretung von k durch (,
die unter den bekannten Bedingungen so gut wie durchgeführt ist.
Wenn man die wenigen Fälle, in denen eine schwierige Conso-
nantenverbindung den Ausfall eines k gehindert hat, wie npH-
ujfCTBHf poH;;i,fCTBkHoi*, ausscr Acht lässt, handelt es sich
durchweg um die Verbindungen : Silbe mit k vor wortauslautender
Silbe mit is., k im Auslaut, oder um Silbe mit k -f- Silbe mit k, t^ -f-
Silbe mit vollem Vokal: TfAei;k = TfAki^k, Beck := BkCk, npa-
BEAh.HHK'k = npaBk.^kHHK'k. Die Ansicht ist ganz richtig, dass
38 A. Leskien,
das Gewicht der ersten Silbe mit k so weit verstärkt ist, dass statt
des schwachen k ein volles ( eintrat. Man kann die Erscheinung
als eine Art Ersatzdehnung auffassen, die den Quantitätsverlust
einer folgenden Silbe als Plus auf die vorhergehende überträgt.
Dabei kann man zweifelhaft sein, wie z. B. in einem Falle wie
TkiuikHHL^d der Hergang war: ob zunächst das k der zweiten Silbe
so schwach artikulirt ward (ich will es mit ' bezeichnen), dass sein
Quantitätsverlust auf das k der ersten Silbe übertragen, zuerst ein
etwas gedehntes, volleres k (hier mit ^ bezeichnet) hervorbrachte.
TkiLi'HHi^a, daraus nach Schwund des ganz schwachen Vokals
TkLUHHi^a, endlich bei der e-Natur des k ein TtMHHi^a hervorging;
oder ob aus Tku'Hij^a noch vor dem Schwinden des mit ' bezeichneten
Vokallautes schon Tfiui'HHi^a entstand, daraus dann TtMHHi^a. Es
läuft das ziemlich auf eins hinaus, denn in einem wie im andern
Falle kann man die Silbe, in der ( entstand, als geschlossen an-
setzen. Eins aber ist dabei unzweifelhaft : in keinem Falle kann
das k, aus dem t hervorgeht, vorher t^ gewesen sein. Es wurde
oben (unter 1) hervorgehoben, dass nach in so gut wie regelmässig
Tk steht, dass dies auch nach tk als Norm anzusehen ist; trotzdem
heisst es cTpameH'k 99a, ^V'^'t»^^^"'^ 67b, mtn-kTaHHC 91b; im
ganzen Denkmal kommt kein ui'k/i.'k m-kai». vor, nur uue^'K mfai».
(vereinzelt k in uikCTBOBaTH 33b, 34a); gen. pl. EpaiufH'k 8Sb,
BpaujEHku^E 103a, KpaiufH'i^a 104b. Vergleicht man damit die
regelmässigen Schreibungen Bpam'kHO Gpaiu'kH'S, CTpaiu'k.HTü
CTpaiiiTvH'fe, SO ergibt sich ein Widerspruch, der gelöst werden
muss. Wenn man das 'k in Kpaiu'kHC» und so überall in alten
offenen Silben für einen zur Zeit der Entstehung der Handschrift
noch gesprochenen Vokal hält, muss man geschichtlich so kon-
struiren: in der Periode, als k in e überging, gab es noch keinen
Wandel von k in Tv nach m, daher z.B. lUfAT^» g-pl- KpameH'k aus
iiik/i,'k, cpatukH-k. Die Bedingungen, unter denen KpaujkHO und
eparnkHi». stehen, sind was die Härte der letzten Silbe betrifft;
ganz dieselben, es kann aber kein Kpam'kH'k gegeben haben, denn
das ergäbe nie EpaiueHTs., also die Einwirkung des m auf folgendes
k (zu Bpam'kHO) ist jünger als der Wandel von k in t. Dasselbe
trifft zu bei dem Umlaut von k in 'k vor folgenden harten Silben :
ein cTpaHfH'k cKKp'kHCH'k, A'kTecK'k ^keheckii, CBtLTfA'k, neck
U. S. W. (neben CTpaHT^HTsJ CKBp'kH'kH'kl, ^KEHliCKa, CB'feT'kAO,
Noch einmal -h und t in den altkirchensiavischen Denkmälern. 39
n'kcoM'K) kann kein "k enthalten haben, sondern nur k. Ebenso
klar ist, dass in den Fällen, wo ktv durch ko vertreten ist, ko
BC'tY'K, ßo Hk U.S.W., dies bo nicht bei vorgegangen sein kann aus
dem sonst in der Handschrift erscheinenden ek, ßk Bck^'K ßk Hk,
sondern nur aus ßi*.
Der Gegensatz von h ijj jk,v auf der einen, 111 jk auf der andern
Seite, bei jenen regelmässig verbleibendes k, bei diesen t*, kann
sich nur erklären aus der Annahme, dass ui tk hart geworden waren,
H, lii, JK4, wie auch i;, 3 (= s) erweicht als c, st', zd\ c', d'z
gesprochen wurden, so dass eine folgende Silbe mit an sich
hartem Vokal nicht zur Wirkung kommen konnte. Man kann
gegen die Härte von uj h; die Schreibungen -mw -mi* einwenden,
die ja dem widersprechen, allein solche Schreibungen können aus
der Vorlage übernommen sein; wenn ich richtig beobachtet habe,
kommt kein -mli = -sa vor, nur ^oyiiia u. dergl., dagegen z. B.
MUc'k na;k,6^;k,'k. Die absolute Weichheit von Ä h hat, wie oben
(S. 34) hervorgehoben, auch nach diesen k gehalten, vgl. dazu die
Beispiele S. 33 HSCaßHTEAkH'k, rOYEHTEAkCTßO pO;k,HTf/\kCTBO
3aB'6;k,1iT«AkCTßOYeT'k, wo A = A, caHkCKaaro, wo h = h. Es
bleiben dabei immer noch ziemlich viel Beispiele übrig, wo -ak-,
dessen a = /, vor harter Silbe bleibt, und es mag sein, dass / vor
palatalen Vokalen ziemlich stark erweicht war, so dass die Wirkung
der folgenden Silbe deswegen nicht so leicht eintrat.
Es ergab sich (s. 0. 2. B), dass ausser bei ßk ßks, BknHTH,
Ek^-KTH, die Vertretung von altem t», durch k vor weichen Silben
wenig hervortritt; etwas stärker vertreten sind nur noch die For-
men der Tü-Stämme: awKkßk 9b, IIa, 18a, 88b (2 mal), awßkßf
9b, 90b, AhdRkßH Ha (daneben awROBk 72b, 81b, 92b, 90b, aw-
KOßkh^ IIa, 81b, awKOBHKi^ 10b, 86b, 92b, 105b); i^-Kakßk 36a,
i^'kakßE 39a (neben n'ka'kBk 47b, ^'kaoBk 33b, i^'taoßHiiR 33a,
i^-kaoB-kiiaa 41b; vgl. auch acKT^ßn 54b, cmokobh 54b). Dass
derselbe Mann nicht dieselbe Form dreifach verschieden gesprochen
hat: i^tA'kßk u.'kakßk n-kaoßk, liegt auf der Hand; es sind Nieder-
schläge verschiedener zeitlich oder dialektisch auseinander liegen-
der Entwicklungen; i;'kaoßk aioBOßk setzte nothwendig i^'ka'kßk
AiOB-kßk voraus. Betrachtet man, bei Ausschluss der wenigen oben
S. 35 angemerkten verstreuten Einzelfälle, die sonstigen Vorkomm-
nisse, so fällt auf, dass in ßk bks-, BknHTH, BkH'K, Kk^-kTH, aw-
40 A. Leskien, Noch einmal t nnd b in den altkirchenslav. Denkmälern.
KkBk, also in der tibergrossen Zahl der Fälle, dem alten t^ ein
Labial vorangeht. Es ist doch vielleicht der Gedanke nicht von
der Hand zu weisen, dass die Wirkung der weichen Silbe auf die
vorhergehende irgendwo und irgendwann unter der Bedingung
stand, dass diese Silbe labial anlautete; das ständige B'KS'knHTH
neben BknHTH, Bk Bks- neben stets bleibendem ck kt». ist und
bleibt auffällig. Ferner möchte ich noch bemerken, wenn i^'bAkBk
i^'KAkBC vorkommt, so erinnert das an die ziemlich oft erscheinende
Schreibung HAkTk (s. o. S. 35), man kann allenfalls daraus ent-
nehmen, dass ein at^ der Wirkung einer folgenden weichen Silbe
weniger Widerstand entgegensetzte, vgl. dazu das oben S.39 über l
Bemerkte.
Dass der Imperativ von pf k;r so gut wie regelmässig als p^ki^H
u. s. w. erscheint, kann mit dem Hartwerden des p erklärt werden ;
dagegen bleibt auffallend das konsequente B'KH'kMH, HSTiUfTT».
u. s. w. (s. 0. S. 36). Berufung auf Analogiebildung aus B'kb'KM;^
mit 'K wegen der folgenden harten Silbe führt zu nichts, denn es
ist nicht einzusehen, warum jemand, der B'Sp'kHa B'kpkHt u. s.w.
wechseln lässt, den Wechsel in B'kH'kMift BivHkMH, b'ks'km;^ bti-
3kMH aufheben sollte. Ich unterlasse es aber jetzt, weitere Be-
trachtungen darüber anzustellen, da das besser geschehen kann in
Verbindung mit der Untersuchung der andern noch zu behandeln-
den Quellen, auf die ich später kommen werde.
A. Leskie7i.
41
Slavische Wortdeutungen.
1 . Cech. csceta, ckeia, sketa, cJceta ; slov. scetovait, scetiti^ sketiti, sketljw
(slov. osabe?i, aksl. osajati, ositi s^).
Gebauer vergleicht im Slovnik stc, I. 194 das alte, czftc^ta 'ca-
bella' d. h. 'caballa', welches er csceta liest, mit ahd. stuot. Diese Zu-
sammenstellung ist wegen e unwahrscheinlich, weil ein wo, u nie in e
übergeht. Nachdem das Wort schon im Bohemarins maior vom J. 1397
vorkommt, müsste jedenfalls zumindest von der mhd. Form auszugehen
sein, aber auch so könnte man zu jener Zeit zu keinem sti, ste als
Grundlage von csceta gelangen, da nicht abzusehen ist, warum die
Sprache nicht bei stu mit s (nicht *■ !) hätte stehen bleiben sollen. Und
wie soll man sich dann die Erweichung des t erklären ? Wir dürfen von
csceta die anderen altcech. Wörter für 'caballa' nicht trennen, weil
sie von unserem Worte auch der Form nach nicht weit abstehen; es
sind dies sketa^ cketa 'zvire, Thier, bestia; kün, kobyle, Pferd, Stute;
zbabelec, Feigling: knez se je . . . neudatne czkety (jemu) dävati: du
bist ein blodiz tyr; byl s' vse sve dni neudatna czketa: alle dm tage
bist du blöde gewesin (Dalimil)'; desgleichen geben die Wörterbücher
der neueren Sprache die Formen cketa^ cketa, sketa, sketa als 'wildes
Thier, Pferd, Feigling, Tölpel' wieder.
Das Wort ist offenbar formell stark entstellt; die angeführten
Stellen aus Dalimil machen hinreichend ersichtlich, dass cketa, cketa
nur als Schimpfwort 'Thier' bedeutet, also gleich ist einem modernen
Schimpfworte 'Vieh, Bestie', beim Pferde 'Schindmähre'. Es ist offen-
kundig damit ein Thier gemeint, von dem man keinen Nutzen, sondern
nur Plage hat: ein solches Thier bringt aber, wie der Feigling im Kriege
und der blöde Mensch im Leben, da doch alle wie die nützlichen Ge-
schöpfe ernährt werden müssen, eigentlich nur Schaden, ihr Sein ist
Nichtigkeit, geradeso wie vom Utilitätsprincip aus das eines wilden
Thieres, welches ja nur Schaden zufügt, zumal wenn man es bei Existenz
von Jagdprivilegien nicht einmal frei jagen darf. Es ist daher nicht
auffallend, solche Thiere mit dem Worte für 'Schade' bezeichnet
zu finden, geradeso wie ein Mensch, der mehr Schaden als Nutzen
anrichtet, den Namen 'Schade, Skoda' erhalten hat. Man muss also für
42 K. Strekelj,
csceta etc. von dem Worte für 'Schade' ausgehen. Dieses Wort lautet
aksl. Usteta, serbokr. Heta von der Wurzel t^sk. Urcech. lautete es
tsceta, cceta. Wie wir naeh § 438 der Historicka mluvnice I. von Ge-
bauer aus placcivü ein placscivi/, aus kcice ein kscice mit eingeschobe-
nem s gewinnen, so aus cceta ein csceta. Andererseits konnte cceta^
d. i. tstseta, dem ungewöhnlichen Anlaut auch dadurch ausweichen,
dass das s der ersten Affricata schwand und dann t vor der zweiten
Aflfricata zu k gewandelt wurde, ein zwar ungewöhnlicher Vorgang, der
aber hier mit Rticksicht auf die zwei nachfolgenden t^ das t der unmittel-
bar folgenden Affricata und das t der nächsten Silbe, infolge der Häufung
der /-Laute leicht begreiflich ist. Durch diese Dissimilation erhalten wir
"^kceta^ eine im Slavischen ungewöhnliche Lautfolge, die durch Metathese
der anlautenden Consonanten behoben ward, so dass man zu cketa ge-
langte. Aus dem Anlaut ck (= tsk) ward wieder t eliminirt, was die Form
sketa zur Folge hatte. Der häufige Wechsel von 6^• mit sk erzeugte end-
lich die Form sketa^ worin wieder 5 in c überging und so cketa ergab,
für welche Erscheinung uns Gebauer im § 40.t. 2 a des L Bandes seiner
Historicka mluvnice hinreichende Beispiele anführt, die noch aus an-
deren slavischen Sprachen (z. B. dem Serbokroatischen: ckneti^ ckvara,
ckzrna^ cmilj\ cmrkati u. s. w.) vermehrt werden könnten.
Das alte t^steta (serbokr. steta) treffen wir in etwas veränderter
Gestalt, die aber theilweise an die Wandlungen im Cechischen erinnert,
auch in mehreren slovenischen Wörtern an. Nach Havlik's Gesetz vom
Schwunde derHalbvocale musste daraus im Slovenischen * tsceta, *cceta,
*sceta werden. Von diesem ist zunächst ein Verbum scetovati se ab-
geleitet, das in Unterkrain (Krsko) setcati se gesprochen wird und 'sich
enthalten' bedeutet : setvati sejedi m pij'ace. Für sc tritt nämlich heute
auch in Unterkrain manchenorts schon s ein, wie in Oberkraiu und
Steiermark; dieser Zug muss auch das Unterkrainische schon früh er-
fasst haben, da wir bereits in der protest. Periode schon allgemein s
für sc mjesce [se, ise) finden. Die Bedeutung von setovati se entwickelte
sich durch die Mittelstufen: sich Schaden zufügen — sich Abbruch thun
— sich enthalten. Die Anschauung, dass sich einer, der sich einer Sache
freiwillig enthält, sie nicht seinem Genüsse zuführt, sich selbst schädigt,
ist gewiss eine unchristliche. Das Objekt steht wie bei ähnlichen Verben
und beim zugrundeliegenden Adjektiv tbsth im Genitiv.
Ein zweites auf thsteta beruhendes slov. Verbum ist das in Unter-
krain, Innerkrain und im Küstenlaude vorkommende scetiti, sketiti 'eine
Slavische Wortdeutungen. 43
Sache so verbrauchen und verarbeiten , dass man davon keinen Nutzen
hat, sie verschwenden'; auch hier war nämlich die erste Bedeutung
'schädigen, zu Grunde richten'. Levstik, der dieses Wort nur in der
Bedeutung 'spälteln' kennt, will es im Letopis slov. Mat. 1882/83. 253
vom mhd. schiff ahd. seit 'Scheit' ableiten. Nachdem jedoch im Görz-
schen das Wort in Verbindungen vorkommt, wo man an ein 'Spälteln,
Scheite machen' gar nicht denken kann (z. B.: vse zito, ves pridelek so
posketili, zdaj pa nimajo ob cem ziveti), kommt mir die Entlehnung
nicht glaubhaft vor. Die Ableitung von tsceta^ bceta (mit Schaden ver-
wenden = verschwenden = verwirthschaften) ist natürlicher. Bei An-
nahme einer Ableitung von seit wäre auch die Nebenform sketiti^ die
sowohl am Karst wie in Unterkrain (Lasce) gebraucht wird, neben sce-
titi^ das in Innerkrain gesprochen wird, wo indess die secundäre slove-
nische Palatalisation nicht bekannt ist, nicht begreiflich, während wir
es aus tsceta durch *ksceta — *kceta^ *cketa^ *i>keta leichter ableiten ;
vgl. auch slov. veksi aus vecsi durch vetsi (c. vetsi), bezüglich der Meta-
these aber puska aus puksa. Natürlich trat diese Metathese sowohl im
Cechischen wie im Slovenischen erst zu einer Zeit ein, wo k vor e nicht
mehr nothwendigerweise erweicht zu werden brauchte. — Reflexiv
gebraucht bedeutet das Verbum scetiti^ sketiti 'sich sträuben, sich
weigern', es hat also eine Bedeutung, die man ganz gut mit t^steta
in Einklaug bringen kann. Hier hat das davon abgeleitete Verbum.
welches ähnlich wie scetovati se anfänglich 'sich Schaden zufügen —
sich Abbruch thun — sich enthalten' bedeutete, im Bedeutungswandel
nur einen Schritt weiter gethan: wer sich einer Sache enthält, der
weigert sich, sträubt sich, sie anzunehmen, zu geniesseu; daher nahm denn
das Wort scetiti se, sketiti se die Bedeutung 'sich sträuben, sich weigern'
an, woraus sich weiter die von 'widerspänstig, stutzig sein' entwickelte ^).
1) Aehnlich wie sketljiv 'widerspänstig', stutzig' aus sketiti se (von Hsteta)
urspr. 'sich schädigen, sich enthalten', entwickelte sich aus savati se cesa,
osavati se 'sich einer Sache weigern, verschämt thun, bevor man sie annimmt'
(savati se jedi all pijace: in Unterkrain und Kärnten gebräuchlich, fehlt bei
Pletersnik), ksl. osajati, osavati se 'sich enthalten', durch das daraus abgelei-
tete Nomen *osaba das nsl. osahen 'stolz, hochmüthig'. Osaben war zunächst
jener, der sich der vorgelegten Speisen etc. enthielt, sie verschmähte, sich
ihrer weigerte ; dass 'hochmüthig' und 'trotzig, widerspänstig' verwandte Be-
griffe sind, zeigt auch c. purny^ zpurny, welches beides bedeutet. Auch bei
osajati 8Q scheint die Grundbedeutung, aus welcher sich später 'sich enthalten'
entwickelte, die von 'sich schädigen' zu sein. Das Wort gehört wohl zu einer
44 ■ K. ätrekelj,
Ist aber dem so, dann ist anch slov. sketljiv 'stutzig' (von Pferden) kein
Lehnwort, und demgemäss sowohl Levstik's Ableitung dieses Wortes
aus ital. stitico (Letopis 1. c), als auch die meinige vom d. stettig (Archiv
XII. 469) als unpassend und unnöthig zurückzuweisen; bei beiden wäre
überdies der unmittelbare Uebergang des st vor einem Vocal in sk im
Slovenischen erst nachzuweisen.
2. Kroat. galte^ glotun\ glotimija.
Das Wort gälte f. pl. bedeutet 'Schlund, Kehle'. Budmani, der es
im Rjecnik III. 97a aus einem Schriftsteller des XVIII. Jahrh. (Andr.
Vitalic aus Lissa) und aus dem Wörterb. StuUi's [galta 'fauces, gula,
guttur') belegt, erklärt es daselbst für unbekannten Ursprungs. Sieht
man indess, dass man auch kalk (neben käk im Istrischen bei Nemanic,
Cak.-kroat. Studien I. 16) für kuk 'femur', halm neben hlam für hum
'coUis' besitzt, so muss man unwillkürlich an die cakavische Wiedergabe
Wurzel che, cha, die wir auch in chabaii, chabiti haben. Für diese letzteren
Wörter nimmt Miklosich (Et.Wtb. 84a,b) gar drei Basen an: chaba- (nsl.habati
se 'abstinere'), chabi- 1 (ksl. chabiti 'pessumdare', nsl. habiti, shabiti, pohabiti
'beschädigen', bulg. ishabja 'to spoil in making, to duir, serb. habati 'panum
deterere', haba 'noxa', cech. ochabiti 'kraftlosmachen', chäbnoutl 'schlaff wer-
den', klr.oxaöHTu 'verderben', gr. noxä6iiTB 'verwöhnen') und chabi-2 (ksl. chabiti,
ochabiti se 'abstinere', cech. ochabiti se, slov. habati 'schonen'). Indess zeigt un-
sere obige Auseinandersetzung über slov. scetovati se, scetiti se klar, dass wir
es hier mit einer gleichen Bedeutungsentwickelung zu thun haben und dass
die drei Basen Miklosich's eigentlich nur eine einzige repräsentiren. Unklar
ist ihr Verhältniss zu chajati 'curare', ochajati 'non curare', das indess für sich
eine besondere Basis zu bilden scheint. Hingegen entwickelte sich ein an-
deres aksl. Verbuni, welches 'abstinere' bedeutet, nämlich osibq se, ositi se,
osibati sf, wohl aus einer anderen Grundbedeutung heraus. Die Verbalwurzel
lautet wohl sib und es gehört zu ihr auch das von Miklosich, Et. Wtb. 339
unter si-2 angeführte nsl. presinoft, welches ja der Bedeutung nach dem p7-e-
sunoti gleichkommt: simoti ist 'stossen, schlagen, einen Schlag versetzen';
dasselbe bedeutet aber auch sib-\ vgl. klr. BtiuiHÖciH 'ausstossen', ksl. umöaxu
'virgis caedere', gr. uiHöaTB 'schlagen', slov. osinoti 'mit einem langen Gegen-
stand einen Schlag versetzen'. Das ksl. ositi sf, osibati s§ 'abstinere' geht auf
eine, von sib- 'schlagen', siba 'Ruthe', nsl. sibek 'schwank', usibniti se 'sich
krümmen' — die elastische Ruthe biegt sich beim Versetzen eines Schlages
damit: »Ona mi bo podala zohko sibico, da se bo mi ovila okoli mojih mla-
dih kostic, spricht ein slov. Kind von der Stiefmutter — abgeleitete Bedeutung
,3ich krümmen, biegen' zurück, woraus dann 'ausweichen' und zuletzt 'sich
enthalten' ward; vgl. ogniti se, ogibati se 'sich biegen — ausweichen, meiden'.
Slavische Wortdeutungen. 45
des slavischen silbenbildenden / durch al sich erinnern, über welche uns
Milcetid (Archiv f. 3I. Ph. XI. 364 f.) und Oblak (Archiv XVI. 199 f.) be-
richteten: gälte ist daher nichts anderes als glte = gut^ ksl. rAivTii,
russ. rojTt, slov. golt., cech. hlt u. s.w. — Während für 7 in Altserbien
und in älteren Urkunden bisweilen auch lu zu finden ist (Oblak, 1. c.
207, 208), hat eine Ableitung des soeben angeführten glt, das kroat.
gütun 'Kropf, im Istrocakavischen lo für altes silbenbildendes /: glotün^
gloiünac 'guttur avium' (Nemanic 0. c. I. 41, 52, 53). An der slavischen
Genuität des Wortes ist nicht zu zweifeln: un wird vielfach zur weiteren
Ableitung von Wörtern, die 'Kehle, Schlund, Kropf bedeuten, ange-
wandt, vgl. slov. golzun 'Kropf, golzunec id. von golza^ golm 'Kropf,
serbokroat. gusa, bulg. rptKjiyH, rpti^jy« 'Kehle'. An ghU angefügt
sehen wir im auch im cech. hltnun, hyrtuü neben Jdton 'Schlundkopf,
poln. krtunic siq 'sich würgen' ; das verwandte an finden wir im slov. gol-
tanec^ cech. hlta7i in derselben Bedeutung, ksl. rp-LTanL, russ. ropxaHi.,
slov. grtayiec^ cech. lirtdn^ poln. krtan u. s. w., was alles dafür spricht,
dass *ghtu)Vb eine genuinslavische Bildung ist. Merkwürdig ist nun
die vereinzelte Erscheinung des lo für / im cakav. glotün\ sie ist nicht
anders erklärbar, als durch Annahme von Contamination mit anderen
lo enthaltenden Wörtern. Sachlich könnte zur Noth das einheimische
glötina 'Gemisch verschiedener Getreidearten, Weizen ausgenommen;
pomijesano i necisto zito (Ragusa)', welches ja das Hauptfutter des
Hausgeflügels ist und im glotun verarbeitet wird, in Betracht kommen.
Doch haben wir ein passenderes Wort, welchem die Aenderung zuge-
schrieben werden muss; es ist dies das fremde glötün 'prozdor' ('koji
Ijubi kuhinje, zove se glotun') aus dem, dem slav. gl^t^ stammver-
wandten ital. gliioitone 'Vielfrass' [glutönem) ^ ghiotto 'Schlemmer'
{*gluttus)j inghioftire ^schlucken, schlingen^ {glutüre): zur Aehnlich-
keit der Laute trat die Aehnlichkeit des Begriffes hinzu (Vielfrass =
Giermund). Dass man im serbokroat. glotun 'prozdor' lo für das er-
wartete lu hat, indem ja dem alten romanischen u wohl in der Regel u
im Serbokroatischen entspricht, beruht darauf, dass schon im Romani-
schen neben glu auch glo sich findet (friaul. gloti neben gltitt), indem
für schriftlat. glu schon früh glü eingetreten war. — Ob kroat. glotu-
nija 'prozdorstvo, Gefrässigkeit' einheimische Bildung aus dem fremden
glötün 'Schlemmer' sei, wie Budmani annimmt, weil im Ital. nur glutto-
neria^ ghiottoneria gesagt wird, vermag ich bei der Existenz eines engl.
gluttony neben frz. gloutonnerie nicht zu entscheiden; vielleicht
46 K. Strekelj,
existiite doch auch auf roman. Boden ein *glutto7üa, welches durch Bil-
dungen auf arla verdrängt ward.
3. Cech. hoch^ d. Hache.
Als Bedeutung des cech. hoch wird 'Junge, Bursche, Kerl' ange-
geben; diminut. hosek^ hosik\ das Femininum zu hoch ist hochna 'junge
Dirne'. Weil das Wort in diesen Formen den tlbrigen slavischen Sprachen
abgeht, vermuthete Matzenauer. Cizi slova 3S8, fremden Ursprung und
zog, wie schon vor ihm der geniale Schmeller beide Wörter verbunden
hatte (Bayr. Wörterb.2 I. 1041), das d. Hach ^ Hache zur Verglei-
chung heran. Dieses bedeutet nach dem Deutschen Wörterb. (Grimm)
IV. A. 96 — 9S ganz das nämliche, wie das cechische Wort: 'junger
Mensch, Bursche im allgemeinen : Knapheus, Knap, Knab oder sechsisch
ein Knaph heisst ein junger Gad oder Hach., oder den die Ungarn ein
Jonaken {^= s\a.y.Junak^), wir einen Gesellen heissen' Mathesius, Sarepta,
nun bei Göpfert 29). Belegt ist d. Hache, Hach im D.Wtb. ausser aus
Mathesius in formelhafter Verbindung (mit jung, frei, wild) noch aus
Kaisersberg, Fischart, H. Sachs, Schönsleder, Hütten, Böcking und Uh-
land's Volksliedern. Aus Mathesius wird auch die Form Hock angeführt :
'Philippi Son der Wundermann, welchen Daniel ein freier Hock nennet
(wie man die alten Kriegsfürsten Kerl oder freie Hachen oder Habicht
nennet)'. Ferner gibt das D.Wtb. aus Matthiae d.-lat.Lex.(1716) Hach
in der Bedeutung 'junger, läppischer, grober und tollkühner Mensch',
aus Rondeau d.-frz.Wtb. (1740) als terme injurieux 'cheval de carosse'
und aus Zelneri sententiae (1718) den Spruch 'An tollem Lachen er-
kennt man einen Hachen' an. In Mitteldeutschland, besonders Hessen,
bedeutet es nach Vilmar jetzt einen habsüchtigen, groben Menschen und
wird auch als Schelte angewandt. Das Femininum Hache bedeutet
'Dirne, grobes und leichtfertiges Weib'. Ueber die Etymologie des
Wortes kann das D.Wtb. nur Vermuthungen bieten. Zunächst wendet
es sich gegen Frischens und Schmellers Deutung aus Habicht (aufge-
stellt unter Anlehnung an die oben angeführte Stelle aus Mathesius)
und zieht den ahd. Namen Hahho, Hahcho, Hecho, Heccho, Hecko
zum Vergleich heran, muss aber hinzufügen: »Die genaue ursprüngliche
Bedeutung des Wortes aufzudecken fällt schwer«, »vielleicht würde man
es mit hacken zu vermitteln haben, insoferne hacken auch das Schlagen
und Kämpfen gegen den Feind bedeutet«. Diese Erklärung halte ich
für ebensowenig wahrscheinlich wie deren Aufsteller selbst; es ist
Slavische Wortdeutungen. 47
immerhin misslich, ein junges dunkles Wort durch einen nicht minder
dunklen, wenn auch alten Personennamen erklären zu wollen; ausser-
dem heisst es nirgends, dass Hache geradezu 'Kämpfer, Krieger' be-
deute, wenn es auch als 'tollkühner Mensch' gedeutet wird. Ganz sicher
ist das eine, dass das deutsche und das cech. Wort sowohl der Form
wie der Bedeutung wegen zusammengehören. — Hat sich nun Matzenauer
(und nach ihm Gebauer, der sich im Slovnik starocesky 450a auf ihn
beruft und das deutsche Wort sogar zum «altd.« macht) in der Annahme
von Entlehnung nicht geirrt? Im Cechischen ist hoch als Eigenname,
wie Gebauer angibt, bereits aus dem J. 1379 und 1429 nachgewiesen,
hochna 'Dirne' (neochotnä, nevlidna i neprivetivä hochna) im XVI. Jahr-
hundert gebräuchlich, kommt also in dieser Beziehung, insoferne es
sich um den Nachweis des Alters handelt, dem d. Worte zumindest
ziemlich gleich.
Ich glaube, dass hoch slavisch ist und kann es aus dem Öechischen
auf eine sehr einfache Weise erklären. Bekannt ist, dass im Slavischen
bei der Bildung der Hypokoristika (Kosenamen) und der damit zu-
sammenhängenden Diminutiven oft ganze Silben gegen das Wortende
zu unterdrückt werden und an den übrigbleibenden Wortstummel be-
stimmte Suffixe angefügt werden. Von gospödär, jezik, medvjed, pö-
bratim, trbuh z. B. wird im Serbokroat. das Hypokoristikon dadurch
gebildet, dass nur die erste Silbe mit einem oder zwei Konsonanten ver-
bleibt und daran a, o gefügt wird : gösa, jeza, medo, pöbro, tfba. In
anderen Fällen wird vom Stammworte alles weggelassen, was auf den
ersten Vokal folgt, und auf den verbleibenden Wortrest verschiedene
Konsonanten wie c, c, c, h, j\ k^ l, s mit einem der Vokale a, 0, e ge-
fügt: Dorotija-Döca, Katarina-Käca, zlotvor-zloco, Radosav-Räho, De-
simir-Ddho u.s.w. (siehe Maretic, Gramatika 361 — 363). Etwas diesem
letzteren Falle ähnliches finden wir nun im Öechischen, und zwar ist
dort als Suffix für Hypokoristika r]t beliebt: für kmofr haben wir
kmoch, für hratr — brach und brächa] besonders häufig ist dies natür-
lich in Taufnamen zu finden : Petr-Pech, Väcslav- Vach, od. Vächa,
Sta?iislav-Sfach, Boleslav-Bolech, Zikmund-Zich^ Simon-Sich und
Sicha, MateJ-Mach und Mächa, Havel-Hach^ Jenik-Jerh^ Bartolo-
mej-Bartoch^ Bartocha\ anf diese Weise entpuppt sich manch deutsch-
österreichischer Familienname auf -<"/* (z. B. Pech, Stach, Mach) als Spröss-
ling cechischer Vorfahren. Natürlich können davon weitere Ableitungen
gebildet werden : Pech-Pesek^ PeUk, Pisek, Pisa, Peska (vgl. Gebauer^
48 K. Strekelj,
Mluvnice skolskä I. § 82). Wie nun kmotr zu kmocJi, hratr zu hrach
oder komin zu koch^ so ward holek^ hohe 'Knabe, Bursche' zu hoch
und durcli das Suffix 7ia erhielt man daraus hochna. Hoch ist also ur-
sprünglich ein Hypokoristikon, welches bei einem Worte wie holek sehr
leicht begreiflich ist ; die dem Hypokoristikon vielleicht anfangs inne-
wohnende diminutive Bedeutung verlor sich allmählich und verblasste
ganz (vgl. slov. detic^ hlapec 'Knecht', ursprüngl. Demin. von *detb^
chla^n), so dass die Bedeutung 'Bursche, Knabe', die holek., holec ur-
sprünglich besass, weiter in Kraft blieb. Holek^ holec selbst beruht be-
kanntlich 2Mi goh (vgl.Miklosich, Et.Wtb. 71) 'der Bartlose' ; wir finden
das Wort nicht bloss im Öech. und Sorb., wie es Miklosich 1. c. angibt,
sondern auch im Slov. [golec 'bartloser Junge") und Serbokroat. [golac
'impubes' neben 'noch unbefiederter Vogel', istrocak. golcina 'iuvenis',
Milcetic im Rad 121 ^ 130, Nemanic II. 39). Auf dem Ausdruck für
'Knabe' ('der Bartlose') beruhen dann die Ausdrücke für Mädchen : c.
etc. holka^ kroat. slov. golica.
Nach dieser Erklärung muss nun d. Hach^ Hache als Lehnwort
aus dem Slavischen, d. h. Cechischen, angesehen werden, geradeso wie
das aus demselben Stamm goh durch cech. holomek ins Deutsche ge-
langte Halunke., welches von allen Germanisten für slav. Lehnwort
angesehen wird : wie in diesem, ergab auch in hoch das anlautende ho
im Deutschen A«, im Auslaut aber ward e an Hach nach Analogie an-
derer Substantiva auf e angefügt.
4. Kroat. hust., gusc und host., hustolina; slov. hlastina etc.
Im Istrocakavischen (vgl. Nemanic I. 10) bedeutet hüst m. ausser
'frutex, Gebüsch' auch 'cannabis degener (nee mas nee femina)'.
In der ersteren Bedeutung ist das Wort nichts anderes als das Mas-
culinum des sonst feminin gebrauchten kajk.-kroat. husta^ slov. hosta
'das Dickicht', welches seinerseits auf urslav. chvostu, verwandt mit d.
quast 'Laubbüschel', zurückgeht, das im cech. chvost 'Besen, Ruthe,
Badequast', c/iüos^ma 'Wedel, Busch', c/^üOÄ^a^* 'schlagen', poln. c7«z<?os^ad
id., der ursprünglichen, im eben augeführten deutschen Wort noch er-
haltenen Bedeutung am nächsten kommt, während es in der Bedeutung
'Schweif im Kirchenslav., Kroat. u. s. w., davon schon etwas entfernter
ist. Das Wort hvosta 'Dickicht', hvost 'Gebüsch' ward im Slov. zu
■hosta., im Kroat. zu husta., bzw. hust durch Anlehnung an gost^ gust
(ksl. r;fiCT'K) 'dick', also 'Dickicht' xar' e^oxrjv. Das dem anlauten-
Slavische Wortdeutungen. 49
den h nachfolgende v schwand wahrscheinlich wegen der Labialisirung
des nachfolgenden o, indem wie in gvozd, zagvozda aus vo zunächst
vuo^ 110, ward ; andererseits konnte v durch w zu i, l entwickelt wer-
den, was man im Slovenischen in einigen Dialekten findet: zaglojzda,
wie auch slatati aus svatati, hlatati aus hvatati, hlastati aus Jwastati
und ähnl.
In der Bedeutung 'cannabis degener (nee mas nee femina)' ist kroat.
hust auf eine ganz andere Wurzel zurückzuführen, resp. daraus durch
Formübertragung zu erklären, nämlich chlash (aus urslav. cholsiü),
russ. xojiocTLiri 'unverheirathet, ledig', xoiiocTHTt 'verschneiden, castri-
ren' (s. Miklosich, Et.Wtb. SSa; vgl. Pedersen's Ausführungen in den
IF. V. 64): hl/st ist also ein für sich allein stehender, im ledigen Zu-
stande befindlicher, gleichsam castrirter Hanf, der weder befruchten
noch befruchtet werden kann. Der Weg von cJdastb — das Wort
müsste im Serbokroatischen hlast lauten — führt über c/wasi^ aus
chiast^ durch Anlehnung an chvost zu diesem über, mit welchem es
die weiteren Wandlungen, wie sie im voranstehenden Absatz dargelegt
wurden, theilte. Dass dem so ist, beweist uns die istrocak. Neben-
form gusc, welche desgleichen (wie auch pohustelj\ Nemanic I. 68)
'cannabis degener (nee mas nee femina)' (Nemanic I. 13), daneben aber
auch *faex' bedeutet, also mit ksl. r;i^iJJTa 'faex', slov. gosca 'dicker
Bodensatz, Hefe, Dickicht' etc. sich gekreuzt hat, was uns die Ein-
wirkung von gqst^ auf urslav. c/wostü und chlastü im Istrocakavischen
zur Evidenz ergibt.
Aehnlich wie c/wostü ^Laubbusch' im Kroatischen zu hust 'Ge-
btisch' wurde, erlag den gleichen Einwirkungen dasselbe Wort in der spä-
teren Bedeutung 'Schweif in den verschiedensten Formen. Es entwickelte
sich aus chvost 'Laubbusch', 'Schweif (vgl. namentlich den buschigen
Schwanz des Fuchses) auch die Bedeutung 'abgebeerter Trauben-
kamm', für welchen ausser r^ep 'Schweif, grozdovina (von grozch), ozo-
bina (von zobati, ozobati 'abbeeren'), sipurina auch die Formen hüsto-
Una, hustovina, host, hostine (Rjecnik HI. 737b), hlostina ('racemus
baccis nudatus', Nemanic H. 39) und hvostina (so habe ich es in Triest
von einem Istrianer Kroaten gehört) vorkommen; im Sloven. haben wir
hläst 'abgebeerte Traube', hlastina und hvost in derselben Bedeutung.
In diesen Formen finden wir, dass theilweise v vor o schwand oder zu
/ ward [host, hostine — hlostina), theilweise aber hust für Jivost ein-
geführt ward [hustovina, hustoUna). Hustovina Hesse sich als Bildung
Archiv far slavische Philologie. XXYII. 4
50 K. Strekelj,
nach grozdovina erklären ; das geht aber bei hustolina nicht, da ein
*huiitol, *hustola nicht erwiesen ist. Wir müssen da wieder eine merk-
würdige Kreuzung von ]iust und *hlostovi7ia aus hvostovina in der
Weise annehmen, dass in *hlostovina zunächst die Umstellung von l
und V ^hviostolina]^ und daraus nach Einführung des hust die Form
hustolina zu Stande kam. Im slov. hlast^ hlastina scheint wegen a
Kreuzung mit Jdastati 'gierig essen', hlästniti^ hldstiti 'schnappen' vor-
zuliegen. Das slovenische hlastina ist also etymologisch von chlastb
'solus' zu trennen; es vermischte sich damit nur durch Kreuzung.
Diese Entstellungen des ursprünglichen chvost^, chlastb haben
natürlich dort stattgefunden, wo die Wörter in deren älteren Bedeu-
tungen abhanden gekommen sind oder nur in Ableitungen vorkommen,
in welchen die ursprünglichere Bedeutung verdunkelt ist.
5. Slov. Tiurec^ kurica\ kuriti
[pica, serbokr. koJca).
Das slov. kiirec 'membrum pudendum viri', kroat. kurac 'penis'
(bei Filipovic, Nemanic I. 20) geht auf ku7•^ 'Hahn' zurück und hat
nichts mit poln. kurcz^ slov. k7'c etc., womit es Linde zusammenbringt,
zu thun. Der Ausdruck km•^ 'gallus' ist im Serbokroatischen heute un-
bekannt, im Slovenischen ist er aber noch nicht ganz vergessen; doch
ist das davon abgeleitete Diminutiv in seiner angeführten Bedeutung
ganz verdunkelt, was häufig bei Gegenstandswörtern, die von Thiere
bedeutenden Wörtern hergenommen sind, aus dem Grunde geschehen
ist, weil heute bei ersteren der Accusativ dem Nominativ, bei letzteren
aber dem Genitiv gleich ist. Im Polnischen bedeutet kurek heute noch
'Hähnchen', 'Fasshahn' und 'penis' (cf. Siownik jezyka polskiego von
Kariowicz-Krynski-Niediwiedzki); in einer poln. Wiedergabe eines
litauischen Märchens (Brugmann-Leskien, Volkslieder und Märchen 469),
die J. Karlowicz in der Wisia III. 2 75 veröffentlichte, antwortet der
Tölpel auf die Frage der Königstochter: »A gdyby kurek (Hahn des
Fasses) wypadl?« mit den Worten: »To bym wstawil möj(f. Die Wie-
dergabe des membrum virile durch den Ausdruck 'Hahn' kennt auch
das Deutsche: im D.Wb. IV 2 findet man Sp. 164 Hahn als 'membrum
virile' aus Frisch 1, 397 a angeführt und dazu angemerkt, dass diese Be-
deutung öfters auch die Verkleinerungsform i?ä//wc/^ew und Fiphahn be-
sitzt. Dieser letztere Ausdruck (=Hahn an derPipe), sowie das sloven.
cep in der Bedeutung 'Zapfen' und 'mentula' weisen darauf hin, dass
Slavische Wortdeutungen. 51
die Vermuthung M. Heyne's im D.Wtb. 1. c, es beruhe diese Metonymie
auf der geschlechtlichen Tüchtigkeit und Geilheit des Hahnes, keines-
wegs der Wahrheit entsprechen dürfte; eher hat man sie an den Hahn
als Bezeichnung jener Vorrichtung zu knüpfen, die zur Herauslassung
der Flüssigkeit durch eine an ein Fass gesteckte Röhre dient oder viel-
mehr überhaupt aus der scheinbaren Aehnlichkeit der Sache mit dem
Vogel abzuleiten, zumal in bestimmten Gegenden für die mentula kleiner
Knaben der Ausdruck Vogel (Wien), im Slov. ticek 'Vöglein' ge-
braucht wird.
Nachdem sich einmal kurec aus kur als 'penis' festgesetzt hat, hat
man zu Zeiten, als das Wort noch immer daneben auch in der ursprüng-
lichen Bedeutung gebraucht wurde, dazu aus dessen Gegenstück kura
'gallina' ein kurica 'muliebria' gebildet; letzteres findet sich im Slove-
nischen und im Niedersorbischen, in welch letzterem indess das ent-
sprechende Masculinum sammt seinem Grundworte in Vergessenheit
geratheu ist. Hat man aber das membrum pudendum feminae einmal
mit einem Namen belegt, welcher durch Motion aus einem Wort für
•Hahn' hervorgegangen ist, so wurden im Anschlüsse daran auch andere
Ausdrücke für 'Henne' zur Bezeichnung derselben Sache verwendet,
sodass sie in der Sprache sowohl in ihrer eigentlichen , wie in dieser
accessorischen Bedeutung gang und gäbe sind. So findet man im SIo-
venischen und Kroatischen in beiden Bedeutungen ('gallina' und 'vulva')
2nca, picka^ abzuleiten von pita 'Henne' mit dem Suffix ftra, verwandt
mit puta^ worüber meine Ausführungen in der Abhandlung »Zur slav.
Lehnwörterkunde« s.v. zu vergleichen sind; pirka nahmen auch die
Magyaren auf [picska] und machten daraus nach Abwurf des Diminutiv-
suffixes ka \\\v picsa 'vulva', das von magy. pina zu trennen ist. Hier-
her rechne ich ferner serbokroat. koka 'muliebria infantium', das nichts
mit ital. cocca^ ngr. -/.ö'/xt 'Kerbe, Einschnitt' zu thun hat, sondern zu
ital. cocca 'gallina' stimmt, wo^on sich das Hypokoristikon köka von
kokos nur durch den Accent unterscheidet; die Unterscheidung kann
indess nur secundär sein, um die beiden Bedeutungen auseinander zu
halten. Zu beachten ist, dass diese beiden Worte auch 'Traubenkern,
Nusskern' bedeuten, was auch bei anderen Ausdrücken für 'Henne' der
Fall ist, z. B. slov. puta^ ciha, womit auch kokot 'Nusskern' zu ver-
gleichen ist M.
1) Als ich diesen Artikel schrieb, lair mir Belic's Bemerkung in den
HsBicTia H. otä^.!. Bd. Vlll. Heft 2. pg. ^96 noch nicht vor.
4*
52 K. ^trekelj,
Mit der in Gegenden, wo kurec^ kurac bekannt ist, Läufigen An-
wendung dieses Wortes, nm damit eine verächtliche Verneinung oder
Abweisung auszudrücken (= gar nicht, gar nichts), ist der gleiche Ge-
brauch des ital. cazzo 'membro virile': un cazzo = cica, niente, niente
affatto, no, mainö (Boerio 156) zu vergleichen. In dieser Verwendung
kennen kurac auch die Serben, denen es sonst nicht bekannt sein soll.
Bei Küzmic (I. Kor. XI. 16) kommt ein von Pletersnik nicht beach-
tetes kuriti se in der Bedeutung 'zanken, streiten' vor : ci se pa sto sce
kuriti = ei de rig doY-sl (piLhvw/Mq eivai. Es ist wohl von kuriti
'heizen', c. kour, kür 'Rauch', os. kur 'Rauch, Staub' zu trennen, da
es dann die Bedeutung 'sich einheizen, sich Rauch machen' haben
mtisste, während seine jetzige Bedeutung, wenn man es mit ku7'o 'Hahn'
verbindet, sich unschwer ableiten lässt: 'sich benehmen wie ein Hahn,
der keinen Genossen neben sich duldet und sofort mit ihm in einen
Kampf sich einlässt, wenn er ihm zu nahe kommt'.
6. Loza.
Das Wort loza ist meines Wissens bis jetzt unerklärt. Boz. Raic
versuchte im Archiv I. 620, ihm von der Wurzel leg aus beizukommen,
ohne anzugeben, wie er sich die Entwickelung der Bedeutung daraus
vorstellt. Aus dieser Wurzel Hesse sich höchstens 'die sich anlegende,
anschmiegende Pflanze' herausschälen, was allerdings einigermassen
nicht unpassend wäre; doch hat Raic sicherlich nicht daran gedacht,
weil ihn die Weinkultur der ihm bekannten Länder darauf wohl nicht
schliessen liess. Raic's Versuch ist indess lautlich missglückt, indem
sich daraus das z des Wortes nicht erklären lässt, da es (wegen o in
der Silbe vor der ursprünglich betonten Schlusssilbe) nicht zu jenen
gehört, wo g nach dem von J. Baudouin de Courtenay (Idg. Forschungen
IV. 46 f.) gefundenen Palatalisationsgesetze zu z werden müsste, bei
Annahme eines Suffixes Ja [ia] aber aus gja ein za entstehen würde.
Miklosich behandelte das Wort, ohne weiter darauf einzugehen, im
Lexicon pal.-gr.-lat. p. 343 s. v., wo er unpassend lit. lauzas 'abge-
brochener Ast' zur Verorleichung heranzieht, Avas wegen au nicht angeht
und wohl zu läuziu, läuzti 'brechen' gehört, dann im Et. Wtb. 174 f.,
wo er (175a) lit. läza 'Schaft' zur Vergleichung anführt, das jedoch,
wie schon Brückner (Lituslav. Studien I. 102) erkannt hat, aus poln.
ioze ist: loze w strzelbi 'Schaft einer Flinte' [= das Holz, in welchem
das Gehäuse und der Lauf des Gewehres eingebettet ist). Nehring
Slavische Wortdeutungen. 53
zählt (Idg. Forschungen IV. 402) das Wort loza unter jenen auf, deren
z noch nicht erklärt ist.
Das Wort hat in den slavischen Sprachen, in welchen es vorkommt,
verschiedene Bedeutungen. Im Kirchenslavischen bedeutet A03a:
1. Gerte Reis -/.Ifi^ia palmes, 2. Reisig y.lrjßarlg palmites, 3. Weinrebe
ai-iTcelog vitis, 4. an Bäumen in die Höhe gezogener Weinstock ava-
devÖQctg vitis arbustiva; die Ableitung JiosHie bedeutet: 1. Reiser /.Irj-
aava palmites, 2. Triebe, Schösslinge ßlaazol germina; 3. Weinreben
tcuTceloL vites, Weingarten ujUTtekiov vinea, 4. dürres Strauchwerk
fpQvyava sarmenta; die letztere Bedeutung hat auch das Derivat Jio-
3Hinne. Das Bulgarische kennt Jiosa 'Weinstock' und jiosiie 'Wein-
garten'. Im Serbokroatischen bedeutet loza 'Zweig, Schössling, Rebe,
Weinrebe, Schossrebe, Wald, Baumaterial'; lözovac ist 'Reis, dünner
Zweig, Rebe', lözovan 'voller Ranken oder Weinblätter', loznac und
loznica 'Art Erbsen, Fisolen, die sich hinaufrankt', loziti se 'sich hinauf-
ranken'; loznica 'wilde Rebe'. Im Slovenischen ist löza zunächst
'Ranke, Weinrebe', dann auch 'Wald, besonders der Niederwald', ferner
'Hain'. Im Slovakischen haben wir loza als 'Weinrebe zum Setzen'.
Das Grossruss. kennt .i03a als 'Ruthe, Reis, Zweig', BimorpuAHaa Jiosä
'Weinrebe'; jro3nHa, jioaoBmia = Jiosa, ji03fce 'Reisig' (gegenüber
Ji63be 'Weinreben' aus dem Kirchenslav.), jiosaHt 'Hieb mit der Ruthe'.
Im Kleinruss. findet sich .i03a als 'Zuchtruthe' und 'Korbweide, Ufer-
weide (Salix viminalis/; BiiHHa Ji. 'Weinrebe', Bepöojiis 'Lorbeerweide'.
Ausser in der Bedeutung 'Ruthe, Gerte, Birkenruthe, Zweig' und
'Strauch, Busch, Weinstock' kennt das Wort ioza in der Bedeutung
'Weide, namentlich Wasserweide oder Bachweide (siler)' auch das Pol-
nische, das auch loziyia 'Wasserweide' und 'Gebüsch, Gesträuch' be-
sitzt. — Welche dieser Bedeutungen ist die ursprüngliche? Ich glaube
von 'Ranke, Rebe' ausgehen zu müssen, wobei allerdings 'Rebe' noch
nicht im Sinne von 'Weinrebe' aufgefasst werden darf, welche Ein-
schränkung sicherlich erst später hinzugetreten ist. Aus 'Ranke, Rebe'
specificirte sich nämlich einerseits 'Weinrebe', andererseits entwickelte
sich daraus mit Bezug auf ihre technische Verwendbarkeit als Flecht-
und Bindemittel die Bedeutung 'Trieb, Zweig, Gerte, Reis, Ruthe'. In-
dem nun diese Gruppe entweder die technisch wichtigere Bedeutung
behielt, entstand daraus 'Weide', da dieser Baum oder Strauch bekannt-
lich am besten für das Flechten verwendbar ist, oder es ward, indem
die technische Bedeutung mehr in den Hintergrund trat, loza zu
54 K. ^trekelj,
'Ruthengesträuch, Strauch' in lebendem, 'Reisig, dürres Strauchwerk'
in abgestorbenem Zustande. Aus 'Ruthengesträuch, Strauch' haben wir
dann endlich den mit Schlingpflanzen zwischen Gesträuch und Bäumen
durchzogenen 'Niederwald', woraus zuletzt 'Wald' und 'Baumaterial'
(cf. Jitci.) ward.
Die Grundbedeutung ist also aller Wahrscheinlichkeit nach
'Ranke, Rebe'; die dem Worte für diese Bedeutung zugrunde liegende
Wurzel ist slav. lez (idg. legh)^ die wir in leza^ lesti 'klettern, steigen,
aufsteigen, kriechen" besitzen: demnach ist das daraus durch Ablaut
und das Suffix a gebildete loza 'die [mittelst Luftwurzeln oder Ranken
an anderen Pflanzen als Stützen] emporsteigende, kletternde'. Die
Erbse, die Fisole, welche in gleicher Weise an der Stütze emporsteigt,
heisst deswegen im Serbokroatischen loznac loznica, d.i. die loza-artige.
loza-ähnliche ; 'wie eine Rebe emporsteigen, sich hinaufranken' heisst
loziti se. Aus loza 'Ranke, Rebe' konnte sich bei den Südslaven loza
'Weinrebe' entwickeln, weil diese gleichfalls wild im Walde vorkommt,
hingeschlungen auf Sträuchern und Bäumen; bei den Nordslaven be-
schränkt sich das Wort aus begreiflichen Gründen mehr auf die Bedeu-
tungen 'Ruthe' und 'Weide'. Die Entwickelung der Bedeutung 'Ranke,
Rebe' zu 'Weinrebe', wie wir sie in loza sehen, findet sich auch anderswo,
wo die Weinrebe wie eine Art Liane die Bäume umzieht und ohne
Kultur Früchte hervorbringt. Schrader will daher das Wort 'Wein'
selbst auf die ursprüngliche Bedeutung 'Ranke, Rebe' zurückführen, in-
dem er vhium oivog vom armen, (/ini ans geni (aus *voinio) ableitet,
worin die im lat. vieo^ vhtiefi, slav. vith vorkommende Wurzel vei, vi
'sich winden' steckt, zu der griech. vir]Vj viöv rrjv äf.i7rsloj', viöv
avaÖEvd.Qäda (Hesychius), lat. vitis 'Weinstock' und die Bedeutungen
für 'Weide' griech. flrla gehören, so dass das armen. *voino (wovon
*voimo] ursprünglich den Sinn von "rankendes Gewächs, Weinstock'
gehabt hat, dann aber, als man gelernt hatte, ans den Früchten der-
selben ein berauschendes Getränk herzustellen, eine Ableitung davon
dieses Getränk selbst bezeichnet hat (Reallexikon 944). Aehnlich
haben die Deutschen ihr Hebe, mhd. rebe, ahd. reba specificirt, welches
auf eine Wurzel reb/t, deren Begriffskern 'Windung, Umschliessung' ist,
zurückgeführt wird (siehe Kluge, Etym. Wtb. s. v.). Ob nicht auch
griech. cifiTtsXog her gehört? Man bringt es jetzt (s. Prellwitz, Etym.
Wtb. der griech. Sprache S. 20; Lewy, Die somit. Lehnwörter im
Griech. 24) als ^anquelos zu ay-Avlog 'krumm', aind. ancati 'biegt',
Slavische Wortdeutungen. 55
ankuräs 'Spross, junger Schoss'. Aber warum sollte *cmquelos bald
t({.iTtsXog bald ay/.v)<.og ergeben? Ist nicht auTislog zunächst 'die sich
drehende, hinauf bewegende Pflanze' von dva und TtekofiaL 'sich drehen,
sich hin und her bewegen'? — Dass im Russischen und Polnischen die
Ruthe als Züchtigungsinstrument mit loza 'Rebe' bezeichnet wird, dazu
haben wir eine hübsche Parallele bei den Alten, indem die römischen
Centurionen statt des Stockes eine vitis mit sich führten und sie als
Züchtigungswerkzeug gebrauchten. Vgl. auch got. wlizjan 'züchtigen',
welches zu sAx.ßesc 'Ruthe, Gerte', slav. Uska 'Haselruthe' gestellt
wird; Cnrtius hat bekanntlich auch lat. verhera mit lit. vifbas 'Reis,
Ruthe' verglichen (Grundzüge ^ 351).
Formell ist die Annahme einer Wurzel lez als Basis von lezq-Usti,
laz^-laziti so zu beurtheilen, wie eine Wurzel sed als Basis für slav.
sed [sesti), sad^-sadiii oder ed als Basis für slav. ed^jed^jad.
Das bulgarische ji03HHi];a ^/J.lua^^ (Miklosich, Et. Wtb. 166a sub
lez) ist meiner Ansicht nach ein Derivat von loza 'Rebe, Ranke' : ur-
sprünglich war es wohl eine aus Reben oder Wieden geflochtene Leiter,
vielleicht nur eine Art Wiedenseil aus Schlingpflanzen mit durchge-
steckten Holzspriessein, kaum aber den heutigen Seilleitern vergleich-
bar. Es gehört im Etym. Wtb. unter lez-^ weil auch dessen Basis loza
hingehört.
7. Serbokr. mozdatiik, slov. moznik etc.
Serbokr. mozdanik 'Spundnagel, Radfelgennagel, der eine Felge
mit der anderen zusammenhält, Döbel', slov. moznik 'Döbel', moznikar
'Döbelbohrer', zamozka 'Radnagel', mozgaj 'Stückschlägel der Wag-
ner', cech. mozek 'u koläre dreveny hreb, kterym loukotl v ostrihu u
vnitr k sobe piipojeny jsou', poln. mozdzen 'kolek z twardego drzewa,
w obudwu koncach scienczony, ktörym si^ spajaja z soba dzwona köi u
wozu, tybel; embolus; swider do wiercenia otworöw w dzwonach kölr':
diese Wortgruppe (ohne das cech. Wort) lässt Miklosich im Etym. Wtb.
203b unerklärt. Nachdem solche Holznägel, wie Zapfen überhaupt,
zumeist aus dickeren Ruthen oder Zweigen, oder aus dünneren Aesteu
und sogenanntem Prügelholz verfertigt werden, denke ich, dass die
slavischen Wörter, die ein *mozgh voraussetzen, zu griech. /.looxog
'Spross, Zweig, Schössling, Ast' zu stellen sind, welch letzteres Hirt
(Ablaut 649, S. 132) auf ein *omozgho 'Spross' zurückleitet; vgl. be-
treß's des griech. Wortes auch die Ausführungen Osthoff"s in den IF.
56 K. ätrekelj,
VIII. 17. Lautlich lässt sich gegen die Zusammenstellung kaum etwas
einwenden: mozdanik beruht auf mozg-en-ikh , in moznik ist g wie
sonst in der Lautgruppe zgn (cf. brizniti, zdruzniti) geschwunden.
Was den Bedeutungswandel betrifft, so mache ich darauf aufmerksam,
dass auch das d. Stift 'Nager zu lat. stipes, welches 'Pfahl', aber auch
'Baumzweig' bedeutet, gestellt wird (cf. Kluge ^ s. v.).
8. Slov. ornica.
Dieses Wort wird mit 'Cynanchum vincetoxicum, Schwalbenschwanz^
gedeutet. Pletersnik hat es aus Letopis Mat. slov. 1882/83, S. 295, wo
es Erjavec (aus Bolc und Pluzna) mitgetheilt, Levstik aber mit aksl.
orhJiica 'geackertes Feld' verglichen hat, welches doch, der Bedeutung
wegen, ganz und gar nicht dazu passt. Das Wort ist in dieser Form
nur falsch erschlossen, indem der Aufzeichner dem dialektischen Worte
eine literarische Form geben zu müssen glaubte. Gehört hat er wohl
wrnica^ uPrnica (mit ^r für r), das nichts mit orati zu thun hat, son-
dern auf aksl. vred^ zurückgeht: unbetontes re der Formel tert-tret
wird, wie häufig in slovenischen Dialekten, zu r, das d fiel zwischen r und
n aus. Demnach würde die eigentliche literarische Form vrednica 'zel,
ki cell vred' lauten, ein Wort, welches in der That auch noch in dieser
Form vorkommt, aber nur für die Pflanze Veronica filiformis bezeugt
ist. Doch ist die Bezeichnung auch der Pflanze Cynanchum vincetoxi-
cum mit vrednica durch die Thatsache sichergestellt, dass das Masculi-
num davon, vrednik^ sowohl für Veronica wie für Cynanchum vorkommt.
Dem Cynanchum vincetoxicum, der Asklepias des Dioskorides, benannt
nach Asklepios, dem Gotte der Heilkunde, welcher zuerst die Heilkraft
dieser Pflanze entdeckt haben soll, werden seit alters giftbezwingende
Eigenschaften beigelegt, und früher war die Brechen erregende, und
daher bei Vergiftung geschätzte, schweisstreibende Wurzel (Giftwurz)
officinell (vgl. Leunis, Synopsis der Pflanzenkunde ^ 786, 787).
9. Serbokroat. piriti 'blasen'.
Miklosich hat im Et. Wtb. 247a, wo er serb. napiriti 'aufblasen',
pirkati 'pirka vjetar' anführt, über die Etymologie des Wortes nichts
angegeben und das Wort als sui generis im Wörterbuch figuriren lassen.
Doch hat es meines Erachtens etliche bekannte Verwandte. Warum
soll zunächst jömYe 'durchwehen, blasen, fächeln' von pyr-i (Et. Wtb.
Slavlsche Wortdeutungen. 57
269 b) bezüglich des Ausdrucks nozdrama razpyrenama 'mit schwellen-
den, d. h. aufgeblasenen Nüstern' getrennt werden? Und andererseits,
wenn man ein öech. pureti, poureti, pouriti se 'sich aufblasen', püra,
vzpoura 'Stolz, Anmassung', purtii/, zpurmj 'hochmüthig, trotzig, wider-
spänstig' findet, wo ofienkundig dieselbe Anschauung wie bei cech.
pycha, slov. napuh, serb. naclutost, d. Aufgeblasenheit (vgl. auch lit.
papüres 'aufgedunsen') vorliegt, ist es in der That nicht abzusehen,
weshalb man dieses Wort, obwohl es in den angeführten Formen nicht
in allen Sprachen auf derselben Ablautstufe erscheint, durchaus trennen
müsse von der Sippe cech.^?/r, pijr 'glühende Asche, pyreti 'schamroth
werden', poln. perz^ pyrzyna 'Loderasche' . . ., nachdem ja doch das
Compositum vpiriti im Serbokroatischen 'entzünden', pirjan 'gedämpf-
tes Fleisch', pyric aber im Oberserb. 'heizen' bedeutet. Das Entzünden
oder Anfachen des Feuers ist ja doch eine Folge des piriti 'blasen', ohne
welches ein Feuer, wenn man nicht moderne Zündmittel zur Hand hat,
nicht ins Leben gerufen werden kann: das Anzünden ist ja ursprünglich
ein Anblasen (= Anfachen) des durch Reibung erweckten Gluthkernes :
cf. nsl. upihati ogenj = zanetiti ogenj. Es steht demnach unser piriti
so ziemlich auf derselben Stufe wie ein griech. TtvQÖio 'anzünden, an-
stecken', und gehört demnach auch zu derselben Wurzel, wie die dem
griech. rtvQ, iimhr. pir, ahd.y^^^r, arm.//^7r, ir. ür 'Fackel' entsprechen-
den, bei Miklosich, Et. Wtb. 269b unter pyr-2 erwähnten slavischen
Ableitungen, z. B. : nsl. pit^ih 'Osterei', zapiriti se 'erubescere', c. py-
riti 'schamroth werden', pyj- 'glühende Asche', slovak. ^^yrewz'ce 'polu-
spälenä släma zo striech slamou krytych v cas poziaru vetrom zana-
senä', poln. perz 'Loderasche', os. pyric so 'im Gesichte glühend sein',
pyricky 'ribes rubrum' (nach der rotheu Farbe). Wie wir aber bei joe-
riti {:= *pyriti) in der Bedeutung 'blasen' im Slavischen auch eine Stufe
mit u vorgefunden haben (cech. pura, vzpoura, poureii . . .), so haben
wir neben upiriti 'anzünden' im Serbokroatischen auch ein puriti 'rösten
[Kukuruzkörner]', welches Miklosich im Et. Wtb. 276b als selbständige
Basis anführt und bei pyr-2 auf sie nur hinweist. Mit Rücksicht auf
das eben Gesagte ist diese Scheidung nicht nothwendig, da 'rösten'
[puriti) — namentlich wenn dies in einer eisernen Pfanne geschieht,
welche dabei glühend wird — und 'glühend sein' {os.pyric so, slov. zapi-
riti se, cech. pijriti) dieselben oder doch nahe verwandte BegriflFe sind.
Ueber Feuer-nvQ-pyr etc. vgl, Johannes Schmidt (Vocalismus 11.273 f.)
und Hirt (Ablaut 109, S. 39).
58 K. ätrekelj,
10. Serhokr. praska^ sloY. pt^ascika.
Das slov. prascika s. f. bedeutet den spitzblättrigen, wildwachsen-
den Spargel (asparagus acutifolius) ; neben prascika wird auch brscika
gesprochen (Letopis slov.Mat. 18S2/S3, S. 288). Levstik will an letzter
Stelle das Wort mit russ. 6opii],i., polu. barszcz^ slov. brsc etc. (siehe
unten unter szczudio] in Verbindung bringen. Dem widersteht die an
erster Stelle angeführte Form, die tiberdies im Wörterbüchlein Alasio
Sommaripa's aus dem J. 1607 auf Bl. 28a 'asparago prafchiche' bezeugt
ist. Da die beiden Pflanzen mit einander keine besondere Aehnlichkeit
zeigen, kann brscika wohl nur volksetymologische Umänderung von pra-
scika, eine durch Anlehnung an brsc. oder brst entstandene Form sein.
Sulek scheint in prascika den Stamm pras- (porcus : prastcfc, prase) zu
vermuthen, nachdem er das poln. prosinka 'Hypochoeris, Ferkelkraut',
eine gleichfalls mit prascika gar nicht verwandte Pflanze, vergleicht,
was auch deswegen nicht angeht, weil ja prascika kein eigentliches
oder Lieblingsfutter der Schweine ist. Wegen gänzlicher Verschieden-
heit der Pflanzen kann auch an eine Ableitung des Wortes \on praskva,
braskva 'Amygdalus persica' nicht gedacht werden. Es könnte indess
anderweitiger fremder Ursprung vermuthet werden, indem ja -ika auch
an Lehnwörter antritt, vgl. slov. lovorika, oljika, serbokr. motrika.
Hierbei könnten nur die ital. frasca und brasco in Betracht kommen :
ersteres bedeutet einen belaubten Ast, letzteres 'Art Besen aus Mäuse-
dorn' (Ruscus aculeatus, auch bruscus\ brascaglio Dorngebüsch, friaul.
brascaj). Gegen das erstere spricht der Umstand, dass Asparagus
acutifolius keine eigentlichen Blätter hat, indem diese mehr Fichten-
nadeln gleichen; gegen das zweite aber lässt sich die Thatsache an-
führen, dass unsere Pflanze, deren Name dort vorkommt, wo auch
die Slovenen gleich den Romanen den Mäusedorn zu Besen verwen-
den, niemals eine solche Verwendung erfährt, weil die nadeiförmigen
Blätter eines abgeschnittenen Zweiges sehr schnell abfallen und die
Pflanze selbst für eine solche Verwendung ganz unpassend ist ; übrigens
würde auch bei dieser Annahme der anlautende Consonant unerklärt
bleiben. Ich erkläre deswegen prascika als genuine Bildung, abgeleitet
von *prask^, praska^ welche Wörter wir im Serbokroatischen in der
Bedeutung 'Schössling, Sprössling' [prasak m.,praska{., prasce) finden
und die sm? pras knqti, pras kati ^krache-n, platzen, knistern, prasseln,
aufschiessen, anbrechen, plötzlich hervorbrechen, plötzlich erscheinen'
zurückzuführen sind ; das Verbum praskati in der Bedeutung 'kratzen'
Slavische Wortdeutungen. 59
ist, glaub icb, bei Seite zu lassen, wiewohl die Pflanze ausgewachsen
etwas kratzt. Einen Beweis für die Richtigkeit der angeführten Ab-
leitung finde ich in der Analogie des griechischen Namens derselben
Pflanze, do:rc(Qayog. Dieses ist nach Hirt mit a(paQaylof.iai 'mit lau-
tem Knalle zerplatzen, prasseln, zischeln', acpctQayog 'Geräusch', lit.
spragü, sprageti 'prasseln, platzen', ai. sphürjati 'brummen, dröhnen,
prasseln, von verschiedenen Geräuschen, z. B. dem des Feuers, auch
hervorbrechen, plötzlich erscheinen', ahd. sprähha^ lett. spregstu^ spregt
'platzen, bersten' verwandt (vgl. Hirt, Ablaut 253, S. 85 : spereg 'platzen',
bersten''). Sowohl aartccqayoq (vgl. auch ajraQydoj 'sprossen', äoTtä-
Qayog -/.Qccußi^g 'Kohlspross') als prascika sind demnach 'Sprösslinge,
Stocktriebe'. Da der Spargel sehr schnell wächst, gleichsam über Nacht
hervorbricht, ist er passend mit Ableitungen von Verben bezeichnet
worden, die 'bersten, plötzlich hervorbrechen, anbrechen' bedeuten.
11. Poln. szczudio, c. stidlo^ serbokr. stula^ scule
{p.szczehiel, c,. Hebel] slov. brst, c. hrost] p. harszcz etc., ksl. hljusth etc.).
Einige slavische Sprachen besitzen zur Bezeichnung des Begriffes
'Stelze' und 'Holzbein' neben mehreren anderen fremden und einheimi-
schen Ausdrücken auch ein Wort, welches urslav. stjudlo lauten
würde, gemeiniglich aber als Lehnwort angesehen wird. Im Polnischen
haben wir szczudlo 'hölzernes Bein, ein Mensch mit einem Holzbein,
Stelzengänger', szczudla n. pl. 'Stelzen', szczudlak^ szczudlik 'der
Vogel Himantopus' (wohl Neologismus) ; in Schlesien bei Troppau be-
deutet scudleJi^ scudlina jetzt 'Klee", scudlecisko 'Kleefeld' (Kott III.
851), während im Altcech. scidlo 'Stelzfuss', im Neucech. scidla^ stidla^
stihla, stihla^ stihla 'Stelze, Krücke', htidly^ study f. pl. 'Stelzen',
scidläk^ stidläk^ stihläk 'der Stelzentreter, Stelzuer, Stelzfuss (Pferde-
krankheit)' bedeutet (Kott passim). Im Serbokroatischen finden wir
(stokavisch) stula 'hölzerner Fuss', sttile f. pl. 'die Stelzen, grallae, ho-
dulje' (Vuk s. v.), (kajkavisch) scule 'hodalke ili stange rasohaste, na
keh se crez vodu ili blato prehagja, grallae' (Belostenec). Das klr.
myAJia n. pl. 'Stelzen' zeigt schon durch das (7, dass es aus dem Polni-
schen entlehnt ist.
Matzenauer (Cizi slova 320) vermuthet Entlehnung unseres Wortes
aus dialektischem südd.iS^M^/e/, xak^. studel, stuodel^ ahd. studal, stuo-
dal 'Unterlage, Pfosten, Säule", skand. studlnll 'Stütze"; den unbe-
greiflichen Uebergaug des st in sc [st) stützt er mit poln. szczehel, cech.
60 K. Strekelj,
Hebel, das er — allerdings zweifelnd — auf d. Stapel 'Stufe' zurück-
führt, sowie auf den Namen Szczepayi, Sfepan aus Stephanus. Miklo-
sich, der VG. I. 541 Matzenauer zugestimmt hatte, schweigt sich im
Etym.Wtb. 343 b sub studio über den Ursprung des Wortes aus, ja, er
erwähnt nicht einmal die schon bei Matzenauer angeführte stokavische
Form. In der Annahme fremden Ursprungs des Wortes folgte Matzen-
auer auch Korbut durch die Aufnahme des Wortes in seine Abhandlung
»Wyrazy niemieckie w jezyku polskim« (Prace filol. IV). Er stützt seine
Ansicht auf die Geschlechtsänderungdes Wortes (S. 495), die indess kaum
ein hinreichender Grund ist, nachdem sich dafür nur noch ein einziges
ähnliches Wort pudel-pucUo anführen lässt und nachdem das deutsche
Wort im Mhd. selbst nach Angabe der Wörterbücher ebensosehr als
Neutrum wie als Masculinnm gebraucht wird, wobei andererseits nicht
zu vergessen ist, dass auch ein einheimisches Wort, besonders wenn es
etymologisch unklar wird, leicht einem Geuuswechsel unterliegt. Eine
zweite Stütze für seine Ansicht findet Korbut merkwürdigerweise gerade
in dem unerklärlichen Uebergang des st in sc und führt dafür folgende
Analoga an, die ich in zwei Gruppen vertheile: Szczepan, szczygiel,
szczebiel — harszcz, hluszcz, moszcz, proboszcz.
Auf die zuerst genannten drei Wörter (Gruppe I) kann man sich
indess nicht mit Fug berufen, da ja vor ihrem palatalen Vokal nach Er-
weichung des t eben nichts anderes entstehen konnte, wie Korbut selbst
durch das Citat aus Baudouin's »0 ApeBHe-nojfcCKOM'L hbbik'S« § 113
zugibt : was von Szczepan, gilt doch auch von den beiden anderen Wör-
tern. Hierbei will ich gar nicht die Meinung unterdrücken, dass ja szczy-
giel einheimische Bildung sein kann, wiewohl mir nicht unbekannt ist,
dass jetzt Einige das früher aus dem Cechischen [stehlec, steJdik) abge-
leitete Wort als genuindeutsch ansehen, indem sie es — was ja stets
auch vom slavischen Wort geglaubt wurde — von dem Gesang oder Ge-
zwitscher des Vogels ableiten, aus welchem die Deutschen ein stichlit
oder ziflit herauszuhören meinen, wie Delbrück (Grundfragen der Sprach-
forschung 81) nach Winteler berichtet. Zugegeben, es sei dem so und
es seien aus d. stigeliz rieht bloss die von Miklosich, Et.Wtb. 342 an
zweiter Stelle angeführten slav. Wörter (nsl. stiglec, strglinec, kroat.
steglic u. s. w.), sondern auch das poln. szczygiel, wr. mHreüi,, klr.
mjeröji, grr. ni,er6jrx abzuleiten, so wäre doch die Abwerfung der Silbe
iz in den letztgenannten Sprachen auffallend, da ja dadurch das Wort
gerade an seinem Lautbilde verlöre, wiewohl Schlusssilbeu, die in den
Slavische Wortdeutungen. 61
entlehuenden Sprachen als Diminutivsuffixe aufgefasst werden, nicht
selten abgestreift werden. Ein polnisches *szczygliec wtirde, mein ich,
doch den Gesang des Vogels Carduelis elegans viel lautnachahmender
wiedergeben als szrzygiel\ daher dürfte denn die letztere Form die ur-
sprünglichere sein : der Slave hörte aus dem Gesang des Vogels ein sceg
heraus ; poln. szczygiel verhält sich hinsichtlich des Wurzelvokals zu
ii^eröji-B wie szczrjpka zu azczcpka 'Holzscheit'. Mag indess das ono-
matopoetische Wort auf slavischem oder deutschem Boden entstanden
sein, für unsere Frage hinsichtlich »6^ wird sc« bleibt es, eben weil es
onomatopoetisch ist, irrelevant.
Noch unsicherer ist der fremde Ursprung von poln. szczebiel
'Sprosse, Leitersprosse, Stufe', welches man von d. Staffel ableiten
will. Die Schwierigkeit liegt hier in dem e der Wurzelsilbe für das er-
wartete a\ solange dieses nicht aufgeklärt ist, darf mau das Wort nicht
als Beweismittel für sc = st im Polnischen anführen. Ich glaube mit
Miklosich, Et.Wtb. 320b, überhaupt nicht, dass szczebiel entlehnt sei;
es gehört vielmehr wie cech. stebel 'Leitersprosse' neben '■stebel 'Wagen-
leiter' zu einem alten stebVh. Im Cechischen entwickelte sich aus letz-
terem *stebl, *stebel^ *stebel, *stiebel, sciebel (in Mähren scebl 'sprysel,
spryncle') neben stebel^ stebel; gleicherweise ging im Polnischen nach
Erweichung des t vor dem Palatalvokal e die Lautgruppe st in sc über.
Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes 'das Feststehende, die Stütze,
der Stamm, Halm' unterlag verschiedenen Variationen, je nach der
Sache: 'Pfahl, Holzstück, Sprosse'. Von derselben Wurzel haben wir
kroat. spica, zbica aus "^sttbica 'virgula', slov. spica 'Holzstück, Split-
ter, Radspeiche', cech. stpice, stpice 'Radspeiche' ^), es. stpica^ stvnca
'Radspeiche', bulg. cnHu;a 'Radspeiche', russ. cnHii;a 'Speiche, Pfahl,
Pallisade, Splitter'. Hierher gehört auch os. slik 'Leitersprosse': es ist
entstanden aus *sthblik : als Uebergangsstufen haben wir anzunehmen
*sfblik, *sfwlik, "^sfwUk, *sticltk, *stclik, slik'^). Hinsichtlich des
1) Gebauer's Ansicht, Hist. ml. I. § 447. 1, dass cech. st'ptce aus d. Spitze
mit Anlehnung an scpieti sei, halte ich demnach für unrichtig; richtig ist viel-
mehr, dass sieh im Cech. das entlehnte sjnce aus d. Spitze an stpice 'Speiche'
anlehnte und die Form stpice, scpice annakm.
2) Hingegen dürfte o?>ox\). stabrtj: po stabrach khodzic 'auf Stelzen gehen'
(Pfuhl) kaum direkt zu steh- gehören, da hier der Wurzelvokal nicht ganz klar
ist; es heisst zwar nsl. steh^r 'Pfeiler, Stütze', ksl. CToeopi. 'Säule', welche Be-
deutungen genügende Anhaltspunkte für diese Ableitung böten; vgl. indess
die deutschen Wörter unter Staffel, Stapel und Stab bei Kluge, Et.Wtb.^;
62 K. Strekelj,
BedeutuDgsüberganges von 'Stamm, Pfahl, Balken, Holzstück' in 'Leiter-
sprosse' vgl. *lemez^^ acecli. lemiez 'tignum^, osorb. lemjaz 'Sprosse in
der Leiter und in der Futterraufe', nsorb. lemjas, remj'as id., was Mi-
klosich zu lit. lemenys^ lemü 'Baumstamm' stellt. Von 'Leitersprosse'
zu 'Stufe' ist der Uebergang ganz natürlich; aber auch 'Stelze' (poln.
szczehli heisst auch 'Stelzen') ist aus der ursprünglicheren Bedeutung
'Stamm, Pfeiler, Stütze' leicht abstrahirbar : die Stelze ist eben eine
Stütze, Treppe für den Fuss: Hus schalt die Prager, dass sie die Stelzen
nach deutscher Weise trepky (= Treppe) statt chody nannten.
Die von Korbut angeführten Wörter der I. Gruppe stützen dem-
nach seine Ansicht nicht, da ihr sc vollkommen berechtigt ist: sie bieten
kein Analogen für das anlautende sc aus st in dem angeblichen Lehn-
worte szczudlo. Aber auch die Wörter der IL Gruppe lassen sich nicht
dazu verwenden, abgesehen davon, dass wir in ihnen das sc im Auslaute
und nicht im Anlaute haben. Altes deutsches st ergab im Slavischen
wie im Anlaut, so auch im Auslaut gleichfalls st [st^]^ wie yva.'s, post
[posth]^ ahd. yas/fo, cech. mest aus vihsth (mustum), slov. mastiti für
fmstit/\ Ihsih für list zeigen; späteres deutsches st ergab (ausser ge-
legentlichem st im Sorb.) nur st: cech. angrest^ hanfest, hynst, kunst,
most, probosf, rest, rost, trost\ poln. areszt, fryszt, herszt, koszt,
kunszt, laszt, maszt, oberszt, reszta, 7'oszt, leberworszt, przezworszt ;
s\oY. ßrsf, frist, grust, kunst, most, rest, trost\ osovh.fersta, khumst,
most, röst, trost und utrö'st u. s. w. Diese Regel wird im Polnischen
durch zwei Wörter durchbrochen : moszcz aus d. Most und prohoszcz
aus d. prohost 'praepositus'; die ursprünglichen poln. Formen müssen,
nach den übrigen zu schliessen, moszt und proboszt gewesen sein.
Einen physiologischen Grund für den Uebergang des st in sc gibt es
nicht; dieser kann nur auf der Ueberführung des Wortes in die ?o-Dekli-
nation oder auf der Uebertragung aus Formen der Casus obliqui in den
Nominativ sg. beruhen. Die erstere Annahme ist nicht wahrscheinlich,
da man dann die Worte für bedeutend älter ansehen müsste als sie es
sind und man zugleich eine solche Wandlung auch in andern slavischen
Sprachen finden müsste. Es bleibt uns also nur der zweite Ausweg
wir haben also in stabry eher eine Koutamination eines entsprechenden
einheimischen Wortes, etwa *stebr'b mit d. Stab 'Stütze' vor uns. Ein anderes
osorb. Wort itela 'Leitersprosse, Radspeiche' gehört wohl zu d. Stelle neben
Stall, vgl. Kipjstall, gewöhnlicher Kipf stell (bayr. Wald) 'der Rungen stock
am Wagen (Schmeller-Frommann IL 745).
Slavische Wortdeutungen. 63
übrig, d. h.: diese Nominative entwickelten sich nach dem Lokal sg.,
resp. Vokativ sg. und Nominativ pl. ; im Lokal musste aus stc im Pol-
nischen scie, 6ce werden.
Anders als bei moszrz und prohoszcz steht die Sache bei den bei-
den anderen Wörtern der II. Gruppe, bei harszcz und hluszcz. Diese
kann man nicht auf die gleiche Stufe mit moszcz und prohoszcz stellen,
weil alle übrigen slavischen Sprachen, denen sie bekannt sind, im Aus-
laut ein ic, resp. darauf zurückgehendes s^, sl! besitzen. Diese Ueber-
eiustimmung aber beweist, dass die Lautentwickelung schon alt ist, dass
wir demnach im Auslaut mit Recht ein altes io zu suchen haben. Was
wir indess vor diesem ip anzusetzen haben, ist ungewiss, denn beide
Wörter sind bis jetzt etymologisch noch unklar. Bei harszcz zieht Mi-
klosich das d. hörst zur Vergleichung, als slavische Grundform nimmt
er (Et.Wtb. IIa) herstjü an, scheint also das Wort für einheimisch zu
halten. Auch Jagic (Archiv V. 692) hat sich für den slav. Ursprung
des Wortes erklärt und leitet es von *br^st^ 'Spross' ab. Dem wider-
spricht indess die klr. Form des letzteren: öpoext, für welche man,
wenn wirklich harszcz dazu gehörte, *borsth erwartete. Und merk-
würdigerweise finden wir auch im Cechischen hrost neben brofik 'puky
na listnatych stromech', für welch letzteres schon Matzenauer (Cizi
slova 119) d. Brofi^ mhd. hro^^ ahd. />ro^ 'Sprosse. Knospe, Blüthen-
knospe' angezogen hatte ; noch besser aber beleuchtet uns slav. hrost
— falls es nicht genuin ist, was ich indess momentan nicht sehr
glaube — das bayr. Alberbroßt neben Alherhroß 'junge Sprossen
der Alber (Pappel)', braßten neben broßen 'sprossen, hervorbrechen",
brotzen germinare (Schmeller-Frommann I. 365); das germanische
Wort hat übrigens auch ins Romanische Eingang gefunden, cf. Körting 2
S. 169, Nr. 158S (ital. Z/ro^za, frz. brout u.s.w.). Wir werden demnach
*br^st^ *brost von harszcz trennen müssen. Das slav. harszcz^ russ.
öopn],i), slov. hrsc^ cech. brst\ worin wir auch die regelrechte Vertretung
des silbenbildenden r (für altes ^r) sehen, wird zu d. borst, ahd. barst,
purst um so leichter gestellt werden können, weil noch heute d. Porst
dieselbe Pflanze bezeichnet wie das slav. Wort, nämlich 'Heracleum
sphondylium' (allerdings werden so auch andere Pflanzen benannt:
Ledum, Andromeda, Myrica gale). Nur ist im Slav. das Wort in die
{o-Declination übernommen worden. KarJowicz, Wyrazy obcego po-
chodzenia s. v,, denkt, da bei der bekannten Barszczsuppe noch andere
Pflanzen, sei es neben Heracleum sphondylium oder als Surrogat des-
64 K. Strekelj,
selben, so namentlich Brassica und Borrago, verwendet werden, auch
an Einmischung von bayr. Barsche 'Brassica napus' und d. Boretsch
'Borrago'. Dürfte eine solche Einmischung angenommen werden, waü
gar nicht nothwendig ist, so liönnte mau wenigstens fürs Cechische und
Slovenische, wo indess keine Barszczsuppe gegessen wird, eher auf bayr.
Berschkohl 'Brassica oleracea sabellica' (Schmeller-Frommann I. 280)
hinweisen. Auffallend ist das c der klr. Form öopyeBKa 'ßärenkraut'
für öopmeBKa; hier wird wohl eine Kontamination mit ßöpKii 'Backen-
bart', öopqacTHir 'behaart', slov. serbokr. brk 'Barthaar' den Wandel
verursacht haben ; beachte die Verwandtschaft des d. borst mit börste ;
Kluge 6 53b vergleicht dieses mit ai. bhrs-ti 'Spitze, Zacke, Ecke'; die
Pflanze hat spitze Blätter.
Was bluszcz betrifft, will es Karlowicz gleichfalls als Entlehnung
ansehen und vergleicht (Wyrazy obc. poch. 57 a) damit das d. blust.
mhd. bluost 'ßlüthe', wobei ihm allerdings der Bedeutungswandel nicht
klar ist; aber gerade auf diesen kommt es an. Das slavische Wort be-
zeichnet verschiedene Pflanzen: ein »asl.« ö.iiomTt wird im Lexicon
pal.-sl. mit 'Hedera helix' erklärt ;wie alt und woher das Denkmal ist,
kann man aus dem Cilat nicht entnehmen); slov. bljasc bedeutet die-
selbe Pflanze, daneben auch 'Bryonia alba' und 'Tamus communis';
serbokr. bljust^ cak. bljusc ist Tamus (Nemanic I. 9), kajk. bJju'sc er-
klärt Belostenec als 'Asparagus silvestris', womit wohl Tamus gemeint
ist; ns. blisc (aus bljuschc^ vgl. slov. blJus^c 'Bryonia', serbokr. bljusac
id. aus bljustac nach dem Genitiv bljusca aus bijustca) 'Epheu'; klr.
ÖJiiou];, grr. 6jiiou;tj neben njiiomi. 'Hedera helix', welch letztere Form
nach Miklosich, VG. II. 74, als 'plantae genus' auch nsl. vorkommen
soll, wo man für Tamus communis auch Ijusc spricht, wenn die Auf-
zeichnung richtig ist (Letopis Mat. slov. 1894. 23). Daraus ersieht
man, dass es namentlich drei Rankengewächse sind (Hedera, Bryonia
und Tamus), die mit blju'sth im Slavischen bezeichnet werden. Die
Blüthe des ersteren ist grünlich, die des zweiten grünlichgelb, die des
dritten grünlich, der Farbe nach also eigentlich gar nicht von der Blatt-
farbe verschieden, daher doch nicht auffallend. Ist es nun glaublich,
dass die Slaven ein fremdes, 'Blüthe' bedeutendes Wort sich zur Be-
zeichnung von Pflanzen ausgeliehen hätten, deren Blüthe so unscbein-
lich ist? Auf rora, welches in einigen Sprachen nach dem dial. d. Rose
die Blume überhaupt bedeutet, kann man sich da doch nicht berufen,
denn es werden damit doch immer nur auffällige Blumen und Blüthen
Slavische Wortdeutungen. 65
bezeichnet. Der hluost ist also nur dem äusseren Klang nach mit un-
serem Worte verwandt, beide Wörter haben mit einander ebensowenig
zu thun, wie etwa slov. mula 'Art Blutwurst' mit d. male 'Maul'.
Nachdem Tamus offenbar mit dem Namen bljustb erst nachträglich
wegen seiner Aehnlichkeit mit Bryonia (wie dies auch im Deutschen
der Fall ist, wo Bryonia als 'weisse Zaunrübe', Tamus als 'schwarze
Zaunrübe' bezeichnet wird) belegt wurde, und weil die beiden erst-
genannten Gewächse Hedera und Bryonia gütig sind, könnte man bei
hijusth an eine Ableitung von bVhvati., lit. blüvü^ Wzl. hhleu 'speien'
denken; doch ist dabei nicht zu vergessen, dass alle diese Gewächse
kletternde, sich windende Pflanzen sind ^). Mag nun die Etymologie
welche immer sein, das Wort gehörte schon in alter Zeit in die /o-De-
klination, kann also nicht mit Entlehnungen auf i^ oder mit moszcz,
proboszcz auf eine Stufe gestellt werden.
Hiermit wären alle von Korbut für sc aus 6^ vor u in szczudlo vor-
gebrachten Momente als gar nicht beweiskräftig abgelehnt. Andere
sichere Beweise dafür lassen sich kaum auftreiben ; denn auf aksl. stap^,
neben welchem auch ein stap^ vorkommt, darf man sich dabei nicht be-
rufen ; schon Zubaty hat im Archiv XVI. 4 1 4 gezeigt, dass das erstere
genuinslavisch aus *skepo ist, während das zweite als ein german.
Lehnwort angesehen werden muss. Slov. scap^ kroat. scap bei Ve-
rantius, auch Nemanic), kann indess nur dem ersteren, nicht aber diesem
letzteren entsprechen, das sein sf, resp. jüngeres st bewahren müsste.
Einzelne sonstige Fälle mit U für st im Cechischen und Slovakischen
beruhen auf Einwirkung der vielen s^'-Gruppen, in welchen dieses
berechtigt ist, und tauchen erst in neuerer und neuester Zeit auf, haben
daher keine Beweiskraft für 6c, st in szczudio^ scidla^ stula, scule^ wo
das sc [st] eben nicht auf eine einzige Sprache beschränkt ist. In-
folgedessen muss denn auch unser Wort anders erklärt und kann nicht
als Entlehnung aus d. Studel angesehen werden, wenngleich es mit
demselben aufs engste verwandt ist. Gegen die Entlehnung spräche
theilweise auch der Ausfall des d im Serbokroatischen, welches man, da
die Entlehnung sonst als sehr alt gelten müsste, wie in sekundären
1) Nachträglich ersehe ich, dass sich mit der Erklärung des Wortes
Berneker in den IF.X. 151 beschäftigt hat, der es in der That auf eine Wurzel
hheug (k) (ai. hhujdti, got. hiugan) zurückführt: *bheuktio 'sich biegendes, win-
dendes Gewächs. »Im Klr. steht neben bfusc auch bVus aus *hhetikio 'Solanum
dulcamara, Bittersüss', bekanntlich ebenfalls eine rankende Pflanze.«
Archiv für slavische Thilologie. XXVII. 5
66 K. Strekelj,
Gruppen nicht missen sollte; doch will ich darauf kein zu grosses Ge-
wicht legen, da man ja auch ein slov. und eak. välje 'sofort, direkt' aus
X)^ dhlje hat. Meines Erachtens haben wir szczudto und dessen sla-
vische Verwandten auf urslavisches *stjudlo zurückzuführen, welches
regelrecht einem idg. * stheu-dhlom von der Wurzel stliu entspricht :
'das Mittel, etwas zum Stehen zu bringen, es zu stützen. Stütze'. Aus
der gleichen Wurzel haben wir, allerdings auf verschiedenen Ablauts-
stufen, ai. sthüläs = sthüräs 'stark, dick, mächtig, gross', griech. orv-
Xog 'Säule, Pfeiler' von ormo (wie avrjkrj von ora, sthä stehen), ferner
aind. sthüna, avest. stüna 'Säule'; aus dem Germanischen gehört hier-
her nhd. stützen, ahd. (untar) studen, aisl. stydj'a 'feststellen, stützen',
wozu ags. stuäu, studu 'Pfosten', engl, stud, Schweiz, stud, an. stod^,
mit -^7o-Suffix an. studtll 'Stütze', mit -^/-Suffix av. stufhli, ahd. stollo
aus stulla von stud^lo 'Stollen', stollon 'fundare', stulla 'Haltepunkt',
Stullen 'sistere', gistullen 'stehen bleiben' gestellt wird; vgl. Sievers in
den IF. IV. 338 f., Hirt in den IF. XH. 195 f.. Kluge ^ s. stützen.
Schliesslich bemerke ich, dass allen deutschen Wörtern die Bedeutung
'Stelze', die sich allerdings hätte daraus entwickeln können, heute we-
nigstens abgeht. Auch slavisch *stJud,lo scheint diese Bedeutung nicht
von Haus aus gehabt zu haben. Wir haben oben gesehen, dass die Be-
deutung 'Stelze' auch bei slav. Wörtern eintritt, die auf stebh, stehVh^
sthhlh beruhen, deren ältere Bedeutung ausser 'Pfeiler, Ständer' auch
'Stamm' und 'Halm' ist. Das gleiche scheint nun auch bei *stjudlo der Fall
gewesen zu sein ; wenigstens weist die Bedeutung des Wortes scudlek in
Schlesien als 'Klee', scudlecisko als 'Kleefeld' darauf hin; ich sehe
nämlich darin nichts anderes als die Pflanze, die zwischen den scudla,
den Halmen des abgemähten Getreides, den Stoppeln, aufwächst, indem
bei einer rationellen Kleekultur der Klee zwischen das Getreide gesäet
wird und dann erst nach der Getreideernte zum Vorschein kommt.
Der Grund dafür, dass *sfjudlo im Cechisclien und Serbokroatischen
feminin geworden ist, ist in der Verknüpfung des Wortes mit dem femi-
ninen BegriflF wo^a 'Bein' zu suchen, indem es jetzt als 'Holzbein, drevenä
noha' eben am häufigsten angewendet wird. Der üebergang von scidla,
stidla in scihla erklärt sich dadurch, dass das Wort nach Verdunkelung
des Etymons unklar und nach Aenderung des Genus nicht mehr von den
c/Zo-Formen gestützt ward; vergleiche über ähnliche, auch in anderen
slavischen Sprachen nicht ungewöhnliche Lautabwechslungen Gebaner,
Historickä ml. I. § 323. 3.
Slaviflche Wortdeutungen. 67
12. Bulg. sep^ (mena); südslav. mka.
Miklosich setzt im Et.Wtb. 338 a für bulg. sep^ 'Handvoll' eine
Grundform seynpa an, indem er im Bulgarischen einen Nasalvocal ver-
muthet, gestützt auf die im Bellum troj. vorkommende Form uja^R'ki
(Starine III. 102: aSTv a^^mt^ eiuioy TpH ^voAid 3AaTa . . . noKa3d
HiuiTv rpH iij;!^^^ pA^Ko;^ = dabo ei tres valles(?) auri . . . ostendit
eis ter volam manus, TpH /v,c>A'ki = TpH ui^^n'Ki); vgl. auch Lexicon
palaeosl. gr.-lat. 1139 sub uj/^na. Das jetzt dafür im Bulgarischen
gebräuchliche Wort lautet sep^ (mena). Wie haben wir uns dieses,
wie Hi;i^nnvi des Bellum troj. zu erklären? Liegt wirklich im Worte ein
Nasalvokalreflex ? Das Wort ist, was Miklosich entgangen ist — wahr-
scheinlich eben wegen der Ansetzung des Nasalvokals — auch sonst den
Südslaven bekannt, allerdings hat es in deren Sprachen nicht den für
altes q erwarteten Reflex f, sondern nur a nach s. Die Slovenen sagen
scqy 'Handvoll'^), säpniti 'z roko udariti (mit der Hand schlagen),
schlagen überhaupt', sapati 'sanft schlagen, am Tage der unschuldigen
Kindlein schlagen' (davon das kärnt.-d. tschäp'n id.); ferner kennen
die Slovenen auch, sowie die Serbokroaten säpta 'Pfote', wobei zu be-
merken ist, dass 'Pfote' und 'Hand' im Grunde dieselben Begriffne sind
(cf. bair. Pfotschen^ Pfuetschen 'Pfote, Hand' bei Schmeller-From-
mann 1.455); auch noga war ursprünglich nur 'Kralle': skr. tiakhö^
lit. nagas 'Kralle', was noch theilweise in noghth 'Nagel' vorliegt.
Wir finden also im Serbokroatischen und Slovenischen für Miklosich's
vermeintlichen Nasalvokal in den der Bedeutung wegen unleugbar zum
bulg. sep^ gehörigen Wörtern ein a\ dieses könnte zwar in einigen
wenigen slov. und kroat. Dialekten , nirgends aber auf serbischem Ge-
biete auf e beruhen, daher man annehmen muss, dass auch im bulgari-
schen Worte der Vokal a das ursprüngliche ist und man auch dort,
entsprechend der serbischen Betonung säjia, eiust sapä gesprochen hat.
Unbetontes a ergab nun dort den unbestimmten Vokal (e = ?.), welcher
mit bulg. ;^ zusammenfiel, daher denn die Schreibung iij;i^n'ivi (ge-
sprochen s^pi) im Bellum troj. Wie kommt man aber von sapä zum
heutigen sep^ ? Nach Zurückziehung des Accentes, die wir annehmen
1) Die Zusammenstellung Pletersnik's mit oscapeÄ; 'Prise' ist unrichtig;
dieses beruht auf skhp, stbp-, was scepec, scepek beweist, 'was mit den Fingern
erfasst werden kann', cak. scäpac 'quod extremis digitis comprehendi et te-
neri potest': die 'extremi digiti' sind noch lange keine 'Handvoll'.
5*
68 K. ^trekelj,
müssen, ward aus mpä zunächst säpa, dieses aber ergab — wie aca-
^locTb : >Kijioc, BO;i;'£Hiwäpfc : Bo;i,enHqtp, OBtqapL : OB^ip, mäpaH'L :
mipan, mäpKa : m^pKa — zunächst seap^ (mlna), daraus im nom. plur.
vor hellem Vokal der nächsten Silbe memi, und endlich ward e aus dem
Plural auch in den Singular {>ep^ (mena) übertragen. Ueber die Ety-
mologie des Wortes kann ich, nachdem slov. sapniti, sapitt, sapati'^)
in der Bedeutung 'fassen, erfassen, schnappen, haschen, nach etwas
langen' zu ksl. chapiti^ chopiti 'amplecti, prehendere' im gleichen Ver-
hältniss zu stehen scheint, wie osahen, osavati, osajati zu cJiahiti (vgl.
oben die Fussnote bei Nr. 1), nur die Vermuthung aussprechen, dass
sapa zu chapiti^ chopiti zu stellen sei. Die Bedeutung wäre dann 'das
ergreifende, packende Glied'; vgl. rqka^ welches zu lit. renkii 'sammle,
lese auf gestellt wird. Von dem gleichen sap-^ welches dem sapa zu
Grunde liegt, lässt sich mit Suffix ka^ vor welchem p ausfallen musste,
dann auch mka 'Handvoll, manipulus' ableiten, das in den südslavischen
Sprachen vorkommt.
13. Slov. ternjak^ tirnik.
Heute bedeutet das im Küstenland gebräuchliche Wort 'Brot aus
gemischtem Getreide' und 'Brot aus Speltweizen'. Dass keine dieser
Bedeutungen die ursprüngliche sein kann, ist augenscheinlich, denn was
immer für ein Stamm dem offenbar mit j'aki abgeleiteten Worte zu
Grunde liegen mag, nirgends lässt sich einer finden, der 'Mischgetreide'
oder 'Speltweizen' oder etwas ähnliches bedeutete. An Entlehnung des
Wortes lässt sich kaum denken, auch Ableitung aus einem Lehnworte
ist mit Suffix ya^'* nicht leicht möglich. Meines Erachtens bedeutet das
Wort ursprünglich 'Kleienbrot', und da könnte man allerdings bei der
Beschränktheit des Wortes auf den slovenischen Westen an Entlehnung
aus dem Ital.-Friaul. denken und etwa an ital. intiero, friaul. intir 'in-
tegro, che ha tutte le sue parti' verfallen, also gleichsam ein Brot, das
alle Bestandtheile des gemahlenen Getreides, d. h. Mehl sammt Kleien
enthält, ein semucan hieb 'ex farina varia, non cribrata', wie ihn der
Kroate Istriens (Nemanlc HI. 4, = vsemucan) nennt. Bezeichnender
für die Sache ist jedoch, wenn deren Name zugleich das Hauptcharak-
teristikon enthält, und das hat ternjak, tirnik^ ohne dass man eine Ent-
I
') Davon ist natürlich das küstenländische cdpiti, 6dpiti aus ital. dial.
ciapare, friaul. chaj)d [capere) zu trennen.
Slavische Wortdeutungen. 69
lebnung anzunehmen braucht: das Charakteristikon der farina non cri-
brata sind die Kleien, die durch das Mahlen nur zum Theil verrieben,
zum Theil aber als schärfere oder spitzige Splitter und Spreu im Mehl
verblieben sind, als tirine [terne\ tirme [terme) von tira^ tera aus der
Wurzel ter (ksl. twq^ treti)^ lat. ter^re 'zerreiben'; vgl. slov. fcrnira
'Spreu winkel auf der Dreschtenne', terki 'Spreu', terinje 'Brechelsplitter,
Heuicht, Heublumenbrösel', welchen die Kleien besonders im Spelt-
weizen- und llaferbrot sehr nahe kommen : »Oh ceren, ceren je zares,
Iz njega gleda polno rös« sang von letzterem unser Valjavec, als er
noch dichtete und nicht ausschliesslich philologisirte.
14. Serbokroat. ti^om.
Nach Vuk Karadzic bedeutet das Wort 'schwerfällig, tardus, gravis',
andere Lexica umschreiben es mit 'träge, faul, schwerfällig' oder mit
'träge, lass, lässig, schwerfällig, phlegmatisch'. Die eigentlichen Slo-
venen kennen das Wort nicht; bekannt und allgemein in der Bedeutung
'faul, träge' verbreitet ist es hingegen bei ihren unmittelbaren Nach-
barn, den Kajkavci. In Miklosich's Vgl. Gramm, II. und im Et. Wtb.
wird es nicht erklärt, soviel ich ersehen konnte. Daniele, Osnove 27.
leitet es auf eine Wurzel tram 'drhtati' (tremere) zurück. Diese Ablei-
tung kann kaum ernst genommen werden ; schon die Bedeutung spricht
dagegen : ein fauler, träger, schwerfälliger Mensch hat ja nicht das
Charakteristikon des Zitterns an sich. Das Wort ist anderen Slaven
unbekannt; der Grund davon wird in seiner Form zu suchen sein.
Meines Erachtens haben wir darin ein part. praes. pass. TKpCM'K von
Tbp;^, Tp'kTH vor uns: 'der gerieben, gedrückt wird', daher 'schwer-
fällig' und weiter 'lässig', zuletzt 'träge'. Das part. praes. pass. wurde
von den Slaven bekanntlich fast ganz aufgegeben; zumeist haben
sich nur Trümmer davon erhalten, natürlich jetzt in der Geltung von
Adjektiven (cf. pitom, lakom, vedom, vidom, znam etc.); ein solches
Truram ist auch unser trom. Der Schwund des * ist ganz regelrecht,
sekundäre Erneuerung nach praes. tärem etc. konnte nicht eintreten,
weil das Gefühl des Zusammenhangs von trom mit der Wz. ter früh
verloren gegangen war. — Das irische trom 'schwer, drückend', tromme
'Schwere' ist trotz der ähnlichen Bedeutung von unserem Wort fern zu
halten, da es auf ^truchmos beruht (Stokes-Bezzenberger, Urkeltischer
Sprachschatz 139); der Gleichklang ist nur zufällig.
I
70 K. Strekelj,
15. Slov. tvestij tvezem.
Das Wort tvesti, tvezem^ welches Miklosich im Et.Wtb. 366 a als
selbständige Bildung angeführt, weiter aber nicht erklärt hat, bedeutet
'binden, heften, knüpfen, anhängen, anheften : tvezti se na koga, na
izprijene zenske', ferner 'albernes Zeug reden'; tvezati 'hängen' (srce
na kaj das Herz an etwas h.); tvezeti 'hangen, angebunden sein: vol
tvezi'; fvez 'das Holzband, der Gürtel, die Borte, der Streifen; breitere
Spitzen in die äussere Seite der Frauenärmel eingenäht'; tveza 'das Band,
das Hängeseil ; tveze = cipke Spitzen, eitles Geschwätz (bes. etwas, was
man einem anbinden will)'; pretvesti 'an einem andern Ort oder anders
anbinden', 'vorschützen, vorwenden'; pritvesti 'anbinden', natvesti
'anbinden' (srce na kaj, sein Herz an etwas hängen; natv. komu kaj
jemandem etwas anbinden, anhängen, zuschreiben); otvesti 'umbinden,
anhalsen, mittelst eines Seiles oder einer Kette anbinden'; otvezen pes
'Kettenhund', otvesti koga nase 'jemanden ins Schlepptau nehmen';
otvQza 'Seil, das einem Thiere um den Hals gelegt wird' (Pletersnik).
— Das Wort ist etymologisch nichts anderes als das ksl. KAS;?», K/äcth
'befestigen, firmare ftrjypvvai: rH'R3^i,C» iiTHi^a BA.SfT'K, serbokr.
vesti, vezem 'sticken' (eig. anbinden, anknüpfen) etc., also die dem ge-
meinslavischen vezati^ v^znqti, vezeti zu Grunde liegende Form. Schon
die Grundbedeutung 'anbinden = befestigen', die in allen Ableitungen
und Kompositen fort und fort wiederkehrt, sollte vor der Aufstellung
eines selbständigen tvesti im Etym. Wörterbuch warnen. Miklosich
nahm offenbar Anstoss an dem anlautenden t. Dieses ist aber (wie b im
serbokroatischen biskati 'Läuse absuchen', oder im slov. bimckati aus
obimckati = obimati 'umarmen', oder im cech. bafmiti 'lammen' aus
obahniti^ oder wie ,d in dresiti 'die Garben auflösen' aus od-resiti oder
raz-d-resiti) der Auslaut eines Präfixes : aus otvezem wurde otvesti,
indem nur o, nicht aber of als Präfix angesehen ward, das" t zum Stamme
geschlagen und so statt vez nun tvez als Stamm angesehen, wovon dann
weiter pritvesti, natcesti, vtvesti, pretvesti abgeleitet, ja durch Kreu-
zung das t sogar in alie Bildungen vez, veza, ovoza hineingebracht
wurde: tvez, tveza, otvoza. Diese Bildungen mit t im Stammesanlaut
traten offenbar erst auf, als das selbständige ot~o durch Analogie von
nad, pred, pod u. s. w. schon längst zu od geworden war und ot in
otvesti (wie in otrok) nicht mehr als 'los', 'weg' (losbinden), sondern
nur als o 'um' (umbinden, ein Seil umwerfen) gefühlt ward.
Slavische Wortdeutungen. 71
16. ZUU.
Das Wort geht auf ein urslavisches *zelh%^ resp. *gelbü zurück,
was die ganz übereinstimmenden Formen der slavischen Sprachen be-
weisen : ksl. ^KA'tK'k 'canalis'; slov. zUb 'Rinne, Vertiefung zwischen
zwei Flächen; Krippe im Stall; Furche zur Ableitung des Wassers,
Mulde, Kanal; längliches Thal zwischen zwei Bergen, Bergschlucht',
zlebiti 'mit einer rinnenartigen Vertiefung versehen, auskehlen', zlebnik
'Hohlziegel, Falzhobel'; serbokr. zlij'eb^ zdlijeb 'Rinne; Rille, Spur;
Kehle, Winkel; Mahlrinne', zljehiti 'aushöhlen, kehlen'; cech. zlab (bis
zum XIV. Jahrh. noch zleb)^ zlibek, zläbek 'Rinne, Wasserrinne, Wasser-
leitung, Röhre, Kanal; Quelle; Trog, Krippe im Stalle; enges Thal,
Mulde, Thalschlucht, kleiner Hohlweg', üzlebi, üzlabi 'Wasserkanal,
Rinne, Flussthal, Hohlweg', zlabiti 'höhlen, falzen, kehlen, zlabina
'Viehtrog', zläbkovec 'Kehlhobel'; russ. ate.ioöx, acojioö'B 'Rinne, Gosse;
Krippe'; 2Ke.io6HHa 'Vertiefung, Aushöhlung'; »tejiHX, ato.iH'B, jk6joh%
'Krippe, Viehtrog' (aus ate-iÖHt : 7>, h, v fiel vor n und überhaupt Con-
sonanten aus, cf. gynqti aus g^bnqti, konh aus kobnh\ das zweite o in
atojOHi. ist durch Analogie hervorgerufen), acsjioÖHTfc 'auskehlen';
klr. aiojroö 'Krippe, Rinne, kleiner Brunnen, Bach', atdoduTH
'meisseln, aushöhlen', acojroöima 'Rinne, Bett des Flusses'; poln.
zlöb^ zlobek 'etwas nach der Länge Ausgehöhltes, Ausgekehltes,
Rinne; Mahlrinne; Kerbe; hohler Einschnitt ; wgJebienie na boku gory ;
Krippe', ilobkowac^ ztowic (für zlobic) 'aushöhlen, auskehlen' ; os. zlob
'Rinne, Riefe; Vertiefung; Thalgrund; Krippe, Trog', ziobic 'rinnen-
förmig aushöhlen' ; ns. ziob 'Krippe'. Miklosich, Et. Wtb. 407 b, theilt
diese Gruppen in zwei Abtheilungen, in solche, die auf zelbii, und in
solche, die auf zolb7> zurückgehen, ein Vorgang, der nach den heutigen
Kenntnissen von dem Schicksale der Lautgruppe zeit nicht am Platze
ist. Das cech. Hab gibt keinen Stützpunkt dafür, da es verhältnissmässig
erst jung, aus zleb entstanden ist (vgl. Gebauer, Hist. mluvn. I.
§ 157. 3); andererseits ist das von Miklosich angeführte poln. Heb
(statt ziöb) meines Eruchtens nur aus einem alten Lokal zlebie er-
schlossen. Bei Linde finde ich kein Heb verzeichnet. Aus Miklosich's
Schlusssatze I.e. »Man vergleiche d. kerbe Einschnitt und beachte poln.
karb Hobkoivaty hohler Einschnitt« wäre man geneigt zu schliessen,
dass Miklosich hiermit eine Verwandtschaft des slav. Wortes mit dem
d. Kerbe vermuthet habe. Da jedoch dieses auf eine Wurzel mit an-
72 K. ^trekelj, Slavische Wortdeutungen.
lautendem h [kerf^ ags. cyrf 'Einschnitt', engl, carve 'schneiden') zu-
rückzuführen ist, passt dazu die slav. Urform *gelh% nicht. Wohl aber
entspricht dieser ein anderes d. Wort, nämlich mhd. Harn, gen. klammes,
'Krampf, Beklemmung, Fessel, Klammer, Klemme, Einengung, Klamm,
Bergspalte, Schlucht, Giessbach in Felsspalten', klambe 'Klemme,
Fessel'. Diese deutschen Wörter gehen nach Hirt (Ablaut 275, S. 87)
auf eine idg. Wurzel g^^eleb 'umfassen, helfen' zurück, welche wir auch
im lit. gelbu, yelheti 'helfen', in anderer Ablautform glebiu, glöhiu 'mit
den Armen umfassen' finden, wozu Hirt 1. c. auch ahd. clüd,ftra 'Mass
der ausgespannten Arme' stellt. Aus g^eleb entwickelte sich im Slavi-
schen, indem nach Hirt's Lehre e in die Schwundstufe trat, ganz regel-
recht gelb, die Wurzel unseres *gelb^. Unser zleb^ bedeutete also zu-
nächst 'die Umfassung', 'das von Seitenwänden eingeschlossene', 'die
Einengung' ; zur Bedeutung des d. Wortes 'Klamm, Bergspalte, Schlucht,
Giessbach in Felsspalten' — vgl. auch cymr. ty7io 'Thal' aus *[s)tenovo,
womit orevög, oreivög 'eng, schmal', xa oxeivh 'Engpässe' zu-
sammengestellt wird — stimmen ja die slavischen Bedeutungen wie :
'längliches Thal zwischen zwei Bergen, Bergschlucht, Thalschlucht,
Flussthal, Hohlweg, Wasserrinne' vollständig, indem 'die Thalschlucht,
der Hohlweg' das natürlichste Wasserrinnsal bildet, wobei andererseits
eine solche Wasserrinne den kürzesten Weg aus der Ebene ins Gebirge
zeigt und ihre Bezeichnung häufig dann den Begriff 'Gebirgsweg, Ge-
birgspfad' annimmt: vgl. hw\g, poteka 'Pfad' (n;RTfKa, siehe Asböth
im Archiv XXV. 576 ff".), lit. täkas 'Pfad' zu tekü 'laufe, fliesse'. Um-
gekehrt können aber auch Bezeichnungen für den Begriff 'Weg, Pfad'
in den Begriflf 'Rinnsal' umschlagen: vgl. alb. vi, vije 'Rinne, Furche'
aus lat. via] slov. klanec bedeutet nicht bloss 'Hohlweg, Dorfgasse',
sondern auch 'Rinnsal eines Baches, Bachfahrt', und wenn im Serbo-
kroatischen klanac ausser der Bedeutung 'Engpass' auch die von 'Koth'
hat, so ist diese letztere nur dadurch erklärbar, dass im Engpass eben
Wasser rinnt, wodurch das Erdreich darin zu Koth gewandelt wird.
Graz. K. Strekelj.
73
Zur Geschichte der serbischen Deklination.
Unter den slaviscben Sprachen nimmt die serbische mit ihrer De-
klination eine besondere Stellung ein. Während die Geschichte der
Casusformen anderer slaviscben Sprachen hauptsächlich in der gegen-
seitigen Beeinflussung, in dem Wechsel der Casustypen besteht, zeigt
die serbische Sprache neben dem Wechsel nach Analogie noch eine
Reihe anderer Processe, durch welche ganz neue, in keiner übrigen
slaviscben Sprache bekannte Casusendungeu hervorgehen, die der
Sprache einen originellen Charakter verleihen. Das sind die Anhängsel
-/, -e, -a. Die beiden ersten Anhängsel wurden in den altserbischen
Denkmälern (XIV. saec.) beinahe für alle Casus angewendet, in der
modernen serbischen Sprache hat sich -e erhalten nur in D, L^, D^.
Wie damals die Anhängsel -/ und -e, so hat in der Gegenwart das An-
hängsel -e nicht ganz die normalen Casusformen zu verdrängen ver-
mocht. Dagegen hat das Anhängsel -a, vom XIV. Jahrh. angefangen,
stufenweise sich der Position der Endung -^ bei den nominalen o- und
a-Stämmen bemächtigt, bis diese Endung zuletzt ausschliesslich wurde.
Diese neuen Formen gaben schon öfters den Forschern Anlass,
nach dem Grunde ihrer Erscheinung zu fragen. Das Anhängsel -e ver-
suchten einige (z. B. Majkov, Hcxop. cep6. «3. 684) durch die auf dem
Suffix -ML ruhende Betonung, andere iz. B. Jagic, Podmiad. vokaliz.
Rad IX. 125 — 126) durch besondere Bedingungen der sogenannten
sekundären Vokalisation, die dritten (z. B. Sobolevskij, Hscji^a- Bt 06.1.
pyccK. rpaM. 49 flf., iIeKii,iH 2 140) zum Theil durch Betonung, zum Theil
durch die Aufstellung einer urslav. Endung *me, die vierten (z.B.Oblak,
Die Halbvocale, Afsl. Phil. XVI. 183) durch das Bestreben, die Harmonie
der Silbenzahlen zwischen den verschiedenen Casusendungen herzu-
stellen, die fünften (z. B. Resetar, Primorski lekcionari S. 79) durch
das Bestreben, die alte Betonung an ihrer Stelle zu bewahren, die
sechsten (z.B. Belic, üpHjtomi^H HCTop. caan. jesHKa, T^iac LXII, 210 flf.)
durch eigenthümliche Beeinflussung seitens der Partikel -re zu erklären.
Wahrscheinlich infolge ihrer geringeren Verbreitung lenkte die Endung
-mi (also mit dem Anhängsel i) nicht in gleichem Masse die Aufmerk-
74 G. Iljinskij,
samkeit der Gelehrten auf sich, dennoch auch diesbezüglich wurden
verschiedene Ansichten laut, Resetar a. a. 0. nahm die Analogieüber-
tragung von 13 an, Belic a. a. 0. suchte den Grund in der Beeinflussung
seitens der Form des Pronom. tcij^ ovaj. Was das Anhängsel -a des
Gen. plur. (G^) anbelangt, mag auf die Erklärung Hattala's (Pocetne
skupine, Rad IV. 158): aus dem indogerm. -säm^ Schleicher's (CKJiOHe-
Hie ocHOBi) Ha -m, S, 11): aus der Flexion L^, Jagic's a.a.O. 154 — 156:
aus der sekundären Vokalisation, Baudouin de Courtenay's (Recens. auf
Jagic's Abhandlung S. 16 — 17): aus dem betonten -x, Brandt's (Ha-
^epTanie ciias. AKii,eHTOJioriH S. 101): aus der Beeinflussung der se-
kundären steigenden Betonung, Möhl's (MSL VI. 187 — 193): aus der
Analogie G^ der Nominalstämme -i. und -o, Oblak's (Zur Gesch. der
nomin. Dekl. im Slovenischen Arch. f. sl. Ph. XII. 439 — 440): aus der
Wechselbeziehung dreier Faktoren : 1) der Einsilbigkeit der Formen G*"',
2) der Betonung am Schluss des Wortes, 3) der Beeinflussung von -ma
in D^ P L3, endlich Resetar's a. a. 0. 122 — 123: aus dem Bestreben
der Sprache, die alte Betonung auf der Endsilbe zu wahren — ver-
wiesen werden, um zu zeigen, dass auch die Frage über die Genitiv-
endung -a noch immer nicht gelöst ist.
Wir wollen nicht jeden einzelnen der aufgezählten Erklärungsver-
suche einer Prüfung unterziehen, betreffs der Anhängsel -i und -e unter-
zog sich dieser Aufgabe vor kurzem Prof. Belic. Wir möchten nur be-
merken, dass uns auch sein Erklärungsversuch nicht einleuchten will.
Er glaubt nämlich, dass infolge des fortwährenden Wechsels zwischen
re und rh sich im Bewusstsein des Sprechenden die Vorstellung gebildet
habe, es sei die kürzere Form ursprünglicher als die volle -re und es
habe die Auffassung der Partikel re als aus r -\- e entstanden Platz ge-
griffen. Der Partikel re habe sich die Sprache vorbildlich bedient, als
sie das Bedürfniss fühlte, die Silbenzahl der einsilbigen (resp. zwei-
silbigen) Casus mit derjenigen der zwei- (resp. drei-; silbigen auszu-
gleichen.
Gegen diese, mir sehr künstlich vorkommende Erklärung lässt sich
nach meinem Dafürhalten folgendes einwenden: 1) Wenn die Erklärung
Belic's richtig wäre, so würden wir die den serbischen ähnlichen An-
hängsel auch in anderen slav. Sprachen erwarten, da der Wechsel zwi-
schen ze und z auch sonst üblich ist. 2) Sehr unwahrscheinlich ist die
Annahme der Auflösung des ursprünglichen re im Bewusstsein des
Sprechenden in r -\- e. In der serbischen Sprache kommen ja auch an-
Zur Geschichte der serbischen Deklination. 75
dere Wechsel vor: re : ra, -de : di : f?, te : ta u. s. w., und man be-
greift nicht, warum das Bewusstsein des Sprechenden nicht auch andere
Partikel in solche Elemente aufgelöst hätte. 3) Wenn die Sprache
wirklich die gleiche Silbenzahl durch alle Casus durchzuführen
»wünschte«, so würde sie kaum solche Kürzungen wie D* tom^ G^ kog
zugelassen haben. 4) Nach der Erklärung Belic's fällt die Entstehung
der Endung auf -e mit jener der Endung auf -i nicht zusammen; allein
zieht man in Betracht, dass beide Anhängsel schon in der ersten
Zeit ihres Aufkommens ineinemfort abwechseln, so fällt es schwer
zu glauben, dass dieser Wechsel rein zufällig wäre, wie es die Hypo-
these Belic's glauben machen will. Man muss diesen letzteren Fehler
in der Hypothese Belic's um so mehr bedauern, als er bezüglich der
Erklärung des Anhängsels -i nach unserem Dafürhalten sehr nahe der
Wahrheit kam, und er brauchte nur noch einen Schritt zu thun, um
vom Standpunkt des Anhängsels -i auch das Anhängsel -e zu erklären.
Auf Grund eines reich gesammelten Materials aus den Urkunden zwi-
schen 1387 und 1485 hat Belle klar dargethan, dass das Anhängsel -i
zu allen Endungen der Pronomina OBt, oiit, tl, cl hinzutreten kann
(S.214). Wenn das so ist, wenn man die Einheitlichkeit der Entstehung
z. B. des G^ Toran und G^ xixH nicht in Abrede stellen kann, so ist
man berechtigt, auf dieselbe Quelle auch die Form P thmh zurückzu-
führen. Allerdings kann uns die Erklärung der Endung -i in den Casus
obliqui, wie sie Belle gibt, nicht befriedigen, allein die Frage selbst
scheint richtig gestellt zu sein : es ist kaum zweifelhaft, dass die Formen
TOH(Nin), ToraH(Gi), TOMyH(Di), thmh(II) in einer innigen Beziehung
mit der Form xän sich befinden, die gleichzeitig mit ihnen aufkam.
Von dieser letzteren Form ausgehend wollen wir im Nachfolgenden
eine andere Erklärung der in Frage stehenden Formen auf i und e in
Vorschlag bringen. Was stellt die Form täj\ oväj yot? Sie ist augen-
scheinlich nichts weiter, als eine Zusammensetzung der Pronomina mit
dem Affix u (^), mag diese Zusammensetzung syntaktisch (was minder
wahrscheinlich ist) oder analogisch, nach dem Vorbild anderer zu-
sammengesetzter Pronomina (z. B. khj, ^hj, was wahrscheinlicher ist)
zu Stande gekommen sein. Von dem Grade des organischen Zusammen-
wachsens der beiden Pronominalelemente hängt die weitere Flexion
der zusammengesetzten Pronomina ab. Sie kann zweierlei sein. War
das Zusammenwachsen innig, fest, so bildeten beide Bestandtlieile ein
Ganzes sowohl in der Bedeutung wie in der Form. In der Deklination
76 G- Iljinskij,
wurde nur der zweite Bestandtheil flektirt, der erste aber bloss als
Stamm gefühlt. Als Beispiel eines solchen organischen Zusammen-
wachsens können die Pronomina ^kyjh und '^cijh dienen (vergl. S. 48
unserer Schrift »CjoacHBiK MicTOHMenia h OKOHianiK G^ iiejiH'iHtix'B
MicTOHMeniH Myat. h cp. p.y). Wenn dagegen das Zusammenwachsen
nicht genug innig und nicht beständig war, dann bewahrte das zweite
Pronomen die ursprüngliche Funktion des einfachen Affixes oder De-
terminativs nicht bloss in N, sondern auch in allen Casus obliqui. Ein
schönes Beispiel solcher Deklination liefert das altsl. KtatLAO (N), ko-
roa:i>ÄO (G), KOMoyatLAO (D) u. s. w. oder xtacAe (N), xoroatA© (G ,
TOMoyastAe (D) u. 3. w., wo die Affixe acL^o und ac^e schon darum nicht
mit jedem einzelnen Casus eine innigere Verbindung eingehen konn-
ten, weil sie selbständig gar nicht im Gebrauch waren. Doch auch in
dem Falle, wenn ein lebendiges Pronomen als Suffix verwendet wurde,
war die Flexion nach diesem Princip möglich. Vergl. altböhm. tet (wo-
für heute ^ew^o), tohoto, tomuto u. s.w. und daneben das kleinrussische
TOT, TOToro, TOTOMy u. s. w. ; oder vergl. das heutige böhmische kdos^
kogoh^ komm u. s. w. und daneben das altbulg. ohlcb, oiitcero, OHt-
ceMy u. s. w.
Wie wurden die serbischen Pronomina bnäj, ÖBaj, caj, Taj dekli-
nirt? In altserbischen Denkmälern wechseln diese Formen ineinemfort
mit T und Ta, ob und ona, c und ca, oh und oiia ab (cf. Daniele, IIcTop.
oöji. 149, BejHh a.a.O. 217), darum ist es gestattet zu vermuthen, dass
die zweite Form das Anhängsel/ verhältnissmässig spät annahm, nach
der Analogie von Koj. Das Zusammenwachsen war nicht besonders
innig, die Flexion geschah nach dem Typus von k-bh-Läo. So entstanden
die Formen Toran, Toiyn, thmh u. s. w., die sich zu Tora, Toxy, tdm
u. s. w. so verhalten, wie die zusammengesetzten zu den einfachen.
Daraus ergibt sich nach unserer Auffassung : 1 ) die Erklärung, warum
in anderen slav. Sprachen solche Formen, wie im Serbischen, nicht be-
gegnen: in denselben kommen die zusammengesetzten Formen *%ft,
*omJ'b entweder äusserst selten vor (wie in den westslav. Sprachen) oder
sie werden infolge eines besonderen Zusammenwachsens beider Bestand-
theile nach dem Typus von *kyjh deklinirt wie z. B. im grossruss.
Tfciero, Tfciearjr u. s. w. oder bulg. thh) ; 2) auch die Erklärung der Be-
ziehung des Anhängsels -i zu -e. Da nämlich die Form I^ twn mit der
entsprechenden nominalen Form I^ zusammenfiel, so erwachte in der
Sprache sehr früh das Bestreben, ihr Suffix durch ein anderes zu er-
Zur Geschichte der serbischen Deklination. 77
setzen. Als Ersatz des Affixes -i erschien das Neutrum /e oder nach
der Verhärtung desselben e (vergl. serbokr. cre neben jere), das etymo-
logisch mit j'c in koj'e identisch ist. Daraus ergibt sich, dass die For-
men Tii.Me, THxe nach dem Bildungsprincip noch näher sich dem ko-
roHCbAO, KOMoyatBAO u. s. w. anschliessen oder dem böhm. tohoto, tomuto
U.S.W, als die Formen Toran, TOM-yn: im ersten Falle ist das Affix neutr.
gen., im letzteren masc. gen. Die Formen thmhjb, rixHJe sind Kon-
tamination der beiden Anhängsel, auf -i und auf -e. Demnach finden
die »neuen« serbischen Formen ihre verhältnissmässig einfache Er-
klärung im Bereich und der Beleuchtung der zusammengesetzten Pro-
nomina des Typus der lateinischen ruiusque, ciiique u. a.
Was die dritte Endung betrifft (mit dem Anhängsel -a), sie bleibt
auch nach diesem Gesichtspunkt räthselhaft.
G. Iljinskij.
Zusatz der Redaktion. Es ist selbstverständlich, dass wir auch
solchen Erklärungsversuchen in unserer Zeitschrift Raum gönnen, die
wir selbst nicht verantworten oder unterschreiben möchten. Wenn die
bisherigen Erklärungsversuche der serbischen Casusformen mit den An-
hängseln -i und -e bei Herrn Iljinskij keine Gnade fanden, so ist stark
zu befürchten, dass auch sein vorliegender Vorschlag nicht besser fahren
wird. Es ist schon desswegen bedenklich, das Anhängsel -i auf gleiche
Linie zu stellen mit den zusammengesetzten Pronominen khh, ^ran, weil
die Flexion ganz divergirt: dort Koiera, ^miera, hier Toraj, ceraj. Also
im letzteren Falle schwebte dem Bewusstsein des Sprechenden h nicht
mehr als Pronomen vor. Die Formen wie ovi, oni (für ov, on) zeigen
deutlich, dass auch bei ti, taj (statt ta) die zusammengesetzte Form der
Adjektiva mitwirkte, um auch hier die Endung auf -i (resp. -«*, -j) zu
erzeugen. Die Form tajx'iei dann ^o/ hervor, ebenso entstand onaj\ onoj\
weiter die übrigen Casus : togaj\ tomiij. Chronologisch ist das i in t'Sxh
vielleicht älter und nicht damit in unmittelbarem Zusammenhang, eher
wohl als Analogiebildung zum Nom. plur. th aufzufassen. Wenn aber in
allen diesen Fällen von i als einem gefühlten Pronomen masc. gen. abzu-
sehen ist, so liegt nicht die geringste Wahrscheinlichkeit für die Annahme
vor, dass e ein dem i entsprechendes Pronomen neutr. gen. sei. Der
Parallelismus, den Herr Iljinskij zu Stande bringen möchte, lässt sich
also kaum aufrecht erhalten ; man hat ja auch kein *toe^*fogae^ *tomue,
womit man ihn stützen könnte. Dem Bestreben Belic's, die Partikel re-7'
78 G. Iljinskij,
dabei mitspielen zu lassen, lag der gewiss beaehtenswerthe Gedanke
zugrunde, dass das Anhängsel e zunächst auf das Gebiet der Pronomina
beschränkt war, wo auch die Partikel re ihre Hauptrolle spielt. Und
doch steht auch für mich diese Erklärung nicht so fest, dass man sich
nicht nach einer anderen umsehen dürfte. Man vergesse nicht, dass
wir auch in der l.Pers. sing, ein e finden in Verben wie vime (^B^Mb).
Meine Bemerkungen bekam der Verfasser zur Einsichtnahme und
er vertheidigt seinen Erklärungsversuch unter der üebersehrift »Pro
domo sua« mit folgenden Worten:
»Ich kann selbstverständlich dem Akad. Jagic für seinen , Zusatz',
der wie immer schätzbar und belehrend ist, nur aufrichtig danken.
Leider kann ich seine Einwendungen nicht gelten lassen darum, weil
sie das, worauf das Hauptgewicht in meiner Beweisführung fällt, näm-
lich die Zusammenstellung der altserb. Formen Toran, ceran mit altbulg.
KOro;^i>ÄO, KOMyÄtAO, ausser Acht lassen. Jagic hat recht, wenn er sagt,
dass in taj dem Sprechenden u nicht mehr als Pronomen vorschwebte.
Eben darum und aus keinem anderen Grunde musste taj in
den Casus obliqui nicht nach dem Typus kbih oder ^ihh, sondern nach
dem Typus KtJKtAO oder Ti-at^e flektirt werden. Alle Forscher sind,
glaub' ich, darin einig, dass die Formen KoroKbAO, KOMyacb^o ganz
normale Paradigmen der pronominalen Deklination desjenigen Typus
darstellen, nach welchem nicht der zweite (affixive), sondern der erste
Bestandtheil des Wortes flektirt wird, vergl. cuiusque^ cuique u. s. w.
Aehnlich der Hypothese Belic's geht auch meine von Pronominen aus,
doch während die erste die wunderbare Gesetzmässigkeit (saKono-
M^pHOCTb) der Erscheinung in altserb. Denkmälern nicht erklärt, er-
scheint sie von meinem Gesichtspunkt aus geradezu als unumgänglich
nothwendig. Die von J. für t^xh angenommene Erklärung durch die
Analogie von th halte ich für unmöglich schon darum, weil die Bedeu-
tung von TH mit der Bedeutung von Tixu nichts gemeinsames hat.
Ueberhaupt die Beeinflussung von L. durch N. wäre in der ganzen Ge-
schichte der indoeurop. Sprachen beispiellos. Meine Hypothese wird
auch durch die unbelegten Formen ^togae^ *tomue nicht widerlegt, sie
sind zur Vermeidung des Hiatus zu togaj\ tomuj geworden (vergl. alt-
serb. SKBHOBb aus *a:eHoy).(f
So H. Iljinskij. Ich will dazu nur das bemerken, dass wenn er mir
recht gibt, dass h im Bewusstsein der Sprechenden nicht
Zur Geschichte der serbischen Deklination. 79
mehr als Pronomen gefühlt wurde, dann eigentlich die Meinungs-
verschiedenheit zwischen uns jede raison d'etre verlieren sollte. Es geht
doch nicht an, in einem Athemzug zu behaupten, taj sei wie K-Batt^o
flektirt worden und doch -n und -e seien Pronomina masculini und
neutrius generis gewesen. Wenn man in diesen Anhängseln sogar den
Genusunterschied herausgefühlt hätte, dann würden wir wohl auch die
Flexion derselben erwarten. Ob xfen wobei ich an Gen. plur. dachte)
f. gerade unter dem Einfluss des Nom. plur. th das Affix annahm, das
mag man glauben oder nicht. Wir liaben ja im Bulgarischen für acc.
plur. rn offenbar aus sing, ro hervorgegangen mit dem Auslaut des
pluralischen Casus generalis. Und im Russischen Nom. plur. xi nach
den Casus obliqui. Also gegenseitige Beeinflussung der Casusformen ist
sehr gut möglich. Den Zusammenhang der Formen xan, xoh, xoran,
xoMoyn mit dem Pronomen h hat bekanntlich schon Danicic gelehrt.
Neu ist also bei dem Erklärungsversuch des H. IL eigentlich nur sein
»Neutrum« e, das er weder als *t'oe noch als *togae oder '^tomue nach-
weisen kann, und zu einer Vermeidung des Hiatus Zuflucht nehmen
muss. V. J.
I
Slavische Fragmente aus der Bibliothek S. Giacomo
(lella Marca in Montepraudone.
Etwa 10 km von S. Benedetto del Tronto am westadriatischen
Meeresstrande erhebt sich in wildromantischer Gegend das Felsennest
Montepraudone, der Geburtsort des berühmten Hussiten- und Bogomilen-
inquisitors Dominik Gangala, allgemein unter seinem Mönchsnamen als
Giacomo della Marca 'Jacobus de Marchia bekannt.
Geboren im Jahre 1391 (1393 hütete er bis zu seinem 9. Lebens-
jahre in den wilden Bergschluchten die Schafe der Familie, bis ein
Oheim seine Fähigkeiten entdeckte und ihn zuerst in Ascoli, dann in
Perugia studiren Hess. Im Jahre 1416 trat nun Dominik Gangala unter
dem Namen Jakob in den Franziskaner-Orden. Im Jahre 1426 hebt seine
Missionsthätigkeit in Böhmen gegen die Hussiten an. 1432, 1435*),
*J Fr. Jacobus de Marchia verweilte 1435 auch in Canali bei Ragusa,
einer Landschaft, welche die Ragusaner kurz zuvor erworben hatten, und
80 Ludwig V. Thallöczy,
1451, 1452 wirkt er in Bosnien, Ungarn, Oberitalien, überall muthig und
mit Zähigkeit den Katholicismus vertheidigead und die Hussiten, Bogo-
milen fanatisch bekämpfend. Er starb am 28. Nov. 1476 in Neapel i).
Fra Giacomo repräseutirt in der Geschichte des Franciskanerordens
den Glaubensstreiter mit dem schweren Rüstzeug. Es fehlte ihm der
elektrische Funke, der seinem grossen Ordensbruder Johann von Ca-
pistrano innewohnte und die verschiedenen Nationen : Deutsche, Ungarn,
Südslaven, Italiener in der flammenden Idee des Glaubenskrieges zu
vereinigen wusste. Dagegen war Giacomo mit dem Gesammtwissen
seiner Zeit bewappnet, beseelt von der Mystik Dante's und ein grosser
Hasser aller antikatholischen Bestrebungen. Ein gediegener Redner
schöpfte er aus literarischen Quellen und sammelte selbst eine stattliche
Bibliothek, die er dem Franciskaner-Convente (Convento d. S. Maria
delle Gra?.ie' in Monteprandone testamentarisch überantwortete. Die-
selbe wurde im Laufe der Zeit beträchtlich vermehrt, jedoch kam viel
abhanden, und die werthvolleren Handschriften wurden leihweise in die
Vatikanische Bibliothek gesendet, von wo sie erst auf Befehl Gregor XVI.
wieder zurückgestellt wurden.
Das erste Verzeichniss der Biblothek wurde im J. 1647 auf Befehl
des Ordensgenerals verfasst, die erste Beschreibung der Werke (6 1 Stück,
hatte Streitigkeiten mit dem dortigen serbischen Popen Niksa. Am 7. Juni
d. J. beschloBS das Consilium Eogatorum, den Rector mit dem Consilium mi-
nus zu bevollmächtigen: »respondere litteriB fratris Jacobi de 3Iarchta, exi-
stenti in Canali, prout sibi videbitur, non facieudo tamen pro nunc nouitatem
siue molestiam uel vim aliquam contra presbyterum Nixam es fide greca.
Captum per omnes«. Am 21. d. M. beschloss derselbe Rath mit 26 gegen 5
Stimmen: »quod supradictus presbyter Nixa fidey grece non possit nee debeat
amplius habitare super terreno deceni fratrum minorum S.Georgii; set possit
Stare in alio loco contrate Caualis«; die Minorität wollte, »quod debeat
exire totam contratam Canalis, et nichilominus jus suum sibi sit reseruatum«.
C. Jirecek.
1) Im J. 1876 publicirte D. Giacinto Nicolai eine Biopraphie Giacomo's :
Vita storica di San Giacomo della Marca dei minori, protettore della cittä e
diocesi di Napoli, scritta pel IV. Centenario dflla sua morte del suo coucitta-
dino. Bologna. Tipografia Pontificia Mareggiani. 1876. XX + 329. Die Bio-
graphie hat wenig absoluten Werth und ist eine enthusiastisch gehaltene
Paraphrase der bekannten Werke [Wadding, Civezza, Farlati, Muratori,
Cautü, Raynald, Michaud. Er benützt sehr unkritisch die Biographien Gia-
como's von Arcangelo della Fratta und Gasparo de Montesanto). In biblio-
graphischer Beziehung, speciell die Bibliothek des Heiligen betreffend, bietet
die Studie jedoch manch werthvoUen Fingerzeig.
Slav. Fragra. aus d. Bibliothek S. Giacouio della Marca in Monteprandone. 8 I
davon 15 beschrieben) lieferte Marchese Filippo Rafifaelli, Bibliothekar
von Fermo.
Vor Aufhebung des Franciskanereonventes war der Schlüssel der
Bibliothek beim Guardian und dem Vorstande des Munizipiums ver-
wahrt. Derzeit ist die Bibliothek in einem hübschen Kasten im Muni-
zipalgebäude untergebracht.
Das Munizipium Hess die Handschriften von Prof. Amadeo Cri-
vellucci (Pisa) bibliographisch beschreiben. Der Titel dieses brauch-
baren Wegweisers ist:
/ codici della libreria raccolta da S. Giacomo della Marca nel
contento di S. Maria delle Grazie presso Monteprandone. Livorno.
Tip. di Raffaele Giusti libraio-editore. 1SS9. 8 -\- 110.
Der rühmlichst bekannte Bischof Fraknoi, Stifter des ung. histo-
rischen Institutes in Rom, bekam im Vorjahre Kenntniss von der Biblio-
thek Giacomo de Marchias und erhoffte dort eventuell auf Ungarn be-
zügliche Handschriften zu finden. Dies war zwar nicht der Fall, jedoch
machte er mich aufmerksam, dass in einem der Codices zwei slavische
Texte zu finden seien. Bei Gelegenheit einer Studienreise in den Marken
machte ich mir diesen Fingerzeig zu Nutzen.
Sub Nr. 18 fand ich den von Bischof Fraknoi erwähnten Codex,
welchen Crivellucci (o. c. S. 48 — 49) in folgender Weise beschreibt:
»Xr. 18. Pergamentcodex vom Anfang bis zur Hälfte — abgesehen von
den ersten vier den Index enthaltenden Papierblättern ; ein dritter Theil be-
steht sowohl aus Papier- wie Pergamentblättern ivon Pergament sind die
äusseren Blätter, die erste und letzte, und die innersten, die beiden mittleren
der Sexternen, alle anderen sind von Papier), schliesslich kommen wieder
ausschliesslich Pergamentblätter. Er ist 16 zu 12 cent. hoch, zählt 263 Papier-
blätter, von denen 8 unbeschrieben sind, einschliesslich von 4 Vorsteckblät-
tern, 2 am Anfang und 2 am Schluss; er ist von mehreren Händen geschrie-
ben, in zwei Colonnen, 25—40 Zeilen in der Colonne. Schrift saec. XV. Auf
dem Rust steht zu lesen: Conclusiones super decretales; auf dem Titelblatt
ist der Titel hinzugefügt: Margaritarum. Auf fol. 233 steht: Explicit marga-
rita[rum] decretorum a fratre Martine domini pape penitenciario et eappel-
lano compilata per alphabetum.
Den Anfang macht ein auf 4 Papierblättern von der Hand des h. Jacob
geschriebener Index, der folgendermassen beginnt: Liber decretorum distinc-
tus in tres partes quarum prima vocatur uistinctiones, secunda cause, tertia
de consecracione. Der Schluss lautet: explicit liber decretorum continens
summam tarn textus quam glossarum.
Der Text der Margarita beginnt: Inter alia quecumque ad fidelium
christianorum doctrinam scripta u. s. w. und auf das Wort Caritas folgt: Ab-
Archiv für slavische Philologie. XXVII. 6
S2 Ludwigf V. Thallöczy,
bas, quod abbas non ab episcoporum sed a monacorum congregatione eligitur
11. s. w. Abel, aborsus, Abraain, absolutio, abominatio, absolutio u. s. w. bis
zum Nameu Zacheus.
Fol. 234 beginnt mit Abbatibus, absolutio, absolvere u. s. w. bis Uxoreni
ein zweites kürzeres Wörterverzeichniss auf 25 Blättern von anderer Hand.
Den Schluss macht die gewohnte Erklärung des Heiligen.
Der Codex ist in lederüberzogene Deckel gebunden. An die Innenseite
der Deckel sind zwei in slavischen Charakteren beschriebene Pergament-
blätter angeklebt.«
Als ich die beiden, den Einbandtafeln eingeschalteten Pergament-
blätter genauer ansah, musste ich mit Bedauern konstatiren, dass ich in
Ermangelung der notbwendigen Behelfe, ohne Schädigung der Einband-
tafeln und besonders der Texte an eine Auflösung des ledernen Ein-
bandumschlages nicht denken konnte. Es muss daher eine in natür-
licher Grösse der Originalien augefertigte photographische Aufnahme
genügen, welche leider nicht den ganzen Text veranschaulicht. Ich
muss daher sowohl die Ergänzung, wie die sprachlich-textliche Würdi-
gung meinem geehrten Freunde Hofrath Dr. V. Jagic überlassen.
Den Historiker iuteressirt bezüglich dieser Fragmente in erster
Reihe die Frage der Provenienz. Der Codex, in dessen Einbanddeckel
die beiden Fragmente eingeheftet sind, befand sich zweifellos im Be-
sitze Giacomo's. Die Fragmente können daher entweder im Besitze des
Inquisitors selbst gewesen sein, der diesen schismatischen Text in dieser
Weise verwerthete, oder es wurde dieses handschriftliche Colligat erst
nach dem Todesjahre des Heiligen (1478) von seinen Ordensbrüdern in
der päpstlichen Mark besorgt. In diesem Falle rühren die Fragmente
von den im XV. Jahrb. in bedeutenderer Zahl eingewanderten und im
Anconitanischen (Recanati etc.) angesiedelten slavo-albanesischen Ele-
menten her. Schon Makusev i) hat in dieser Hinsicht manches publicirt,
bz. angedeutet, ein interessantes Culturbild bieten uns die Fonti per Ja
Storia delle Marche (veröffentlicht von der Deputazione Marchigiana
di Storia Patria, mir Statuti IS!) 6 pub. 1 — 280 bekannt). Im Detail
instruktives Material bietet der Index des Archives in Recanati, vom
berühmten italienischen Schriftsteller Leopardi verfasst. Leider fehlen
die Bücher und Acten und nur einige für diese Materie recente Proto-
kolle sind vorhanden.
') Mon. Slav. mer. I. S. 195 — 204: Universitas Slav. habitantiuui in Marca
Anconitana 1379. 1394. 1397. 1439. 1458. Sciavi de provintia Slavoniae 1510.
S. 204 — 210. Coloniae Albanensium in Marca itana. Die intensive
Einwanderung geschah c. 1459.
Slav. Fragm. ans d. Bibliothek S.Giacouio della Marca in Monteprandone. 83
Es bietet immerhin einige Anhaltspunkte, wenn diese Leopardi'-
schen Extracte aus den verlorenen, oder verlegten Originalbücbern ver-
öflfentlicht werden, und ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich diese
im Zusammenhang mit der Provenienzfrage dieser Fragmente publicire:
Elenco Leoparcliano.
Albanesi.
a) p. 114*) (anno 1137, 9 Ag.).
Molti albanesi si erano diffusi nel nostro contado, e si presero delle
providenze sul loro conto.
b) p. 147 (a. 1451, 18 Gen.).
Si trattö di adattare qualclie misura contro gli Albanesi, attesa la
loro malignitä, e fii risoluto che venissero tntti descritti, e avessero un
mese di tempo a prendere impiego o servizio. Alle spirare del mese
sloggiassero tntti dal nostro territorio, eccettuati i maestri d'arte e li
battuali (?) o famuli del cittadini e degli altri abitatori.
c) p. 164 (a. 1456, 17 Gen.).
Per evitare possibilmente il flagello della Peste, si decretö che non
potessero riceversi li Schiavoni e Albanesi e si espellessero quelli venuti
da natale in poi. Le recenti vittorie delli Tnrchi in Levante rendivano
forse piü frequente la emigrazione di quelli infelici.
d) p. 177 (a. 1460, 2 Giugno).
Peste manifestata di nuovo; disposizioni contro gli Schiavoni ed Al-
banesi ai quali si attribniva la frequenza de' contagj. La Peste fii piü
micidiale del solito.
e) p. 226 (a. 1478, 24 Marzo).
Agli Schiavoni ed Albanesi fu proibito d'immischiarsi in alcune fun-
zioni nelle fraternitä dei cittadini.
f) p. 231 (a. 1479, 6 Giugno).
Essendovi nuovi sospetti di Peste, si adattarono varie missure e
venne decretato che in caso di contagio la Fraternitä degli Albanesi vi-
starebbe e spellirebbe gli Albanesi, quella delli Schiavoni gli Schiavoni,
e r una e l'altra gli Italiani.
Aus dem Original-Protokolle ex 1479:
Die X VII Jatiuarii.
Consilio M. d. p. Antianorum viginti qiiatuor et ducentorura de po-
pulo. comunis et horainum civitatis Kacaneti more solito congrcfiato in
quo fuit propositum quid placebat dicto consilio providere super infra-
scriptis propositis.
*) Bedeutet die Seitenzahl der Protokolle, welche wie bemerkt nicht
mehr vorhanden sind.
6*
84 Ludwig V. Thalloczy,
Tertio si placet dicto consilio facere aliquam provisionem pro evitatione
morbi.
Super quibus Marinus Nicoli Dei nomine invocato dixit . . . super facto
morbi evitandi fiat bannum quod nemo audeat receptare aliquem scla-
vum neque Albanum qui istuc concessisset a festo nativitatis citra pena
X librarum receptanti et venienti X tractarum funis et quolibet possit
predicto amisare (?) et . . . quartam partem dictarum X librarum; et si
qui reperirentur venisse .... dicta civitate.
Conclusio ottentiva: . . . pro evitando morbi: fiat bannum quod quicum-
que receptaret aliquem venientem de terra morboso mereret penam X li-
brarum tarn receptans quam receptatus et ultra dictam penam receptatus
habeat de facto quatuor tractos funis et qui amisaret contra funentes,
habeat medietatem diete pene et quilibet sclavus seu Albanus qui ve-
nisset iatuc a Kalendis Juniis citra, debeat dis orasse civitatem sub
dicta pena.
Die II junii Consilio etc.
Secundo de provisione fienda contra pestem. Ser Leopardus dei no-
mine invocato .... supra provisione pestis dixit quod per d[ominos]
p[riores] eligatur et constituatur locus extra civitatem ad quem omnes
sclavi et Albani morbo infecti in civitate Recanati deferantur et consti-
tuantur ibi custodes et curatores qui debeant perscruptari diligenter per
civitatem et infectos referre dominis prioribus sub aliqua pena.
Jacobus Janini super provisione pestis dixit quod primo inveniatur
locus et quod hospitale sancte Lucie extra portam maris esset locus
ydoneus et quod illuc deferrantur sclavi et albani infecti et ibi curentur.
Ser Antonius Politi dixit ut supra dixerat Jacobus, sed de hoc ha-
beatur colloquium cum d« episcopo.
Gaspar Jacobi dixit super provisione pestis quod hospitale sancte
Lucie de quo supra dictum est non est locus aliquo modo ydoneus cum
ibi per singulos dies et horas conversatur prope accessum ad sanctam
Mariam de Varano quapropter queratur pro alio loco.
Petrus Jeronimi dixit super facto pestis prout supra dixit Ser Anto-
nius Politi hoc addito remictuntur custodes ad portas prout erant prius
et deputentur eis salarium expensis comitatinis.
Petrus Thome dixit ut supra dixit Petrus Jeronimi hoc addito quod
recludantur alique dictarum portarum.
Ser Johannes Francisci de iufectis dixit ut supra dixerunt alii hoc
addito quod de cetero non dimictantur intrare in civitatem albani neque
sclavi.
Reformatum fuit et conclusum Constituatur locus pro infectis videlicet
hospitale sancte Lucie ut supra dictum est in quo deputentur curatores
l
Slav. Fragm. aus d. Bibliothek S. Giacomo della Marca in Montepiandone. 85
infirmorum quibus sit cura diligenter curare infinnos et constituatur aro-
inatarius a quo accipiantur necessaria pro dictis infirmis sumptibus comi-
tatinis et omnes Albani et sclavi infecti illuc deducantur. Item remictan-
tur custodes ad portas prout erant prius cum salario sibi persolvendo
de pecuniis coraunis extrahendis de mundinis proxiinis et hoc pro tempus
duorura luensiura. '
Ludwig v. Thallöczy.
Der Inhalt der beiden an die Buchdeckel angeklebten Pergament-
blätter cyrillischer Schrift ist uns in so kümmerlicher Weise zugänglich,
das3 es derzeit kaum möglich ist, etwas Näheres über denselben zu
sagen. Die beiden Blätter sind ja mit je einer Seite ihres Textes an die
Deckel angeklebt und vor ihrer Loslösung von den Deckeln zunächst
für uns so gut wie nicht vorhanden. Ob es bei Anwendung der grössten
Vorsicht möglich wäre, die Blätter von den Deckeln so loszulösen, dass
der Inhalt der jetzt zugedeckten Seiten gelesen werden könnte, das ver-
mag ich nicht zu sagen. Aber auch die oberen, unseren Augen und
dem Licht des Photographen zugänglichen Seiten haben in doppelter
Weise gelitten. Einmal findet man den Text der linken Kolumne an
vier Stellen durch Lederspangen so beschädigt, dass überall mehrere
Buchstaben für uns verloren gehen. Nicht überall ist es möglich, die
Lücken durch sichere Konjekturen zu ergänzen. Dann aber wurde
auch die rechte Kolumne durch den Lederumschlag des Einbandes in
ihrem grösseren Theil so zugedeckt, dass sie für unser Auge und auch
für den Photographen nicht erreichbar ist. Es hat sich also von den
acht Kolumnen des Textes dieser zwei Pergamentblätter nicht einmal
der vierte Theil (d. h. zwei Kolumnen) vollständig erhalten.
Und doch gestattet uns selbst dieser kümmerliche Rest allerlei Be-
trachtungen anzustellen. Vor allem könnte man dem grossen Bedauern
Ausdruck geben, dass die Ungunst der Zeiten und der religiöse Eifer
der mönchischen Missionäre so unglimpflich mit den Denkmälern der
slavischen literarischen Thätigkeit umgingen. Doch trifft den Fra Ja-
cobus de Marchia keine grössere Schuld den bosnischen Denkmälern
gegenüber, als sie in Böhmen und Polen den Eiferern für die Reinheit
des katholischen Glaubens und die sprachliche Einheit (Latein) vorge-
worfen werden kann. Also sentimental soll man nicht sein, es würde ja
auch nichts nützen. Aber das dürfen wir schon sagen, dass der Verlust,
den unsere Einsicht in die bosnische mittelalterliche Literatur durch
diese Schädigung und Zerstörung erleidet , in der That sehr gross ist.
86
V. Jagic,
Fragra. A.
miLH
..^ f f tiiii^ tlN ffi 1 nrnn
HäaSS^
Es handelt sich nicht etwa uiu n-eudwelche Bestandtheile der Bibel,
die wir ja auch sonst haben und kennen, sondern um Texte homiletischen
oder katechetischen, vielleicht gar bogomilischen Inhaltes, die einzig da-
stehen und in keiner Weise ersetzt werden können. Und zwar gestatten
uns diese zwei kümmerlichen Ueberreste von zwei Handschriften zu reden,
weil jedes Blatt eine andere Hand und ganz verschiedene Schriftzüge re-
Slav. Fiagm. aus d. IJibliotbek S. Giacorao della Marca in Montcpraudo.if. 87
Fragm. B.
präsentirt. AUerdmgs ist das Format der beiden Codices imgefähr gleich
gross gewesen, auch die äussere Ausstattuug (in zwei Kolumnen) ganz
gleich gehalten, so dass am Ende auch an zwei verschiedene Schreiber
derselben Handschrift gedacht werden könnte. Nichts hindert uns je-
doch anzunehmen, dass das zwei kleine handschriftliche Büchlein
waren, in kleinem Format geschrieben, in der Art, wie das noch spater,
,
88 V. Jagic,
als die Drucke aufkamen, gerade bei den ältesten bosnischen Büchlein
katholischen Inhalts und cyrillischer Schrift sehr üblich war.
Dass diese Ueberreste Bosnien (eventuell nördliche Theile von
Dalmatien inbegriffen) angehen, dafür spricht die Orthographie und
Sprache, von der Graphik gar nicht zu reden. Das Blatt A macht durch
seine Schriftzüge, die ganz auf alter Unciale beruhen, entschieden älteren
Eindruck, als das Blatt B. Dennoch möchte ich beide Blätter, nach
sonstigen Merkmalen, in das XV. Jahrh. versetzen, und zwar eher in
die erste als in die zweite Hälfte desselben. Auf beiden Blättern hat
der Buchstabe K noch die übliche Gestalt, ß noch nicht die spätere
Quadratform; in beiden ist h noch schalenförmig; in beiden fungirt
ausschliesslich H, kein "i; in beiden vertritt den u-Laut das Zeichen ^:
in A findet man K> zweimal, in B zwar auch K> zweimal, doch auch das
blosse S, z. B. ßOiiS CBOK», Ai?,i,n (für ak«,i,h), -R steht für a : H3 pa'k,
(C BacKpriiufHUlv (3 mal so), 'KKO B, ^HliBO (wohl Aa oder eine an-
dere Casusendung zu ergänzen) A; es bleibt auch ein unjotirtes a: po-
AHTfAa (A), norÖKAaTf (B); ebenso c tCH, ecT. Auch kein w, son-
dern nur h: khth (statt kkith), th (statt tki), kh (statt kwh), H(-
KfCKH, CHHOK(f) A, KH (für BkICTk), TH (für TW), KH^' (für BKI^k),
THAKHHIir (für -HKlMh.) B.
Beachtenswerth als Tradition der volksthümlichen Schreiberschule
ist das Fehlen des schwachen Vocals: BEpHaAa;^,, cnantaa, ^\,HUJ,Haui,
HlTcHY, HCnORH,i,aiU, HfKfCHY, IKHBOT (A), CRpH;jH, C HfKa, BH\-,
Bac Bauj Tpö^k,, THAfCHHM', B anoKaAHncHH, TfAfc, Haii.r, pasSM,
^UJOM (B). Nur als Abbreviatur liest man in B dreimal k: AV^^ anAb
und c\'k (wahrscheinlich HC^k). Der Ersatzlaut a ist nachweisbar in
Bac (für BkCk), BacKpHLUCHH'k (dreimal), Ba BcaKO Bpne (A), 3f-
MaAHa (B).
Der Dialekt ist entschieden ikavisch, weist also nach Nordwest-
bosnien mit Einschluss des nördlichen Dalmatien hin. Man vergl. hao-
BHMf, ;i,HiiJ für A'Si€11Jh), hmhk> (für h LI 'S h? oder HM'SK'Tk), rpH
(wohl die erste Silbe von rpH)C etc. und die Kasusendungen TfBH.
C«KH, HEECCHY (in A), AHTHHCTBi>f, CKpOSH, BaCKpHUIEHHt: (3mal),
THA6CHHM', THAfCA (allerdings einmal auch Tf AfC), pasÖMHHT«, npH(
(wenn für np'feJKAf ?) in B. Die volksthümlichen Wendungen haben
vor den kirchenslavischen Sprachformen und -Wendungen den Vorzug :
KH, KO statt HJKf, i€>Kf, CKpoSH KÖ, 3 /i,iiJ<tM als lustrum. neben boaS
Slav. Fnigui. aus d. Bibliothok S. Giacomo della Marca in Montepiandoue. 89
CBOic (wenn letzteres für BOAieic ckoi€io), Genit. Tora ßAJi,» und
vielleicht einmal (Mojfra. In der Konjugation: K^A*» HMa, ,i,huj,
HcnoBH;i,i\iiJ, npaßH, c8 (für ci>Tk); die Form ;k,HTHHCTK8e könnte
auch Particip sein. In B ist hto deutlich, daneben vielleicht auch
aan, doch ist diese Lesart unsicher. Kirchenslavisch klingen die For-
men: KS^XfUJH, noBH^aiUH (in A) und tKO, wenn es Konjunktion ist
(in B).
Auf den Inhalt kann ich hier (in Abbazia), entblösst von allen
Hilfsmitteln, nicht näher eingehen. Er erinnert an ähnliche Sachen in
der kroatischen glagolitischen Literatur. Wenn es eine üebersetzung
ist, so lässt sich die lateinische Vorlage voraussetzen, worauf auch das
Citat KaKO npaßH cth BepHaaa^v, hinweist. Im ersten Fragment ist
deutlich der Sinn, dass das menschliche Leben nach dem Vorbild und
Willen des himmlischen Vaters eingerichtet werden soll: C> naOKHHf.
Ka;i,a th ^y\ui- om« Haiu kh «ch Ha HeptcHy h HcnoKH;V,auj ^a
HMaujH pct^HTf/xa Ha HtBECHY BaKO <^^ä, h Ka,\a noBH;i,aujH
CfKH- HMHK>, Ji,H, Ol^a Ha HEBECHJC, HOKa^H HCBfCKH '^KHEOT H
yOTfHf (nicht ganz sicher) OU^a. Diesen Passus kann man in gutem
Zusammenhang lesen. Was vorausgeht, ist schon lückenhaft; noch
mehr, was folgt. Im zweiten Fragment wendet sich ein Sprechender an
das Volk (Tora pa^H Ai>^i,H paaSMHHTe), es ist von der Auferstehung
die Rede, wird zwischen der Vertreibung des Teufels aus dem Himmel
und des Menschen (» A"") aus dem Paradies eine Parallele gezogen. Der
anonyme Autor citirt die Apokalypse, erwähnt auch einmal einen Apostel
(ungewiss welchen, wohl Paul?). Der Inhalt dieses Blattes könnte eher
etwas Bogomilisches enthalten, als das Blatt A; dafür sprechen auch
die Schriftzüge des B-Fragmentes, die in ihrer schmalen Gestalt ent-
schieden bogomilischen Charakter verrathen. Dieser Ansicht ist mein
Freund, der serb. Akademiker Ljubomir Stojanovic, dem ich das Facsi-
mile der beiden Blätter zeigen konnte. Leider kann man auf B nicht
einmal so viel im richtigen Zusammenhang herauslesen, wie auf A.
Um den Text genau zu veranschaulichen, geben wir ihn nach der
von einem Photographen (C. Cameli in Sambenedetto del Tronto) ge-
machten Aufnahme in genauer Reproduktion wieder. Fragm. A lese
ich so:
Ka HaKC npaBH _ _ _
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V. Jagic,
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KpH • •
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Im Fragm. B :
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Slav. Fnigiu. aus d. Bibliothek S. Giacomo della Maica in Montepraudone. 91
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J\,A KHCTf HaMpa3i>llil AflUI B,A,aT
{A,)Uii HfK« ____<.
A^M • • • •
Ich fühle mich angenehm verpflichtet, dem Herrn Sections-Chef
V. Thallöczy für das Interesse, das er diesen zwei Fragmenten ent-
gegenbrachte, öfifentlich den Dank auszusprechen. V. Jagte.
Die grossrussisclie Dialektologie in den letzten fünf
Jahren (1897-1901)*).
In dieser kritischen Uebersicht will ich über die Erfolge der
gross russischen Dialektologie (die kleinrussische berühre ich nicht,
die Weissrussische nur bibliographisch, ohne auf Vollständigkeit An-
spruch zu erheben) seit dem Erscheinen des Buches Sobolevskij's »OnwT'B
pyccKOH AiajieKTOjroriii« (1897) berichten. Sobolevskij verwerthete in
seinem bedeutenden Werke beinahe das ganze bis dahin erschienene
Material, darüber aber nochmals zu reden wäre überflüssig. Dagegen
seit 1897 machte die grossrussische Dialektologie grosse Fortschritte.
Im Jahre 1896 wurde in der russischen Abtheilung der kaiserl. Akade-
mie der Wissenschaften als Fortsetzung der einstigen IIsBicTin eine
*) Dieser wertvolle Beitrag musste leider zu lange auf Ausgabe warten,
so dass jetzt schon Nachträge wünschenswert wären, auf die wir auch rechnen.
V. J.
92 N. Durnovo.
Dreimonatschrift »JlsBicTia 0Tji,i,Äema pyccKaro nsLiKa n cjroBecHOCxn
Ibmep. ÄKa^. H.« gegründet, die gleich von Anfang an der russischen,
zumal der gross- und Weissrussischen Dialektologie verhältnissmässig
viel Raum gönnte, Dank sei es der Energie des Akademikers A. A.
Sachmatov und dem Eifer des Professors Ev. Th. Karskij in Warschau
und des Professors Evg. Th. Budde in Kazan. Alle drei Herren sind
als hervorragende Kenner der russischen Dialekte rtihmlich bekannt.
Im Jahre 1S96 erschienen in der besagten Zeitschrift zwei ausführliche
»Programme« zum Sammeln der Eigenthümlichkeiten der russischen
Volksdialekte, das eine für nord-, das andere für südgrossrussische
Dialekte im 1. u. 3. H.). Beide waren vom Akad. A. A. Sachmatov
zusammengestellt (mit Hilfe anderer Gelehrter). Ihr Vorzug war die
ausführliche Behandlung der Fragen aus der Phonetik, die morpho-
logischen und syntaktischen Fragen traten dagegen zurück, die Wort-
bildung fehlte gänzlich. Die Programme waren auf Personen mit ge-
ringen Vorkenntnissen und unerfahren im Sammeln des dialektologischen
Materials berechnet. Daher eine ausführliche Anleitung in der Vorrede.
Das 3. Programm betreflfs des Weissrussischen Dialektes erschien erst
im Jahre 1S97 (im 2. Heft), doch war es ganz entsprechend den beiden
anderen, nur etwas ausführlicher abgefasst: hier giebt es mehr Fragen
über die Betonung und auch ein Abschnitt über die Wortbildung felilt
nicht. Lexicalische Fragen sind kürzer ausgefallen. Es war beabsichtigt
noch ein 4. Programm über die kleinrussische Dialektologie zu publi-
ciren, doch der in Aussicht genommene Herr Michal'cu k führte bis
jetzt die ihm anvertraute Aufgabe nicht aus. Diese Programme trugen
zur Belebung des russischen dialektologischen Studiums wesentlich bei.
Kein einziges der früheren Programme ' fand eine so grosse Verbreitung
und konnte so ausführliche Beantwortung hervorrufen. Die russische
Abtheilung versendete mit grosser Bereitwilligkeit ihre Programme
nach allen Richtungen, so dass im Jahre 1S99 kein Exemplar mehr
übrig blieb und es musste eine Neubearbeitung des Programmes unter-
nommen werden (vgl. Avchiv XXIII, S. 579 — 581).
Als Beantwortung der in den Programmen aufgegebenen Fragen
langte ein eine Reihe Mittheilungen von Volksschullehrern, Priestern,
1; Sie sind aufgezählt in dem Aufsatz F. K. Simoni's: PyccKiii >i3hkt, b-l
ero Hapiiiax'B h roBopax-L I. (HsBicxifl etc. I. 1. 173 — 178). Die besten darunter
waren — das Kolosov's bei Simoni Nr. 1Ü7) und Sachmatov's (Simoni
Nr. 108), sie bezogen sich hauptsächlich auf den o-Dialekt Nordrusslands.
Die f!:rossruss. Dialektologie in den letzten fünf Jaliren '1S97 — 1901). 9;^
Zöglingen geistlichei- Seminare, Studenten der geistlichen Akademien
und der Universitäten, die Gelegenheit hatten, einen Theil des Jahres
im Dorf zuzubringen, ja auch von Gutsbesitzern u. s. w. Selbst solche
Einlaufe, wo man sich auf das Unterstreichen der in den Programmen
angeführten Beispiele beschränkte, vermochten unsere Begriffe von
den grossrussischen Dialekten bedeutend zu erweitern, da sie die Mög-
lichkeit boten, über die Verbreitung dieser oder jener Erscheinung ein
Urtheil zu gewinnen. Bis 1901 incl. erschienen in den »IIsBtcTia« 48
solche Mittheilungen (zwei über Südgrossrussische Dialekte führen die
Nebenzahlen 41^ und 422;), darunter sind 5 den a-, die übrigen den
o-Mundarten gewidmet. Eine noch grössere Anzahl von Einlaufen liegt
bis jetzt ungedruckt, obschon sie viel Interessantes enthalten (vergl. die
Vorrede zum 1. Heft des IL Bandes des russischen Wörterbuches, das
jetzt im Erscheinen begriffen ist, und die Sitzungsprotokolle der russ.
Abtheilung in den IIsB^cxiH und im CßopHiiK'L Band 65, 66 und 67).
Der günstige Einfluss der akademischen Programme gibt sich auch in
den nicht in den akademischen Schriften gemachten Publicationen dieser
Art kund, vergl. die Mundarten des Gouvernement Kostroma in »^CnBaa
C'rapHHa« (beschrieben von Th. Pokrovskij) und in PyccKiH $HJEo;iorH-
necKÜl B'£cTHiiKi> die Beiträge Rezanov's, Karaulov's, des Refe-
renten und A. Nikol'skij's. Das Buch Sobolevskij wurde abgefasst, als
noch nicht alle Einlaufe gedruckt waren, darum konnten in seinem
OntiT'B nur die ersten 28 verwerthet werden — meistens nur als Er-
gänzungen.
Neben den »HsBicTiHt« pflegten die russ. Dialektogie, wie auch bisher,
noch folgende periodische Zeitschriften : »3CirBafl CTapHHa« und »PyccKiS
'T'Hjro.iornyecKiil BicTHHKi.«. Die dialektologischen Beiträge in einer jeden
dieser Publicationen tragen ihren besonderen Charakter. Während in
den »IIsBicTifl« mehr oder weniger umfangreiche Antworten auf die
Programmfragen, ohne Beifügung des rohen Materials (Aufzeichnungen
der Texte) und des Lexicons vorliegen, liefert )^yKHBafl CTapima« bald
kurze Charakteristiken der Mundarten, bald eingehende ethnographische
Beschreibungen mit beigefügtem lexicalischem Material, zuweilen nur
das letztere und andere Volksprodukte (Erzählungen, Lieder, Sprich-
wörter u. a.). Im Pycc. ^Hjiojor. BicTHHKTi werden ausführliche Abhand-
lungen der Specialisten, mit Excursen in das Gebiet der Sprachgeschichte,
mit Vergleichungen anderer Dialekte u. ä. publicirt; dann und wann ist
auch lexicalisches und anderes Material beigegeben. Sehr werthvoll
94 N. Durnovo,
sind die Beiträge zur grossrussisclien Dialektologie Professor E. Th.
Budde's von seiner Reise in das Gouvernement Tula (in IlaBicxifl 1898,
B. III, Heft 3 u. 4). Der vor kurzem erschienene 6S. B, des CöopHHKTB
ist fast ausschliesslich der Dialektologie gewidmet. Hier sind neben den
Charakteristiken der Mundarten viele Volkslieder, Volkserzählungen
u. a. m. und 4 lexicalische Idiotika abgedruckt. Ausschliesslich rohes
Material (Lieder, Erzählungen u.a.; erschien von Zeit zu Zeit in 3tho-
rpa<i>HyecKoe Oöosp^Hie und sonst. Es war mir für diesen Aufsatz nicht
möglich, das in verschiedenen Provinzialausgaben zerstreute dialekto-
logische Material zu verwerthen, obwohl dann und wann in solchen Publi-
cationen Werthvolles steckt. Z. B. mir ist nur aus der Recension in der
»yKnBaa CTapima« (1899, Heft 2) das 1898 in Petrozavodsk erschienene
Büchlein »KnatcKoe napime BejiHKoryöcKoä oöjracTH« (53 Seiten) be-
kannt.
Unter dem Material der mehr oder weniger phonetischen Aufzeich-
nungen von Liedern, Erzählungen, Legenden u.a. aus dem Bereich
der südgroäsrussischen Mundarten verdienen die vortreflflichen Mit-
theilungen V. N. Dobrovol'skij's aus verschiedenen Gegenden der
Gouvernements Smolensk und Kaluga (in 'JKiiBaB. CxapHHa) hervorge-
hoben zu werden , sie sind nach demselben Plan und mit derselben
Sorgfalt ausgeführt, wie sein ausführlicher »Cmoji bhcküI 9THorpa*HyeeKi5
c6opnHKi«. Diese Mittheilungen beziehen sich auf: I. Die Zigeuner
von Kiselevka (Gespräche mit ihnen, ihre Erzählungen, 'JK. Cxap.
Jahrg. 1897, H. I, S. 3 — 36, Kiselevka liegt im Bezirke Smolensk);
II. Dialectproben aus dem Bezirk Zizdrinsk (im Gouvernement
Kaluga, Räthsel und Lieder, 3C. Cxap., Jahrg. 1898, H. 3 — 4); IIL Das
Dorf Tereben (desselben Bezirkes, die Bauernnamen, ib.); IV. Erzäh-
lungen aus dem Leben der Polechen des Bezirks Zizdrinsk (yK. Cxap.
1899, Heft I, 4—22, II 151 — 166). Hier ist eine ausführliche Erzäh-
lung eines Bauernweibes mitgetheilt. Den Text dieser merkwürdigen
Erzählung verwerthete M. Karaulov in der Abhandlung »FoBop na.i'Sx
^HBApuHCKaro yi3;i;a« (vgl. unten) und A. Nikol'skij ; V. Tod-, B egräb-
niss- und Klagelieder (nach den Worten von Bauern aus dem Gouv.
Kaluga, yK. Cxap. Jahrg. 1900, H. 1—2). — V. J. Öernysov publi-
cirte in der jK. Cxap. einige Erzählungen , die im Gouv. Kaluga (in
Mescovsk, Borovsk) von den Bauern selbst niedergeschrieben waren,
auch einige geistliche Lieder (von ihm im Smolensker und Moskauer
Gouvernement aufgezeichnet) ^. Cxap. Jahrg. 1900, H. 1 — 2.
Die grossniss. Dialektologie in den letzten fünf Julncn (1897 — 1901). 95
In den IIsBicTia der russ. Abtheilung der kaiserl. Akademie für
das Jahr 1898 (B. III, H. 4) ist das von Prof. E. Th. Biidde im Gouv.
Tiila gesammelte Material (Gespräche, Volkslieder) erschienen , in ge-
nauer phonetischer Wiedergabe, und im Jahrg. 1900, H. 3 das von dem
Referenten aus dem Munde eines Bauernweibes aus dem Gouv. Tambov
(Bezirk Sack) niedergeschriebene Material (Lieder und Erzählung).
In dem PyecKiri <I>iuo.ior. E'£ctiihk1) erschienen die von V. Re-
zanov im Gouv. Kursk (Bezirk Obojan) und von K. Filatov im
Gouv. Voronez gesammelten Texte iT. $. B. 1897, B. 38, H. 3 — 4;
1898, B. 40, H. 3—4).
Der 68. Band des akademischen Sbornik (S.Ptbg. 1901) brachte
die von V. J. Cernysov in einigen Dörfern des Moskauer Bezirkes auf-
gezeichneten Lieder und Erzählungen.
Noch kann man auf eine kleine Sammlung der grossruss. Hoch-
zeitslieder und Klagelieder aus dem Gouv. Saratov verweisen, die im
Jahre 1898 von M. E. Sokolov in Saratov gedruckt wurde. Einige
Lieder sind phonetisch wiedergegeben, der Dialekt ist akavisch.
Aus dem uordgrossrussischen Dialekte erschienen in denselben
Publicationen folgende Texte.
In der aCiiB. Cxap. (1897, Heftl, S. 112—123) Erzählungen, auf-
gezeichnet von Balasoglo im Gouv. Olonec. — Im P. <I>h.i. B. (B. 40,
1898, H. 3—4, S. 3ü— 37) : Volkslieder, aufgezeichnet von K. Filatov
aus dem okavischen Dorf Novyj Kurlak (im Bezirk Bobrovsk, Gouv.
Voronez) und einige andere, aufgezeichnet von N. Karinskij im Bezirk
Novgorod des Gouv. Novgorod (an dem Flusslauf Luga und Oredez),
ib. S. 116, 121 — 124. — In BTnorpa*. Oöospime: 1) Die unter dem
Namen »Sbiruski« (soheissen kurze vierzeilige Lieder) ') bekannten Lieder
aus dem Bezirk Cerepovec, Gouv. Novgorod, gesammelt von der Frau
Kl. M. Gardner (B. 33, 1897, Nr. 2, S. 104—113, phonetisch, der
Dialect spricht c für t); 2) Die im Gouv. Vologda in der Gemeinde
Dvinsk des Bezirkes Kadnikov gesammelten kleinen Lieder von Pr. Di-
laktorskij (ib. B. 40—41, 1899, Nr. 1—2, S. 339—343); 3) Drei
epische Lieder (Bylinen) im Gouv. Perm, aufgezeichnet von E. N. Kos-
vincev (der Dialekt verwechselt c und /• : 4) Die grossruss. Hochzeit
im Gouv. Vologda von Mich. Kuklin, IV. — Im akademischen »Sbornik«
1) Das Versmass dieser Lieder ist vier- oder sechsfüsslge Jamben oder
Trochäen. Anderswo heissen diese kleinen Lieder: castuski, pvibautki, ta-
rantnski u. ä.
96 N. Durnovo,
sind erschienen ausführliche Beiträge (Lieder, Räthsel, Erzählungen),
aufgezeichnet von V. G. Bogoraz in Sibirien (in dem Rayon der Jakuten),
theilweise phonetisch genau.
Unter den Einzelausgaben erwähne ich :
1) Die Bylinen vom Weissen Meere (EijroMopeKia ölijehhii), auf-
gezeichnet von A. Ma,rkov, Moskau 1901, XUI4- 1 + 618. Diese
umfangreiche Sammlung enthält 216 Bylinen und einige andere Lieder,
in sorgfältiger Redaction, mit Bewahrung aller Eigenthümlichkeiten der
localen Aussprache. Unter den dialektischen Eigenthümlichkeiten ver-
dient das fricative y statt des gewöhnlichen g der grossruss. Dialekte
und die stark erweichten Affricaten c und c hervorgehoben zu werden.
2) Die Neuausgabe des Kirsa Danilov : CöopHmcB KHpmir /l^aHH-
jiOBa. Publication der Kaiserl. Oeffentlichen Bibliothek unter der Re-
daction P. N. Scheffer's. S.Ptbg. 1901, 8«, II + XL VI + 284. Be-
kanntlich ist die Handschrift zu Ende des 18. Jahrhunderts geschrieben.
Dank der Ungeübtheit des Schreibers in der russischen Orthographie
treten manche phonetische Züge des Dialektes oder seiner Vorlage
recht deutlich hervor. Manches weist auf die Entstehung der Hand-
schrift in Sibirien hin, folglich werden auch einige Züge der Sprache
in dem localen sibirischen, d. h. nordgrossrussischen Dialekte ihren
Grund haben. Doch neben dem harten t in der 8. Pers. sing, der Verba,
neben den Formen tbök, eeÖH, neben eno, öoraTona u. s.w., werden auch
Charakterzüge des a-Dialektes, die Genitivformen Mene, xeöe, ceöe
(Vorrede S. XI — XIII) hervorgehoben, was der Herausgeber so deutet:
»Auch in Sibirien kommen a-Dialekte vor . . . man darf nicht ausser
Acht lassen, dass bei Demidov auch Schreiber aus der Gegend von
Tula, wo er bekanntlich seine Fabriken hatte, anwesend sein konnten
(S. XXV Anm. 2). In dieser Ausgabe sind alle Eigenthümlichkeiten der
Handschrift aufs sorgfältigste bewahrt und reproducirt.
Der lexicalische Theil der russischen Dialekte ist in der Abhand-
lung Sobolevskij's ganz bei Seite gelassen. Die Aufzählung der lexi-
calischen Hilfsmittel der russ. Sprache bis zum Jahre 1896, gegeben von
P.K. Simoni in Hsb^ctih 1896, B.I, ist nicht vollständig. Vollständiger
ist das bei dem 4. Heft des von der russ. Abtheilung der kaiserl. Akademie
herausgegebenen Wörterbuchs (1896, Vorrede). Seit 1896 erschienen
dialektisch -lexicalische Beiträge in der ^HBan CrapHna, im PyccKÜl
<I>Hjio.iorKiecKiH BicTHHKX, in den Il3BicTifl und im CöopiiHKi,, ferner
in den Beilagen zu einzelnen Publicationen des ethnographischen Ma-
Die grossruss. Dialektologio in den letzten fünf Jahren (1807—1901). 97
terials. Grosse Bedeutung für den lexicalischeu Theil der russ. Dialekte
wird dem von der russ. Abtheilung der kaiserl. Akademie herausge-
gebenen Wörterbuch zukommen. Nach dem Plan der gegenwärtigen
Herausgeber des Werkes soll es ein vergleichendes Wörterbuch des
ganzen grossrussischen Dialektes darstellen, in dasselbe werden nicht
nur die Wörter der Literatursprache, sondern auch alle in irgend einem
grossrussischen Dialekte nachweisbaren Ausdrficke aufgenommen, mit
Angabe ihrer Verbreitung im allgemeinen oder in einer bestimmten
Bedeutung. Leider trägt das Wörterbuch diesen Charakter erst vom
IL Band, d. h. vom Buchstaben E an, während der Herausgeber des
I. Bandes sich ausschliesslich auf den Wortvorrath der Literatur-
sprache beschränkt hatte. Bei der Grösse der Aufgabe ist der Abschluss
des Werkes in weite Ferne gerückt. Seit 1897 erscheint jedes Jahr ein
Heft, jetzt ist man bei dem Buchstaben 3.
Als mundartliche Idiotika seit dem J. 1897 kenne ich folgende
Publicationen: Das Wörterbuch des Dialektes von Olonec (CjOBapt
oöjiacTHoro OjiOHeii,Karo napigia bx ero ötiTOBOM'L h 3THorpa*H-
^lecKOMT. npHM'feHeHiH, coöpajn. na MtcT'& 11 cocTaeHJix V. II. KyjiHKOB-
CKiii. CIIö. 1898). Dieses von der II. Abtheilung der kais. Akademie
der Wiss. herausgegebene Wörterbuch Kulikovskij's übertrifft an
Umfang das bekannte Wörterbuch des Dialektes von Archangelsk von
Podvysockij. — In dem 3TiiO't>pa*HqecKoe 06o3piHie vom Jahre 1899,
Buch 40 — 41, Nr. 1 — 2 gab derselbe Verfasser noch Nachräge zu sei-
nem Werke (etwa 120 Wörter). — In der Zeitschrift »^HBaa CTapnHa«
erschienen mehrere kleine Idiotika, und zwar fürs Südgrossrussische
1 . Eine Zusammenstellung von Idiotismen aus dem Rjazaner Gonv. von
Dittel, ungefähr 900 Wörter (einige phonetisch niedergeschrieben), in
K. Cxap. VIII, Heft 2, 1898. Dieses Idiotikon wurde im J. 1860 ge-
sammelt, leider ist die Provenienz einzelner Wörter nicht genau ange-
geben, neben dem reinen südgrossruss Gebiete wurden auch einzelne
in dialektolog. Beziehung gemischte Kreise des dialektisch bunten Rja-
zaner Gouvernements herbeigezogen. Fürs Nordgrossrussische:
2. Als Beilage zur Abhandlung Pokrovskij's: Ueber die Volksdialekte
des nordwestl. Theils des Gouv. Kostroma {'M. Cxap. 1898^ Jahrg. VII,
Heft 3 — 4) — etwa 200 Wörter. 3. Lexikographisches Material aus
den Novgoroder Mundarten von M. K. Gerasimov (MaxepiajiLi jibkch-
Korpa*HTiecKie no HoBropoACKHMt roBopaMi. M. K. TepacHMOBa) , etwa
230 Wörter und 121 Namen ans Cerepovec: und von N. Kedrov
Archiv für »lavische Philologie. XXVII. 7
98 N. Durnovo,
Wörter ausLadoga (CjiOBa ja^oatCKia), ungefähr 273 Wörter (yK. Cxap.
1878, Jahrg. VIII, Heft 3 — 4). Beide Sammler berücksichtigten haupt-
sächlich den in der Literatursprache ungebräuchlichen Wortvorrath.
4. P. K. Simoni gab in H. Crap. 1898, Jahrg. Vm, Heft 3—4, zwei
alte dialektologische Wörterbücher des XVIII. Jahrh. heraus, Wörter
aus der Gegend von Gross-Ustjug und Vjatka. 5. V. Sevljakov
gab eine Anzahl von Wörtern des localen Gebrauches der Stadt Tot'ma
(Gouv. Vologda, gesammelt im Jahre 1859, im Ganzen nur 19 Wörter,
:aC.CTap. 1899, Jahrg. IX, Heft 1). 6. Als Beilage zur Abhandlung
über den Dialekt des Kreises Cuchloma des Gouv. Kostroma erschien ein
Beitrag von etwa 100 Wörtern von Th. Pokrovskij. 7. A. Balov
sammelte aus dem Dialekt des Ljubimer Kreises (Gouv. Jaroslavl') etwas
über 100 Wörter in ^K. Cxap. 1900, Jahrg. X, Heft 1—2. 8. A. Fo-
min (A. 9omhhi) gab eine ältere Sammlung (vom Jahre 1787) heraus:
Pocnnet ojiob'b h piqsHiä h31> ocTaxKOB'B ApeBHiiro pocciäcKaro nsuKa
BT. /^BHHCKofi CTpaH^ COÖpaHHfclX'L H HO HWH'imHeMy OÖpaSOBanilG HST.-
HCHBHHHxx— nur 36 Wörter (^K.Cxap. 1900, Jahrh. X, Heft 3). 9. Als
Beilage zur Abhandlung D. Z elenin 's: lieber die dialekt. Eigenthüm-
lichkeiten der Bauern des südöstl. Theiles des Gouv. Vjatka {'JK. Cxap.
1901, Jahrg. XI, Heft l) erschien auch ein Wörterbuch, umfassend ca.
500 Wörter. — In dem Warschauer PyccKiil ^mtojrorH^iecKin B'Scthhk'l
ist lexikalisches Material bei folgenden dialektologischen Abhandlungen
enthalten: 1) RSzanov, Zur Dialektologie der grossrussischen Mund-
arten: die Eigenthümlichkeiten der Volkssprache im Kreise Obojan,
Gouv. Kursk (südgrossrussisch, B. 38, Jahrg. 1897, Nr. 3 — 4). 2) Pro-
vinzialismen des Distriktes Mozdok des Kozakengebietes von Terek, ge-
sammelt von M. Karaulov (B.44, Jahrg. 1900, Nr. 3— 4, S. 86— 114),
etwa 500 Wörter (südgrossruss.). 3) In der Abhandlung Karinskij's:
Ueber einige Dialekteigenthümlichkeiten im Flussgebiet Luga-Oredez,
Gouv. Novgorod (B. 40, Jahrg. 1898, Nr. 3—4), ca. 200 Wörter und
darüber. 4) P. Sein gab zu dem Bande der Erzählungen und Ueber-
lieferungen des Samara- Gebietes, gesammelt und verzeichnet von Sadov-
nikov, ein Wörterbuch von mehr als 400 Wörtern (B. 41, Jahrg. 1899,
Nr. 1 — 2, S. 47 — 70). — In den »HsB^cTiii OTA^jeniH pyccKaro HSLiKa
H cjOBecHOCTH« erschion : 1) Von S. K. Bulic Material zum russischen
Wörterbuch (B. I, 1896, Heft 2, S. 294 — 334), 2) von Prof. E. Th.
Budde Wörter, gesammelt im Gouv. Tula und Kaluga (als Beilage zur
dialektologischen Abhandlung desselben Verfassers, B. III, 1898, H. 3,
Die grossruss. Dialektologie in den letzten fünf Jahren (1897—1901). 99
S. 846 — 898), ungefähr 690 Wörter, mit genauer Angabe des Ortes und
der ganzen Phrase.
Viel lexikalisches Material enthält der 68. Band des akademischen
CßopmiKt, StPtbg. 1901. Man findet hier zwei südgrossrussische Wör-
terbticher, und zwar 1) in der Abhandlung V. Th. Solovjov's: Oco-
öeHHOCTH roBopa AOHCKHXt KaaaKOB'B (als Nr. 2), 451 Wörter, und 2) in
der Abhandlung A. I. Sacharov's : Hsmk^ kpbctbhh'b II.!Ilhhckoh bo-
jiocTH EcixoBCKaro yis^a, Op.iioBCKOH ryöepHin (als Nr. 5), ca. 1000
Wörter. Ferner 3) Wörter, gesammelt von V. I. Öernysov im Kreise
von Moskau ,;als Nr. 3), ca. 1000 Wörter (der Dialekt stellt den ge-
mischten Typus, abweichend von dem reinen südgrossrussischen, dar),
endlich 4) ein nordgrossrussisches Wörterbuch, gesammelt von V. G.
Bogoraz in Kolym: OÖJiacTHoä cüOBapt KojitmcKaro pyecKaro Hapi&-
^ia (als Nr. 4) mit mehr als 2000 Wörtern.
Der Ausgabe A. Marko v's » Bi.ioMopcKia ötMHHLi« ist ein Wörter-
buch der Idiotismen und Archaismen aus den vorliegenden Bylinen bei-
gefügt. Ebenso ist der Neuausgabe des Kirsa Danilov ein Wörterbuch
der darin vorkommenden Idiotismen (ca. 460 Wörter) beigelegt. Auch
jedem Bande von A. I. Sobolevskij, BejiHKopyceKifl Hapo;iHtiK h'^chh
Bd.I — VI, StPtbg. 1895 — 1900) folgen Indices der Idiotismen u.a. nach.
Ein Mangel vieler der genannten Wörterbücher ist, dass sie meist nur
Wörter bieten, die bei V. I. Dal' (To.ikobhh cjroBapL acHBoro BeiHKopycc.
asLiKa) nicht verzeichnet sind oder die dem Sammler auffallend vor-
kamen. Zweck solcher Wörterbücher ist nicht, den Interessen der
Dialektologie zu dienen, sondern den schon gesammelten Wortvorrath
zu vervollständigen , weshalb es auch auf Grund derselben schwer ist,
über den lexicalischen Bestand irgend einer Mundart oder über die Ver-
breitung der gewöhnlichsten Wörter, wie z.B. nsöa und xaTa, aomx und
;tBopi, U.S.W, zu urtheilen.
Ich gehe nun zu den der Beschreibung einzelner Mundarten ge-
widmeten Forschungen über. Da ich bei meiner Uebersicht Sobolev-
skij's OntiTt pyccKOH Aia-ieKXOjioriH zum Ausgangspunkte nehme, so
will ich ihn vorerst charakterisiren. Hier ist auf lOS SS. in 8" nach
Möglichkeit alles gesammelt, was von den gross- und Weissrussischen
Dialekten in der russ. wissenschaftlichen Literatur bis 1897 bekannt
war. Gruppirt wird das Material folgendermassen : I. Grossruss. Dialekt
mit A. dem Stidgrossruss. oder Akavischen und B. dem Nordgrossruss.
oder Okavischen, wobei noch beim letzteren die Untermundarten 1. das
7*
100 N. Durnovo,
Nicht-Cokavische und 2. das Cokavische unterschieden werden; II. Das
Weissrussische mit seinen 1. eokavischen und 2. nicht-eokavischen
Mundarten. Die Vorführung des Materials bei einer jeden Gruppe ge-
schiebt nach den Gouvernements und den Bezirken. Das Ziel des Buches
war nach den Worten des Verfassers, »die hauptsächlichsten Eigenheiten
der russischen Mundarten in Lauten und Formen auf Grund von fast
ausschliesslich gedrucktem Material zu zeigen« (S. 3), daher auch nur
das meist Charakteristische und das Auflassen alles Uebrigen in seinem
Buche. Accent und Lexicon der einzelnen Mundarten werden nicht be-
rücksichtigt. Phonetische Feinheiten, die sich durch das gewöhnliche
Alphabet schwer wiedergeben Hessen, werden ausser Acht gelassen.
Nach Möglichkeit werden folgende Züge in jedem Dialekte festgestellt:
der Grad des a- oder o-Sprechens; die Diphthongirung; 'e für '«; u für v
[v und 10 werden nicht unterschieden) und f. 7; // (d. i. y] und g; das
ÄSBKaHLe. iioKaHbe und ii,0KaHLe (das dz-^ c- und c-sprechen);yfür chv
und umgekehrt; A' f. k und /für Jc\ die Aussprache der Zischlaute; die
Intonation der Rede; beiden Formen: die Vermischung der Declinationen
und Casus; die Endung des gen. sing, der Adjectiva und Pronomina; die
Formen der persönlichen Fürwörter; die Endung der 3. Person bei den
Verben; die zusammengezogenen Formen der Adjectiva und Verba; die
Endungen der Verbareflexiva; von den syntaktischen Eigenthümlichkeiten
nur der Gebrauch des Artikels und die Vermischung der Genera. Hie und
da werden auch einige andere Züge angemerkt, wenn sie die Quellen
boten uud sie für die Mundart charakteristisch sind. In dieser Weise
ist Sobolevskij's Buch für die Wissenschaft sehr nützlich: es zeigt, was
für diese oder jene Mundart bereits gethan worden ist, und es gibt so-
zusagen eine dialektologische Karte von Gross- und Weissrussland, in-
dem es zwar kein vollständiges, jedoch immerhin annäherndes Bild von
der Verbreitung der wichtigsten dialektologischen Merkmale bietet. Das
Buch ist demnach auch ein Wegweiser, was zu thun noch aussteht. So
sehen wir z. B. daraus, dass im Jahre 1S97 das Südgrossrussische viel
weniger erforscht war, als das Nordgross- und Weissrussische : ausser
den Abschnitten über die Mundarten der Gouv. Rjazan und Kursk ist
alles Uebrige über die südgrossruss. Dialekte im OnLixi. fragmentarisch
und lückenhaft.
Der Behandlung der einzelnen Mundarten eines jeden Haupt- und
Nebendialektes geht eine allgemeine Ciiarakteristik der letztern voran.
So steht anfangs die Charakteristik der Moskauer Literatursprache,
Die grossruBS. Dialektologie in den letzten fünf Jahren (1897 — 1901). IQl
welche »massig akavisch« genannt wird; dann folgt die Charakteristik
der südgrossruss. »stark akavischen« Mundarten; ebenso wird das
Nordgrossrussische im Vergleiche zum Moskauischen und Südgross-
russischen, schliesslich das Weissrussische charakterisirt. Dies Letztere
ist nach Sobolevskij »nichts anderes als ein dritter, westlicher oder
akavisch- dzekavischer Nebendialekt des Grossrussischen, und zwar
am nächsten den südgrossruss. stark akavischen Mundarten«. Als ein
Verdienst muss man dem Verfasser anrechnen, dass er die Moskauer
Sprache getrennt von den übrigen südgrossruss. Mundarten behandelt,
mögen auch spätere Forschungen über die Mundarten des Moskauer
Gouvernements, wie mir scheint, klar gelegt haben, dass das Charakte-
risiren der südgrossruss. Mundarten als »stark akavisch« zum Unter-
schiede vom Moskauischen nicht ganz genau ist. Im nördlichen Theile
des Moskauer Gouvera. kennen wir Mundarten, die mit ihren lautlichen,
formalen und lexicalen Eigenthümlichkeiten der Moskauer Literatur-
sprache sehr nahe stehen, dabei jedoch nicht massig, vielmehr stark
akavisch sind. Der Art sind die Mundarten, die von mir theils be-
schrieben, theils erwähnt werden im » Onncaiiie rosopa AepenHH IIap*e-
HOKT. PyscKaro yis^a«, ebenso auch die Mundarten, die V. J. Cernysov
in »Cßi^iiHiii HapoÄnLixi> roBopaxi> iiiKOToptixt cejreHiä MocKOBCKaro
yi3;i;a« vorführt. Anderseits gibt es südgrossruss. Mundarten mit dem
A-sprechen Moskaus, obwohl sie sich sonst vom Moskauischen eben
durch ihre südgrossruss. Züge unterscheiden, wie z. B. y für das Mos-
kauer g, f in der Endung der dritten Person der Verba für Moskauer t
(hart), gen.-acc. mene, telJe f. Mosk. ihenä^ t'ehä: schliesslich ist auch
ihr Lexicon der des Südens (cKopo^HTt, ^eKa, xaxa u. s. w.). Solche
Mundarten werden »MimaHCKie« genannt. Jedoch wenn man auch das
massige A-sprechen der sog. Bürgermundarten durch den Einfluss der
Literatursprache erklärt, so trifft die Charakteristik jener Mundarten
als stark akavisch er nicht zu, wo neben cadü^ Üarü, vad'i, niisi u. s. w.
vydä, bidä, nisei^ vilat' vorkommt. Uebrigens werden Mundarten
dieses Typus in der allgemeinen Charakteristik der südgrossruss. stark-
akavischen Mundarten in Sobolevskij's OnLiTt gar nicht berücksichtigt,
obwohl sie dem Verfasser bekannt waren. So werden allen südgrossruss.
einige für den südgrossruss. Dialekt nicht besonders charakteristische
Züge zugeschrieben, z. B. die harte Aussprache der Endlabiale und der
Doppelzischlante in, [ss] und zz (ich kenne südgrossruss. Mundarten mit
weicher Aussprache aller Zischlaute; anderseits ist hartes ss, zz, auch
102 N. Durnovo,
den nördlichen Mundarten gut bekannt), weiches h nach weichen Con-
sonanten (was sporadisch sowohl in südlichen als auch in nördlichen
Mundarten vorkommt), nichtorganisches j vor u (es taucht in südl. und
in nördl. Mundarten beim Singen auf, doch nirgends beständig; ob es
auch in der Umgangssprache erscheint, dafür gibt es kein glaubwürdiges
Zeugniss). Nicht ganz genau ist auch, dass »r vor Vocalen oft oder
sogar regelmässig als li ausgesprochen wird«. Richtig ist nur das
letztere: jene Mundarten, wo mau g hört, sind gemischte. Zu den von
Sobolevskij aufgezählten Eigenthümlichkeiten des südgrossruss. Dia-
lektes könnte man noch hinzufügen : ein häufigeres (als im Nordgross-
russischen) Mischen der Conjugationen mit dem Präsensthema auf -e
und -i, wenn die Endungen unbetont bleiben (z. B. liiha^ luhüt') ; accus,
sing. fem. der Adjectiva auf ~aju (ohne Betonung) oder -üj'a u. a. ; im
Lexicon : cKop6;i;HTB, ^e^Ka, Kopen;'i), xaxa, poraqt u. a. statt nordgross-
russ. öopoHOBaTfc, KBamiia, KOBmt, nsöa, yxBaTt u. a. ^).
Ich verweilte bei diesem Theile von Sobolevskij 's Oiilit'b deshalb
etwas mehr, weil der Charakter des Nordgrossruss. uud Weissruss. im
Jahre 1897 besser festgesetzt werden konnte, als der Charakter des
Südgrossruss. ; aber auch deshalb , weil das dialektologische Material,
das seit 1897 veröffentlicht wurde, am meisten unsere Kenntnisse über
das Südgrossrussische bereichert hat. Dazu gehören die Arbeiten von
A. A. Sachmatov, E. Th. Budde, V. J. Cernysev, K. Filatov, Rezanov,
Karaulov, Kalmykov, A. A. Nikol'skij, V. N. Dobrovol'skij.
Eine besonders gute Berücksichtigung fanden in letzterer Zeit die
Mundarten des Gouv. Kaluga und des benachbarten Theiles des Gouv.
Smolensk. Der unermüdliche Ethnograph V. N. Dobrovol'skij sammelte
hier ein überaus grosses Material von Liedern, Märchen, Legenden, Er-
zählungen aus dem Bauerleben u. a. Der Sammler bemühte sich, die
locale Aussprache wiederzugeben , ohne dabei zu einer complicirteren
Transscription der Laute Zuflucht zu nehmen. Die Aufzeichnungen aus
dem Gouv. Smolensk sind in der umfangreichen Ausgabe »CMOjreHCKiii
BTHorpa^HgecKiä cöophrnct«, theilweise auch in der yRnBan CTapnHa
abgedruckt, wo auch das Material aus dem Gouv. Kaluga zur Veröffent-
lichung gelangte. Das werthvolle dialektologische Material in den Aus-
gaben V. N. Dobrovol'skij 's lenkte, abgesehen von Sobolevskij's Ontixt,
1) Anzeigen von Sobolevskij's Onbiii. pyccKofi ÄiajreKiojioriH s. von Sach-
matov !i. Karskij in den HsBicTia 1897, II, S. 1157 — 64.
Die groBsruss. Dialektologie iu den letzten fünf Jahren (1897 — 1901). 103
die Aufmerksamkeit noch anderer Gelehrten auf sich. So legte Akad.
Sachmatov die Aufzeichnungen aus El'na im Gouv. Smolensk einer
phonetischen Studie zu Grunde (die erste Hälfte von »SByKOBtifl oeo-
ÖeHlIOCTH EjIbHHHCKHXI. H MoCaJtBCKHXl. rOBOpOBt im PyCC. $HJI0.1.
BicTHHK'B 1896, Nr. 3 — 4. S. 66 — 99). Er unterzog die genannten
Aufzeichnungen derselben kritischen Analyse, wie eine alte Handschrift,
d. i. trachtete zuvörderst zu bestimmen, worin sich der Einfluss der üb-
lichen Orthographie und die Unkenntniss, diesen oder jenen Laut wieder-
zugeben, zeigt. Die Eigenthümlichkeiten der Mundart des Bezirkes von
El'na gestatten nach der Ansicht Sachmatov's nicht, sie der weissr. dia-
lektolog. Gruppe zuzuzählen ; nach den lautlichen Zügen gehört diese
Mundart zusammen mit den benachbarten Mundarten des Gouv. Kaluga
zum Südgrossrussischen. Im zweiten Theile der Abhandlung (Pyc. $Hjr.
BicT. 1897, Nr. 3 — 4) stellt Sachmatov die Lautlehre der Mundarten
des Kreises Mosal'sk im Gouv. Kaluga dar (er grenzt an den von El'na
an) und zwar auf Grund eigener Beobachtungen. Da er die Geschichte
der einzelnen lautlichen Erscheinungen vorführt, so konnte nur ein ge-
ringer Theil der Lautlehre der Mundarten von Mosalsk zu Worte
kommen: über unbetontes und betontes a, o, e; über «/, e, «", die o, e
anderer Mundarten entsprechen; über die reducirten und nicht redu-
cirten y, ^<, i. Die Mundarten von Mosal'sk und El'na gehören danach
zu den südgrossruss. , wobei einige ihrer Züge auch an die weissruss.
erinnern.
Prof. Budde konnte im Jahre 1897 auf seiner Reise im Gouv. Tula
zufälligerweise auch von ein Paar Frauen die Mundart des Kreises
V
Zizdra im Gouv. Kaluga kennen lernen (cf. n^feKOToptixt napo^Htixt
roBopaxt Wh TyjiLCKoil ii KajiyaccKOH ryöepHiaxi) in den HsBicxia
OTA. pyc. 33. H CJIOB. HAH. 1S98, Heft 3, S. 842—845). Die Mund-
arten desselben Kreises behandelt M. Karaulov (FoBop na^iix /Kns/ipHH-
CKaro yi&3;i;a Ka.ziyjKCKon ryö. im Pycc. <S>hji. B'i&CT. 1900, Nr. 1 — 2,
S. 218 — 230). Die Quelle für ihn bildeten ausschliesslich die Aufzeich-
nungen V. N. Dobrovol'skij's. Schliesslich ist die umfassende Arbeit
A. Nikol'skij's (Hapo;i,Hfcie roBopti yRasApHncKaro yis^a KajryatcKoä
ryö. im Pycc. $11.10.1. BicT. 1901, Nr. 1—2, S. 269—277 und Nr. 3
bis 4, S. 235 — 249; Fortsetzung folgt) zu nennen. Zu Grunde liegen
eigene Beobachtungen (es werden über 30 Dörfer aufgezählt), aber auch
das Material Dobrovol'skij's und Budde's. Bisher erschien erst die
Vocallehre. Das Material ist reichha:ltig. Die Darstellung systematisch.
104 N. Durnovo,
nicht selten werden wissenschaftliche Erklärungen verschiedener mund-
artlicher Erscheinungen gegeben und Vergleiche mit andern Mundarten
angestellt.
Die Arbeiten M. Karaulov's und besonders A. Nikol'skij's sind sehr
wichtig, einerseits weil man bisher über die Mundarten des Kreises von
Zizdra fast nichts gekannt hatte, anderseits weil sich diese Mundarten,
wie überhaupt das ganze Volksleben dortselbst, durch grosse Alter-
thümlichkeit auszeichnen, dabei aber auch viele eigenthümliche Züge
aufweisen, die vielleicht durch die Nachbarschaft der nördlichen Klein-
russen und der Weissrussen hervorgerufen worden sind. Unter diesen
letzteren Zügen ist besonders charakteristisch der Mangel der voll-
ständigen Erweichung der Consonanten vor e (nach der Ansicht Budde's
und A. Nikol'skij's ein kleinrussischer Zug). Die gleiche Aussprache
bemerkte Budde auch im Gouv. Tula, ich selbst kenne es aus dem
Kaluger Kreise im Gouv. Kaluga und aus dem Kreise Skopin im Gouv.
Rjazan. Das Akanje der Mundarten von Zizdra gleicht dem von Kal-
mykov für das Don'sche Gebiet (/l,0HCKaÄ oöJiacTt; s. unten) und dem
im 3THorpa*HqecKiH CöopHHK'L Bd. V für den Kreis von Obojan im
Gouv. Kursk beschriebenen.
üeber die Mundart der Stadt Mescovsk im Gouv. Kaluga veröffent-
lichte ausführliche Angaben V. J. Cernysov in zwei Aufsätzen (CBiAinifl
Meni,0BCK0MT, roBopi, IIsBicTia II ota. 1898, kh. 3 und ^ono.iHeHia
Kl. CBiA^HiHMi, roBopi V. MemoBCKa, CdopHnKT, II OTA. Bd. 68, Nr. 6,
36 S. CII6. 1900). Nach ihren lautlichen Eigenthümlichkeiten stimmt
die Mundart von Mescovsk mit den übrigen Mundarten des Gouv. Kaluga
überein, die nicht dem Typus von Mosal'sk oder Zizdra angehören.
Durch die Aussprache des u anstatt v oder lo nähert sich die Mundart
von Mescovsk einer ganzen Reihe südgrossrussischer Dialekte (wie die
Mundarten des Orlover, eines Theiles des Tuler und Rjazaner, Voro-
nezer u. a. Gouvv.). Zu bemerken ist auch eine ziemlich geschlossene
Aussprache des a vor dem Tone und die Laute y und e vor i in einigen
Declinationsformen der Adjectiva und Pronomina, was, wie es scheint,
fast dem ganzen Gouv. Kaluga zukommt.
Ueber die Mundarten des Tuler und theilweise Kaluger Gouv.
(der Kreis von Lichvin) brachte neue und werthvoUe Nachrichten die
schon erwähnte Reise Prof. Budde's. Darüber handeln zwei Aufsätze
in den IIsBicTia II ot^. (0 H'iKOTopBixT& HapoAHBixT& roBopax'B bt. Ty.ib-
CKOH H KajryatcKOH ryöepmax^B, Hsb. 1898, kh. 3, S. 823 — 904 und
Die grossruss. Dialektologie in den letzten fünf Jahren (1897—1901). 1 05
HapoÄHMxt roBopax'L bt. TyjiLCKoii ryÖepiuH. ib. kh. 4, S. 1273 —
1330). Prof. Budde bietet keine ausführliche Beschreibung der Mund-
arten, die er kennen gelernt hatte, weil er dazu zu wenig Material be-
sass, doch er gibt ihre charakteristischen Züge an und stellt auf Grund
dessen drei Hauptgruppen der Tuler Mundarten auf: 1) die Mundarten
des Typus von Zizdra (s. oben); 2) die Mundarten des üblichen süd-
grossruss. Typus mit starkem Akavismus und 3) die Mundarten des
Moskauer Typus mit massigem Akavismus und anderen Moskauischen
Zügen. Seine Thesen illustrirt Budde am Material: Liedern und Bruch-
stücken von Gesprächen. Diese Aufzeichnungen sind streng phonetisch
durchgeführt, obwohl hie und da darin auch Fehler und Ungenauig-
keiten vorkommen, die bei der Eile, mit der die Aufzeichnungen ge-
macht wurden, begreiflich sind.
Sehr ins Detail geht die Arbeit eines jungen Warschauer Gelehrten
Kosmas Filatov (OiepKX Hapo^Htixi. roBopost BopoHeatcKoii ryöepHiH,
Pyce. $HJioj. BicTHHKi> 189 7 und 1898). Gleich Budde erforscht hier
der Autor die Mundarten eines ganzen Gouv., mit denen er sich im Jahre
1896während einer Bereisung des Gouv.bekannt gemacht hatte. Ausser-
dem nahm er alles bis dahin gedruckte dialektologische Material aus
dem Gouv. Voronez durch. Die Grundlage der Untersuchung bilden
K. Filatov's eigene Beobachtungen. Danach stossen im Voronezer Gouv.
Mundarten verschiedener russischer Dialekte zusammen: den grösseren
Theil des Gouv. nehmen die südgrossruss. Mundarten, sodann nord-
grossruss. und kleinruss. ein. Die südgrossruss. theilt er in 3 Gruppen:
1) die stark akaisirende Mundart der Bauern, 2) die massig akaisirende
der Kleinbürger und 3) die cokavische. Indem er nun die übrigen Mund-
arten in allgemeinen Zügen charakterisirt, beschreibt er sehr ausführ-
lich die stark akaisirende Bauernmundart ^).
lieber die übrigen südgrossruss. Mundarten haben wir seit 1897
keine so ausreichenden Nachrichten. Ueber eine Mundart des Orlover
Gouv. spricht A. J. Sacharov (HsbikI) KpecxtflH'B IIjilhhckoh bo.iocth
BojxoBCKaro yia^a OpjiOBCKoil ryöepHin, CII6. 1900, 48 S. im Cöop-
iiHKt OTA. Bd. 68, Nr. 5). Den grösseren Theil der Abhandlung nimmt
ein ziemlich umfangreiches Lexicon ein ; was die eigentliche Beschrei-
bung anbelangt, so ist sie sehr unvollständig und gibt keine klare Vor-
*) Eine Anzeige über Filatov's Untersuchung a. von A. Sobolevskij im
3THorp. 06o3p. 1898, Nr. 4. A. Sachmatov nennt sie »npenpacHoe iiscjiiÄOBaHie
(Oxiert npiicyacft. JIomohoc. npeiaiH b 1899 r.).
106 N. Durnovo.
Stellung von dem Charakter der Mundart. Es wird nicht einmal gesagt,
ob dies eine akaisirende Mundart ist und was für einem Typus sie an-
gehört, wie die Formen für die dritte Person praes. und g {y oder g) aus-
gesprochen wird. Betreffs des Akavismus könnte man noch vermuthen,
nach den Wörtern mit A, obwohl die Bezeichnung bei Sacharov im all-
gemeinen unphonetisch ist, ausserdem nach Beispielen wie pamoTKa,
pmuexo; die übrigen Eigenthümlichkeiten lassen sich einigermassen
voraussetzen 1) auf Grund der geographischen Lage der Mundart, 2) des
Akavismus, 3) der bei Sacharov angemerkten Aussprache des u anstatt
V und umgekehrt, der Prothese des w vor u und o, 4) einzelner Wörter,
wie KymHHx, poMHtiH, 0TKLi;i0Ba, TbBiTi.. Man kann dafürhalten, dass
die Mundart mit anderen im Gouv. Orel übereinstimmt, was auch aus
dem Lexicon ersichtlich ist.
Eine sehr gute Beschreibung einer Mundart des Gouv, Kursk
lieferte V. Rezanov (Kt ^iajieKTOjioriH BeJHKopyce. napi^ä. OcoöeHHOcxH
a^HBoro Hapo;i;Haro roBopa OöoaHCKaro y. KypcKoä ryö., Pyce. $h.io.i.
BicTHHKi, 1897, Nr. 3—4).
Weiter ist da zu erwähnen ein kleiner Beitrag des Verfassers
(SaMixKa roBopi UlanKaro y. TaMÖoBCKoä ryö. , IIsBicxia 11 ot;i,.
1900, KH. 3, S. 921 — 955). Obwohl die behandelte Mundart eine
Mischmundart ist (nördl. Züge sind die sog. lispelnde Aussprache der
Sibilanten und Zischlaute, g anstatt des südgrossruss. ;' u.s. w.), dennoch
überwiegen die südgrossruss. Züge (darunter auch im Lexicon). Im
OntiTt Sobolevskij's waren die Angaben über die Mundarten des Gouv.
Tambov äusserst dürftig. Das vom Autor aufgezeichnete Material be-
stätigte die Vermuthungen B. Ljapunov's ^s. ^HBaa CxapHHa 1S94).
lieber die Mundarten des Don'schen Gebietes bietet der Ontixt
einige Angaben hauptsächlich in den Zusätzen. Nach dem Jahre 1897
handelten über diese Mundarten zwei Aufsätze: 1) M. Kalmykov,
/[^OHCKaa oöitacxb, nepBLiii ^ohckoh OKpyrx., lopx'i. KoqexoBCKoä Cxa-
HHi^ti (IIsBicxia II ox;i;. 1898, kh. 3, npuJioa:. S. 109 — 129) und
2) V. Th. Solovjov, OcoöeHHOCXH roBopa aohckhx'l KaaaKOB^, CII6.
1900, 521 S., CöopHHKX II orji. Bd. 68, Nr. 2). Die von M. Kalmykov
beschriebene Mundart stimmt sehr überein, wenn sie nicht identisch ist
mit der südgrossruss. Mundart der TynAopoBCKaa cxaHHii,a, worüber bei
Sobolevskij im Ontixt S. 102 gesprochen wird. Danach würde sie zu
dem am meisten verbreiteten Typus südgrossruss. Mundarten gehören.
Jedoch der fein beobachtende M. Kalmykov merkt noch einige weitere
Die grossruss. Dialektologie in den letzten fünf Jahren (1897 — 1901). 107
Züge an, die im Ohlitx 1. c. nicht erwähnt werden. So wird unbetontes
'rt vor dem Tone nur vor der Silbe mit betontem u oder / (und y?) ge-
hört, hingegen hört man vor der Silbe mit den übrigen betonten Vocalen
nach einem weichen unsonantischen Laute nur /. Ein solcher Akavis-
muä erinnert an den von Zizdra und Obojan (s. oben). Ausser dem
Akavismus findet man y und e aus altem y vor { u. a.
Die Beschreibung V.Th.Solovjov's ist bei weitem nicht so ausführ-
lich und genau, dafür umfasst sie aber den ganzen Don'schen Kreis
(oKpyri,), wobei der Verfasser 3 Hauptmundarten unterscheidet: 1) eine
obere (BepxoBtiä ronopTb), 2) niedere (hhsoblih) und 3) cerkassische
(yepKaccKiS).
Die Eigenthümlichkeiten der oberen Mundart sind: ein starker
Akavismus, ein hartes ss, die Erweichung des k nach weichem un-
sonantischem Laute [tnalacK-ä u. s. w. , das Gerundium auf -msi u. a. ;
die Eigenthümlichkeiten der niederen Mundart sind ausser dem Akavis-
mus: u anstatt r, und umgekehrt, Formen der ersten Person praes.
chadii, nam, pram u.s. w. und einige Kleinrussismen; die cerkassische
Mundart stimmt mit der vorhergehenden niederen überein, zeichnet sich
aber durch die Aussprache der Sibilanten anstatt der Zischlaute aus.
Das Ter'sche Gebiet am Kaukasus ist die südlichste Gegend, die
vom südgrossruss. Stamme besiedelt ist. Mit einer Mundart dieses Ge-
bietes beschäftigt sich M. Karaulov (s. oben: roBopi. cTaHHii;'i> ötiBmaro
Mo3;i;oKCKaro nojKa TepcKaro KasaibHro BOHCKa, Pyec. ^hjoji. BicximKi.
1900, Nr. 3—4, S. 66—115; S. 86—115 bieten das Lexicon). Der
Aufsatz ist schon deshalb interessant, weil aus dieser Gegend im OnLiTi.
fast nichts verzeichnet ist. Nach ihren Eigenthümlichkeiten gehört
die von Karaulov beschriebene Mundart zu dem am weitesten ver-
breiteten Typus südgrossruss. Mundarten (sie gleicht der zweiten Gruppe
der Tuler Mundarten).
Die nördlichsten Mundarten des südgrossruss. Dialektes sind die
südgrossruss, Mundarten des Gouv. Pskov. Auf sie beziehen sich in den
MaxepiaJLi A-^a Hsy^ema seJiHKopycc. ronopoBt , in den IIsBicxia
U ot;i,. : 1) E. A. Artenijev, FoBopi. ^epeBHH Ey^aeBO IIcKOBCKon ryö.
OcxpoBCKaro y. Cohhhckoh bojiocxh (HsBiexiÄ 1898, kh. 1, Nr. 33,
S. 1 — 6); 2) J. Zamotin, FoBopt cejia AjxyH'B IIckobckoS ryö. Hobo-
paieBCKaro y. (ib. Nr. 3 9, S. 43 — 45) ; F. Beljavskij, üoroexi. JTyKHHO
IIcKOBCKOH ryö. Be.iHKO.iyi];Karo y. (IIsb. 1899, kh. 1, Nr. 45, S. 8 — 17).
Da diese Mundarten stark akavisch sind und in der dritten Person sinsr.
108 N. DurnoTO,
und plur. die Endung i! (wenn sie nicht abfällt) zeigen, so kann man sie
zum Südgrossrussischen rechnen; doch kommen neben diesen Zügen in
ihnen das explosive a (wenigstens in der Mundart unter 3; die Berichte
Nr. 32 und 39 sprechen über die Aussprache des g und y sehr unklar)
und noch andere nordgrossruss. Züge vor, z.B. gen.-acc. der Personal-
pronomina mand, iaÖd, der Cokavismus, die Aussprache kuksyn (==
südgrossruss. kusij?i)^ instr. plur. = dat. plur., nördliche Betonung und
Lexicon u. s.w. Das alles weist darauf hin, dass es sich hier um Misch-
mundarten handelt. Ein charakteristischer Zug dieser Mundarten, den
sie mit südgrossruss. Mundarten der Gouvv. Kaluga und Smolensk und
den nordgrossruss. des Gouv. Olonec gemein haben, ist die Aussprache
des e statt o anderer Mundarten in einigen Pronominal- und Adjectiv-
formen vor {. Dieselben Züge werden in Sobolevskij's Ohlit'l (S. 29
— 32) auch aus anderen Gegenden des Pskover Gouv., den Kreisen von
Pskov, Cholm und Velikie Luki erwähnt. Demnach bieten die oben
genannten Beiträge wenig neues und bezeugen nur die Gleichartigkeit
der neu beschriebenen und der schon früher bekannten akavischen
Mundarten des Pskover Gouv.
Auf Grund des bisher Vorgeführten isehen wir, dass sich unsere
Kenntnisse über die südgrossruss. Mundarten seit dem Erscheinen des
OnLiTx pycc. Aia-i- bedeutend vermehrt haben. Es erschienen ausführ-
liche und in wissenschaftlicher Hinsicht hoch stehende Beschreibungen
von Dialekten nicht nur einzelner Punkte, sondern auch ganzer mehr
oder weniger umfangreicher Gebiete: erforscht wurden die Dialekte der
Gouvv, Tula,Voronez nnd eines bedeutenden Theiles des Gouvv. Kaluga;
ergänzt wurden unsere Nachrichten über die Mundarten der Gouvv.
Kursk und Tambov und des Donschen und Ter sehen Militärgebietes,
schliesslich auch über die Mischmuudarten im Gouv. Pskov.
Die Dialektologen richteten jedoch ihre Aufmerksamkeit endlich
auch auf die Uebergangsdialekte vom Nord- zum Südgrossrussischen. In
dieser Beziehung war besonders V. J. Cernisov thätig, der bereits oben
bei Gelegenheit der Besprechung von Arbeiten über die Mundarten des
Gouv. Kaluga erwähnt wurde. Doch über ihn mehr weiter unten.
Ich gehe nun zu den Mundarten des Gouv. Moskau über. Eine
Mundart im Süden des Moskauer Gouv. berührt eine ganz kleine Auf-
zeichnung in /KnBaa CxapHHa (1901, b. II; D, Hapo;i;Hi.iu roBop-E na
Moeä po^HHi [bt. cejii BocKpeceHCKOMTi Mockob. ryö. KojoMeHCKaro
y.]). Angemerkt werden da Formen der dritten Person sing, mit Be-
Die grossrnss. Dialektologie in den letzten fünf Jahren (1897 — 1901). 109
tonung auf nichtletzter Silbe ohne die Endung f'' und in geringem Masse
das C-sprechen.
Im allgemeinen stimmen die Mundarten des südlichen Theiles des
Moskauer Gouv., d.i. die Mundarten im Süden des Kreises von Ruza und
die der Kreise von Podol'sk, Vereja, Bronnicy, Kolomna, Mozajsk, Ser-
puchov und theilweise Bogorodsk mit den Mundarten der benachbarten
Kreise der Gouvv. Smolensk, Kaluga und Tula überein und werden zu
den Südgrossrussischen gezählt. Was die Mundarten der übrigen Kreise
des Moskauer Gouv. (den Kreis von Moskau, den nördlichen Theil des
Kreises von Ruza, die Kreise von Zvenigorod, Klin, Volokolarask,
Dmitrov und einen Theil des Kreises von Bogorodsk) und dazu die be-
nachbarten Kreise der Gouvv. Tvef, Vladimir und Rjazan betrifft, so ent-
halten diese Mundarten neben einem A-sprechen verschiedenen Grades
eine ganze Reihe nordgrossruss. Eigentliümlichkeiten in der Laut- und
Formenlehre und im Lexicon. Ein solcher Charakter der Mundarten
des Moskauer Gouv. wurde von den Gelehrten schon längst erkannt,
leider kannte man da gut nur die Mundart Moskaus selbst, während die
Mundarten des Gouv. Moskau fast ganz unbekannt blieben. Erst in
letzterer Zeit wurde diese Lücke theilweise von V. J. Cernisov, welcher
von der 11. Abtheilung der kaiserl. Akademie der Wissenschaften den
Auftrag erhalten hat, die Mundarten des Moskauer Gouv. zu studiren, und
durch den Verfasser des vorliegenden Aufsatzes ausgefüllt. Bevor ich
jedoch von den Arbeiten V. J. Uernysov's über die Moskauer Dialekte
sprechen werde, will ich einiges über diese interessante Persönlichkeit
selbst mittheilen.
Vasilij Il'jic Öernysov wurde im Pokrover Kreise des Gouv. Vladi-
mir geboren. Er absolvirte das Lehrerseminarium i ! in Kirzac (in dem-
selben Gouv.) und war dann lange Zeit Volksschullehrer in einem Dorfe
des Kreises Zarajsk im Gouv. Rjazan. Darauf legte er die Prüfung für
Kreisschullehrer ab und bekam eine Stelle als solcher in der Kreis-
schule von Mescovsk im Gouv. Kaluga, wo er ungefähr 4 Jahre verblieb.
Als die Kreisschule in Mescovsk in eine Bürgerschule umgebildet wurde,
wurde er Kreisschullehrer in Borovsk im selben Gouv. Hier hielt er
sich nicht lange auf. da man von Seiten der zweiten russischen Ab-
theilung der Akademie der Wissenschaften bereits auf ihn aufmerksam
wurde und er wurde Dank den Bemühungen des Akademikers Sach-
1) Zur Heranbildung von Dorfschullehrern. Bürgerschullehrer müssen
ausserdem noch das Lehrerinstitut besuchen.
110 N. Dnrnovo,
matov nach Petersburg tibersetzt, wo er noch jetzt an einer Bürger-
schule als Lehrer wirkt {AH;i;peeBCKoe ropo;];cKoe y^iHJiHme).
Die Bildung, welche die russischen Lehrerseminarien bieten können,
ist verhältnissmässig sehr dürftig. An die Volksschule gebunden, haben
die Lehrer selten Zeit und Kraft, sich geistig weiter zu entwickeln, da
ein beträchtlicher Theil des Tages auf den Unterricht in der Schule,
das Abfassen von Rechenschaftsberichten und die Wirthschaft aufgeht.
Desto auffälliger sind die von V. J. Cernysov erzielten Erfolge. Seine
wissenschaftliche Thätigkeit begann damit, dass er aus Mescovsk der
zweiten Abtheilung der Akademie der Wissenschaften umfangreiche
Anmerkungen und Ergänzungen zum ersten Bande des akademischen
Wörterbuches übersandte. Die genannte Abtheilung drückte ihm ihren
Dank aus und schickte ihm zugleich das Programm zum Sammeln süd-
grossruss. dialektologischer Eigenthümlichkeiten ein. Als Antwort er-
folgte von ihm »cnHCOKi. cjIObi. iiopxHOBCKaro nstiKa« und eine ausführ-
liche und sorgfältige Beschreibung der Mundart von Mescovsk mit Hin-
zufügung eines umfangreichen Wörterbuchs. Obwohl V. J. Cernysov
sagt, dass er bis zur Uebersendung des akademischen Programms nicht
einmal eine Ahnung hatte von der wissenschaftlichen Bedeutung dialek-
tischer Studien, so beweisen dennoch seine Arbeiten, dass ihn die
Eigenthümlichkeiten der Volkssprache schon sehr früh interessirt haben.
In der Beschreibung der Moskauer Mundarten und der von Mescovsk
finden sich Hinweise auf Eigenthümlichkeiten der Mundarten des Kreises
von Pokrov (im Gouv. Vladimir) und Zarajsk (im Gouv. Rjazan), die
ihm aus eigener Anschauung bekannt waren.
Noch in Mescovsk dachte er, wie gut es wäre, eine Grammatik der
Sprache desselben zu verfassen. Mögen ihm auch die Aufgaben der
Dialektologie bis 1896 noch unklar vorgekommen sein, sein Interesse
für die Sprache und damit zusammenhängende wissenschaftliche Fragen
tauchte bei ihm früh auf. In Mescovsk und Borovsk war V. J. Cer-
nysov unter den Lehrern der einzige Leser des nichtofficiellen Theiles
des Journal des Minist. :*^nr Volksaufklärung und aufmerksam arbeitete
er den ersten Band des akademischen Wörterbuchs durch. In seiner
ersten Arbeit, der Beschreibung der Mundart von Mescovsk, zeigt er
schon schöne, für einen einfachen Lehrer sehr gründliche Kenntnisse
von der russischen Sprache und Literatur. Aus seinen Hinweisen sieht
man, dass er ins Detail Sobolevskij's ».leKi^iH no ncxopin pyccKaro
HBBiKa« und Buslaev's historische Grammatik und einige andere durch-
Die grossruss. Dialektologie in den letzten fünf Jahren (1897 — 1901). H 1
studirt hatte; überdies kennt er genau die Werke vieler russ. Schrift-
steller. In seinen schon genannten Cßijifkma. o roBopi ropo;;a MemoBCKa
ist eine sehr detaillirte und, so weit es ihm möglich war, genaue Dar-
stellung der Lautlehre jener Mundart. Nicht minder werth ist darin
das Capitel »OcoöenHOCTH Meii;oBCKaro y^tapenia, KaKt loacHOBejiHKO-
pyccKaro Booöme«. Die Eigenthümlichkeiten der Betonung in der Mund-
art von Mescovsk fasst er als stidgrossrussisch überhaupt auf auf Grund
seiner Studien über den Accent in den Gedichten Kol'cov's (geb. im
Gonv. Voronez) und den von Zarajsk, sowie Pokrov, welchen letzteren
er als nordgrossrussischen zum Vergleiche heranzieht. Seine allgemeinen
Resultate im genannten Capitel sind folgende:
I. Die südgrossruss. Betonung ist nicht so beweglich (no;i;BH2KHo),
wie die Moskauische und nordgrossruss. ; II. In den Gedichten Kol'cov's
gibt es gar nicht lautliche und grammatische Unebenheiten. Das letztere
Resultat ist unbedingt werthvoU; das erstere ist nicht ganz genau, da
Cernysov die nordgrossruss. Betonung zu wenig kennt. Die Eigenthüm-
lichkeit der südgrossruss. Betonung liegt nicht nur in der Cnbeweglichkeit
(HenoABHacHOCTi)) : ein vahi-vöris, fassü-tössis u.a. ist auch südgross-
russ. ; anderseits lässt sich auch ein nordgrossruss. üica-tücu, päsna-
päh'iu, sösna-sosnu u. a. durch einen Hang zur Tonunbeweglichkeit er-
klären. Immerhin unterscheidet sich die nordgrossruss. Betonung stark
von der südgrossruss. Cernysov's Beobachtungen über die südgrossruss.
Betonung und sein Versuch, die allgemeine Tendenz im Südgrossruss.,
welche den Accentwechsel bedingt, herauszufinden, bedeuten für die
russ. Accentologie einen Schritt nach vorwärts.
Nicht so vollständig wie die Phonetik , dennoch genug ausführlich
ist die Morphologie der Mundart von Mescovsk behandelt. Mit süd-
grossruss. Morphologie hat man sich überhaupt bisher wenig be-
schäftigt. Cernysov gibt mehr als seine Vorgänger; er theilt einige
flüchtige Notizen über die Wortbildung mit, bringt ganze Paradigmen
einiger Declinationsarten; die Conjugation ist sehr kurz. Im syntak-
tischen Theile untersucht er die üebereinstimmung des Subjectes und
Prädicates, den Gebrauch des sing, coli., den Genuswechsel, die An-
wendung der Gerundia und Casus und den Gebrauch der Präpositionen.
Um kurz zu sagen, diese Dialektbeschreibung gehört ungeachtet
der geringen wisseschaftlichen Vorstudien des Verfassers zu den besten.
Bemerkenswerth ist seine Vorsicht und Beobachtungsgabe: Cernysov
unterscheidet die Sprache der Städter und Bauern, merkt den Unter-
112 N. Durnovo,
schied zwischen der Sprache der Greise und Kinder an und verallge-
meinert nicht für den ganzen Kreis Eigenthümlichkeiten, die er an
einem Orte feststellte, dabei benutzt er jedoch zum Vergleiche ziemlich
geschickt seine Beobachtungen über andere Mundarten. Noch interes-
santer stellt sich die Arbeit Cernysov's dar durch Heranziehung auch
der Sprache der Schriftsteller. Es giebt wohl unter den Erklärungen
dieser oder jener Erscheinungen einige gröbere und unwissenschaftliche,
aber solchen Fehlern entgingen nicht selbst viel besser vorbereitete Leute.
Cernisov's zweite Abhandlung (^onojiHeHifl ki. CBiji^inmm, u. s. w.)
bietet nebst Berichtigungen auch einige neue Beobachtungen, z.B. dass
unbetontes o, welches in der Mundart von Mescovsk in a übergegangen
ist^), nicht so klar ausgesprochen wird als, sagen wir, in den Mund-
arten von Rjazan. In ähnlicher Weise konnte ich im Gouv. Kaluga con-
statiren, dass in den Mundarten der Kreise Medyn, Peremysl' und Me-
s6ovsk (hinter dem Fluss Ugra) unbetontes a (sogar unmittelbar vor dem
Tone) etwas geschlossen, den Lauten der palatovelaren Reihe sich
nähernd oder aber ein volares a ist; daneben kommt manchmal ein
labialisirtes, in o übergehendes a vor (neben Labialen und Gutturalen).-
Das in Aufzeichnungen nicht ganz schriftkundiger Leute (Schüler) vor-
kommende für a deutet da aaf ein geschlossenes a hin.
Der Theil, der über Wortbildung handelt (er fehlt meistentheils
bei den Vorgängern Cernysov's) , beschränkt sich nicht mehr bloss auf
Eigennamen, sondern ist bedeutend ergänzt. Bei den Suffixen wird
leider nicht immer deren Bedeutung dargelegt; die Suffixe -euHtiä und
-ymiii werden ungenau Superlativ-, statt Augmentativsuffixe genannt.
Bedeutend vervollständigt ist auch der Theil über Syntax. Zu
Ende werden einige glücklich ausgesuchte Wörter angeführt , die als
dialektische Merkmale dienen können: CKopo;iHTi), saKyTa, aarneTa,
^eata, Kopei^x u. a. Nach ihnen kann man in der That die Zugehörig-
keit einer Mundart zu diesem oder jenem Dialekt bestimmen.
Nach seiner Uebersiedelung nach Petersburg stellte Cernysov auf
Auftrag der II. Abtheilang der Akademie zunächst ein umfangreiches
Programm zur Sammlung von Eigenthümlichkeiten grossruss. Mund-
arten (statt der früheren zwei) zusammen, worüber einige Worte später
unten. Ausserdem machte er ein Paar Reisen ins Gouv. Moskau und
die benachbarten Gouv., um die grossruss. Uebergangsdialekte zu
Studiren. Darüber handeln vorläufig zwei Abhandlungen: 1) KpaxKia
') Richtiger wäre gesagt unbetontes a aus altem a und o.
Die groBsruss. Dialektologie in den letzten fünf Jahren (1897 — 1901). 113
CBijiimfi HiKOTopLixT. roBopax'B /I^MHTpoBCKaro, Eoropo;i;eKaro h Ero-
pteBCKaro yiaAOBT. (IIsBicTin der II. Abth. 1900, kh. 2, üpHJiOK.
Nr. 46, 8. 1 — 21) und 2) CBiA^HiK o HapcAHtixt roBopaxx iröKoxopi.TX'B
ceüeiiiil MocKOBCKaro yis^a (CII6. 1900, II + 174 aus dem CöopHHKT.
der II. Abth. Bd. 68, Nr. 3, CIIö. 1901).
Diese »CBiA^Hiii« brachten manches neue. Es zeigte sich, dass
okavische, d. i. rein nördliche Mundarten in solcher Nähe von Moskau
vorkommen, wie man bisher nicht einmal vermuthet hat, so z. B. in
einigen Dörfern des Moskauer Kreises selbst. Von den Mundarten, die
in der ersten Broschüre vorgeführt werden, sind einige okavisch, z. B.
im Dorfe Tal'niki des Kreises Dmitrov i), wo südgrossruss. Züge, wie
es scheint, gar nicht vorkommen (Cernysov sieht unrichtigerweise das
Akanje in psanica), aber IY2 Werste von hier spricht man schon a;
im Dorfe Vanisova des Kreises Bogorodsk hat sich das Okanje noch be-
wahrt, aber in einer Art Uebergangsstadium zu Akanje (für südgross-
russ. kann man hier auch das Wort hrumika mit k und nicht g u. a.
halten), während im Dorfe Ontonova desselben Kreises südgrossruss.
Züge noch nicht bemerkbar sind. Unter den akav. Mundarten an der
Grenze des Kreises Jegorjevsk im Gouv, Rjazan und auch weiter
drinnen finden sich Mundarten des Moskauischen Typus vor (mit con-
trahirten Verbalformen, der Endung der 3 pers. praes. auf hartes t^ der
Aussprache der explosiven g u.a.). Daneben gebraucht man das süd-
grossruss. cKopoAHTL. Auch das Akanje ist stärker als das Moskauische.
Interessant ist das Cokanje in einigen Dörfern der Kreise Bogorodsk
und Jegoijevsk.
Cernysov's Aufzeichnungen sind etwas dürftig ; man sieht, dass er
sich nur sehr kurze Zeit dort aufhielt. Sie sind jedoch von Interesse,
weil sie annähernd die heutige Grenze zwischen dem Nord- und Süd-
grossrussischen zeigen und Beiträge zur Geschichte des Uebergangs-
dialektes zwischen den beiden, welchen ich mittelgrossrussisch nennen
möchte, liefern.
Cernysov's zweite Abhandlung ist umfangreicher und besser.
Ausser einer kurzen, aber schon nicht mehr so flüchtig, wie in dem
vorhergegangenen Aufsatze, ausgefallenen Beschreibung der Mundarten
eines jeden einzelnen Dorfes, wo Cernysov war, kommt hier das von
ihm gesammelte Material (18 Lieder und 7 Märchen) und ein Wörter-
1) Der grösste Theil des Kreises von Dmitrov gehört zum Nordgross-
russischen.
Archiv für slavische Philologie. XXVn. ■ g
114 N. Durnovo,
V
buch (ca. 1000 Wörter) zum Abdruck. Das alles sammelte Cernysov im
Verlaufe von nur 10 Tagen. Die Dörfer, die er besuchte, befinden sich
im Norden des Moskauer Kreises (ungefähr 40 km nördlich von Moskau).
Die Mundarten sind dort grösstentheils akavisch. Der Grad des Akanje
ist verschieden, angefangen vom gemässigten Moskauischen bis zu einem
sehr ausgeprägten, fast Rjazanischen. Die übrigen Eigenthümlichkeiten
der Phonetik, Morphologie und des Lexicons sind jedoch Moskauisch,
d. i. eher nördlich als südlich, wonach sich auch diese Mundarten als
mittelgrossrussisch erweisen. In einigen Dörfern hat sich noch das
nördliche Okanje erhalten, doch meistentheils nur in der Sprache der
Greise. Interessant ist, dass Cernysov in einem Dorfe eine harte Aus-
sprache der Consonanten vor e und i (S. 31 — 32) hörte.
Zu derselben Gruppe von üebergangsmundarten oder mittelgross-
russ. Mundarten gehört auch die Mundart, die von mir in OnHcaiiie
roBopa ;iep. IIap*eiiOKT. PyscKaro y. Mockob. ryö. (PyccKÜl: $H.i[Ojior.
BicTHHKT, 1900, Nr. 3— 4, S. 153—216; 1901, Nr. 1—2, S. 227— 268
und Nr. 3—4, S. 128— 151; 1902, Nr. 1—2, S. 119— 151; 1893, Nr. 1—2,
S.297— 321,Nr.3— 4, S. 285—297) behandelt wurde. Die Haupteigen-
thümlichkeit der lautlichen Seite dieser Mundart imVergleiche zu der Mos-
kauer Literatursprache ist ein stärkerer Akavismus, woneben die übrigen,
sowohl nordgrossruss. als südgrossruss. Züge in Lautlehre, Morphologie
und Lexicon die des Moskauer Dialektes sind. Da mir noch eine Reihe
anderer Mundarten in den nördlichen Kreisen des Moskauer Gouv. und
in einem Theile des Tverer Gouv. mit mehr oder minder ausgeprägtem
A-sprechen, jedoch mit Bewahrung der übrigen lautlichen, formalen
und lexicalen Zügen des Moskauer Dialektes bekannt sind, so möchte
ich alle diese Mundarten unter der Bezeichnung mittelgrossrussische
zusammenfassen, da mir diese Kennzeichnung genauer und passender
vorkommt, als die Bezeichnung Mischmundarten (cMimaHHtie roBopti).
Zu dem Typus mittelgrossrnss. Mundarten gehören auch einige Mund-
arten des Gouv. Tula, und zwar jene, die Prof. Budde zur dritten
Gruppe (s. oben) gezählt hat.
Dem Nordgrossrussischen wurden in den letzten fünf Jahren nicht
so grosse Studien gewidmet wie dem Südgrossrussischen, dafür wurden
jedoch viele kleine Beschreibungen von Mundarten, hauptsächlich
einzelner Punkte, veröffentlicht. Einige davon sind ziemlich eingehend
und zeugen von grosser Beobachtungsgabe. Bloss in den IIsBicxiH der
II. Abtheilung wurden 14 Antworten auf das Programm gedruckt (an-
Die grossruss. Dialektologie in den letzten fünf Jahren (1897—1901). 1 15
gefangen von Nr. 29). In der /Kubüh CrapHiia und im PyccKiii '^uäoäot.
BicTUHKi. gibt es auch Mittheilungen über nordgrossruss. Mundarten, end-
lich ist eine solche im 68. Baude des CöopuHK'B der II. Abtheilung. Alle
diese Materialien berichtigen wenig unsere bisherigen Kenntnisse über
das Nordgrossrussische, dafür aber erweitern sie dieselben in bedeuten-
der Weise.
üeber die Mundarten des Gouv. Novgorod handelt nach dem Jahre
1S97 (ausser den oben aufgezählten lexicalischen und anderen rohen
Materialien) nur ein Aufsatz N. Karinskij's, H^KOTOpLixt roBopaxx
no Te^iemK) piKt Zyrn h Ope^eaca^) (Pycc. <I>HJio.ior. BicTHHix'L 1898,
Nr. 3 — 4, p. 92 — 124). Interessant sind hier die Beobachtungen Ka-
rinskij's über den Einfluss der Literatursprache auf den localen Volks-
dialekt. Dieser Einfluss wird durch die Nähe von Petersburg besonders
dadurch hervorgerufen, dass die Bevölkerung dieser Gegend oft nach
Petersburg auf Erwerb zieht; ausserdem miethen Einwohner von Peters-
burg nicht selten Sommerwohnungen in Dörfern , die an den genannten
Flüssen gelegen sind. Die von Karinskij beschriebenen Mundarten sind
nicht cokavisch und kennen i für i.
üeber die Mundarten des Gouv. Olonec bietet schon Sobolevskij's
OnLiTT. ziemlich vollständige Nachrichten. Darunter wird auf einen
Zug derselben hingewiesen, den man bisher als den Nordgrossrussen
nicht eigen hielt, nämlich die Aussprache des friccat. y [h] im gen.
sing. m. und n. der Pronomina und Adjectiva und anstatt des allge-
meinruss. explos. g ; ebenso ist auch schon dort der Hinweis auf einen
anderen Zug: die Aussprache des e ohne Erweichung der vorhergehen-
den Consonanten vor/ oder i anstatt (aus altem y) anderer nördlicher
und südlicher nordgrossruss. Mundarten. Dieser Zug ist bisher ebenfalls
fast nur aus südgrossruss. und weissruss. Mundarten bekannt; im Nord-
grossruss. kommt er ausser den Mundarten des Gouv. Olonec nur spo-
radisch in einigen pronominalen Formen vor. Die neuen Materialien
aus verschiedenen Kreisen des Gouv. Olonec in den IIsBieriH (Nr. 29
u. 30 in KH. 1 für 1897; Nr. 34 in kh. 1 für 1898 und die Berichti-
gungen zu Nr. 22 in kh. 2 für 1898) bestätigen nur die früheren Kennt-
nisse. Ausserdem wird in Nr. 29 (1. c. S. 232 — 244) noch ein südlicher
Zug der Mundart von Olonec erwähnt: das weiche -t in der dritten
Person praes. (im Plural?). In Nr. 34 wird aus dem Zaonezje (die Kreise
ii Luga und Oredez fliessen durch den Kreis von Novgorod u. a.
8*
116 N. Durnovo,
Petrozavodsk und Vytegra 1. c. S. 7 — 9) ein charakteristischer laut-
licher Zug- der dortigen Mundart mitgetheilt : der Uebergang des
Accentes auf die erste Silbe des Wortes mit Umwandlung des unbe-
tonten in einen betonten Diphthong oa, und des e in ia oder ija (z. B.
kwijäty ^ vodda, poasia^)). Die morphologischen und syntaktischen
Eigenthümlichkeiten der Mundarten von Olonec, aber auch der Accent
sind nordgrossrussisch.
Die Mundarten des Gouv. Archangel'sk betrafen in den IIsBi-
exiji in den letzten fünf Jahren nur die sehr eingehenden Aufzeich-
nungen Verjuzskij's aus dem Kreise Onega (Nr. 41, Hsb. 1898, kh. 3
npHJioai. 49 — 59). Die hier beschriebene Mundart steht der im OnMX'L
dargethanen nahe, unterscheidet sich jedoch auch davon. Der Be-
obachter merkt hier c, aber sehr seltenes c (weich) an, ausserdem im
gen. sing m. und n. der Pron. und Adj. -ooo {-oyo'?)^ aber im Worte
karavöd — v. A. D. Grigofjev und A. V. Markov hörten in einigen
Mundarten des Gouv, Archangel'sk den Laut y im gen. und auch anstatt
g anderer nördl. Mundarten.
üeber Mundarten verschiedener Orte im Gouv. Vologda handeln
in den HsBiexia zwei Beiträge (Nr. 31 in kh. 1 für 1897 und Nr. 36
in KH. 1 für 1898), ausserdem in der ^HBaa CxapHHa (1898, b. 3 — 4)
ein Aufsatz N. Cernavskij's, 06i> ocoöeHHOcxHxt astiKa bi. r. Yexiori
H yexroatcKOM'L yisA^ Bojioro;i;cKOH ryö. Gegenüber dem Ontixt, der
schon genügend Material über diese Mundarten darbietet, erfahren wir
aus den genannten Beiträgen nichts wesentlich Neues.
Die Mundarten des Gouv. Vjatka betreffen in den HsBicxia 4 Mit-
theilungen (Nr. 35 den Kreis Kotel'nic in kh. 1 für 1898, Nr. 37 den
Kreis Orlov ibid., ebenso Nr. 42 den Kreis Orlov in kh. 1 für 1899 und
Nr. 38 den Kreis Malys ib. wie Nr. 35); ausserdem ist in der ^HBan
CxapHHa (1901, b. 1) eine interessante Mittheilung D. Zelenin's über die
Mundarten der Kreise Sarapul' und Jelabuga. Das viele neue Material,
das da geboten wird, bestätigt nur die Darstellung der Mundarten von
Vjatka im Ontixi.
Für die Mundarten an der Wolga finden wir in den IIsBicxia we-
niger Material vor. Unsere Kenntnisse über die Mundarten des Gouv.
Kostroma ergänzen bedeutend zwei Abhandlungen Th. Pokrovskij's in
.^Chbek CxapHHa (1898, b. 3 — 4: HiKOxoptix'L roBopax-B ciBepo-
sanaAHOH ^aexH KocxpojicKOH ryö. und 1899, b. 3: napoAHOMx.
1) Wahrscheinlich : voqda, poasia mit steigender Betonung auf oq.
Die grossruss. Dialektologie in den letzten fünf Jahren (1897—1901). 117
rOBopi ^yxjioMCKaro yii3Aa KocTpoMCKcii ryö.). Die Abhandlungen
sind das Resultat eigens vorgenommener Studienreisen im Gouv. Kostroma
und berühren nicht einzelne Punkte , sondern entwerfen das dialekto-
logische Bild eines bedeutenden Theiles desselben (die Kreise Soligalic,
Buj und Öuchloma). Sie sind die Fortsetzung der Beschreibung der
Kostromer Mundarten, die Th. Pokrovskij schon im Jahre 1895 begonnen
hat (über den Kreis Buj). Beigegeben sind ihnen kleine Idiotica. Ausser
Mundarten (sowohl lispelnden, als auch nicht lispelnden) mit rein
nordgrossrussischen Zügen weist Th. Pokrovskij auf das Vorhandensein
stark akavischer Mundarten in einem Theile des Kreises Soligalic und
im grossen Theile des Kreises Cuchloma aber mit Spuren des Okavismus
und anderer nördlicher Züge hin. Interessant ist das Vorkommen des
südgrossruss. niene, teUe in den akavischen Mundarten des Kreises
Cuchloma (in Wahrheit selten, nur hier und dort), aber daneben kommen
das nördliche g, das harte t in der dritten Person der Verba und sogar
solche nördliche Züge vor, welche in den Mundarten des mittelgrossruss.
Typus nicht anzutreöen sind (z. B. Ueberreste des 0-sprechens, Accente
wie sös7ia u. s. w., das Wort JciiMin u.a.).
lieber die Mundarten im Gouv. Jaroslavl' scheint nichts neues er-
schienen zu sein. Die in yKuBaa CxapHHa (1899, b. 1) von A. Balov
abgedruckten MaTepia.iti no Hapo;i;HOMy nstiKy, coöpauHLie et. Ilome-
xoHCKOMx yis^i üpocjiaBCKOH ryöepmH bestehen aus einigen Redens-
arten u. ä. in unphonetischer Aufzeichnung.
Weiter erfahren wir aus den IIsBicTia (1897, kh. 2, Nr. 32) von
dem Vorhandensein einer Mischmundart im Kreise Alatyf des Gouv.
Simbirsk mit südgrossruss. Zügen. Nicht gross, aber bemerkenswerth
durch streng phonetische Wiedergabe der Laute ist die Mittheilung
N. P. Demidov's über die Mundart von Samara (HsBicTia 1898, kh. 1,
Nr. 40). Interessant ist hier unter Anderm das Vorkommen des e in
Adjectivformen statt y und ?', z. B. suchei u. a. Im Pycc. ^'ujiojor.
BicTHHKi. (1899, Nr. 1—2, S. 30—70) ist ein Aufsatz P. V. äejn's zur
Dialektologie des Gouv. Samara: K-l AiaJieKTOjioriH BBJiuKopycc. napi^.
HsB-ie^ienia uat cJOBHinca CKaaoK-B n npeAamil CaMapcKaro Kpaa,
coöpaHHtix'L H sanncamiLix'B ^. H. CaAGBrniKOBtiMt (den grösseren
Theil, S. 47 — 70, nimmt ein Wörterbuch ein). Merkwürdigerweise gibt
es in den beiden zuletzt genannten Beiträgen keine directen Hinweise
auf das Lispeln (mene.iflBOCTb) der Mundart von Samara, von welcher
Dal' in HapimHxt pycc. üBLiKa spricht (er führt die spöttische Redens-
118 N. Durnovo,
art an, mit der die Frauen von Samara geneckt werden: IIIaMa maiviapKa,
uiapa*ainb m oöopKoil). Demidov betont, dass »ti und ii, völlig klar gebort
werden«; in den von ihm angeführten Beispielen mit Zischlauten und
Sibilanten vertreten diese Mitlaute einander nirgends. Auch die Bei-
spiele einer Vertretung der Sibilanten durch Zischlaute, die Sejn aus dem
CöopHHKrB Sadovnikov's angibt, bezeugen nicht die inene.MB0CTB der
Aussprache. Im Oni.iTr& pyce. Äia:ieKTOJiorin steht über die Mundarten
des Gouv. Samara fast nichts.
Ueber die nordgrossruss. Mundarten des Gouv. Voronez sprach,
wie es scheint, der erste K. Filatov in OiepiCB napoAHtix'L roBopoB%
EopoHeatcKoii ryö. (im Pyce. <I>iijiojror. B'Scthhk'b 1S98, Nr. 1 — 2). Im
OnuTh findet man über die okavischen Mundarten des genannten Gouv.
nichts. Die Einwohner sind da grösstentheils aus anderen Gouv. ange-
siedelt ; wahrscheinlich sind demnach auch die okavischen Mundarten
dahier durch Colonisation aus nordgrossruss. Gouv. zu erklären.
Endlich sind über nordgrossruss. Mundarten Sibiriens in letzter
Zeit folgende Aufzeichnungen erschienen: 1) P. M. Vdovcenko, Toöojit-
cKoä ryö., ToöojiLCKaro OKpyra, ^eMLmicKaa BOjrocTb (IIsBicTia 1899,
KH. 1, npnjioa:. Nr. 43, S. 3 — 5). Die Mundart gehört dem gewöhn-
lichen nordgrossruss. Typus an, ist nicht cokavisch, spricht i statt i
vor weichem Consonanten und unterscheidet sich überhaupt nicht viel
von den im Ontixt dargelegten Mundarten des Gouv. Tobol'sk. —
2) V. G. Bogoraz, 06 jacTHOÖ cjosapt KojMMCKaro pycc. Hap'£mn. CII6.
1901, S. 346 (CöopHHKi der IL Abtheilung Bd. 68, Nr. 4). Der Kreis
von Kolymsk liegt im Gebiete von Jakutsk. In der Vorrede zum
Wörterbuche und der Sammlung von Liedern und Märchen gibt
Bogoraz auch eine kleine Beschreibung des Dialektes von Kolymsk.
Darin weist er auf den starken Einfluss der Fremdvölker, besonders der
Jakuten, auf denselben. Den ganzen Dialekt von Kolymsk theilt er in
den von Mittel- und Niederkolymsk. Beide sind nordgrossruss. okavisch
und dabei lispelnd (alle Zischlaute werden mit Sibilanten verwechselt).
Als Unterschiedsmerkmal des Dialektes von Niederkolymsk erscheint j
anstatt r und l und zwar nicht nur des weichen, sondern auch des
harten , übrigens nicht immer ; ausserdem sind die Consonanten vor e
und (aus altem e) hart geworden u. a. Cf. im OnLixt S. 65 und
67 — 68.
Alle seit 1897 veröffentlichten Mittheiluugen über die nordgross-
russ. Mundarten ändern im Allgemeinen zwar wenig an dem dialekto-
Die grossruss. Dialektologie in den letzten fünf Jahren (1897—1901). 119
logischen Bilde, welches von Sobolevskij im OnuTi gezeichnet worden
ist; dafür erweitern und vervollständigen sie bedeutend unsere Vor-
stellungen vom Charakter des Nordgrossrnssischen und seiner detail-
lirteren Eigentbümlichkeiten , von der Verbreitung dieser oder jener
Einzelerscheinungen, über die uns die kurzen Berichte im Ohliti. nichts
sagen. Dadurch ist es nun möglich geworden, auf Grund dieses neuen
Materials und jener umfangreichen Forschungen, die in letzter Zeit den
Süd- und mittelgrossruss. Mundarten gewidmet wurden , einen näheren
Vergleich zwischen den beiden grossruss. Hauptdialekten ziehen zu
können.
Die weissruss. Dialektologie will ich nicht im Detail vorführen.
Ich bemerke nur, dass auch hier ein grosser Fortschritt zu verzeichnen
ist, hauptsächlich in Folge der Bemühungen des Warschauer Professors
E. Th. Karskij, unter dessen Redaction in den IIsBicTia 18 eingehende
Nummern Material zur weissruss. Dialektologie als Antwort auf das von
Karskij zusammengestellte Programm (s. oben) veröffentlicht worden
sind (1897, kh. 2; 1898, kh. 3; 1899, kii. 3 und 4). Ausserdem be-
treffen 4 Nummern nordkleinruss. Mundarten und Uebergangsmundarten
zwischen dem Weiss- und Kleinrussischen (Polesje; 1898, kh. 4). Im
Pycc. 4'n.iio.ior. BicTiiiiKt erschienen folgende hierher bezügliche Auf-
sätze : N. Cudovskoj , MaTepiajiLi p^Äsi Hsy^ieHiü 6i.iopycc. roBopoBi,
Cryi^KiS roBop-B (1898, Nr. 3 — 4, S. 53 — 91); E. Karskij, SaMiTKH
OTHOCHTejrtHO ÄH^TOHTOB-L BX HapO^HOMt TOBOp^ CBJra EaCIOBI^eB^ H }!,.
ILoß.Äicha. Cjiyi^Karo y. Mhiickoh ry6. (ib. 325 — 327); id., SaaiiTKH
no öiJopycc. roBopasit (1901, Nr. 3—4, S. 275 — 281).
Abhandlungen zur Geschichte und Vergleichung grossrussischer
Mundarten sind in den letzten fünf Jahren nicht viele erschienen.
Akad. A. I. Sobolevskij, von dem eine Reihe hervorragender Arbeiten
über die historische Dialektologie der russischen Sprache herrührt, die
allen späteren Studien anderer Gelehrten zur Richtschnur wurden, ver-
öffentlichte im letzten Fünfjahr einige Aufsätze, die nicht der Geschichte
der Mundarten, sondern verschiedenen anderen Fragen der Geschichte
der russischen Sprache gewidmet sind. Nur in einigen von ihnen wird
volksmundartliches Material herangezogen. Derart sind seine Be-
merkungen »Ilax iisTopin pyccKaro asHKa« im ^ypiia.ix Mhhhct.
HapoA. IIpocB. (2 Serien: 1897, Mai und November, I — XIX und 1901,
Oktober, I — VIU). In dem Abschnitt III aus der ersten Serie macht
1 20 N. Durnovo,
Sobolevskij unter Anderm die Bemerkung, dass der üebergang weicher
k und ^ in ^ und d^ der in den heutigen grossruss. Mundarten nicht
selten ist, wie es scheint, eine Eigenthtimlichkeit der Sprache Kievs des
XII. — XVI. Jahrb. gewesen ist, und er vermuthet, dass der alte Dialekt
Kievs den heutigen Mundarten der Gouv. Orel und Kursk nahe ge-
standen sein mag. Jedoch war er nach der Ansicht Sobolevskij's kaum
rein grossrussisch, sondern entweder ein Uebergangsdialekt zum Klein-
russischen oder ein Mischdialekt, wenigstens für das XV. — XVI. Jahrh.
Die tibrigen Bemerkungen handeln mehr über Einzelfragen, darunter
auch über die Geschichte einiger Erscheinungen, die uns in den gegen-
wärtigen russ. Mundarten begegnen.
Das umfangreiche Material, welches in letzter Zeit gesammelt
worden ist, veranlasste Prof. E. Th. Budde und Akad. A. A. §ach-
matov die Frage über die Entstehung und Verschiebung russischer Dia-
lekte von neuem aufzustellen und durchzusehen. Prof. Budde drückte
in seiner Doctordissertation (Kx ncxopin BCJiHKopycc. rosopoB'L. Onwxi
HCTopHKo - cpaBHHTejtHaro H3Cj[iA0BaHiii napoAHaro roBopa Bt Kacn-
MOBCKOMi, y. PHsaHCKOH ry6. Kasant 1896, S. 377 -f- II) den Ge-
danken aus, dass die Principe, die der Eintheilung der russ. Sprache in
Dialekte zu Grunde liegen, unwissenschaftlich sind, und schlug vor,
die russ. Mundarten in drei dialektische Gruppen zu theilen: auf «luene-
JBBaTtie« (d. i. Mundarten mit Mittellauten — die ältesten), »nojry-
mene.ireBaTtie « (die nur die Mittellaute zwischen c und c haben, also
cokavische und cokavische) und »He menejieBaTLie« (die einer dialekti-
schen Gruppe entstammen, welche die Laute c und c, k und 5, i und z
u. s. w. unterschied, oder in urrussischer Zeit die Mittellaute verloren
hatte, s. S. 29S). Die Unhaltbarkeit dieser Eintheilung bewies Akad.
Sachmatov in seiner herrlichen Recension über Budde's Buch (im
OriLiT-L npiicyjKAemH ./ToMOHOcoBeKoii npeMin bt. 1897 r. CIIö. 1898,
S. 25 — 73, gedruckt im 66. Bande des CöopHHKt der II. Abth. Nr. 2,
CIIÖ. 1900). Als stichhaltig erwiesen sich einige andere Schlüsse
Budde's und zwar, dass die Mundarten des Kreises Kasimov in be-
deutendem Grade gemischte, nicht reine Mundarten sind, dass die Ein-
wohner Autochthonen des Rjazan'schen Gebietes sind, die einen starken
Einfluss durch die benachbarten südrjazanischen Mundarten erfahren
hatten. Demnach sind die Mundarten von Kasimov in ihrer Grundlage
nordgrossrussisch, wurden jedoch durch südliche Mundarten beeinflusst.
Ihr Akanje ist eine spätere Erscheinung, die vom Süden hereingetragen
Die grossruss. Dialektologie in den letzten fünf Jahren (1897 — 1901). 121
worden ist. Endlich erwies Budde, dass die genannten Mundarten in
nächster Verwandtschaft zu den von Vjatka stehen •).
A. A. äachmatov ging in seiner Recension der Dissertation Budde's
noch weiter und meint, dass man mit der Zeit mit vollem Grund das
ganze Gebiet von Rjazan dem Nordgrossrussischen wird zuzählen können.
Der Kampf mit der Steppe und der tatarische Einfall drängten die
alten Stämme der ursprünglichen Ansiedler gegen Norden und Nord-
osten, ihre Stelle aber nahmen die vom Süden und Südosten verdrängten
Stämme ein, deren Bewegung den Fall Kievs und die Uebertragung des
Centrums des russischen Lebens in das Bassin der Oka zur Folge hatte
(S. 6S).
Etwas früher wurde vom Akad. Sachmatov eine andere Abhand-
lung zur Geschichte des grossruss. Dialektes gedruckt, nämlich die
schon erwähnten 3ByK0BtiH ocoöeHHocTH EjilhhhckhxI) h MocaJtcKHX'B
roBopoBi., wo Sachmatov im zweiten Theile (1897) auf Grund von süd-
grossruss. und weissruss. dialektologischen Facten über die Entstehung
des südgross- weissruss. Akanje und über das Schicksal des alten
schwachen ^ und irrationalen y (d. i. ti) im Gross -Weissrussischen
spricht. Das Akanje ist nach der Ansicht Sachmatov's in der Epoche
der südgross -Weissrussischen Einheit aufgekommen, hervorgerufen
durch die Umwandlung der exspiratorisch- musikalischen Betonung
in eine rein exspiratorische , was der Grund war, dass die betonte
Silbe vor den übrigen stark hervortrat, die übrigen Silben aber ge-
1) Gegen den letzten Schluss sprach sich entschieden Prof. V. Th. Miller
aus in seiner sehr strengen Recension über Budde's Buch im Sinorpa*. OöospiHie
1897, Nr. 1 , S. 164— 171 . Nach der Ansicht V. Th. Miller's sind die den Mundarten
von Vjatka und Kasimov gemeinsamen dialektischen Züge gar nicht derartig,
dass man auf eine genetische Verwandtschaft derselben schliessen müsste.
Auch sonst stimmt Prof. Miller mit den Ansichten Budde's vielfach nicht
überein. Einigen seiner Einwendungen kann man jedoch schwer beistimmen.
So spricht er sich auf S. 166 f. gegen das Vorhandensein des Lautes ö in dem
Vocalismus der russ. Sprache aus und bemerkt, dass sich ö gegenwärtig in
keinem slavischen Dialekte vorfindet; dabei wirft er den russ. Linguisten
vor, dass sie nicht die Bedingungen erforscht haben, welche in einigen leben-
den Sprachen den Laut ü hervorgerufen haben. Mir ist nun in der russischen
Sprache aus den Mundarten von Kaluga secundäres ö aus e nach erweichtem
Consonanten vor harter Labialis (d. i. in analoger Stellung, in welcher nach
der Meinung des Akad. Ph. Th. Fortunatov und seiner Schule das ü im All-
gemeinrussischen und theilweise schon im Allgemeinslavischen aufgekommen
ist) bekannt.
122 N. Durnovo,
schwächt wurden. Jedoch in Worten, wo dem Accente einige Silben
vorausgingen, bewahrte die vortonige Silbe einigen Ton. Die ver-
schiedenen Arten des Akanje rtihren von der Verschiedenheit des
Charakters der nachfolgenden Laute her, sowie von der Wechselbe-
ziehung zwischen der Aussprache des unbetonten Vocals in verschie-
denen Stellungen. Das Schicksal des allgemeinslavischen z in der russ.
Sprache stellt Sachmatov folgen der massen dar. Das allgemeinslavische ^
ging ins ürrussische als 5 oder o über; vor i wurde es schon im ür-
russischen zu einer Art y (irrational). Im Allgemeinrussischen fiel ~o in
jeder Stellung aus, worauf statt seiner in jenen Fällen, wo eine für die
Aussprache unbequeme Consonantenanhäufung stattfand, ein neues ir-
rationales y aufkam. Dies y hatte dann in den einzelnen Dialekten der
russ. Sprache dasselbe Schicksal, wie das y vor ?', d. i. in einigen Mund-
arten fiel es mit altem o in einem Laute 0, wenigstens unter dem
Accente, zusammen, in andern behielt es sich als irrationales y, welches
danach in y, ö, e (ohne Erweichung des vorausgehenden Consonanten)
überging.
Im Jahre 1899 erschien ein neuer Aufsatz des Akad. Sachmatov:
Kt Bonpocy o6t> oöpasoBamn pyccKHXX napiinH h pyce. HapoAHOCTeH
(^ypnajii, Mhhhct. Hapo^n. IIpocBn;^. 1899, April und im S.-A. S. 63).
Gleich gut sowohl mit der russischen Sprache (im Besonderen mit der
Dialektologie), als auch mit der russischen Geschichte bekannt, benutzt
Sachmatov in meisterhafter Weise das ihm zugängliche Material und
verknüpft die Entstehung der russischen Dialekte und ihre spätere Ge-
schichte mit der Bewegung der slavischen Stämme, welche Russland be-
wohnten. Bei dem von ihm gezeichneten Bilde geht er von dem Ge-
danken aus, dass die in der altrussischen Chronik vorkommenden Namen
russischer Stämme den wirklich vorhanden gewesenen Stämmen ent-
sprachen, die sich nicht nur in den Sitten, sondern auch in der Sprache
von einander unterschieden: ein Gedanke, den in seinen Forschungen
auch Akad. Sobolevskij durchführte. Die Hauptresultate, zu denen
Sachmatov im genannten Aufsatze kommt, sind folgende : Die russische
Sprache zerfiel schon in ältester Zeit in drei dialektologische Gruppen,
welche auch den Stammgruppen des östlichen Zweiges der Slaven ent-
sprachen: diese Gruppen kann man eine nördliche, mittlere und südliche
nennen . . . Die mittelruss. dialektische Gruppe theilte sich in eine
westliche und östliche, die südruss. aber in eine nördliche und südliche
Hälfte . . . Die Ereignisse im Süden und der ungleiche Kampf der
Die grossruss. Dialektologie in den letzten fünf Jahren (1897 — 1901). 123
ruhigen russischen Bevölkerung mit den Steppenhorden (Pecenegen,
Polovcen, Tataren) rief eine Bewegung und neue Gruppirung der rus-
sischen Stämme und Dialekte hervor. Der tatarische Einfall zwang die
Bevölkerung, sich in drei (neue) politische Gruppen zu einigen und
wirkte förderlich auf die Bildung dreier Nationalitäten ein. Im Süd-
westen führte die Vereinigung des Landes, welche theihveise schon von
Roman erreicht wurde, mit der Zeit zur Einheit der Nationalität, die
also auf diese Art aus den beiden Hälften der südruss. Stamm- und
Dialektgruppe entstand. Im Nordwest einigte sich das Land zu Anfang
des XIV. Jahrb., und die weissruss. Nationalität vereinigte die west-
lichen Stämme der mittelruss. Gruppe, sowie Süd- und Nordrussen, die
sich diesen im Süden und Norden assimilirten. Die Einigung des Landes
im Nordost begann schon zu Ende des XII. Jahrb., wobei schon da-
mals die grossruss. Nationalität ihren Anfang genommen hatte; sie
setzte sich aus nordruss. Stämmen, sowie Stämmen beider Theile der
mittelruss. Gruppe — dem westlichen (Vjatici) und dem östlichen (Se-
verjane) — zusammen. Die Sprache bewahrte jedoch mit besonderer
Beharrlichkeit ihre Individualität: nur in Moskau und in einigen Grenz-
gebieten , sowie neu colonisirten Ortschaften bildeten sich Misch-
dialekte; im Allgemeinen kann man aber das grossrussische Volk bisher
nach der Sprache in zwei Gruppen eintheilen — eine nordgrossrussische,
welche der alten nordrussischen entspricht, und eine südgrossrussische,
die westliche und östliche Dialekte der mittelruss. Gruppe vereinigte . . .
So sind an Stelle der drei alten dialektischen Gruppen — der nörd-
lichen, mittleren und südlichen — vier neue, eine nord- und südgross-
russische, eine weiss- und kleinrussische getreten.
Hinweisen muss mau auch auf Sachmatov's Aufsatz «PyccKiH
ii3LiKX« im SimHKjroneAHyecKÜl ciosapL Brockhaus' und Efron's (5 5. Halb-
band, Columne 564 — 581, CIIö. 1S99), wo Akad. Sachmatov in ge-
drängter Kürze seine Schlüsse über die Entstehung und den gegen-
wärtigen Stand der russ. Sprache uud ihrer Dialekte darlegt.
Der Geschichte des Moskauer Dialektes sind die letzten Abhand-
lungen Prof. Budde's im iKypHa.ii. Mhhiict. Hapo^H. üpocBim. und im
lOßH-ieiiHLiii CöopmiKx bt. ^leext B. 0. Miu-iepa gewidmet. Schon in
seiner Doktordissertation setzte Budde fest, dass die Mundarten von
Kasimov Mischmundarten sind ; Akad. Sachmatov bekräftigt (in der Re-
cension der genannten Dissertation und des OnLiTt pycc. AiajreKTOJioriii
Sobolevskij's, hauptsächlich aber in der oben vorgeführten Abhandlung
124 N. Durnovo,
«K-B Bonpocy oöxioöpasoBamH pycc. Hapima u. s. w.) dieselbe Ansicht
auch hinsichtlich des Moskauer Dialektes, wobei er glaubt, dass die
Vermischung nord- und mittelrussischer Züge im Moskauer Dialekte
sehr früh, vom Anfange der Erstarkung Moskaus an begonnen hat und
dass die Grundlage dieses Dialektes eine nordrussische Mundart bildete,
welche den südgrossruss. Vocalismus angenommen hatte. Zu ähnlichen
Schlüssen kommt auch Prof. Budde. Er behandelt die Geschichte des
Moskauer Dialektes hauptsächlich in folgenden Aufsätzen: HicKO.ibKO
sasröTOK'L no ncTopin pycc. asMKa (^MHIIp. 1898, März), H3% HCTopin
pycc. jHTepaTypHaro asBiKa Kornea XVIII h Ha^iajra XIX b. (ib. 1901,
Februar) und HiKOTopLie bliboaw hs-l noBAHiiinraxt xpyAOBi. no bb-
jiHKopyec. Aia.TeKTOJioriH (IOöhji. CöopHHKt bi, tibctI. B. 6. MHJuepa,
CII6. 1900). Im ersten Aufsatz macht Budde auf Grund eines Studiums
der Sprache Lomonosov's, Sumarokovs und Trediakovskij's und ihrer
gegenseitigen Polemik über die Sprache sehr scharfsinnige (hie und da
übrigens etwas gezwungene) Bemerkungen über die Sprache (vor Allem
die Aussprache) der Moskauer in der Mitte des XVIU. Jahrh. unter
anderm weist er für die Mitte des XVIII. Jahrh. in Moskau die nord-
grossruss. Aussprache der Comparativformen {cmiÄSie u.a.) nach, was
später durch die südgrossruss. Sprechweise (cMi.iie u. ä.) verdrängt
wurde. In dem letzten der genannten Aufsätze drückt er die Ansicht
aus, dass man in Moskau im XIII. — XIV. Jahrh. eher okavisch, als
akavisch sprach ; die heutigen nordgrossruss. Züge der Moskauer Mundart
gehörten ihr von jeher an, das Akanje wurde aber hierher später vom
Süden oder Westen hereingetragen, üeberhaupt waren die Südgrenzen
des nordgrossruss. Dialektes jener Zeit bedeutend südlicher, als jetzt.
Hierher gehört theilweise auch meine Onncame roBopa ;iep.
Ilap^eHOKi. (s. oben), welches einer mittelgrossruss. Mundart gewidmet
ist. Ohne hier die Frage über die Entstehung des mittelgrossruss.
Dialektes lösen zu wollen und ohne welche Epochen in dessen Ge-
schichte aufzustellen , stellte ich mir nur zur Aufgabe auf Grund einer
ausführlichen Analyse der Laut- und Formenlehre und des Lexicons
genauer das Verhältniss der behandelten Mundart zu den übrigen gross-
russ. festzustellen. Dabei stellten sich die Wechselbeziehungen der
nord- und südgrossruss. Elemente in dieser Mundart, sowie überhaupt
im Mittelgrossruss. heraus, und es bestätigten sich noch einmal die An-
sichten Sachmatov's und Budde's, dass dem Moskauer Dialekte eine
nordgrossruss. Mundart zu Grunde liegt.
Die grossruss. Dialektologie in den letzten fünf Jahren (1897 — 1901). 125
Einen Versucli, die Gegenwart mit der Vergangenheit zu ver-
knüpfen, findet man auch in der Abhandlung K. Filatov's OuepHi. na-
poAHLix'L roBopoBT& BopoHBaccKOH ryö. Leider sind seine Excurse in
das Gebiet alter Handschriften oft sehr schwach, üebrigens gelang es
Filatov, zu bestimmen, dass schon im XVII. Jahrh. im Gouv. Voronez
das Südgrossrussische vorhanden war.
A. Kikol'skij vergleicht in seiner Beschreibung der Mundarten des
Kreises Zizdra (s. oben) deren lautliche Erscheinungen mit solchen
anderer nordgrossruss. Mundarten und streift auch die Geschichte dieser
Erscheinungen.
Schliesslich habe ich das Erscheinen zweier neuer Programme zum
Sammeln der Eigenthümlichkeiten grossrussischer Mundarten zu er-
wähnen. Das eine wurde von der zweiten Abtheilung der Petersburger
Akademie für russische Sprache und Literatur an Stelle der vergriffenen,
im Jahre 1896 von der Abtheilung veröffentlichten ersten zwei Pro-
gramme 1) herausgegeben. Das neue Programm wurde von V. J. Cer-
nysov in ganz befriedigender Weise zusammengestellt. Bedauern könnte
man, dass keine Fragen über Wortbildung aufgenommen sind, während
in dem Programm für die weissruss. Mundarten, welches Cernysov vor-
lag, ein solcher Abschnitt vorkommt. Es gibt auch einige kleinere
Mängel. Dem Umfange nach übertrifft das Programm bedeutend die
früheren , und das ist theilw'eise das Unangenehme daran , da es
Sammler abschrecken kann, obwohl anderseits die Ausführlichkeit der
Fragen , die Fülle der Beispiele u. s. w\ die Arbeit des Beobachters er-
leichtern und die Antworten vor zu groben Fehlern, Verallgemeine-
rungen, Ungenauigkeiten u. ä. schützen.
Um nicht Sammler zu schrecken nnd in dem Wunsche schneller
Nachrichten über die hauptsächlichsten Eigenthümlichkeiten verschie-
dener Mundarten zu erhalten, veröffentlichte auch Akad. Sobolevskij in
der yKasaH CTapHHa (1901, b. 1) eine kurze »üporpaMMa a-iä couHpaHia
CBiAiHÜi BBjiiiKopyccKHXTE) TOBopaxi.« (S. 112 — 113). Für den Werth
derselben bürgt der Name des Verfassers.
1) S. die Eecension darüber im Archiv f. slav. Philol. Bd. XXIII.
Moskau, 15. (28.) Dec. 1901. N. Durnovo.
Kritischer Anzeiger.
Stanisiaw Ciszewski: Ognisko. Studyum etnologiczne. WKra-
kowie, naktadem akademii umiej^tnosci, 1903. S. VII + 238. (Der
Herd. Etlinologisehe Studie. In Krakau, Verlag der Akademie der
Wissenschaften, 1903.)
In den slavischen Literaturen gehören solche Werke, die das reichlich
vorliegende, jedoch allerorts zerstreute Material über das allgemeine Völker-
leben nach Gebühr ausnützen und systematisch behandeln, zu merkwürdig
seltenen Erscheinungen. Der Mangel an wissenschaftlicher Verarbeitung
macht sich da mit jedem Tage in dem Grade fühlbarer, als auf der anderen
Seite die Zahl der Publikationen , die direkt ans dem Munde des Volkes
schöpfen, immer stärker zunimmt. Gerade unlängst lasen wir diesbezüglich
eine bittere Aeusserung. Die Vorwürfe, die Herr E. Majewski in der Wisla
1903, XVII. 760 ff. den polnischen Folkloristen macht, dürften sich mit leich-
tem Gewissen weit über die polnischen Grenzen hinaus anwenden lassen.
Schon auf Grund dieser Erwägung müssen wir die obengenannte Publi-
kation der Krakauer Akademie freudig begrüssen. Sie gab da ein Werk des
durch seine umfassenden Studien erprobten und durch seine bisherigen
Sammlungen bekannten polnischen Gelehrten Stanislaw Ciszewski heraus,
der sich darin die Aufgabe gestellt hatte, die Bedeutung des Feuerherdes
(ognisko) im Völkerleben zu untersuchen. Das gegen 8 Seiten starke Quellen-
verzeichniss klärt uns über den geographischen Umfang auf, innerhalb dessen
der Verfasser sich bewegte. Die weitaus grösste Anzahl der Quellen gehört
der deutschen und der russischen Literatur an, während von anderen Litera-
turen noch die böhmische, serbokroatische, französische und polnische heran-
gezogen wurden.
Herr Ciszewski wollte offenbar alles in seine Studie aufnehmen, was
immer mit dem Gegenstande vom Standpunkte der allgemeinen Ethnographie
in Zusammenhang stand. Er beschränkt sich nicht auf ein einzelnes Volk
oder eine bestimmte Völkergruppe. Der Feuerherd und seine Bedeutung für
die Menschheit überhaupt — das ist die Aufgabe seiner Studie.
Sie zerfällt in zwei Theile, von denen der erste den elementaren, der
zweite den socialen Kult des Herdes behandelt.
Ciszewski über Ognisko, ethnologische Studie, angez. von Pivko. 127
Der häusliche Herd bildet mit dem auf ihm flammenden Feuer zusammen
einen Gegenstand des Kultes. Mit diesem allgemeinen Satze leitet der Verf.
den ersten Theil seiner Schrift ein. Nun werden kurze Berichte über die
Hochachtung und Verehrung des Herdes bei den Albanesen, Armeniern, Kir-
gisen. Kleinrussen, alten Persern, Scythen und Osseten angeführt. Diese eth-
nographischen und historischen Quellen entnommenen Berichte darf man,
sagt der Verf., in die Zahl jener Beweise zählen, die die Existenz und Allge-
meinheit des Herd- und Feuerkultes bestätigen. Zum Glück, fährt der Verf.
fort, fehlt es aber auch an anderen noch specielleren ethn. bist. Daten nicht,
durch deren geordnete Zusammenstellung wir ein vollständiges Bild dieses
Kultes in seinen verschiedenen Formen erlangen. Die psychologische Ana-
lyse aller dieser Formen werde dann zum Verständniss jener Grundideen
leiten, auf denen der ganze Herd- und Feuerkult sich aufbaut (S. 12).
Der Verf. meint also, dass die Existenz des Herd- und Feuerkultes durch
eine Anzahl anderer, dem Leser schon bekannter Beweise hinlänglich er-
wiesen sei, — dass er infolgedessen nur zur Erinnerung einige Zeugnisse an-
zuführen brauchte. Nun folgen jene »specielleren Daten«.
Vor allem werden die Anrufungen des Herdes und des Feuers in Be-
tracht gezogen. Dem Herde und dem Herdfeuer werden öfters Epitheta or-
nantia beigelegt. So rief die preussische Braut beim Abschied aus dem
Elternhause dem Herde zu : »Theure, heilige Jungfrau ! « So nennen Lithauer
stellenweise das häusliche Feuer »heilig«, also ganz wie der alte Römer seine
Göttin Vesta, die Personificirung des Reichsherdes, nannte. So betiteln
ferner die Kleinrussen das Feuer: »Theurer Gast!«
Auch durch Abziehen der Fussbekleidung, durch Niederknien, durch
Verbeugungen, durch Küsse u.s.w. wird dem Herde Ehre erwiesen. Am besten
hat sich die Ehrenbezeugung in der Form von Verbeugungen erhalten und
zwar hauptsächlich in den Hochzeitsgebräuchen der Völker.
Der Mensch, der dem Herde einerseits auf jede mögliche Art Ehrerbie-
tung zollt, derselbe Mensch wird sich auf der anderen Seite wohl hüten, den
Herd zu vernachlässigen oder ihn vielleicht gar zu beleidigen. Vielerorts ist
es nicht erlaubt, dem Herde beim Stehen oder Sitzen die Kehrseite zuzu-
wenden ; beim Vorbeigehen darf die schuldige Verbeugung nicht unterlassen
werden, nie darf ferner der Fuss auf den Herd gesetzt werden u. s. w. Auch
die Kette, an der der Kessel über dem Herde hängt, spielt eine hervorragende
Rolle. Bei den Wotjaken darf diese Kette nur im Falle des äussersten Fa-
milienunglückes herabgenommen werden, da sie (als Amulet) im Stande sei, das
drohende Unglück abzuwenden. Sehr interessant ist die Bemerkung, in wel-
chen Ehren eine solche Kette bei den Osseten sich befindet. In der gericht-
lichen Klage eines Osseten heisst es nämlich charakteristisch: »Nicht genug,
dass N.N. mir den Sohn erschlagen hatte, — er warf mir sogar meine Haus-
kette hinter die Thüre«.
Auch durch unhöfliche Reden könnte sich das Feuer beleidigt fühlen,
falls solche in seiner Nachbarschaft geführt werden (Weiss- und Kleinruss-
land u. s. w.). Das Feuer ist ferner zu heilig, als dass es den Kindern zum
muthwilligen Spiele überlassen werden dürfte. Was jedoch diesen letzten
128 Kritischer Anzeiger.
Punkt anbelangt, so darf man auf die Art der Warnungen der Eltern kein so
grosses Gewicht legen, wie der Verf. es thut, da die Kinder eher aus anderen
natürlicheren Gründen vom gefährlichen Spiele zurückgehalten werden
müssen.
Der Mensch verehrt nicht nur den Herd an und für sich, sondern über-
haupt alles, was mit diesem in näherer dauernder Berührung steht. Der Be-
griff des Kultes des häuslichen Herdes müsse daher, so meint der Verfasser,
um ein Bedeutendes erweitert werden, da in denselben der Kult aller mit dem
Herde in dauernder Berührung stehenden Gegenstände aufzunehmen ist (S. 18).
Darum wird zuerst das Fernhalten scharfer und spitziger Gegenstände
und Werkzeuge vom Herde besprochen. Das Schüren mit solchen Werk-
zeugen wird bei sehr vielen Völkern als eine strafbare Handlung angesehen.
Bei den Mongolen und Burjaten ist es nicht einmal erlaubt, in der Nähe des
Herdes Holz zu hacken. Dass solche Arbeit in der Nähe lebender Wesen ge-
mieden wird, ist natürlich und ganz verständlich. Einen leblosen Gegenstand
jedoch wie den Herd können wir uns kaum einer Verwundung ausgesetzt
denken. Oder hätte der ursprüngliche Mensch seinen häuslichen Herd viel-
leicht in die Kategorie der lebenden Wesen gezählt? — Vor der Beantwortung
dieser Frage zieht der Verf. noch einige andere Eigenschaften des Feuers in
Betracht (S. 20).
Zwei Momente scheinen dem Menschen beim Feuer am meisten aufge-
fallen zu sein, aus denen er schloss, dass das Feuer 1. die Gabe der Sprache
besitze und 2, der Nahrung bedürfe, welche zwei Eigenschaften sonst nur
lebenden Wesen zukommen. Wenn daher der ursprüngliche Mensch dem
Feuer diese Eigenschaften beilegte, so musste er es noth wendiger Weise
unter die lebenden Wesen gezählt haben. Daher scheute er es auch, in un-
mittelbarer Nähe des Feuers seine Arbeit mit scharfen Werkzeugen zu ver-
richten.
Wie war der Mensch zu der Ueberzeugung gelangt, dass das Feuer ein
lebendes Wesen sei ? Die verzehrende Kraft des Feuers erweckte im Men-
schen die Vorstellung von der Unersättlichkeit, vom Hunger. Das Knistern
des verschwindenden Holzes, das Lecken der Flamme, das Aufsteigen des
Rauches, das Sprühen der Funken — alle diese Erscheinungen mussten im
Auge des Menschen als Lebenszeichen angenommen werden, wogegen ihm
das allmähliche Auslöschen des Feuers als der Tod des Herdes erscheinen
mochte (S. 24). — Die Vorstellung des lebenden Herdes wird oft noch weiter
ausgeführt, da sich der Mensch jegliches Leben am leichtesten in ausgepräg-
ter plastischer Gestalt denkt. Bei sehr vielen Völkern findet man die Per-
sonification des Feuers uni den Glauben an die Feuergeister in menschen-
ähnlicher Gestalt (S. 24—32).
Im zweiten Abschnitt des ersten Theiles will uns der Verf. mit ethno-
graphischen und geschichtlichen Zeugnissen die Existenz des allgemeinen
Glaubens in die natürliche ideale Reinheit des Feuerelementes beweisen. Der
alte Hindu hütete sich, nasses oder übelriechendes Holz auf den Herd zu
legen. Viele Völker halten Thiere, die in ihren Augen als unrein gelten, vom
Herde fern. Auch der menschliche Leichnam sowie alles, was vom Menschen
Ciszewski über Ognisko, ethnologische Studie, angez. von Pivko. 129
herrührt, Speichel, Urin, Haare, ja sogar der Athem ist im Stande, den Herd
zu verunreinigen. Ebenso sind die Wöchnerinnen in Anbetracht der jung-
fräulichen Reinheit des Feuers unrein. — Natürlich müssen auch hier alle mit
dem Herde in dauernder Berührung stehenden Gegenstände dem Herde
gleich vor Verunreinigung geschützt werden, wie z. B. die vorn erwähnte
Kette (S. 50).
Der Glaube an die angeborene Reinheit des Feuers und des Herdes und
der Gedanke an die Möglichkeit der Entweihung derselben gaben Anlass zu
besonderen Ceremonien, die bei der Reinigung und neuerlichen Einweihung
des Herdes vorgenommen werden. Solche Reinigungen fanden bei den
Parsen, Indern, Griechen und Römern statt. Am weitesten gingen hierin
wohl die Römer, die die Bewachung des Reichsfeuers im Heiligthum der
Vesta den vestalischen Jungfrauen überliessen. Logisch schlössen sie, dass
der Jungfräulichkeit des heil. Feuers nur die allerreinsten Wesen dienen
dürfen. — Es bleibt jedoch immerhin merkwürdig, dass unter den Alten
einzig und allein die Römer auf den Gedanken gekommen waren, Vestalinnen
einzusetzen.
Die Ueberzeugung von der idealen Reinheit des Herdes und des auf ihm
brennenden Feuers führte zu dem Schlüsse, dass das Feuer als ein ausge-
zeichnetes Mittel zur Tilgung der Makel an entweihten Wesen und Sachen
dienen könnte, dass es sich vorzüglich zur Reinigung eigne. Dass in der
That viele Völkerschaften diese Kraft des Feuers ausnützen wollten, davon
gibt uns die ungemein starke Verbreitung der Feuerreinigungsmethoden den
besten Beweis. Solche Reinigungsgebräuche existiren bis auf unsere Tage
(S. 57).
Mittels Feuers ist man im Stande, ansteckende Krankheiten von Leuten
und Thieren abzuwenden. Die Kraft des Feuers als Reinigungs- und Ver-
sicherungsmittel gegen die Krankheit ist so gross, dass oft nur die Anwesen-
heit des Feuers vollständig genügt, um dem Uebel den Zutritt zu den Men-
schen zu verwehren. Viele Völker sind der Meinung, dass z. B. im Wochen-
zimmer ohne Unterbrechung ein Feuer unterhalten werden muss, um die
Mutter und das neugeborene Kind vor bösen Geistern zu schützen. Femer
lässt das Feuer am Herde das Einschlagen des Blitzes nicht zu.
Dieses Vermögen wurde bisher dem Herde als dem Ganzen zugeschrie-
ben. Infolge der Idee der sympathischen Vererbung jedoch und vielleicht
auch gewisser praktischer Rücksichten wegen dehnten einige Völker diese
Kraft auch auf Theile des Herdes im weitesten Sinne des Wortes aus, so auf
Asche, Kohle, schliesslich auch auf Kesselruss und Kaminthon (S. 68). Diese
Vererbung der Reinigungskraft kann noch weiter verfolgt werden. Der Verf.
zeigt nämlich in vielen Beispielen, dass Fackeln, Kohle und Asche die vom
Herde vererbte Kraft auch anderen Dingen mittheilen können, wie z. B. dem
Wasser.
Bei primitiven Kulturvölkern werden Verbrechen und Vergehen eben-
falls mittels Feuers gesühnt, da in den Augen solcher Völker der Begriff des
Verbrechens mit jenem der Unreinheit unzertrennlich verbunden ist. Einem
Verbrecher müsse man womöglich aus dem Wege gehen und den geselligen
.Vrchiv für slavische Philologie. XXVU. 9
130 Kritischer Anzeiger.
Verkehr mit ihm bis zur Wiedererlangung der Eeinheit, die durch die Ver-
mittelung des unbefleckten Feuers am ehesten zu bewerkstelligen sei, gänz-
lich einstellen. So kommt es, dass dem Herde und dem Feuer in den soge-
nannten Gottesurtheilen, in Schwüren und in allerlei Betheuerungen und Be-
schwörungen eine so wichtige Rolle zufiel. Dies ist jedoch im Grunde ge-
nommen nur eine besondere Abart der allgemein verbreiteten Feuerreinigungs-
methoden. Hier stellt der Verf. einige Zeugnisse über Betheuerungen und
Schwüre im Namen des Feuers zusammen, mit denen viele Stämme die Wahr-
heit der Aussagen bekräftigen wollen (S. 78).
Im dritten Abschnitt beschäftigt sich der Verf. mit der Sammlung der
Zeugnisse über die Nothwendigkeit einer steten und ununterbrochenen Pflege
des häuslichen Herdes — der einfachsten Form des elementaren Feuerkultes.
Die Pflege des Feuers besteht hauptsächlich aus der Sorgfalt, mit der man
wohl bei allen Völkern mit dem Feuer umzugehen sich bestrebt (Zusammen-
fegen der Glut, Zudecken derselben u. s. w.). Man scheut es, das Feuer aus-
zulöschen. Die Beschüttung der Glut mit Asche erscheint dem Verf. aus ur-
alten heidnischen Kultgebräuchen zu stammen, während er die Beschüttung
mit Salz und Kümmel (Hessen) als einen viel später eingedrungenen Gebrauch
bezeichnen möchte, der auf rein christlichen Ursprung hindeute. —
Bei der Existenz des allgemeinen Prinzips der sorgfältigen steten Pflege
des Feuers kann man sich jene Vorschriften, die die entgegengesetzte Hand-
lungsweise verbieten, leicht erklären. Hierher gehört das Verbot des Aus-
einanderschürens und des Feuerlöschens mittels Wasser, welch' letzteres
mehrere Erklärungen zulässt. Jene Völker, bei denen das Feuer und das
Wasser als einander völlig entgegengesetzte Elemente gelten oder als zwei
Brüder zueinander im Verwandtschaftsverhältniss stehend angesehen werden
(Parsen, Armenier u.s.w.), lassen keine Berührung beider Elemente zu, da es
einem Brudermorde gleichzustellen wäre, falls das Feuer unter Wasser
stürbe. — Noch öfters treffen wir das Verbot des Feuerlöschens überhaupt
an, da man hierdurch das Feuer des Lebens beraube, was dem Prinzip der
Feuererhaltung und Feuerverehrung widerspricht. (Das Zudecken mit Asche
ist kein Löschen, vielmehr Streben zur Erhaltung des Feuers S. 87.)
Das Zulegen von Holz bildet die eigentliche Erhaltung, gleichsam Fütte-
rung des Feuers. Das Holz, das der Mensch den Flammen zum Verzehren
vorlegt, ist Gabe und Opfer zugleich — wohl die einfachste Opferform, die
der Mensch dem Feuerelement darbringt. Die Idee, dem Herde vollkommenere
Opfer in der Form von Speise und Trank zu widmen, muss man mit der Vor-
stellung des personificirten lebenden Herdes in Verbindung bringen, die die
einfache Abspeisung mit Kolz als ungenügend finden musste (S. 95).
Im zweiten Theile bespricht der Verf. die socialen Funktionen des Her-
des, um uns in das Wesen des gemeinsamen Herd- und Feuerkultes einzu-
führen. Der Herd ist ein vereinigendes sociales Centrum. Personen, die zu-
sammen einen gemeinschaftlichen Herd besitzen, befinden sich infolgedessen
zu einander im Solidaritätsverhältniss und heissen Herdgenossen. In erster
Linie muss die Familie als eine solche Gruppe genannt werden, sowohl die
engere als auch die erweiterte, sog. patriarchalische Familie. In den Kreis der
Ciszewski über Ognisko, ethnologische Studie, angez. von Pivko. 131
Herdgenossen treten ferner noch Schutz suchende Personen, Sklaven, Diener-
schaft, Lehrlinge, ja sogar Hausthiere.
Dieselbe Rolle des vereinigenden Centrums übernimmt der Herd in
grösseren Gruppen der Geschlechter und Stämme.
Die Aufnahme in die Genossenschaft geschieht stets unter besonderen
symbolischen Ceremonien. Selbst die der Genossenschaft entsprossenen
Personen müssen sich als Herdgenossen symbolisch legitimiren, da ihre
Genossenschaftsrechte durch Geburt allein nicht gesichert sind. Fast überall
treffen wir in den Geburts- und ganz besonders in den Hochzeitsgebräuchen
solche Legitimirungen, die heute vom Volke meistens nicht mehr verstanden
werden. — Fremde, von aussen kommende Personen müssen einen zweiten
Weg zur Erlangung der Herdgenossenschaftsrechte betreten, den der Adop-
tirung. Auf diesen Abschnitt hat der Verf. ganz besonderen Flelss verwen-
det und ihn viel reichlicher mit Zeugnissen belegt als die übrigen Theile.
Hier möge der kurze Hinweis genügen (S. 99 — 159).
Der ursprüngliche Mensch dachte sich das jenseitige Leben ganz dem
hiesigen analog. So kommt es, dass er der Meinung war, dass sich die Seelen
der Ahnen in den elyseischen Feldern geradeso wie ihre lebenden Nachkom-
men auf Erden nach Herdgenossenschaften gruppiren. Die Bedürfnisse der
Todten sind natürlich ganz menschlicher Art, vor allem müssen sie essen und
trinken. Sie werden befriedigt, wenn man ihnen auf den Herd Speisen wirft
und Tropfen der Getränke giesst. Der Herd vertritt hier die Stelle des Al-
tars, übt also die Funktion des Vermittlers zwischen der irdischen und jen-
seitigen Herdgenossenschaft aus.
Vom Herde ist schliesslich das ganze Geschick der Herdgenossenschaft
abhängig, sein Leben sichert dieser ein gutes Gedeihen, während sein Tod
(beim Erlöschen) das Absterben der ganzen Gruppe zur Folge haben müsste.
Stark angewachsene Genossenschaften unterliegen dem natürlichen
Spaltungsprocess. Vom Muttergeschlecht lösen sich neue Flügel ab, von der
grossen patriarchalischen Familie trennen sich neue Familien des gewöhn-
lichen Typus und aus dem Stamme treten einzelne Kolonistengruppen heraus
u. s. w. Mit diesen Spaltungen hängen sehr interessante Ceremonien zusam-
men, bei denen der Herd und das Feuer eine wichtige Rolle spielen. Dem abwei-
chenden Flügel wird etwas Glut aus dem mütterlichen Familien-, Geschlechts-
oder Stammesherde mit in die neue Heimat gegeben, damit sich die neue
Gruppe ein festes neues Centrum schaffe. Der alte Herd verleiht Glück und
Wohlergehen. Damit hängt auch die Meinung zusammen, dass durch die
Entwendung des Feuers aus dem Herde der Genossenschaft zugleich das
Glück entwendet werde. Viele Völker weigern sich deshalb, fremden Per-
sonen das Feuer herauszugeben. Dieser Glaube herrscht selbst bei den vor-
geschrittensten europäischen Nationen.
Der gemeinsame Herd- und Feuerkult hat überall in der allgemeinen
socialen Evolution der betreffenden Stämme seinen Grund. Mit diesem Be-
weis und mit einem Anhang über den Namen des Herdpatrones bei den Os-
seten, Safa, schliesst die Schrift (S. 238).
Hiermit habe ich den reichen Inhalt der Studie nur in den allgemeinsten
9*
132 Kritischer Anzeiger.
Zügen angedeutet. Eine jede der aufgestellten Behauptungen wird durch
zahlreiche, lose aufeinanderfolgende Zeugnisse beleuchtet. Mit dieser Me-
thode des Verf. können wir uns nicht ganz befreunden. Er gelangt wohl zu
schönen Resultaten, doch sind diese durch einen aus zusammengewürfelten
Steinen verschiedenster Art zu Stande gekommenen künstlichen Aufbau er-
zielt. Der Verf. hat nämlich in seiner Studie der Herbeiziehung von bist, und
ethnogr. Zeugnissen keine Grenzen gesetzt und auf Grund seiner Sammlungen,
die zwar sehr mannigfaltig sind, aber keineswegs auf irgendwelche Vollstän-
digkeit Anspruch erheben können, gleich eine Gesammtdarstellung der Be-
deutung des Herdes im Völkerleben zu geben unternommen. Daher kommt
es, dass die Schwierigkeiten, die bei der Abfassung ähnlicher Werke stets
auftreten, selbst durch den ausserordentlichen Fleiss des Verf. nicht beseitigt
werden konnten. Die Studie ist unvollständig, wie es bei diesem Plane
anders nicht sein kann. Ausserdem lässt seine Schrift nicht erkennen, auf
welche Vorarbeiten er sich dabei stützte. In dem Gebotenen war er gezwungen ,
sich einen jeden einzelnen Baustein selbst zu holen. Dabei bekommt man
öfters den Eindruck, dass er von seinem Bestreben nach Allgemeinmensch-
lichem geleitet in wildfremden Gebieten herumstreift, ohne vorher das ein-
heimische, näher liegende Material gehörig ausgenützt und erschöpft zu
haben. Fast alle Völker sind in der bunten Studie vertreten, das eine mehr,
das andere weniger, je nach dem Glück, welches den Verf. auf der Suche
nach Zeugnissen begleitete. Aber wir sind nicht in der Lage, uns nur ein
einziges vollständiges Bild zu machen, woraus der ganze Werth und die
wahre Bedeutung des Feuerherdes bei irgendeinem Volke klar zu ersehen
wäre. Man wird jetzt wohl an Specialuntersuchungen in kleinen festen
Grenzen denken müssen, um auf solcher Grundlage der Bedeutung des
Feuerherdes im allgemeinen Völkerleben sichere Stützen zu liefern. Bevor
dies nicht geschieht, wird jeder derartige grosse Versuch gewagt sein.
Aber selbst die als Quellen angeführten Werke wurden in der vorliegen-
den Studie nicht immer ganz ausgenützt. Ueber Altserbien besitzen wir — um
ein Beispiel anzuführen — ein in ethnographischer Beziehung grundlegendes
Werk von I. S. Jastrebov, Oöbi^an h nicHU lypeuKuxt CepöoBi., IItö. 1S86 (Ge-
wohnheiten und Lieder der türkischen Serben, Ptb. 1886), dem wir nur we-
nige ähnliche Arbeiten zur Seite stellen können. H. Ciszewski führt dieses
Werk unter seinen Quellen an und erwähnt es an 4 Stellen der Studie. Wie
viele Stellen, die den Herd betreffen und die wenigstens ebenso wichtig sind
wie die angeführten, wurden da gänzlich unberücksichtigt gelassen!
Auf der anderen Seite hat der Verf. Exkursen, die gar nicht in das
Werk gehören, Raum geboten. Auf S. 42 spricht er von der Entweihung des
Herdes durch die Anwesenheit einer Wöchnerin. Dieser Punkt gibt ihm zu
einer breiten Darstellung Anlass, in welcher er (auf beinahe 10 Seiten) den
Beweis zu erbringen sucht, dass viele Völker das Weib allgemein und zu
gewissen Zeiten für besonders gefährlich und unheilbringend halten. Das
Werk ist ja aber »Ognisko« betitelt !
Dessenungeachtet fesselt die grosse Fülle von interessanten geschicht-
lichen und ethnographischen Daten und der leichte erzählende Ton den
Surmin's Wiedergeburt, angez. von V. Jagic. 133
Leser im hohen Grade. Auch wird die Studie bei weiteren Forschungen auf
diesem Gebiete ein gutes Hilfsmittel abgeben und als solches begrüsseu
wir sie. Ludwig Pivko.
V
Hrvatski preporod. Napisao Büro Surmin (Die kroatische
Wiedergeburt von Universitätsprofessor Gjuro Surmin) I. Od godine
1790 do 1836. Zagreb 1903. 8^. VII. 203, 043. II. Od godine
1836 do 1843. Zagreb 1904. 8«. 287, 040.
Die russische und polnische Literatur hatten sich früher mit der unter
dem Namen des Illyrismus bekannten kulturpolitischen Bewegung befasst,
als zu Hause selbst, in Kroatien, dieser wichtige Abschnitt des Kulturlebens
seinen Bearbeiter gefunden. Ueber die betreffenden Werke Kulakowskij's
und Zdziechowski's wurde im Archiv, B. XVII, S. 304— 306 und B. XXV,
S. 317 — 320 kurz berichtet. Um so mehr ist es jetzt die Pflicht der Zeitschrift
auch das Hauptwerk, das bereits zwei Bände umfasst und bis zum Schluss
des Jahres 1842 reicht, einer Besprechung zu unterziehen. Es war in der
That schon beim Erscheinen des ersten Bandes ein berufener Referent in Aus-
sicht genommen, dessen andauernde Krankheit leider sowohl unsere Zeit-
schrift um einen kritischen Beitrag, aber auch den Verfasser des Werkes um
verdiente Anerkennung gebracht hat. Das Werk Prof. Surmin's beabsichtigt,
wie es auch anders kaum möglich wäre, das ganze geistige Leben der Kroaten
in der Periode zwischen 1790 und 1850, in welche Zeit der Kampf um die
Rechte der Sprache und Nationalität und um die politische Sonderstellung
innerhalb der Länder der ungarischen Krone fällt, in zusammenhängender
Erzälung zu schildern, abwechselnd bald das Bild der politischen bald der
literarischen Zustände uns vorzeigend. Die zur Pflege und Sicherung der
Nationalsprache verlangten Garantien, durch die nationale Bewegung der
Magyaren zu Gunsten ihrer Sprache hervorgerufen, nahmen früher eiuen
politisch-nationalen als literarisch-kulturellen Charakter an. In Agram und
Pressburg kamen zuerst in den politischen Versammlungen der Stände diese
Fragen zur Sprache. Die Kroaten als die Schwächeren wehrten lange Zeit
den aggressiv auftretenden Magyarismus so ab, dass sie sich hinter die
Schutzmauer der althergebrachten Herrschaft der lateinischen Sprache ver-
krochen, wobei die Abneigung vor Concessionen an den dritten und vierten
Stand nicht die letzte Rolle spielte. Der Illyrismus war nur ein späterer Ein-
schlag in dieser Bewegung, seitdem sie beinahe unbewusst eine demokratische
Richtung annahm. Freilich verschaffte gerade das der ganzen Bewegung
eine grössere Tragweite, eine neue Idee bemächtigte sich ihrer, die den
Kämpfern um das natürliche Recht der Nationalität festeren Boden gab und
zahlreiche Kampfgenossen zuführte. Die Idee kulminirte nicht in dem Auf-
sehen erregenden Namen, wenn auch dieser am heftigsten bekämpft wurde.
Der Bureaukratismus hatte sich wieder einmal gewaltig getäuscht, wenn er
mit dem Verbot des Namens auch die Idee glaubte eonfisciren zu können!
134 Kritischer Anzeiger.
Die Idee verfolgte sprachlich-literarische Einigung der bisher in provinzieller
Isolirtheit vegetirenden Theile des Ganzen, worunter man zanächst an Kro-
atien, Slavonien nebst der Militärgrenze und Dalmatien dachte, die kühner
dem Flug ihrer Phantasie folgenden gingen auch weiter und rechneten das
österreichische Illyrien dazu, ferner Bosnien und selbst Serbien, Montenegro
und sogar Bulgarien. Die Hauptverfechter dieser Idee, die Provinzialkroaten
mit Agram an der Spitze, hatten dabei allerdings ein in der slavischen Welt
selten begegnendes Opfer der Selbstverläugnung gebracht, sie entsagten
ihrem seit zwei Jahrhunderten literarisch gepflegten Localdialect zu Gunsten
der sie umgebenden Majorität, wobei ihnen namentlich das hohe Ansehen der
einstigen Republik Ragusa mit ihren klassischen Dichtern vorschwebte. Aber
anders ging es nicht. Nur um dieses vernünftige Opfer war das schöne Ziel der
literarischen Einigung erreichbar. Als Entschädigung dafür bekamen sie nach-
her, nachdem sich die Verhältnisse geklärt hatten, statt des todten ihren leben-
den ethnischen Namen zurück, mit einer kleinen Aenderung in der Form: die
raagyarisirte Benennung Horvat, horvatski wurde durch den einheimischen
Namen Hrvat, hrvatski ersetzt. Wenn man jetzt an der Hand der beiden
Bände des Werkes Surmin's die gewaltigen Schwierigkeiten sich vergegen-
wärtigt, die sich von innen und aussen kommend gegen die dem Illyrismus
zu Grunde liegende Idee aufthürmten und doch glücklich überwunden
wurden, so wird man ohne Uebertreibung sagen dürfen, hier habe einmal die
innere Wahrheit der Sache zum Siege verholfen. Ja wie so zum Siege , wird
man sagen, da ja der Illyrismus vom Schauplatz verschwunden, höchstens
vielleicht noch in der k. und k. österr.-ungar. Marineakademie zu Fiume als
Lehrgegenstand fortlebt. Das ist allerdings richtig und doch fühlt es jeder
unbefangene Beurtheiler jener denkwürdigen Epoche, dass mit der Beseiti-
gung des Namens das Wesen der Sache selbst keinen Schaden erlitten hat.
Ja das gewonnene Resultat steht so fest, mit jedem Decennium fester, dass
es selbst Bürgschaften für die weitere Evolution jener Idee in sich schliesst.
Doch kommen wir zum Werk ^urmin's. Ich halte es für eine sehr zeit-
gemässe, dankenswerthe und im Ganzen wohlgelungene Publikation, die
namentlich der heutigen jüngeren Generation viel Belehrung zuführen dürfte,
die sie aus keinem anderen Werk in gleicher Ausführlichkeit schöpfen kann.
Einiges zur Sache hatte allerdings der 80. Band des Agramer akademischen
»Rad« geliefert. An das dort Gebotene wird auch hier angeknüpft. Soll ich
von diesem Gesichtspunkte ausgehend einige Worte über die Leistung
Surmin's sagen, so muss ich ihm die Anerkennung zollen, dass er mit grosser
Gewissenhaftigkeit das ihm zugänglich und bekannt gewesene Material ver-
wertet und unter Abwägung aller Umstände ein möglichst treues, objectiv
gehaltenes Bild der Thatsachen und Verhältnisse zu entwerfen bemüht war.
Es ist damit nicht gesagt, dass er überall die Ereignisse erschöpfend be-
handelt. Er scheut sich nicht, öfters selbst auf die Lücken in unseren bis-
herigen Kenntnissen der Thatsachen und Motive hinzuweisen. Neue Quellen,
neue Documente, die gewiss noch in Ungarn und Oesterreich in nicht geringer
Zahl stecken mögen, werden mit der Zeit die eine oder andere dieser Lücken
auszufüllen helfen. Schade, dass man hinzufügen muss, dass auch von den
Surmin's Wiedergeburt, angez. von V. Jagid. I35
dem "Verfasser zugänglich gewesenen Archivalien und autobiographischen
Aufzeichnungen oder Memoiren viele noch immer das Licht der Oeffentlich-
keit zu scheuen scheinen. Oder soll ich die Epigonen der Indolenz anklagen,
dass sie sich um die monographische Behandlung solcher Fragen, aus denen
ein Werk wie das Surmin's hervorgeht, gar nicht kümmern? Niemand wird
auffallend finden, dass der Verfasser in den Partien seines Werkes, wo
Gegensätze der magyarischen und kroatischen Auffassung hervortreten , den
kroatischen Standpunkt einnimmt. Er ist unbefangen genug in vielen anderen
Punkten, die nicht die Magyarisirungstendenzen betrafen, der energischen
Vertretung der constitutionellen Rechte seitens derselben Magyaren volle An-
erkennung zu zollen. Vielleicht hätte man hier und da ein näheres Eingehen
auf die Argumentation der Gegenpartei erwarten können, um den Lesern
auch die Kehrseite des Bildes zu zeigen. Es ist mitunter sehr belehrend, den
Gesichtspunkt des Gegners zu kennen.
Um auf den Inhalt einzelner Kapitel näher einzugehen, möchte ich be-
treflfs des ersten die Bemerkung mir erlauben, dass in diesem die schwäch-
liche Vertretung der kroatischen politisch-nationalen Individualität zwischen
1790 und 1830 viel zu kurz behandelt wird. Es scheint fast, als ob der Ver-
fasser hier auf die Wiedergabe der Ansichten Anderer (z. B. Smiciklas) sich
hätte beschränken wollen. Ich befürchte, dass so manchem jüngeren Leser
des Buches das ganze Bild der jämmerlichen Zustände jener vierzig Jahre
nicht klar genug vor die Augen treten wird. Und doch wie wichtig waren die
Ereignisse, die sich während jener Zeit abspielten. Die Einflüsse des Jose-
phinismus, die französische Herrschaft, die Reaction. War man in Kroatien
so stumpfsinnig, dass alle diese Ereignisse an Zeitgenossen wirkungslos ab-
prallten? Das zweite Kapitel, das parallel zum ersten die literarischen Be-
strebungen jener Zeit zur Sprache bringt, befriedigt mehr, und doch fällt es
auf, dass der Verfasser keinem einzigen Slavonier dieser Zeit eine gleiche
Aufmerksamkeit schenkte, wie den kajkavischen Schriftstellern. Ein Krm-
potic, Lanosovic, Cevapoviö u. A. werden gar nicht erwähnt, ein Katancic,
Reljkovic, Maudic, Nagy nur ganz kurz. Das dritte Kapitel, das mit dem
politischen Leben während der Jahre 1830 — 1835 uns vertraut machen soll,
bleibt ebenfalls hinter dem nächstfolgenden literarischen Bild derselben Zeit
weit zurück. Ob die Ueberschrift , die ihm der Verfasser vorlegte : »Hrvati
odlucuo braue stara svoja prava« wirklich gerechtfertigt ist, will ich dahin-
gestellt sein lassen. Einzelnen Namen, wie Graf Janko Draskovic oder Derkos,
die mit politischen Broschüren die Gesellschaft zur Vertheidigung ihrer natio-
nalen Rechte aufrütteln wollten, steht die Energielosigkeit vieler Anderer
gegenüber,um von verblendeten Vertheidigern des gegnerischen Standpunktes
in der Art eines Salopek gar nicht zu reden. Das Hauptgewicht des ersten
Bandes fällt auf das vierte und letzte Kapitel, das die literarische Thätigkeit
zwischen 1830 und 1835 behandelt, auf S. 114— 223, also die Hälfte des ganzen
Bandes umfasst. Die Ausführlichkeit dieses Kapitels erklärt sich daraus,
dass hier der Hauptheld der ganzen Bewegung, Ljudevit Gaj, und zwar zu-
nächst mit seinen Jugendjahren zur Darstellung kommt. Wenn wir auch
nicht viel neues erfahren, sind die biographischen Daten doch hübsch gruppirt
1 36 Kritischer Anzeiger.
und die Eindrücke, die der schwärmerische Jüngling aus seinem lebhaften
Verkehr mit Landsleuten und anderen Slaven auf seiner Studienreise gewann,
recht anschaulich dargestellt. Allerdings möchte ich mich auf seine auto-
biographischen Notizen nicht ganz verlassen, Gaj liebte seinen einzelnen
Schritten und Entschlüssen poetische Verklärung beizulegen oder sie in
einem höheren Lichte erscheinen zu lassen. Ich erinnere mich einer Er-
zählung seiner Freunde, wie er einmal in Zagorien bei einem trostlosen Weibe,
dessen Kind gefährlich krank war, die Rolle des Heilandes spielen wollte,
doch versagte der Erfolg. Er mag öfters, halb unbewusst, solche Rollen ge-
spielt haben, die vielleicht auch seinen Fall zuletzt mitverschuldeten. Das
Buch ^urmin's, ohne gerade in einen Fanegyrikus auf Gaj auszuarten, lässt
ihm volle Gerechtigkeit widerfahren. Ich rechne ihm das hoch an. Er legte
keinen einseitigen Massstab auf die Beurtheilung dieses merkwürdigen
Mannes an: weder als Schriftsteller, noch als Gelehrter, noch weniger als
Dichter leistete Gaj Bedeutendes. In jeder von diesen Beziehungen waren
ihm einzelne von der Umgebung weit überlegen. Und doch war er etwas,
was allen anderen fehlte, er war ein zur Führung geborener Geist, ein wenn
man will höherer patriotischer Agitator, in welchem die fascinirende Kraft
der poetisch angehauchten Beredtsamkeit mit dem praktischen Blick für die
wahren Bedürfnisse des nächsten Augenblickes glücklich gepaart war. Man
muss die übrigen Kampfgenossen persönlich gekannt haben, um zu begreifen,
wie sie ganz und gar nichts ohne Gaj in der grossen Aufgabe, das nationale
Bewusstsein in allen Sphären des Lebens zu erwecken und zu Thaten auf-
zurütteln, hätten erreichen können : der tiefsinnige Dichter Iv. Mazuranic war
im hohen Grade schwerfällig, um nicht zu sagen indolent; Demeter hatte nur
viel Sinn fürs Theater; A. Mazuranid und V. Babukic waren brave, pflicht-
getreue Vollführer fremder Aufträge; St. Vraz fühlte nicht den festen Boden
unter Füssen, er zog vor, sich ästhetischen Betrachtungen und ethnographi-
schen Interessen hinzugeben. Allen zusammen ging praktischer Sinn, Be-
geisterung, Ehrgeiz und Rührigkeit Gaj's gänzlich ab. Er verstand andere
für sich arbeiten zu lassen. Ich erinnere mich noch der Erzählung, die einst
A. Mazuranic zum besten gab über die Schwierigkeiten, die das Redactions-
comite zu überwinden hatte um den bekannten »Oglas« zu Stande zu bringen.
Bis tief in die Nacht waren sie damit beschäftigt um die richtigen Ausdrücke
zu finden. Selbst solche Worte, wie narod, erregten Bedenken. Wie schade,
dass der alte Mann, der in den letzten Jahren seines Lebens einem wandeln-
den Schatten glich, solche Scenen nicht niederschrieb ! Mit der Proklamation
des lUyrismus für die Sprache, Literatur und die ganze nationale Bewegung,
die für den Anfang des Jahres 1836 angekündigt wurde — einzelne Stimmen
der Illyrier aus verschiedenen Gegenden hatten sich schon früher gemeldet
— beschliesst der erste Band des ^urmin'schen Werkes. Ich hätte hier seitens
des Verfassers eine Auseinandersetzung der Motive erwartet , die Gaj und
seinen Kreis veranlassten jetzt mit dem proklamirten lUyrismus anzufangen.
Der ganze zweite Band, der an Umfang um etwa 60 Seiten stärker ist,
als der erste, ist den äusseren und inneren Begebenheiten des lUyrismus
während eines Zeitraumes von sieben Jahren (1836 — 1842) gewidmet. So
Sarmin's Wiedergeburt, angez. von V. Jagid. 137
reichhaltig sammelt sich der Erzählungsstoff an, wenn man tief in die dama-
ligen Zeitströmungen und die Geisterrichtung der Gesellschaft eindringt.
Warum der Verfasser diesen reichen Inhalt nur in drei Kapitel eingetheilt,
warum er z. B. nicht aus dem fünften Kapitel, das die Jahre 1836 — 1839 um-
fasst, in der bisher beobachteten Weise zwei getrennte Kapitel, ein kultur-
politisches und ein literarisches, gemacht hat, das entzieht sich meiner Ein-
sicht. Hat er ja doch den nächsten Zeitraum, nämlich die Jahre 1839 — 1842,
in der That wieder in zwei Kapiteln behandelt, deren erstes (das jetzige
sechste) über die politischen Angelegenheiten dieses Zeitraumes, zweites (das
jetzige siebente: über die literarisch -kulturellen Angelegenheiten referirt.
In ähnlicher Welse hätte es sich empfohlen aus dem fünften Kapitel die
Schilderung der politischen Situation in Ungarn und Kroatien während der
Zwischenzeit der beiden Reichstage, des im Jahre 1836 geschlossenen und des
im Jahre 1839 eröffneten, dann die Bemühungen des immer bewusster auf-
tretenden lUyrismus durch Gründung von Lesevereinen und mittelst der
theatralischen Vorstellungen den Regungen des nationalen Individualismus
entgegenzukommen, endlich die Bekämpfung der illyrischen Richtung seitens
der wenigen Vertreter des engen Provinzialpatriotismus, wobei leider die
Einmischung Kopitars keine schöne Rolle spielte, — alles das als ein eigenes
nichtliterarisches Kapitel herauszuheben, um den literarischen Erzeugnissen,
die allerdings fast ausschliesslich in der »Danica ilirska« zum Ausdruck
kamen, ein entsprechendes parallelgehendes Kapitel zu überlassen. Doch
diese Desiderata berühren Nebensächliches. Wichtiger ist es hervorzuheben,
dass die Darstellung des Verfassers sich durch ruhige Auffassung auszeichnet,
dass sie Thatsachen sprechen lässt und dem Leser überlässt, wenn er will,
ein schärferes Urtheil auszusprechen, als er es selbst thut. Das gilt sowohl
über das Verhältniss der Slovenen zu dem Illyrismus wie über das der meisten
Serben. Man kann die Ruhe des Verfassers gegenüber diesen beiden dem
Illyrismus abhold gewesenen Tedenzen nicht genug loben. Für jene Zeit
konnte ja der Illyrismus weder in sprachlicher Beziehung noch nach ästheti-
schem oder wissenschaftlichem Werth seiner Leistungen auf solche Literatur-
producte hinweisen, die den skeptischen und befangenen Beobachtern dieser
Bewegung von rechts und links Bewunderung eingeflösst hätten. EinVrazwar
zu schwach, um die Mehrzahl der Slovenen mit sich zu reissen, dagegen ein
Presern reichte hin, um die neue Richtung zu hintertreiben. Dass der Verfasser
dennoch sein Bild in das Werk aufnahm (zur S. 60 — 61), zeugt von seiner milden
Beurtheilung; eigentlich gehört es nicht hinein. Ja man könnte vielleicht
sagen, dass selbst Vraz nicht den richtigen Weg damit eingeschlagen, dass er
die Pflege des Slovenischen gänzlich aufgab. Dadurch konnten ja seine
Landsleute nur zurückgeschreckt werden, zumal die Krainer, denen es doch
nicht so leicht war ihren Dialect aufzugeben, wie den Provinzialkroaten, die
sich mit den sto-sprechenden Slavoniern in einem fort berührten, mit ihnen
politisch und kirchlich vereinigt waren. Wenn man so von Wünschen eines
Jarnik oder Mursec hört, da muss man von neuem den praktischen Scharf-
blick Gaj's bewundern, der auf die gewünschten Compromisse nicht einging.
Um den Preis einiger grammatischer Formen waren ja die Slovenen so wie so
138 Kritischer Anzeiger.
nicht zu haben und Gaj hätte riskirt seine schöne Idee selbst bei Slavoniern,
Dalmatinern und anderen Sto-sprechern kalt zu stellen. Noch lehrreicher sind
in dem Werke Surmin's die Aeusserungen über den von den Serben gegenüber
dem Illyrismus eingenommenen Standpunkt. Mit Eecht geht der Verfasser
darauf mit Sorgfalt ein. Es sind ja seitdem ungefähr siebzig Jahre verflossen,
die befruchtende Kraft der dem Illyrismus zu Grunde liegenden Idee hat den-
noch nicht aufgehört fortzuwirken. Sie modificirt sich in der Form, aber ihr
Wesen bleibt aufrecht, sie hat noch heute mit inneren und äusseren Wider-
sachern zu kämpfen, allein sie macht Fortschritte und das spricht für ihre
Berechtigung, für ihre Wahrheit. Auf die Fülle des Erzählungsstoifes der
beiden letzten Kapitel will ich gar nicht näher eingehen. Wer sie durchliest,
wird mit Befriedigung das Buch niederlegen, selbst wenn im Einzelnen
manches nachgetragen werden könnte , namentlich nach Aeusserungen in
fremden Literaturen, politischen Broschüren, periodischen Zeitschriften u. s. w..
die ich für dieses Werk fast gar nicht herangezogen finde. Das wird übrigens
nachträglich geschehen können, wenn die Aufmerksamkeit des lesenden
Publikums, wie man es erwarten sollte, den Verfasser zu neuen Auflagen auf-
muntert. Da ich den Plan der weiteren Darstellung nicht kenne, so weiss
ich auch nicht, ob sich der Verfasser in bisheriger Weise mit der fortlaufen-
den Erzählung an dem Faden der aufeinanderfolgenden Ereignisse begnügen
wird, oder ob in seinem Werke auch gewisse Ruhepunkte eintreten werden,
die er dazu benutzen könnte, uns eine Charakteristik der Hauptrepräsen-
tanten der ganzen Bewegung zu liefern. Ich würde das entschieden wün-
schen. Es ist ja nicht genug an dem, dass vor dem Leser eine ganze Reihe
von Namen theatralisch einherschreitet, er möchte mit einigen Worten auch
den Charakter der Träger jener Namen geschildert sehen. Z. B. im zweiten
Band des »Preporod« kommt Banus Vlasic einige Male, aber immer nur
nebenbei zur Sprache, und doch ist die Rolle, die die Baue seit jeher in
Kroatien gespielt haben, keine unbedeutende. Wer kann sich nun nach den
abgerissenen Bemerkungen über Vlasic in diesem Buche ein anschauliches
Bild schaffen? Ob wir von Haller, Haulik u.v.a. mehr erfahren werden,
weiss ich nicht, und doch wäre das ebenso wünschenswerth, wie eine zu-
sammenfassende Charakteristik der Männer aus der nächsten Umgebung
Gaj's. Ich empfehle dieses Desiderium der freundlichen Erwägung des Ver-
fassers. V. J.
Zur Phonetik des Dialectes von Polstrau, von Prof. Dr. K. Ozvald.
Im 54. Jahresberichte des k. k. Staatsgymnasiums in Görz. 1904.
S. 1—16.
Einen willkommenen Beitrag zur Kenntniss der slovenischen Dialecte
Steiermarks hat uns heuer Herr Dr. K. Ozvald geliefert. Schade nur, dass
solche oft recht wertvolle Beiträge bei der Unzugänglichkeit der Gymnasial-
Ozwald, Dialect von Polstrau, angez. von Grafenauer. 139
Programme, die im Buchhandel gewöhnlich nicht zu finden sind, meist unbe-
achtet gelassen werden und der Vergessenheit anheimfallen*).
Der Polstrauerdialect ist desshalb interessant, da sich bei ihm Erschei-
nungen der steierischen Dialecte mit den äussersten Ausläufern jener Er-
scheinungen verbinden, die dem Jaunthalerdialecte in Kärnten eigenthümlich
sind. Ersteres ist der Ersatz des Halbvocales durch e auch an unbetonter und
schwachbetonter Stelle, die Behandlung des t als mittleres l ausser im Part.
Perf. IL, dieses die eigenartige Behandlung des w vovj: "fwa, prcV'ß ko"j, dem
im Jaunthalerdialecte dasselbe entspricht: svija {i für nasalirtes i) kuhtja,
zaklfjeti u. 8. w. Auch die Aussprache des starkbetonten a als o (Ozvald
schreibt a, dessen Aussprache von der eines offenen o um nichts abweicht)
ist neben mehreren steierischen Mundarten dem Jaunthalerdialecte eigen.
Interessant ist es auch, dass sich der Dialect von Polstrau in Bezug auf a an
die Kärntnerdialecte mit ihrem offenen e anschliesst, das dem offenen Nasal-
vocale des Jaunthalerdialectes entsprechend wohl aus offenem Nasale f zu
erklären sein wird. Das o (<h) hat aber schon theilweise in die Bahnen des
etym. o eingelenkt : mos roka (enges o) — döga mbski.
Der Accent ist exspiratorisch wie in den meisten steiermärkischeu
Mundarten; die westliche Grenze dieser Betonungsart ist das Miessthal in
Kärnten (Jaunthalerdialect), das sich hierin ganz an die benachbarte Steier-
mark anschliesst, während westlich davon in ganz Kärnten und zwar schon
auf den das Miessthal westlich abgrenzenden Hügeln (St. Daniel, Strojna) der
musikalische Accent herrscht. Der Herr Verfasser hätte wegen des exspira-
torischen Accentes die Quantität mehr berücksichtigen sollen, über die er
uns so ziemlich im Unklaren gelassen hat, da uns die Bemerkung, nur betonte
Silben könnten lang sein (S. 2), unmöglich genügen kann. Auch die Fixi-
rung der Laute ist etwas zu allgemein und ungenau, denn die Erklärung: »f
ist ein enger zwischen e und i liegender Laut, i ein enger zwischen i und e
liegender Laut« (S. 3) kann uns auf keine Weise zufriedenstellen. Eine Ein-
heitlichkeit der Lautzeichen zu phonetischen Studien im Slovenischen wäre
dringend erwünscht. Dass wir nur nicht zu lange darauf warten müssten !
Doch verschwinden diese kleinen Mängel dem Ganzen gegenüber ; die
kleine Abhandlung ist sehr lesenswerth und gibt in einer kurzen, abgerun-
deten Darstellung manches Bemerkenswerthe. Möge der Herr Verfasser es
nicht versäumen uns recht bald auch mit der versprochenen Morphologie
seiner heimathlichen Mundart bekannt zu machen und seiner folgenden Ab-
handlung auch einige Sprachproben beizufügen. Ivati Grafenauer.
*) In diese Klage kann auch die Redaction einstimmen, da selbst der Ver-
fasser es nicht der Mühe werth gefunden , sie von der Existenz seiner Ab-
handlung in Kenntniss zu setzen. -A. f. sl. Ph.
140 Krit. Anzeiger, Breyer, bio- u. bibliogr. Beiträge, angez. von Resetar.
M. Breyer, Prilozi k starijoj knjizevnoj i kulturnoj povjesti hrvat-
skoj. Agram 1904, Selbstverlag. 8», 203 S. Preis 3 Kronen.
Herr M. Breyer, Buchhändler in Agram, hat seine in verschiedenen
Journalen zerstreuten Aufsätze biblio- und biographischen Inhaltes zur
älteren serbokroatischen Literatur- und Kulturgeschichte, welche schon ein-
mal von ihm vor einigen Jahren in einem Hefte herausgegeben worden waren
(Nesto gradje staroj hrvarskoj knjizevno-kulturnoj povjesti, Kreutz 1898, 80,
76 S.), nunmehr zum zweiten Male edirt. In dieser zweiten Ausgabe finden
wir mehrere neue durchwegs interessante Beiträge, worunter eine sehr aus-
führliche Lebensbeschreibung (S. 107 — 157) des aus Budva in Dalmatien ge-
bürtigen bekannten Hochstaplers des XVIII. Jahrh. Stephan Zanovic , dann
eine (bisher wenig bekannte) Biographie des Lexikographen Voltiggi (Voltic)
und neue, ungedruckte italienische Gelegenheitsgedichte des Mathematikers
Boskovic. Von den älteren Aufsätzen wurde derjenige über den Buchdrucker
Boninus de Boninis vervollständigt, indem es Herrn B. gelang zu erweisen,
dass dieser (neben Paltasic von Cattaro) älteste südslavische Buchdrucker
nebenbei auch als Emissär der venetian. Regierung thätig war, wofür er als
Belohnung zuletzt das einträgliche Dekanat von Treviso erhielt, wo er noch
im J. 1526 lebte. Dadurch ist auch erwiesen, dass das in einer Kirche auf der
Insel Lagosta (bei Ragusa) , der Heimath des Boninus, aufbewahrte Bild,
welches die Inschrift trägt: ». . . Boninus de Boninis decanus Tarvisinus aere
suo f. f. MDXVI.c, wirklich von ihm gewidmet wurde, wovon bis auf den
heutigen Tag die Tradition auf der kleinen Insel sich erhalten hat. Dagegen
hätte in dieser neuen Auflage der kleine Aufsatz »Nepoznato djelo Tome
Baseljica, Dubrovcanina« ausbleiben sollen, denn das von B. diesem Bischof
von Stagno auf Grund einer alten handschriftlichen Angabe zugeschriebene
Werk »Historia illustrium Romanorum a Jano usque ad captam a Gothis
urbem. Jampridem edita per Fr. Thomam . . . (Romae 1510)« hat nicht diesen
Ragusaner, sondern den Director der vatikanischen Bibliothek Fr. Thomas
Ochsenbrunner zum Verfasser. M. R.
Kleine Mitth eilungen.
Der Ausdruck bicaä's in altkirchenslamschen Denkmälern,
In der vita Methodii ist der Brief des Papstes Hadrian an die Fürsten
Rostislav, Svatoplk und Kocel enthalten. In diesem Brief kommt folgende
Phrase vor : ame k-bto ffi ci.öi.paH'EiHX'B Baait oyinie^iB h gennomiix'B caoyxTH h w
HCTHH-H WBpamaiOmHX'L Ha 6;iÄaH HaqtHGTB ÄBpBHOyB'L HHaKO paSBpamaTH ETI
rasA KEHrra Msiana Bamero , ja öoyAext OTtJioy'ieH'L ne xxkxmo Excoysa
Ht u upKBG ÄOHÄC CA ucnpaBHTB. Die im Druck hervorgehobenen Worte
müssen offenbar so gelesen werden statt der handschriftlichen Ueberlieferung
des Uspenskischen Sbornik saec. XII und anderer Handschriften, wo es heisst :
Hl. TXK1.M0 Btcoysa HB HpKBe. Somit gewinnen wir in der Vita Methodii einen
Beleg für das Wort B-BCmat in der Bedeutung communio, das wir aus den
Kijewer und Wiener Blättern kennen. Es ist wichtig hervorzuheben, dass
der Brief des Papstes Hadrian lateinisch geschrieben war, darnach ist auch
hier Btc&jt Uebersetzung des lateinischen Wortes communio. Denn auch
das Missale der Kijewer Blätter war im Original lateinisch geschrieben. Es
ist mir übrigens fraglich, ob b-lcaäi» unmittelbar aus dem lateinischen Wort
communio geflossen ist,vielleicht ist es wörtliche Uebersetzung des griechischen
Wortes tyxQiai;-. Warum tyxQiais bei der Uebersetzung aus dem Lateinischen
das Wort communio ersetzte, das ist mir nicht klar. Das sollten die Byzan-
tinisten erklären. Wenn aber b-bcaät. eine unmittelbare Uebersetzung aus
dem griechischen tyxqiai; darstellt, dann könnte man daraus folgern: 1. dass
dem Verfasser der Vita Methodii das Schreiben des Papstes Hadrian in
griechischer Uebersetzung vorlag, und 2. dass auch das glagolitische Missale
in gleicher Weise auf die griechische Uebersetzung des lateinischen Originals
zurückzuführen sei.
Auf jeden Fall ist durch das Wort BtcAa-B der Zusammenhang zwischen
der Vita Methodii und dem Texte der Kijewer und Wiener Blätter herge-
stellt, da man bisher aus anderen slavischen Denkmälern das Wort nicht
kennt. ^,
April 1904. A. Sachmatov.
Der verehrte Verfasser dieser werthvollen Notiz geht von der Ablei-
tung des Wortes BtcmÄi. von c&;i;t. und b-b aus. Ich habe immer den Ausdruck
von dem Adverbum Bi.Ciii;ioy (ubivis ubique) abgeleitet: das was überall ist,
ist auch allen gemeinsam. So dachte ich mir die wenn auch nicht ganz rich-
tige Auffassung des lateinischen Ausdrucks communio seitens desjenigen
142 Kleine Mittheilungen.
Slaven, der für KOMtKaxH, KOM-BKaHHie (communicare) einen alavischen Aus-
druck setzen wollte. Dass tyxgiais wörtlich zwar durch BtcAai. wiedergegeben
werden könnte, das ist wohl richtig. Doch ist die Bedeutung lyxgiais, so weit
ich sie aus Wörterbüchern kenne, weit entfernt von dem lateinischen com-
munio, und auch das einmal in der heil. Schrift vorkommende Verbum eyxqi-
fsa&cci wird einfach durch c&ähtu übersetzt (2. Cor. X, 12. Wer an meiner
Ableitung festhält, für den entfallen die Schwierigkeiten, wie die einer
griechischen Vorlage des Schreibens des Papstes Hadrian oder gar des Mis-
sais der Kijewer Blätter. Beides gewiss im höchsten Grade unwahrschein-
lich! Dagegen kann der Zusammenhang der vita Methodii mit den Kijewer
und Wiener Blättern, durch diesen Ausdruck angeknüpft, auf den Verfasser
der vita Methodii bedeutsames Licht werfen und seine für mich schon lange
feststehende, ganz verschiedene von dem Verfasser der vita Cyrilli Indi-
vidualität neu bestätigen. V. J.
Ein Nachtrag zu Bd. XXVI, S. 571.
Professor E. Sievers hatte die Freundlichkeit, die Redaction der Zeit-
schrift darauf aufmerksam zu machen, dass er bereits in der Leipziger Philo-
logenversammlung, die im Jahre 1872 stattfand, für die slavische Imperativ-
form pmu (rBci) auf die Erklärung kam, die jetzt Prof. M. Resetar, ohne eine
Ahnung davon gehabt zu haben, von neuem vorgetragen hat. Es ist aller-
dings auffallend, dass von der Erklärung Siever's keine Notiz in die Werke,
die sich mit der kirchenslav. Grammatik abgaben, gekommen ist. Weder bei
Miklosich, noch bei Leskien, oder in irgend einem russ. Werke geschah
dieser Erklärung Erwähnung. Wir citiren die betreffende Stelle aus den Be-
richten über die Verhandlungen der Versammlung, Leipzig 1872, S. 192, nach
der uns freundlich zugekommenen Anführung von Prof. Sievers selbst. »Auch
für die besondere Neigung der palatalisirten Gutturale, die ihnen vorauf-
gehenden Vocale heller zu färben, kann ich aus den slavischen Sprachen eine
Analogie beibringen. Im Altbulgarischen behalten nämlich alle eiufachen
Präsensstämme mit dem Wurzelvocal e diesen in dem auf i ausgehenden Im-
perativ unverändert bei (z. B. von nesa nesi, von veda vedi u. s. w.}, mit Aus-
nahme der auf einen Guttural ausgehenden Wurzeln, welche das e der Wurzel
vor dem durch die Endung i palatalisirten Guttural zu t schwächen: j-eka nci,
peJca pici, teka tici; ähnlich bildet zega die 2. sg. präs. zizesl, den Aorist
zize u. s. w. (s. Schmidt, Zur Gesch. des indog. Vocalismus, S. 25).«
Ljudevit Stur's slovakische Monatshezeichnung .
Mit dem Monate August des Jahres 1845 begann Ljudevit Stur die Zeit-
schrift »Orol Tatränski«ij in Pressburg herauszugeben und zwar slo-
vakisch.
1) Als Unterhaltungsbeilage zu seinen »Slovenske Noviny«, die ich
jedoch nicht zur Hand bekam.
Kleine Mittheilungen. 143
Beim Durchblättern derselben fand ich nun eine Monatsbezeichnung,
die Miklosic in seiner Abhandlung über die Monatsnamen (DenkschriftenXVII)
nicht berücksichtigt hat.
Die Monate heissen da: vel. secen (Jänner), maly secen (Februar), brezen
(März), duben (April), kveten (Mai, , lipen (Juni), cervenec (Juli), klasen (Au-
gust), maly rujau (September;, vel. rujan (Oktober), listopad (November),
prosinec (December).
Unter diesen Namen fällt vor allem die Bezeichnung des Jänners und
Februars auf. Secen heisst der Jänner oder Februar im Südslavischen, im
Böhmischen kommt dieser Name dem Monate Juli zu, »sie. et mor. Alit. =
Augustus« (Juugmann und nach ihm Miklosic). Stur's Benennung dieser Mo-
nate weicht also von der gewöhnlichen cecho-slavischen ab und nähert sich
der südslavischen.
Aus dem nämlichen Grunde fällt der Name des Juni lipen auf, der dem
südslavischen lipanj entspricht. Unter lipa führt Miklosic überhaupt nichts
Cecho-slavisches an, Jungmann aber sagt unter lipen: »siez. = cervenec«
(also Juli).
Aehnlich verhält es sich mit der Bezeichnung der Monate September
und October. Für das cechische zari und rijen (»ehedem September, jetzt
October«, Miklosic; haben wir da maly und vel. rujan. Bei §tur sind also die
alte und neue cechische Bedeutung des Wortes rujan [rijen] gewissermassen
verknüpft und kommt der Name beiden Monaten zu mit der Unterscheidung
durch maly und veliky. Gleichzeitig muss erwähnt werden, dass diese ehe-
malige cechische und in einem ätur'sche Benennung des Monates September
auch südslavisch ist : serbokroatisch rujan = September.
Auch klasen = August soll hervorgehoben werden. Jungmann hat das
Wort überhaupt nicht. Miklosic führt klasen als Aehrenmonat (lunius) aus
Ev. Tirn., Jambr., Saf. Gesch. der südsl. Lit. II. 322, 367 an, also südslavisch;
jetzt kann man noch eine südslavische Belegstelle anführen: der älteste bis-
her bekannte kroatische Kalender aus dem Jahre 16531) nennt den Monat
Juni klaszan.
Die nämliche Monatsbezeichnung wie bei Stur findet sich auch im Ka-
lender »Domovä Pokladnica«, den Daniel Lichard seit dem Jahre 1847 her-
ausgegeben hat; nur hat dieser für den Monat Mai die Benennung traveti, die
ebenfalls mit dem Südslavischen übereinstimmt und die auch Miklosic kennt
(»träven cech. Malus, bei den Mährern und Slovaken lunius«).
* *
Anfangs dachte ich, dass diese zum Südslavischen neigende Monats-
bezeichnung bei den Männern der slavischen Renaissance unter den Slovaken
ein Kunstproduct sei und etwa den Sympathien entspringe, welche man
dort zu den Slaven der südlichen Länder der Stephanskrone hegte.
Namentlich fiel es mir auf, dass der maly secen dem veliky folgt und
^] Besprochen in der Agramer »Prosvjeta« 1904, H. 1, pag. 30 — 31, von
E.Laszowski; auchBelostenec kennt diesen Namen des Monates; desgleichen
Körnig, Kroat. Sprachlehre, 1795; vgl. auch Danica 1837, p. 6!
144 Kleine Mittheilungen.
nicht umgekehrt; ich dachte da an (slovenisch) inali traven = April, veliki
traven = Mai , malt srpan = Juli , veliki srpan = August , an (altböhmisch)
maly cerven, cerven mensi = Juni , cerven veliky = Juli V . Allein dieser Ge-
danke trat bald in den Hintergrund, da sich auch Fälle von der entgegen-
gesetzten Reihenfolge zeigen: es kommen da nicht so sehr der südsl. veliko-
inesnjak (August) und 7na/omesw;aÄ (September) in Betracht, die dem Gross-
und Kleinfrauentag entsprechen, als vielmehr: die heutigen böhmischen
Monatsnamen cerven = Juni, cervetiec = Juli, klr. majik = September (also
nach dem Mai), it. giugnetto = Juli (kleiner Juni); namentlich fällt aber da-
bei ins Gewicht der bulgarische golem secko = Jänner, malki secko = Februar,
desgleichen der nlaus. vuiki rözk = Jänner, dem der ?na/j/ rözk folgt, vgl.
grosser und kleiner Horning (Erben im CCM, 1849, 162), vgl. auch klr. Ij'utyj
und paJjutyj.
Zu beachten ist dabei, dass sich in der Monatsbenennung ^tur's neben
der Aufeinanderfolge veliky — maly secen die umgekehrte ??2a/j/ — veliky ruj'an
befindet. Leicht begreiflich finden diesen Wechsel diejenigen, die beim Worte
seceti an das Schneidende der Kälte denken , beim rujan aber ganz unglaub-
würdig an das südsl. rujno (vince) — wie Erben, der zari wirklich als maly
rujan erklärt (CCM. 1849, 152)2).
An eine künstliche Erfindung der Benennungen veliky — maly secen
durch Stur kann nicht gedacht werden. Das bezeugen positive Zeugnisse.
In der Zeitschrift »Slovenske Pohl'ady« 1891, pag. 507 wird berichtet,
es sei in den vierziger Jahren (des XIX. Jahrhunderts) in dem Trenciner
Komitate gehört worden, wie jemand einfache Leute verlachte, weil sie
sprachen: vel'ky secen, maly secen; d. h., wer da spricht: vel'ky secen, maly
secen, spricht »ungebildet«, »januär«, »februär« ist »gebildet« (vzdelane).
In der Sammlung «Slovenskä pHslovi, porekadla a üslovi« von
A. P. Zäturecky (Praha 1896) findet sich das Sprichwort: Maly secen protivi
sa vel'kömu (= im Februar ist die Kälte ärger als im Jänner). Herr Jos. §kul-
tety, der Redacteur der Zeitschrift «Slovenske Pohl'ady«, dessen Liebens-
würdigkeit ich diese letzten Daten verdanke, berichtete mir, Leute hätten
ihm erzählt, dass sie das Sprichwort gehört haben: Maly secen posmieva sa
vel'kemu. Nach dem nämlichen Berichte sei in Dechtice (Pressburger Ge-
spanschaft) das Sprichwort: Keby maly secen mal take prävo, ako hruby
secen, zamrazil by v krave tel'a.
Hiermit ist es wohl erwiesen, dass dem Namen secen für Jänner-Februar
slovakische Autochthonität zukomme. Hat ja auch Lo o s in seinem »S4ownik
1) Auch gibt die Erklärung der veljaca von velij dem Februar das Epi-
theton veliky, und nicht dem Jänner; vgl. übrigens Relkovi(5(Kucnik, uOseku
1796): »Dobri Ijudi razlozno provode poklade: po starinski mad sobom
velj'aj'u, sto od davna il od skora znaju; obtud, mislim, da veljaca posta«.
2) Als maly gilt übrigens der September im Verhältniss zum October
gewissermassen auch bei der Erklärung der Namen züri und rijen von rjuti;
denn »nach Brehm fängt die Brunstzeit des Hirsches mit Eintritt des Monates
Septembers an und dauert bis Mitte October« (bei Miklosic) ; vgl. zarev^ An-
fang des BrüUens.
Kleine Mittheilungen. 1 45
madarskej, nemeckej a slowenskej reci« (Pest 1869 — 1871) im deutschen
Theile für Jänner: Januar, ladon, secen; im slovakisch-majryarisch-deutschcn
sowie im magyarisch-deutsch-slovakischen Bande ist sece7i nicht angeführt,
was wohl von der geringen Uebliclikeit dieser Bezeichnung zeugen dürfte.
Für Februar hat Loos neben dem lat. Namen bloss tinor.
Im nämlichen Lexicon ist im slovakisch-magyarisch-deutschen Theile
lipe?l als Juli angeführt, was Jungmann als schlesisch bezeichnet.
Im slovakischen Volksmunde bleibt mir vorläufig der Monatsname
klaseii unbelegt.
Dagegen finde ich bei Loos im deutschen Theile für Juni neben cerven
auch zuzen ; vgl. damit das zweifellos als Monatsname anzusehende zviren, das
im CCM. 1848, II. 329 genannt ist; V. Dusan Lambl veröffentlicht da einen
»Slovnicek slovensky«, den er aus den Schriften Kollärs, Sturs, Hurbans und
anderer Slovaken, namentlich aber aus eigenen Aufzeichnungen während
einer Reise durch die Slovakei im J. 1846 angelegt hat; Lambl spricht da
von der Tatra und sagt; »Tatry liptovskö jsou nad miru pamätne v prirod-
nim ohledu: onyt' obsahuji nejkräsnejsi rozmanitost iitvarü geologickych v
nejblizsim sousedstvi vedle sebe ... A tak se i Kvetena i Zvifena
objevuje: ve slujich pod Poludnici zkameneliny pfedpotopni, na Choci nej-
bujnejsi, nejvzäcnejsi rostlinstvoi). . . .«
In den slovakischen Kalendern des XVII. und XVIII. Jahrh. finden sich,
wie mir Herr Skultety berichtet, nur lateinische Monatsnamen. Das gewöhn-
liche Volk gebrauchte aber gewiss seine slavischen Bezeichnungen, und hier
setzten die Wiedererwecker des slavischen Volksthums unter den Slovaken
in der ersten Hälfte des XIX. Jahrhundertes ein. . . . Allein nach dem Jahre
1848 blieb man bei den lateinischen Monatsnamen.
Durch die Erweisung der slovakischen Volksthümlich-
keit der besprochenen Monatsnamen wäre ein neuer Zusam-
menhang der nordslavischen Dial ectengruppe mit dem Süd-
slavischen dargethan (vgl. Archiv XXL 212, XXIL 494).
Allein hiermit gewinnt nicht etwa die kühne Klassifikation Dr. Czam-
bel's, der in seinem Buche »Sloväci a ich rec« (Budapest, 1903) die Slovaken
einfach zu den Südslaven wirft.
Hiermit ist nur neuerdings die Thatsache bestätigt, dass die Slovaken
einstei^ß (vor dem Einbrüche der Magyaren) in einem ununterbrochenen Con-
tinuum mit den Slaven Pannoniens und des südlichen Ungarns wohnten und
die dialectische Verbindung zwischen den heutigen Südslaven einerseits und
den Cechen und Polen andererseits herstellten.
Ljublj ana. Dr. Fran Hesic.
1) Der nämliche Lambl führt aus Dalmatien (oder dem kroat. Küsten-
lande) gospin tnesec = August an (CCM. 1851, 22); vgl. bei Miklosic gospojnik,
gospodinstak.
Archiy für slavisclie Philologie. XXYII. 10
146 Kleine Mittheilungen.
Nochmals Klagenftirt-Celövec^).
In der Streitfrage, die sich über die Erklärung der beiden Benennungen
der Hauptstadt Kärntens (deutsch: Klagenfurt, slovenisch: Celövec) ent-
sponnen hat, dürfte es nicht unpassend erscheinen, dass auch ein Angehöriger
des Kronlandes selbst das Wort ergreift und seine Meinung an dieser Stelle
zum Ausdruck bringt. Ich sage mit Betonung »an dieser Stelle«, weil es an-
derwärts bereits geschehen ist, aber wegen — sagen wir zu geringer Ver-
breitung der betreffenden Zeitschrift keine Beachtung gefunden hat. Zuerst
hat Dr. Richard Müller in der in Klagenfurt erscheinenden »Carinthia I.,
Mittheilungen des Geschichtsvereines für Kärnten, redigiert von Simon La-
schitzer, 83. Jahrg., 1893«, S. 179u.ff., über den Namen Klagenfurt gesprochen,
jedoch so, dass ihm nicht beizustimmen ist. Durch Müller's Aufsatz angeregt,
veröffentlichte ich in ebenderselben Zeitschrift (gegenwärtig redigiert von
A. R. V. Jaksch) vom Jahre 1901 auf S. 21 einen toponomastischen Beitrag
zur Erklärung von Klagenfurt und Celövec, worin ich beide Namen in Be-
ziehung zu einander zu bringen versuchte. Er soll weiter unten ausführlicher
reproduciert werden. Vorerst sollen die bisherigen Versuche, diese Ortsnamen
zu erklären, auf ihre Haltbarkeit geprüft werden.
Zuerst Müller's Aufstellung als des der Zeit nach ersten wissenschaft-
lichen Erklärers. Dr. R. Müller's grosses Verdienst ist es, die Gleichung
Klagenfurt = Glaufurt , die von Megiser aufgestellt bis in die neueste Zeit
gegolten hat, endgiltig aus der Welt geschafft zu haben. Wir wollen seine
diesbezüglichen Ausführungen in Kürze wiedergeben. Ein direktes urkund-
liches Zeugnis für die Umgestaltung Klagenfurts aus Glanfurt (Furt an der
Glan) gibt es nicht; zu belegen ist nur die Glanfurt, ein im Süden der Stadt
befindlicher Abfluss des Wörther Sees allein, der im früheren Mittelalter auch
als Lanquart in den Urkunden auftritt. Die Stadt tritt am Ende des XII. Jahr-
hunderts unter ihrem heutigen Namen auf (mittelhochdeutsch Klagenvurt .
Sehr viel älter wird sie auch gar nicht sein. Nach dem »liber certavum his-
toriarum« des Abtes Johann von Viktringl. I. c. 5. zum Jahre 1256 wäre Her-
zog Bernhard (1202 — 1256) der Gründer; und wie man zu seinerzeit ihren
Namen verstand, ergibt sich aus der von ihm angefügten lateinischen Über-
setzung: Querimoniaevadum. Ganz genau ist diese Angabe über die Gründung
der Stadt freilich nicht zu nehmen, sie kommt schon in der Epoche vor der
Alleinherrschaft Bernhards vor. In einer St. Pauler Urkunde, deren Datierung
in die Zeit von 1181—1199 zu setzen ist, kommt forum Chlagenuurt vor (Ur-
kundb. von St. Paul, S. 102, Nr. 30 = Fontes rer. austriac. II. 39). Eine andere
Form des Stadtnamens ist nicht zu erbringen. Glanvurt für die Stadt ist un-
erhört. Nun, meint Müller weiter, wäre immer noch die behauptete Differen-
zierung (Klagen — aus Glan) aus Gründen der Zweckmässigkeit denkbar,
d. h. es konnte sich im Munde der Ein- und Umwohner, als die Stadt aufzu-
blühen begann und häufiger genannt ward, gleichsam von selbst diese Schei-
dung beider Örtlichkeiten (Stadt Glanfurt und Wörtherseeabfluss Glanfurt)
1) Vergl. Archiv XXVI, S. 63.5—640.
Kleine Mittheilungen. 147
vollziehen. Die hier in Betracht kommenden lautlichen Vorgänge k für g,
gn aus n lassen sich im Allgemeinen nachweisen. Doch ist urkundlich diese
angebliche Grundform nicht zu finden und von allem Anfange setzt bereits die
angebliche Umdeutung Klagenfurt ein. Weiters ist zu bedenken, dass (und
dies ist nach meiner Meinung entscheidend) in der Umgebung Klagenfurts
nicht nur der keltische Flussname Glana (die reine, lautere?) unangetastet
bleibt, sondern auch die mit ihm gebildeten Ortsnamen Glandorf, Glanegg,
Glanhofen. Alle drei sind aus alter Zeit überliefert: 979: Glanadorf (v. Jaksch,
Mon. bist, ducatus Carinthiae III., Nr. 149, S. 62), 1142: Glandorf (ebenders.
III., Nr. 749, S. 293), 1233: Glandorf (Ankershofen, Reg.), 1136: Walther von
Glanekke (Ank. Reg.), 1190 : Hartmrdo de Glanecke (v. Jak. 1. c. III., Nr. 1370,
S. 515), 1070 — c. 1080: Glanahouen (id. III., Nr. 384, S. 152), 1216: Glanhouen
(id. I., Nr. 459, S. 351;. Aus keinem von diesen hat sich ein Klagendorf,
Klagenegg, Klagenhofen entwickelt, warum also gerade bei Klagenfurt?
Es ist nicht zu erklären, wie ein Lautvorgang in einem Falle eingetreten
sein soll, in 3 anderen aber nicht und dies in einem Umkreis von wenigen
Stunden.
Nachdem nun Müller sich so freie Bahn gemacht, trägt er seine Meinung
vor. Er sagt, Klagenfurt ist als echte und ursprüngliche Form anzusehen und.
aus sich selbst zu erklären. Er verweist auf Ortsnamen, die auf ähnliche Weise
mit Abstrakten gebildet sind, so Riuwental, die Heimat Neidharts von Reuen-
tal (= Thal der Betrübnisse oder Thränen), ferner die allegorischen Namen
Siuftenhein (= Seufzerheim^, Sorgenrain (Rain der Sorgen), Siuftenecke
(Seufzereck); dann die wirklichen Ortsnamen Freudenthal in Schlesien, Freu-
denstadt in Württemberg, Seligenstat, Paradies u. s. w. Wenn also, schliesst
Müller, ein Thal der Reue möglich ist, warum nicht auch eine Furt der
Klagen?
Diesen Ausführungen MüUer's ist entgegenzuhalten, dass die Zahl der
mit Abstrakten durchgeführten Ortsnamenbildungen eine sehr beschränkte
ist, die noch dadurch eine Verminderung erfährt, dass der eine oder andere
dieser Ortsnamen eine andere Erklärung zulassen dürfte. So führen sicherlich
die in Kärnten sesshaften Ritter von Paradies i; nicht deshalb diesen Namen,
weil ihr kärntisches Stammschloss Pregrad in einer paradiesischen Gegend ge-
legen war, sondern weil sie die silberschillernde Schlange des Paradieses,
drei Ringe schlagend, mit Ohren und langem Spitzrachen im Schilde führten
(vgl. A. Weiss: Der Adel Kärntens bis zum Jahre 1300, Wien 1869, W. Brau-
müller, S. 109], ähnlich wie die Ritter von Hollenburg. Die mit Freuden- zu-
sammengesetzten Ortsnammen sind Bildungen mit dem althochd. Personen-
namen Fridun, wie Fürsteman II. 531 lehrt: Freudenbach aus Fridunbach,
folglich auch Freudenberg, Freudenthal aus Fridunberg, Fridunthal. Abgesehen
davon ist zu bemerken, dass wir, wie Dr. Müller selbst zugibt, den Sinn einer
solchen Ortsuamenbildung nicht einsehen, sondern nur raten können. Und so
stehen wir vor einem neuen Rätsel, die eine zu erklärende Unbekannte wird
durch eine zweite ersetzt und unsere Erwartung ist nicht befriedigt. Mit
') Nach ihnen ist in Klagenfurt die Paradeisergasse benannt.
10*
148 Kleine Mittheilungen.
der Erklärung der slovenischen Bezeichnung Celövec beschäftigt sich Müller
nicht.
Zu dem, was Pintar gegen Baudouins Ableitung des slovenischen Celövec
von cviliti einwendet, möchte ich bemerken, dass die etymologische Ver-
wandtschaft beider Wörter nicht desshalb zurückzuweisen ist , weil ein aus
diesem Zeitwort gebildetes Substantiv nach slovenischem Sprachbewusstsein
und Sprachgefühl nur einePerson, nämlich einen Winseier bezeichnen kann.
Warum sollte denn nicht der Name einer Person zur Bezeichnung eines Ortes
dienen? Es ist doch nicht nöthig, hier auf die Bildung der Ortsnamen aus
Personennamen hinzuweisen. Im Gegentheil, wenn die Bedeutung passt, haben
wir sofort zuzugreifen. Doch hierin liegt das Hindernis, das mich abhält, der
geradezu bestechenden Aufstellung Baudouins zuzustimmen. Cviliti ist ein
onomatopoetisches Verbum, das eine gewisse Art von lautem Geschrei nach-
ahmt. Der Slovene sagt, pes cvili, svinja cviii (wenn es abgestochen wird),
otrok cvili (wenn das Kind ein den genannten Thieren ähnliches Geschrei er-
hebt). Im Deutschen entspricht noch am besten die Bedeutung winseln, wie
auch Pintar das Wort übersetzt. Vergleichen wir damit das deutsche Klagen,
so können wir nicht behaupten, dass beide Zeitwörter sich hinsichtlich der
Bedeutung vollkommen decken. Denn während cviliti den sinnlich wahr-
nehmbaren Laut, die Art des Geschreies bezeichnet, bezieht sich klagen auf
den Inhalt, klagen ist kein winseln. Es hat auch, wie wir gesehen haben, Abt
Johann von Viktrlng die erste Hälfte des Wortes Klagenfurt mit querimonia
übersetzt, was doch nicht mit Gewinsel oder cviljenje wiederzugeben wäre.
Wie ich später zu zeigen versuchen werde, hat der gelehrte Abt nicht weit
von der Wahrheit fehlgegriffen. Ferner ist zu fragen, ob denn der Begriff
cviliti ein zur Bildung eines Personennamens passender ist, ich möchte dies
verneinen. Endlich muss noch betont werden, dass es sehr misslich ist, auf
irgend eine einzelne, beschränkte Dialektform der Gegenwart (Cvilövec) eine
solche Annahme zu gründen. Denn es drängen sich bei einem solchen Vor-
gange sofort Fragen auf wie: wie alt ist diese Dialectform? warum hat sie sich
in Tolmein und nicht irgendwo anders, z. B. in Kärnten selbst, entwickelt?
ist es nicht möglich, dieselbe auf andere Weise zu erklären z. B. durch das e
der Stammsilbe in Celövec? oder ist sie nicht eine dialectisch corrumpirte
Form? Ich halte sie für eine gelungene Volksetymologie, wie Blekövec für
Velikovec. Die schriftliche Fixirung des W^ortes Celövec reicht allerdings
nicht weit zurück. Gutsmanns »Evangelie in Branje ali Pisme u. s. w.« sind ge-
druckt 1T80 »v'Zelouzi« und sein Wörterbuch aus dem Jahre 1789 enthält die
Form »zelovez und zelouzhan (= ein Klagenfurter)«. Doch dürfen wir von
dieser in ganz Kärnten einzig und allein bekannten Schriftform zu Gunsten
eines auf einen ganz kleinen Umfang sich beschränkenden Dialektwortes
nicht abgehen, so lange wir mit ihr unser Auskommen finden können. Dass
dies möglich ist, soll später gezeigt werden. Es sei also hier zusammenge-
fasst: Celövec kann nicht von cviliti abgeleitet werden, weil sich die Bedeu-
tungen der beiden Zeitwörter klagen und cviliti nicht decken, weil die bei
weitem überwiegende Mehrheit der Slovenen, in Kärnten ausnahmslos, nur
die Form Celövec kennt, weil die Dialektform Cvilövec nicht unbedingt auf
Kleine Mittheilungen. 149
cviliti zurückzuführen ist, sondern sich aus dem e der Stammsilbe entwickelt
haben kann, endlich weil es im vorhinein nicht zulässig ist, die Erklärung alt-
bezeugter Ortsnamen auf moderne Dialectformen zu stützen.
Ich komme zu den Ausführungen Pintars. Es ist seit Müllers Beweis-
führung jetzt selbstverständlich, dass die Latinisirungen Claudiforum oder
Claudiforium, Claudenfurtum, vadum querimoniae nicht in ernste Erwägung
gezogen werden können. Sie gehören in die Gruppe der sogenannten ge-
lehrten Erklärungen der Klöster, deren es gerade in Kärnten eine ziemliche
Anzahl gibt, z. B. Gentiforum = Völkermarkt, St. Maria de victoria =
Viktring, ad mille statuas = Mills tatt, St. Maria in solio = Maria-Saal, villa
ad aquas = Villach, vallis rosarum = Rosenthal u. s. w. Zu diesen Etymologien
wurden die Motivirungen erfunden in Gestalt von Sagen oder sonstigen cha-
racteristischen Zügen, so in Viktring die Sage von einem siegreichen Zwei-
kampfe, in Millstatt von der Umstürzung von 1000 heidnischen Götterstatuen,
in Maria-Saal von dem Bilde der Muttergottes »in solio« = auf dem Throne
usw. Ebenso ist. wie bereits bemerkt, die Gleichung Klagenfurt = Glanfnrt,
die auch Pintar verwirft, von Müller abgethan. Wenn Pintar gegen Baudouin
ausführt, dass bei den Orten mit Furt gewöhnlich nicht der Name des be-
treifenden Wassers im Furtcompositum enthalten ist, dass wir also kein Gera-
furt, Leitafurt, Mainfurt, Oderfurt haben, sondern nur Ebenfurt, Erfurt, Frank-
furt u. s. w., so ist dies nicht richtig, wie wir später an den Furtorten genauer
nachweisen werden.
Was nun Pintars eigene Erklärungen anlangt, so erblickt er in der ersten
Hälfte des deutschen Namens das Collectiv «Gelache«, das sich aber in der
Schriftsprache meines Wissens nicht belegen lässt. Daraus hätte sich auf
dem Wege dialectischcr Differenzirung Klage — entwickelt. Ich habe schon
oben das principielle Bedenken geäussert, wie misslich es ist, auf moderne
Dialectwörter, deren Vorkommen häufig nur auf einzelne Ortschaften sich er-
streckt, Erklärungen von Ortsnamen zu bauen, besonders dann, wenn die
ihnen beigelegte Bedeutung mit der wirklichen nicht übereinstimmt. Dies ist
in unserer Sache der Fall. Es kommt allerdings in Klagenfurt in den unteren
Volksschichten ein aus Gelache stammendes Wort vor; dieses lautet aber
nicht Klage, sondern Gläck (aus Geläcke) und bedeutet nicht lagunenartiges,
mooriges Terrain, das in Kärnten Moos heisst, sondern schlechtes, verdor-
benes, zusammengeschwemmtes Getränke, was auch mit Ksüf = Gesöffe und
Kschwemm (Geschwemm) und G'schlader bezeichnet wird; der gemeine Mann
sagt »dös Bier is a Gläck« und will damit sagen, das Bier ist schlecht, abge-
standen oder aus mehreren Resten (Noaglan) zusammengeschüttet. Dass ein
solches der Kneipe eigentümliches Dialektwort der Gegenwart die Grundlage
für einen bereits Ende des 12. Jahrhunderts ohne Schwankung präcis festge-
legten Ortsnamen abgeben soll, ist nicht bloss unwahrscheinlich, sondern
geradezu unmöglich. Dazu gesellen sich nicht geringe sprachliche Schwierig-
keiten. Der Uebergang der gutturalen Media im Anlaute in die Tennis muss
viel besser belegt werden als durch Beispiele, die sämmtlich wieder Dialect-
wörter sind und nicht die Probe aushalten; denn für Geländer hört man in
Kärnten (auch in Klagenfurt selbst) Glander sprechen statt Klander und
150 Kleine Mittheilungen.
ebenso Gleger für Kleger. Da ferner das schriftdeutsche Wort Lache im
Dialecte, wie Pintar selbst bemerkt, Läggen (nicht Lägge) lautet, was man
eben so gut Lacken schreiben kann, so sollte nach dem dialectischen Laut-
processe aus Gelachenfurt wohl ein Gläckenfurt, niemals aber ein Klägenfurt
hervorgehen. Denselben, wenn nicht grösseren Schwierigkeiten begegnet
Pintars Ableitung der zweiten Worthälfte — fürt. Trotz aller Klarheit und
Durchsichtigkeit des Wortes verwirft er die Bedeutung Furt = üebergangs-
stelle, und dessen Ableitung von fahren. Er behauptet, fürt sei in diesem
Falle identisch mit Werd, Werder, Wörth, Wurd und bezeichne »einen mitten
im Fluss, See, Sumpf gelegenen etwas erhöhten Platz mit reicher üppiger
Vegetation, eine Au mit Kiedgras u. s. w.« Im Jahre 891 heisst Maria-Wörth
(slov. Otok): in loco, qui Uueride vocatur (Zahn, cod. dipl. I. 24); a. 1168:
Werthse (Meill. 114) und 1285: praepositura in Wertse (Über decimationis
S. 16). Ich habe diese Stellen ausgeschrieben, um zu zeigen, was aus dem
alten Weride werden kann: Werth und heutzutage Wörth, wobei der Umlaut
durch den Ausfall des nachfolgenden i vollkommen gerechtfertigt ist. Wollten
wir Pintar folgen, so müssten wir annehmen, dass aus Weride auf einem so
kleinen Territorium sich zwei verschiedene Wörter Furt und Wörth ent-
wickelt haben und das eine sei bei der Bildung des Ortsnamens Klagenfurt,
das zweite bei der von Maria-Wörth thätig gewesen. Auch die Einmüthigkeit
der Ueberlieferung, die schon Müller nachdrücklich hervorgehoben hat, fällt
schwer gegen Pintar ins Gewicht. Vor mir liegen 21 urkundliche Schreibungen
aus der Zeit von rund 1200 — 12t)0. Davon haben 12 die Form -fürt, 1 -furtt,
2 -uurt, 2 -fort, 1 -vurt, 2 -vort und 1 -wart. Und gerade die letzte nur einmal
erscheinende Schreibung verwendet Pintar, um der sprachlich so gewagten
Annahme fürt = Weride auch einen urkundlich beglaubigten Halt zu ver-
leihen. Dies ist um so weniger zulässig, als der im Jahre 1245 erwähnte
Liepardus de Clagenwart in einer im J. 1246, also nur um 1 Jahr später ver-
fassten Urkunde ganz correct Liphardus de Ciagen fürt genannt wird.
Ist somit die Ableitung des deutschen Ortsnamens nicht stichhaltig, so
fällt mit ihr zugleich die Uebereinstimmung mit der ebenfalls von Pintar ge-
gebenen Erklärung des slovenischen Celövec. Für dies nimmt er nämlich als
Etymon das Appellativ stvoli» = Pflanzenröhre, Kohrstengel an, leitet davon
ein nicht nachweisbares stvölovtc ab, woraus durch gewisse dialectische Ab-
schweifungen das heutige Celövec hervorgegangen sei. Um diese Form aus
jener zu erhalten, hat man mit Pintar zuerst den Uebergang des anlautenden
st in c (Cvölovec), denn die Verrückung des Accentes auf die folgende Silbe
(Cvolövec), weiters den Ausfall des v (Colövecj und endlich die Abschwächung
des stammhaften o (C'lövec) anzunehmen, ein Process wie er complicirter
nicht gedacht werden kann. Und das alles ohne irgend eine historische Be-
glaubigung durch Urkunden oder andere schriftliche Zeugnisse. Ortsnamen
aber wie Zoll, Zollfeld u. ä. dürfen schon gar nicht damit in Verbindung ge-
bracht werden. Diese nämlich gehen auf einen deutschen Personennamen zu-
rück. Maria-Saal heisst a. c. 1050: in loco, qui dicitur Zol (Ank. Reg). Zol
ist bajuvarisches Eigenthum. Es bedeutet nach Schmeller (Bayr. Wörtb.
S. 115) 1. einen cylindrischen Klumpen, 2. einen Klotz, Baumklotz, 3, einen
I
Kleine Mittheilungen. 151
Klotz von einem Menschen, d. h. einen Lümmel, welche Bedeutungen auch
in den deutschen Theilen Kärntens allgemein gang und gebe sind. Zollfeld
ist eine sogenannte Zusammenrückung zweier Begriffe ohne gegenseitige Ab-
hängigkeit. Wir finden; auch bei Förstemann S. 1371 die Personennamen
Zol, ZoUi und ZoUo. Doch dies nebenbei. Nach all dem Vorgebrachten kann
man auch den Aufstellungen Piutars nicht beistimmen.
Ich habe im Eres II. (1892) S. 640 der Vermuthung Raum gegeben, dass
Celüvec mit selo in Verbindung zu bringen sei und man ein ursprüngliches
Selovec anzunehmen habe. Schon damals äusserte Jagid seinen Zweifel an
dieser Erklärung. Mir schwebte eben der Name eines Berges an der kärntisch-
steirischen Grenze vor, der Selovec lautet. Durch ein Schreiben D. Trsten-
jaks jedoch belehrt, dass der Bergname Zelovec und nicht Selovec lautet,
dem der Stamm zel = grün zu Grunde liege (daher auch in den Karawanken
die Zelenical, kam ich von dieser Aufstellung ab und schloss mich an die
Ausführungen Trstenjaks an. In der Carinthia I. Jahrg. 1901 S. 21 veröffent-
lichte ich eine neue Erklärung sowohl des deutschen Klagenfurt als auch des
slovenischen Celövec. Da diese Erklärungen bisher, wie ich sehe, den Weg
in die breitere Oeffentlichkeit nicht gefunden haben, was wohl aus dem Still-
schweigen Baudouins und Pintars zu schjiessen ist, so mögen sie mit gütiger
Erlaubniss der Redaction mutatis mutandis nochmals gegeben werden.
Das Appellativ Furt bezeichnet eine üebergangsstelle über einen Fluss,
Bach, eine Brücke über ein Gewässer und dient sehr häufig zur Namengebung für
Oertlichkeiten. Daher die vielen Furt und Fürth. Noch viel häufiger erscheint
Furt in solchen Ortsnamen, welche Zusammensetzungen darstellen. Förste-
mann allein hat in seinem altdeutschen Namenbuche (I. Aufl. S. 539) nicht
weniger denn 73 Ortsnamen, in denen Furt als zweites Glied der Zusammen-
setzung erscheint. Eine Musteriang von Ritters geographischem Lexikon
(12. Aufl.) ergab eine noch grössere Zahl. Betrachtet man die zusammen-
gesetzten Bildungen genauer, so kommt man bald zur Einsicht, dass sie in
drei Gruppen zu gliedern sind.
1. Nehmen wir Namen wie lUfurt, Pachfurt, Querfurt, Wipperfurt, Burg-
steinfurt, Wegfurt. Was bedeuten diese? lUfurt im Elsass ist die Furt an
der 111, Pachfurt = die Furt am Bach, Querfurt (urk. Quirnifurt) = Furt an
der Quirn in Sachsen falthochd. quirn = die Mühle, also Quernbach = Mühl-
bach und Querfurt = Furt am Miihlbach), Wipperfurt = Furt an der Wupper,
also Furt an irgend einem Wasser. Daher ist Pintars Behauptung, dass bei
den Furtorten gewöhnlich nicht der Name des betreffenden Wassers im Furt-
compositum enthalten ist, unhaltbar und der Zufall hat ihm einen bösen
Streich gespielt. Denn ich erinnere mich im J. 1903 in den öffentlichen Blät-
tern gelesen zu haben, dass die deutsche Gemeindevertretung von Piivoz in
Mähren um die Aenderung des cechischen Namens in Oderfurt bei den Be-
hörden eingekommen sei und die Bewilligung dazu erhalten habe; was können
die Gemeindeväter von PHvoz mit Oderfurt anderes gemeint haben, als Furt an
der Oder? Wegfurt ist die Furt am Wegp, Burgsteinfurt ist die Furt beim Orte
Burgstein. Es gehören somit in diese Gruppe alle jene Zusammensetzungen,
die eine Furt an einem Wasser, bei einem Orte, Wege u. s. w. bezeichnen.
152 Kleine Mittheilungen.
2. Eine zweite Gruppe erhalten wir durch Ortsnamen, wie Breitenfnrt
(bei Ritter 4 mal), Breitfurt, Ebenfurt, Hohenfurt, Niederfurt, Oberfurt, Sand-
furt (Sandforde, Sandfort), Steinfurt (6 mal), Steinforde, Steinfort (4 mal),
Schmalförden, Schneüfurt, Tiefenfurt (= an der tiefen Furt), Tiefurt (= Tief-
furt), Trockenerfurt u. s. w. Diese Namen sind durchsichtig und erklären sich
selbst. Das Grundwort ist bei ihnen durch ein Adjectiv oder substantivisches
Bestimmungswort differencirt: die breite, ebene, hohe, niedere, sandige,
schmale, schnelle, steinerne, tiefe, trockene Furt.
3. Betrachten wir nun Ortsnamen wie Dietfurt, Erfurt, Frankfurt, Tau-
benfurt, so müssen wir sofort erkennen, dass der erste Teil der Zusammen-
setzung ein Personenname ist. Dietfurt ist die Furt oder Fähre, an der sich
ein Diet (althochd. Thiuto = Dieto) niedergelassen hat. Ebenso ist Erfurt die
Furt eines Erfo (Erbo, Arpo), denn die urkundlichen Belege lauten Erpisford,
Erfesfert, Erfesfurt (s. Förstemanu II. S. 102 u. f.); Frankfurt = die Furt der
Franken, urkundl. Franconofurt; Adolzfurt aus Adolandesfurt also Furt des
Adoland. Schlagend wird die Zusammensetzung von Furt mit Personen-
namen erwiesen durch den Ortsnamen Taubenfurt in Mähren. Da der Ort in
einer gemischtsprachichen Gegend liegt, trägt er auch die cechische Bezeich-
nung: Holubice. Nun sind im Bümischen die auf -ice gebildeten Ortsnamen
von Persenennamen gebildet. Also Holubice Ort des Holub und damit stimmt
Taubenfurt d. i. Furt des Taube vollkommen überein. Die Zahl der in diese
Gruppe gehörenden Ortsnamen ist eine sehr bedeutende und ist namentlich
die Thierwelt vielfach vertreten, als Eselsfurt, Hengstforde, Hassfurt (= Hasen-
furt), Katzenfurt, Krebsförde, Ochsenfurt (vgl. engl. Oxfort, im Englischen ist
die Zahl der mit -ford gebildeten Ortsnamen Legion), Eabenfurt, Schwein-
furt, Straussfurt, Wolfsfurt, sämmtliche hier vorkommenden Thiernamen
lassen sich als Personennamen belegen.
Es entsteht nun die Frage, in welche der angeführten Gruppen wohl
unser Klagenfurt einzureihen wäre. In die erste (Furt an der Glan) sicher-
lich nicht; das hat, wie wir gesehen haben, Dr. R. Müller zur Gewissheit dar-
getan. Auch in die zweite nicht. Wohl aber in die dritte, sobald wir uns
eutschliessen, in der ersten Hälfte des Ortsnamens Klagen fürt einen Per-
sonennamen zu erblicken. Vom althochdeutschen Stamm chlag — lässt sich
ein Personenname Klago recht wohl denken, wenn ich auch vorläufig nicht in
der Lage bin, das Vorkommen desselben belegen zu können. Könnte ich das,
dann wäre diese Vermuthung evident. Als Parallele ist das von Müller ange-
führte wahrscheinlich bayrische Clagedorf zu verzeichnen, das um 1140 an
das Kloster Prüfling vergabt ward. Im Nordischen finden wir ein Klagerup
und Klagstorp. Im Nordisrhen bedeuten die Wörter auf -torp, -trup, -drup,
-ruf Dorf. (Vgl. L. Herrig's Archiv f. d. Stud. d. neuer. Sprachen u. Lit.
XXXIV. Bd. S. 203 u. ff. «Nordische Ortsnamen nach den Sprachforschern
N. M. Petersen u. Lyngbye. Von Gh. Beissel.«) So bedeutet Torstrup = Dorf
des Thor, Frörup = Dorf der Freya, Bjolderup und Bylderup = Dorf des
Baidur (vgl. Bulletin de la societe de geographie. Troisieme s6rie. Tome X.
Paris, 1849, S. 217 — 231: Sur la limite meridionale de la monarchie Danoise
et sur l'etymologie de noms geographiques du Slesvig et de la Normandie.
f
Kleine Mittheilungen. 153
Par M. Etienne Borring S. 224). Nach dieser Auffassung wäre die erste Hälfte
unseres Ortsnamens nicht der Genetiv plur. vom Appellativ die Klage, sondern
der Genetiv sing, des Personennamens Klago in schwacher Biegung, eine
Ortsnamenbildung, die sich in Kärnten reichlich belegen lässt, z. B. Berndorf
= Dorf des Pero; Pernegg = Eck des Pero; Eppeudorf = Dorf des Eppo;
Frankenstein = Stein des Franko; Arndorf (2mal) = Dorf des Arbo (Aribo);
Gunzenberg = Berg des Gunzi ; Ratzendorf = Dorf des Razo u. s. w. Und so
wäre ich bei Abt Johann von Viktring und seinem vadum querimoniae oder
querimoniarium angelangt, nur mit einer kleinen Abweichung von seiner
Deutung. Klagenfurt ist nicht vadum querimoniarum = Furt der Klagen,
sondern vadum Queruli cuiusdam = die Furt, an der ein gewisser Klago ein-
mal gehaust hat. Dabei ist zu bemerken, dass Furt nicht bloss eine seichte
Stelle, sondern auch einen Zugang, Uebergangsstelle auf einer Brücke oder
auf trockenem Wege durch sumpfiges Land bedeuten kann. Das passt auch
für die Lage des Ortes. Bis auf den heutigen Tag haben wir das Weidmanns-
dorfer Moos im Süden der Stadt, das noch zu Beginn des 19. Jahrh. einen viel
grösseren Umfang hatte und erst im Laufe der dreissiger Jahre halbwegs
trocken gelegt wurde. Auch im Norden und Nordosten verursachte die Glan
vor der Regulirung, die erst in allerjüngster Zeit erfolgt ist, durch regel-
mässiges Austreten in der Herbstregenzeit Ueberschwemmungen und Ver-
sumpfungen. Die Stadt selbst liegt gleich einer Insel auf festem und trockenem
Terrain, aber nicht im » Gelache «, mitten in dieser Moor- und Sumpf landschaft.
Und hier setzt die slovenische Bezeichnung Celovec ein.
Cell, entspricht nach Mikl. Etym. Wb. S. 28 dem deutschen ganz = integer,
asl. celizna = ungepflügtes Land, nsl. celina = Brachfeld, polnisch : celc und
calec = hartes Erdreich, somit eine Bedeutung, wie wir sie mit Rücksicht auf
die örtliche Beschaffenheit nicht günstiger und passender wünschen könnten.
Was nun das Suffix — ovec betrifft, so bemerkt Pintar vollkommen richtig,
»dass die mit demselben gebildeten Adjektiva angeben, woraus etwas gemacht
oder gebildet ist, woraus es besteht, woraus es sich zusammensetzt (Materie),
wie brinovec = brinovo zganje, kruhovec = Brotbrei, auch Mehl zum Brot-
backen«. Pintar führt weiter correct aus, dass es zahlreiche Ortsnamen gibt,
die analoge Bildungen aufweisen, und bringt eine Reihe solcher Ortsnamen
vor. Sie bezeichnen alle eine von der betreffenden Baumgattung (cer, dob,
dren, lipa u. s. w.) bewachsene Gegend, ein aus solchen Bäumen sich zu-
sammensetzendes Wäldchen, wie die deutschen, von Gehölzen entnommenen,
mit der Kollektivendung -ach gebildeten Ortsnamen, wie Erlach, Tannach,
Pirkach u. s. w. Wir brauchen also gar nicht auf die Suche nach einem neuen
Etymon auszugehen, um aus demselben mit Hilfe problematischer Lautpro-
zesse unser Celovec zu gewinnen, sonderü wir können ohne Skrupel mit cel
= integer zufrieden sein. Mit Hilfe des erwähnten Suffixes bekommen wir
Cel-|-ov-[-ec in der Bedeutung terra integra = festes, trockenes Land, auf
dem eine Ansiedelung entstehen konnte, im Gegensatze zur Moorumgebung.
Derselben Anschauung verdankt auch das in der Nähe der Stadt liegende
Otoce (deutsch Weidmannsdorfj seine Entstehung, es bedeutet das Inseldorf
mitten in der rings sich ausbreitenden Sumpf landschaft, auf welche auch das
154 Kleine Mittheilungen.
benachbarte Blace (deutsch Fiatschach) hinweist. Ich fasse das Ergebniss
meiner Ausführungen folgendermassen zusammen: Der deutsche Ortsname
Klagenfurt ist zusammengesetzt aus dem Personennamen Klago und dem
Appellativ Furt, also Furt des Klago fvadum Queruli cuiusdam) und das slo-
venische Celovec ist abzuleiten von cel = fest, ganz, trocken und bedeutet
durch die Verbindung mit dem Suföce -ovec: terra Integra = festes, trockenes
Land, was slovenisch auch mit celina bezeichnet werden kann.
Klagenfurt, 15. Oktober 1904 J. Scheinigg.
Kollär's Antheil an politischen Broschüren.
Herr Dr. Fran Ilesic veröflfentlichte im Archiv XXVI. 159 die Erklä-
rung Kollär's in der »Pester Zeitung« (vom 29. September 1848), die in dessen
Lebensabrissen bisher nicht berücksichtigt wurde.
In den Biographien Kollär's hat man die Erklärung Kollär's in der
»Pester Zeitung« Nr. 788 (vom 29. September 1848) zwar nicht erwähnt, aber
bekannt ist sie.
Diese Erklärung und dann die Polemik Kollär's mit Havlicek
waren im Leben Kollär's zwei heikliche Punkte, die man nicht gerne be-
rührte. Es ist merkwürdig, wie heftig Kollär von Havlicek im »Slovan« an-
gegriffen wurde ; Havlicek hatte kein Verständniss für die schwere Stellung
Kollär's, dem der Minister Bach sogar ein Gönner war. Bach hat es gegen
Miklosich durchgesetzt, dass »Staroitalia slavjanskä« in der Staatsdruckerei
gedruckt wurde; es war Bach's Verdienst, dass Kollär neben anderen Gelehr-
ten mit einem Orden ausgezeichnet wurde — aber in politischer Hinsicht war
für den geistigen Vater des gefürchteten Panslavismus der Boden in Wien
gerade so heiss wie in Pest. Seine politischen Gutachten, die ich eben in
der cechischen Akademie veröffentlichte, fielen ins Wasser; man hat sie in
Wien für zu radikal gehalten und gegen Ungarn getraute man sich doch
nichts Ernstes zu unternehmen. Ich überging in meinem Aufsatze »Jan
Kollär ve Vidni« (Sbornik Jan Kollär) diese Controverse zwischen dem streit-
süchtigen, aber festen Havlicek und dem schon kampfesmüden Professor der
Archäologie, Kollär, der damals hauptsächlich in seinen slavischen Alter-
thümern lebte, mit Bedacht, und berührte ihn der Vollständigkeit wegen
bloss mit einem einzigen Satze.
Aehnlich verhält sich die Sache mit der angeführten Erklärung
Kollär's.
Man wollte diese peinliche Erklärung — die de facto die allgemein be-
kannten Grundsätze Kollär's umstiess — nicht erörtern in Anbetracht der
ganzen schwierigen Situation, für die jedermann Rücksicht und Verständniss
haben müsste, namentlich jeder Biograph, welcher in seinem Autor immer
mehr oder weniger einen Helden sieht.
Aber bekannt war sie in Böhmen. Wie mir Dr. Jan Jakubec mittheilt,
schrieb darüber Havlicek in seinem »Slovan« 1850, S. 1485, obzwar er dort
I
Kleine Mittheilungen. 155
irrthümlich von »Kossuth Hirlap« spricht. In der letzten Zeit beschäftigte
sich damit Dr.Jakubec in Rozhledy 1894 auf S. 508 in einem Artikel »Poli-
ticke a socialni näzory v Kollärove poesii«, wo er auch diese Erklärung ab-
druckte.
Im Jahre 1848 musste KoUär in Pest mehrere schwere Stunden verleben,
worüber er in seiner Autobiographie, die ich in cechischer Uebersetzung (1893)
veröffentlichte und die nun auch im deutschen Original herausgegeben
wurde, manches erzählt.
Es scheint, dass mit der Erklärung KoUär's bald darauf die Pester
Slaven nicht zufrieden waren. Es wäre interessant, zu erfahren, worauf sich
eine Erklärung der Pester Slaven, die in »Kvety« 1848 erschienen ist, bezog.
Mir ist die Zeitschrift nicht zugänglich, aber sie musste in ziemlich heftigem
Tone gehalten sein. Andrej Lanstjäk sagt davon: »Avsak co tyka sa toho
ohiasu .pestianskych Slovanov' z r. 1848 v ,Kvetech' vysleho, musim vy-
znat', ze nebolo tak myslene, jako bolo pisan6. KoUär säm uznal ho neskorsie
za prehnane ! «
In der Vorrede zu den Gutachten Kollär's erwähne ich, dass KoUär den
Conte Medo Pucic (Pozza) auf das »vorzügliche Büchlein« »Politische Memo-
rabilien aus Oesterreich neuer Zeit« aufmerksam machte, dessen Autor mir
unbekannt war. Ich sprach die Vermuthung aus — die Broschüre kam mir
bis jetzt nicht in die Hände — , dass Kollär an ihrer Verfassung irgend wel-
chen Antheil hatte. In Gedanken bezog ich auf diese Broschüre die Worte
Kollär's zu Soltis, welche Krizko im Sbornik (S. 22) veröffentlichte: »Nepria-
telia nasi po mene auktora apologie pätrajü, ale nebojte sa, budeme se
bränit «.
Dieser Satz Kollär's bezieht sich jedoch auf eine andere politische
Broschüre, die im Verzeichnisse Pypin's (Historie literatur slov. I, S. 198)
nicht citirt ist. Krizko hat mich nämlich irregeführt, da er »apologia« klein
schrieb. Es ist eine selbständige Broschüre, die »Apologia« heisst, und
im J. 1841 in Budapest erschien. Der Titel lautet: Apologia | to geft: |
Obrana, kterau fe odrodilci, | genz | od fve närodnofti Slowanfke odftu-
pugj I bräniti chtegj, | ti pak kterj w nj ftogj | pofilniti fe mohau: Sepfanä |
od I Ondfiflawa z Prawdomluwic. | W Budjne [ tiffteno literami Jana
Gyuriäna a Mart. Bagö. 1841. S. 40.
In den vierziger Jahren ist eine bedeutende politische Literatur ent-
standen, die sich auf die magyarisch-deutsch-slavischen Reibungen bezog;
man bekommt eine so ephemäre literarische Erscheinung, die damals viel-
leicht grosses Aufsehen erweckte, jetzt sehr schwer oder nur zufällig in die
Hand. Die ganze hierher einschlägige Literatur ist nicht einmal in der Schrift
»Les Serbes de Hongrie« (Prag und Paris, 1873) vollständig angeführt.
Als ich im August d. J. 19ü3 in Cilli, dem Geburtsorte Oblak's, weilte,
besuchte ich auch die slovenische Bibliothek (Narodna citalnica), um die
slovenische Literatur auf Grund des dortigen Materiales näher kennen zu
lernen. Zu meinem Erstaunen fand ich hier eine wunderbare Sammlung von
156 Kleine Mittheilungen.
allen möglichen Slavica, besonders aus der ersten Hälfte des XIX. Jahrh. ;
hauptsächlich waren die böhmisch-slovakfschen Schriftsteller (Kollär, Tomsa,
Wocel, Burgerstein, Hanka's Orthographie, Prostonärodni biblioteka von
Dr. ßadlinsky und Podhradsky, Nitra von Hurban), dann die Repräsentanten
des Illyrismus, Jordans Jutnicka, Zeitschrift für slav. Literatur, Kunst und
Wissenschaft, Jahrbücher (1844—46) vertreten.
Sehr interessant war auch die Sammlung von mehreren politischen
Broschüren. Ich forschte nach den ehemaligen Besitzern der verschieden-
sprachigen Bücher; es waren Zuza, ein Bergwerksbesitzer, der erst dieses
Jahr in Var-Palota bei Pest starb, und Andrej Pirnat, ein Bergbaubeamter
in Tüchern (bei Cilli), der in früheren Jahren (1845 — 46; in Schemnitz unter
den Slovaken gelebt hatte und als intelligenter Slovene für die damalige Be-
wegung unter den Slovaken Sympathie hegte. Er war auch schriftstellerisch
thätig; im J. 1845 verüflfentlichte Bleiweiss in »Novice« sein Gedicht »Kme-
tovac«. Iz St'avnice (Semnic) na Ogerskim.
Unter diesen Broschüren interessirten mich z. B. »Petitionen der Serben
und Slovaken vom Jahre 1561« (Wien, Gorischek, 1S62, S. 31) und das hoch-
wichtige Büchlein »Protestantismus, Magyarismus, Slawismus«,
welches für die damaligen Zustände besonders charakteristisch ist. Der
Untertitel lautet: Als Antwort] auf die gegen den | Grafen Carl Zay, |
Generalinspector der evangelischen Kirchen und Schulen A. C. in Ungarn, |
erschienene Schrift. | Vom jaller Menschen Freunde, nur der Finster-
linge Feinde. I Leipzig, 1841, Verlag von Georg Wigand. S. 78.
Diese Broschüre enthält die Antwort auf ein »Libell«, wahrscheinlich
»Apologie« betitelt.
Der kurze Sinn der Vertheidigung Zay's liegt in den erlösenden Worten -.
»Die Magyarisirung aller Nationalitäten Ungarns«; die Forderung »Ungrische
Armee« lief nur nebenbei. Es sei heilige Pflicht der Slaven Ungarns, »die
Magyarisirung ihres Vaterlandes auf's eifrigste zu befördern«, »so wird denn
unser Vaterland nur dann gross und glücklich, wenn es magyarisch wird«.
An einer Stelle (7) spricht er von der »jugendlichen, eine grosse, ruhmvolle
Zukunft verheissendeu Nation«.
In dieser Broschüre sind interessante Nachrichten über die Lehrkanzel,
resp. Aufhebung des slavischen Lehrstuhles des Professors Falko wich
enthalten.
Die Polemik endet mit den Worten: »Der alte Gott der Magyaren, er
lebt ja noch, und segnet König und Vaterland!«
Dann folgen einige Beilagen, wie sich Graf Zay um Gleichberechtigung
der Protestanten, Nicht- Umrten und der Juden mit den Katholiken eingesetzt
habe — , »wo das ganze constitutionelle Europa in der Eatwickelung unserer
Sprache und Nationalität den treuesten und kräftigsten Wächter und Kämpen
seiner Freiheit erkennt«, lautet ein Satz.
Aus der Biographie des Grafen erfahren wir, dass er in Odenburg (in
der Umgebung wohnen die Kroaten) geboren wurde ; seine Feinde haben ihn
daran erinnert, dass seine Mutter eine Schlesierin war und er ein Halbslave —
aber er vertheidigt sich dagegen.
Kleine Mittheilungen. 157
Die Professoren des Leutschauer evangelischen Lyceums wollten die
Einfälle des demokratischen Grafen nicht recht begreifen und waren im
Tärsalkodö Nr. 92 einer anderen Anschauung. Das hat den Grafen Zay »mit
traurigem Gefühl und Kummer erfüllt«.
Sein letzter Rath kulminirte in diesem Satz: »Unsere slavischen Brüder
mögen fernerhin aufhören, ihre geistigen Kräfte zwecklos ') zu verschwenden «.
Zum Schlüsse droht er mit Repressalien »im Sinne der Gesetze und der
Befehle der Regierung«, wenn seine »herzliche Zurede erfolglos bleiben«
sollte (24. November 1810).
Die Professoren von Leutschau, wo damals ein reges geistiges Leben
blühte, haben sich gegen Zay vertheidigt, ja sogar ein »so gelehrter und ver-
dienstvoller Mann«, wieCaplovic(Czaplovics) hat sich der slovakischen Sache
in Szäzadunk Nr. 3 angenommen.
Czaplovics rüttelt unbarmherzig an der magyarischen Logik Zay's,
dessen circulus vitiosus sich in dem bekannten Satze und dessen Variationen :
»die Magyarisirung des Vaterlandes« bewegt. Er nennt seine Ideen »über-
spannte magyarische Tiraden« und zu der Bedeutung der Ungarn in Bezug
auf die Künste bemerkt er bissig: »die Slaven hätten im Bereiche der bilden-
den Künste von den Magyaren im Verlaufe von neun Jahrhunderten kaum
etwas Anderes gelernt, als die Kunst, Knöpfe zn stricken und aus Dünger
Brennholz zu bilden«.
Czaplovics fordert den Grafen auf, er möchte ihm folgende Zeilen er-
klären: »die magyarische Sprache ist das Nährelement der Freiheit, der In-
telligenz, des Protestantismus«, sowie auch diese: »Die slawische Sprache
ist nicht mehr die Sprache der Freiheit, des Protestantismus«. Unter An-
derem fragt Czaplovics den Zay, ob er vielleicht nicht zu den magyarischen
Slawen gehöre«.
Die Antwort desGrafenZay (Pressburg, im Jänner 1S41) ist sehr schwach
ausgefallen.
Sein Gedankenkreis ist mit dem Grundsatze : Magyarisirung von ganz
') Die Slavisten und Leute der Wissenschaft wird es interessiren, was
für eine hohe Meinung dieser Chauvinist von ihrem ernsten Studium hatte
(S. 3): »Philologische Forschungen sind wohl an sich selbst ein eben so un-
schuldiges als verdienstliches Unternehmen; allein wird dabei nichts Höheres
bezweckt, so sind sie eine bedauernswürdige Verschwendung zu etwas Heil-
samerem geschaffener Kräfte; sollen jedoch jene als Beförderungsmittel der
Intelligenz dienen, so kann ja dieser heilige Zweck nicht nur mit Hilfe der
slavischen, sondern auch mit jeder andern Sprache erreicht werden . . . näm-
lich mittelst der magyarischen. Vergleichen wir die slawische Literatur
Ungarns mit der der Magyaren und fällen wir ein unbefangenes Urtheil. Der
Inbegriff jener ist vorzugsweise belletristisch und streng wissenschaftlich;
die magyarische Literatur hingegen verhandelt die heiligsten Interessen der
Menschheit, nämlich die religiösen und staatsrechtlichen Verhältnisse sammt
vielen anderen Lebensfragen, was auch insbesondere von der magyarischen
Journalistik gilt«. -^
158 Kleiae Mittheilungen.
Ungarn erschöpft; wo er aber mit logischen, wissenschaftlichen und humanen
Gründen operiren soll, dort verräth seine Argumentation auffallende
Schwäche.
Ich habe mich bei dieser Broschüre länger aufgehalten, weil dieser
merkwürdige Broschürenkrieg dem allgemeinen Vergessen verfallen ist, ob-
zwar er manch' wichtige kulturelle und literarische Momente enthält.
Kollär wusste bald, wie gefährlich für die Slovaken die Thätigkeit des
evangelischeu Generalinspectors sei. Er beklagt sich über Zay in seinem
Gutachten über die protestantische Kirche (meine Ausgabe, S. 64 :) — »nur
auf diese Art (Auflösung einer solchen aufrührerischen Synode) wird es
möglich sein, dass künftighin ein Kossuth oder Zay eine beispiellose Ty-
ranay in der protestantischen Kirche ausüben können, welche oft mit 50 Ju-
raten und anderen unberufenen jungen Leuten in den Conventsaal der
Kirchenversammlung hineinstürzten und einmal den ehrwürdigen Superin-
tendenten Jozeflfy gröblich insultirten . . .«
Die schon früher angeführte »Apologia — ti pak kteri v ni stojl, po-
silniti se mohou« (1841) ist eine Gegenschrift gegen eine andere »Apologia,
tojest: Obrana, kterau se odrodilci . . . bräniti chteji «.
Auf dem Landtage in Pressburg 1840 (wo keine Slovaken anwesend
waren) wurde beschlossen anzuordnen, »dass die Bewohner Ungarns magya-
risch sprechen sollen«. Irgend ein Magyarone hat ein Büchlein geschrieben,
wo er nachzuweisen trachtet, was für Vortheile für die Slovaken entstehen,
wenn sie sich magyarisiren werden. Jedes Kapitel endete mit den Worten :
»Giz geft darmo« — »Es ist schon vergeblich«, das heisst, alles ist verloren,
wehret euch nicht, es ist besser und opportuner für euch, Slovaken, wenn ihr
euch magyarisirt.
Als Antwort darauf erschien die im slovakischen Sinne geschriebene
»Apologia« 1841. Der Verfasser führt die Titel von neun Kapiteln an und
trachtet die magyarische Argumentation durch die Gründe aus der Bibel,
aus der Natur zu entkräftigen. Die Folgerung, dass alle in Ungarn wohnen-
den Völker sich magyarisiren müssen, Verstösse gegen göttliche und natür-
liche Gesetze, gegen die Humanität und gesunde Vernunft. Zuerst werden
historische Beispiele angeführt, die für die Gleichberechtigung der Völker
in der Slovakei sprechen. Dann geht es kapitelweise weiter. Der Autor ver-
räth, dass er in der Bibel gründlich belesen ist; man fühlt bald heraus, dass
es ein protestantischer Priester ist, in dessen Feder manche Phrasis aus der
»brüderlichen« Bibel stecken geblieben ist. Die Sprache ist ziemlich rein
cechisch; man erkennt aus dem Stil und der verhältnissmässig guten Schrift-
sprache, dass Kollär diese Broschüre nicht verfasste. Aber aus der ganzen
Beweisführung und der Kenntniss der slavischen Literatur — viele Gründe
der »Apologia« sind der >Wechselseitigkeit« KoUär's entnommen, — haupt-
sächlich aber aus dem warmen Tone der Broschüre lässt sich schliessen, dass
ihr Verfasser zu der Umgebung KoUär's gehörte. Wir werden daher nicht
fehlgehen, wenn wir annehmen, dass — nach dem früher angeführten Citate
bei Krizko — Kollär geistiger Beistand bei dem Werkchen und
Soltis dessen Schreiber war.
Kleine Mittheilungen. 159
Kollär war in der polemischen Literatur schon bewandert; er schrieb
für Zschokke's »Ueberlieferungen« »Etwas über die Magyarisirung der Sla
ven in Ungarn«, und nach Marko: »Sollen wir Magyaren werden« und »Hi-
KOJtHKO pi^ifi TOMt, KaKO ce CjiaBeHH y BeurepcKofi Mal)apH3Hpaio « (Spomen-
Cviede und meine KoUdrova dobrozdäni XVII). Er hat mehrere Gründe für
die Vorzüge der slavischen Kultur in der »Wechselseitigkeit« ins Treffen
geführt.
An einer Stelle in der » Apologia« (S. 26 — 27) werden einzelne Schrift-
steller citirt, die sich der Bekämpfer ihrer Muttersprache schämen würden ;
angefangen mit Hus bis zu Dobrovsky, Nudozerin, Tranovsky, Bei, Tablic,
beide Nejedly, Puchmajer, Samuel Hruskovic, Elias Mlinarovych, Joachim
Kaiinka, Jiri Zäbojnik.
Besonders interessant ist die Ueberschrift des siebenten Kapitels; es
ist ein Citat aus der genannten magyarenfreundlichen Broschüre, das in dem
Kapitel widerlegt wird:
»In der magyarischen Nation (närod) werden wir alle frei und unter-
einander gleich sein, und dadurch entstehen für uns goldene Zeiten in Un-
garn. Es ist schon vergeblich«.
Dem Ganzen wird die Krone durch das bekannte Citat Kollär 's auf-
gesetzt:
»Säm svobody kdo hoden, svobodu znä väziti kazdou:
Ten kdo do put, jiinä otroky, säm je otrok.
Necht' ruky, necht'by jazyk v okovy sve väzal otrocke :
Jedno to, neb neznä setfiti präva jinych«.
Gerade dieses Kapitel ist besonders charakteristisch für die damals
hochgehenden Wogen des politischen Lebens in Ungarn, unter dem aber auch
die Literatur zu leiden hatte. Ich führe einige markante Stellen (31—32) in
der Uebersetzung an :
»Die Magyaren lieben nur sich und suchen die Freiheit nur für sich
selbst und ihr Volk: dagegen wollen sie den Slovaken noch grössere Knech-
tung aufzwingen und grösseres Joch auferlegen. Am letzten Kongresse in
Balasch-Gyarmot*) am 12. Mai 1841 wurde darüber öffentlich diskutirt: »dass
die Jugend nichts aus dem Slovenischen lernen solle, die Theologen sollten
nicht slovakisch predigen und andere Abhandlungen schreiben; dass man
den ungarischen Slovaken verbiete, mit anderen slavischen Gesellschaften
und gelehrten Vereinen, und zwar nicht nur mit den russischen, polnischen,
sondern auch mit den cechischcn, zu korrespondiren«. Siehe, das ist die ma-
gyarische Liberalität ! Die Magyaren dürfen ihre Gesellschaften haben, aber
für die Slovaken etwas Aehnliches nem szabad. Ist das eine Freiheit! Junge
Slovaken haben einen Almanach unter dem Namen »Nitra«^) angekündigt:
1) W Baläs-D'armotech. Da ich das Werk des Prof. Niederle über die
slovakische Topographie nicht bei der Hand habe, kenne ich nicht die offi-
cielle ungarische Benennung.
2) »Nitra« von Hurban ist im J. 1842 in Pressburg erschienen und wurde
dem Caplovic gewidmet. Der zweite Jahrgang dieser Zeitschrift concentrirte
\ ßO Kleine Mittheilungen.
einige Magyaren verlangten, man solle diesen Titel verbieten: das ist die
magyarische Freiheit ! Die Magyaren wollen die Evangelisten mit den Cal-
vinisten gewaltsam vereinigen (wie der Simson die Füchse mit den Schwän-
zen), damit sie leichter die Slovaken magyarisiren könnten; ist das eine
Freiheit ! Sie wollen eine neue magyarische Religion bilden, wie Tärsalkodo
schreibt: »Seien wir weder Juden, noch Christen, weder Katholiken, noch
Orthodoxe, noch Protestanten, sondern — Magyaren!« (d. h. wahrscheinlich
Heiden).
Kollär erinnert sich dieser Worte in der »Apologia« und wiederholt sie
auch in seinem Gutachten (31): . . . »nach dem bekannten kossuthischen
Grundsatz: Seyen wir nicht Katholiken, nicht Protestanten, nicht Griechen,
nicht Christen, nicht Juden, seien wir nur Magyaren«.
Der Herausgeber der Nitra, Miloslav Jos. Hurban, bemerkt über ver-
schiedene Schwierigkeiten (S. 293) folgendes: »Nevime pak sobe docela vy-
svetliti, kterak i nepfätel nasich toto nevinn6 predsevzeti pozornost, jako-
vousi kfivozämernou vzbuditi mohlo natolik, ze se jim zachtelo kvetinku
tuto, jakoby v korunce jeji jester jedovaty di-imal, pred rozvinutim se jejim
poslapati. Ano jakovysi pamphletista präve v tom jmene .Nitra' cosi podiv-
neho nalezä, a proto verejne näm radil, abychom spisek tento radeji ,Kar-
pathus' anebo .Släva' etc. pojmenovali, ne moha se prenadiviti, proc präve
Nitrou jsme därek tento vlastensky nazvali«.
Der erste Jahrgang wurde » Janu Caplovicovi z Jasenovi, . . vlastenci
slovenskemu dalece povestnemu, spisovateli slavn6mu, närodu slovenskeho
ctiteli a zästupci neohrozenemu« mit einem begeisterten Gedicht gewidmet.
Die letzte Strophe der von Hurban verfassten Dedikation lautet :
»Posvecenät' jsi. Nitro, jiz Slävovi,
Jehoz jmena släva Tatrou poletuje
Jdiz ku statnemu Tater Obhajcovi *)
A On te CO dceru Nitry zamiluje«.
Ob Kollär auch irgend einen Antheil bei der Verfassung der »Politischen
Memorabilien« (Leipzig 1843) hatte, kann ich nicht angeben. Jedenfalls wer-
den die Biographen von nun an mehr die politische Wirksamkeit KoUär's
betonen müssen; die von mir herausgegebenen »Gutachten Kollär's und seine
Autobiographie aus dem J. 1849« (Böhmische Akademie, IJI. Klasse, 1903)
srehören zu den wichtigsten Schriften Kollär's auf diesem Gebiete.
alle für die slovakische Literatur ;im Gegensatz zu der böhmischen) begei-
sterte Schriftsteller.
1) Wir begreifen jetz';, warum Caplovic als Vertheidiger genannt wurde.
Wien, Dezember 1903. Dr. Josef Karäsek.
Beri^chtigung zu S. 135, Z. 30. Ich habe übersehen, dass Cevapovic
im Buche Surmin's erwähnt wird, aber erst B. IL 26, und zwar nebst Georg
Feric, beide als — illyrische Zeitgenossen, der »Danica«, was doch gelegent-
lich berichtigt werden müsste. V- J-
Zur glagolitischen Schrift.
Die folgende Betrachtung hat nicht den Zweck, den Ursprung
des glagolitischen Alphabets zu untersuchen oder seine Geschichte
zu behandeln, sondern will nur einen Beitrag geben zur Beant-
wortung der Frage, wie und warum den Buchstaben der Lautwerth,
den wir in der Ueberlieferung finden, beigelegt ist. Dabei sind
freilich paläographische Erwägungen nicht zu umgehen , und bei
den stark verschiedenen Ansichten über die Entstehung der glago-
litischen Schrift muss man einen bestimmten Standpunkt ein-
nehmen, um überhaupt auf die gestellte Frage eine Antwort geben
zu können.
Aus den bisherigen Untersuchungen über die beiden Schrift-
gattungen des Altkirchenslavischen stehen mir folgende Sätze fest:
1. Von den beiden Alphabeten ist das glagolitische das ältere.
2. Die Aufstellung dieses Alphabets ist das Resultat der gelehrten
Thätigkeit einer bestimmten Person. Es ist gleichgiltig, ob man
schon frühere Versuche zur Herstellung einer slavischen Schrift
vermuten will; es kommt hier nur darauf an, dass das fertige
Schriftsystem, wie die Ueberlieferung es darbietet, das wohl über-
legte Werk eines Mannes ist. 3. Der Hersteller dieser Schrift war
Konstantin (Kyrill), und sie war bestimmt für den Dialect, in dem
er seine slavischen Schriften abfasste. 4. Das glagolitische Alpha-
bet beruht auf der griechischen Minuskelschrift des IX. Jahr-
hunderts, und zwar in allen seinen Bestandtheilen. Die Versuche,
glagolitische Buchstaben aus orientalischen Alphabeten , aus einer
albanesischen Schrift oder aus der lateinischen abzuleiten, halte
ich für verfehlt. Es ist richtig, dass die bisherigen Untersuchungen
noch nicht jeden glagolitischen Buchstaben auf griechische Schrift-
zeichen zurückführen konnten, dass über die Herkunft einzelner
Buchstaben, d. h. welchen griechischen oder welcher Verbindung
griechischer Zeichen sie entsprechen, Zweifel bestehen. Aber trotz
dieser Zweifel und selbst, wenn man dabei bleiben sollte, dass
AicMt für slaTische Philologie. XXVII. \\
162 A. Leskien,
einzelne glagolitische Zeichen — es kann sich nur um wenige han-
deln — aus dem Orient stammen , so hat das für die hier vor-
liegende Frage wenig Bedeutung. Man mag immerhin annehmen,
dass die dem Konstantin zugeschriebene Kenntniss orientalischer
Sprachen und ihrer Alphabete nicht bloss legendenhaft sei, aber
man muss doch erkennen, dass ihm nur sein lebendiges Griechisch
und seine mit der byzantinischen Gelehrsamkeit nothwendig ver-
bundene Ausbildung in griechischer Grammatik die Richtschnur
geben konnten für die Bestimmung der Laute seines slavischen
Dialects und für die Aufstellung eines Schriftsystems.
Die nächste Aufgabe ist, zu bestimmen, wie das älteste glago-
litische Alphabet beschaffen gewesen ist, d. h. welche Zeichen es
besessen hat. Nach den Untersuchungen von Jagic halte ich es für
sicher, dass es sämmtliche aus der Gesammtheit der glagolitischen
Handschriften sich ergebenden Zeichen besass ausser « = e , dass
es vielmehr für e nudj'e nur das eine Zeichen 9e gab. Auf diesem
Standpunkt stehen Psalt. sin. und Kiev. Bl. , Nachwirkung des
alten Zustandes zeigt noch die weiter entwickelte Schrift des Zogr.
und Mar., indem sie 3€ nur im Wort- und Silbenanlaut, nicht nach
Consonanten {n Im. s. w.) setzen.
Steht das fest, so ist zu fragen, welche Laute hat das Alphabet
ausdrücken sollen. Es war nach meiner Meinung für Konstantin
selbstverständlich, dass er den Lautwerth der für seinen slavischen
Dialect aufgestellten Buchstaben nach Lautwerthen griechischer
Buchstaben bestimmte, d. h. nach den Werthen, die diese im
Griechischen des IX. Jahrhunderts hatten; und es dürfte nicht
überflüssig sein, das glagolitische Alphabet von diesem Gesichts-
punkt zu betrachten.
Von den Consonanten konnten ohne Abweichung über-
nommen werden ß = v "is, ^ = 2öj, x = Ä^, 1 = l a, (ohne Berück-
sichtigung des Unterschiedes von palatalem und nichtpalatalem /),
[x = m'9s,i/ = n-p (wie bei /), jt =p f, q = r b (wie bei ti, l),
(7 = 52, z = t m, ■^^= ch h. Von den nur in griechischen Fremd-
wörtern möglichen q)z=f^^ t9- =^ ♦, a« =^ ist hier abzusehen.
Der Umstand, dass griech. x und x nicht überall den gleichen Laut
darstellten, da sie wie im heutigen Griechisch, vor e- t-Lauten eine
palatale Färbung haben konnten, störte nicht, da ja k ch' in dem
slavischen Dialect überhaupt nicht vorhanden waren, sondern schon
Zur glagolitischen Schrift. 163
urslavisch dafür c s eingetreten war. Nicht so einfach lag die
Sache bei griech. d und y. Diese Zeichen drückten im IX. Jahr-
hundert wie heute je zwei ganz verschiedene Laute aus, die Spi-
ranten Ö 5 (so im Anlaut und zwischen Vocalen) und die Medien d g
nach Nasalen: öivöqov = ^endro^i^ ayyaqEia =z angarid). Da aber
für den Slaven in seinem Dialect die Spiranten gar nicht vorhanden
waren, konnten ohne Weiteres 6 Sh und y % vü. der Geltung reiner
Mediä aufgenommen werden. Auch die starke Palatalisirung des y
vor palatalen Vocalen, agos aj'os = aytog konnte für das Slavische
gleichgiltig sein, da hier ein g nicht vorkommt, sondern bereits ur-
slavisch durch {d]z vertreten wird. Die Möglichkeit, einen griechi-
schen Buchstaben mit an sich mehrfacher lautlicher Geltung in das
slavische Alphabet mit einheitlicher Geltung aufzunehmen, musste
dagegen bei h versagen; das griech. ß hatte zwei verschiedene
Werthe: v im Anlaut und zwischen Vocalen, b nach Nasal [lafxßavo)
= lambano). Dem ß = v entspricht der slavische Laut t?, und ß v
ist für diesen Spiranten festgelegt; für das rein mediale h musste
also eine Auskunft gefunden werden, und ich meine, Jagic hat
Recht, wenn er das glagolitische b e für eine Ligatur aus griech.
f.iß hält. Man muss dabei berücksichtigen, dass die Gruppe mb
im Slavischen gar nicht vorhanden war, also ohne Schwierigkeit
für einfaches b verwendet werden konnte.
Für die im damaligen Griechisch nicht vorkommenden Conso-
nanten und Consonantengruppen hat das glagolitische Alphabet
griechische Buchstaben umgeformt oder combinirt: z ac, dz ^,
c «v, c^, s uj, k'8. Für diese ist das griechische Alphabet nur
zeichengebend, nicht oder wenigstens nicht direkt Laute ver-
mittelnd gewesen. Wie im einzelnen die Adaptirung vorgenommen
ist, muss weitere paläographische Forschung entscheiden. Im
ganzen kann man sagen, dass für die Consonanten keine so grossen
Schwierigkeiten bestanden, dass ein grammatisch geschulter Ge-
lehrter sie nicht passend lösen konnte.
Bei den Vocalen waren die Umstände ungünstiger. Die
griechische Schrift bot an Vocalzeichen: a = a\ € ai = e] rj loistv
= i\ o u) = o\ ov = u; die diphthongischen Verbindungen av, sv
kommen nicht in Betracht, da sie bereits av ev (vor tonlosen Con-
sonanten af ef) waren, also in den betreffenden Silben nur das
vocalische Element a e darstellen. Dass im glagolitischen Alphabet
11*
1 64 A. Leskien,
die e-Zeichen oc ei v unberücksichtigt blieben, erklärt sich einfach
daraus, dass den Aufsteller der slavischen Schrift keine Kücksicht
auf Ueberlieferung oder Etymologie band. Die beiden einfachen
/-Zeichen /j l kehren wieder in s und t (mit der Variante s). Wie
weit bei dieser an sich überflüssigen Doppelheit oder Dreiheit doch
Berücksichtigung gewisser lautlicher Verhältnisse des slavischen
Dialects mitgewirkt hat, lasse ich hier ununtersucht. Die Zeichen
für a, e, o, u {a, €, o w, ov) konnten ohne Weiteres übernommen
werden.
Das glagolitische Alphabet besitzt an Vocalzeichen (die latei-
nische Umschreibung soll hier keine genauere Bestimmung geben,
sondern nur zur nächsten Verdeutlichung dienen) : + = a , 3 = e,
s «p (s) = /, 3 = 0, » = w, »e = % (dazu die Combination css cst [.««]
= 'y]j -6 := h, & = e (ja), fp =ju, s€ = ^, 3€ = e, ^a€ =jq. Zu den
durch o6, oQV, -8, A, §€, 3€,'»€ ausgcdrücktcn Vocalen hatte der
griechische Lautbestand keine Entsprechungen, die Buchstaben
sind daher aus Zeichen des griechischen Alphabets umgebildet
oder combinirt. Merkwürdig ist nun, dass auch von den Zeichen
für solche Vocale, die an sich lautlich im Griechischen und Slavi-
schen übereinstimmten, eigentlich nur zwei ganz gleiche Verwen-
dung gefunden haben, o ä = o^ ov f» = u. Dagegen bedeutet 3 so-
wohl e wie je (im Silbenanlaut), in derselben Weise s (t s) i wie
Ji. Für ja im Silbenanlaut und an Stelle des kyrillischen i e dient
das gleiche Zeichen a, 3€ dient für e und silbenanlautendes y^. Die
Lautverbindung yw aber wird von u regelmässig durch ein von » u
unterschiedenes Zeichen jp gegeben, und ebenso regelmässig y^
durch %e, unterschieden von 9e q. Warum, wird man fragen müssen,
hat jemand, der im Ju^Jq besondere Zeichen nöthig hielt, nicht
dasselbe Verfahren bei/e gegenüber e, bei/« neben i eingeschlagen?
Wer eine Combination von Zeichen iür Ju^ Ja ersinnen kann, wird
nicht in Verlegenheit sein, auch für andere entsprechende Laut-
verbindungen denselben Weg einzuschlagen. Es müssen daher
innere Gründe für die Unterlassung vorhanden sein, und diese
können nur liegen in einer Eigenthümlichkeit des altkirchenslavi-
schen Dialects.
Wenn sowohl /a wie der Vocal, der im kyrillischen Alphabet
einen von m verschiedenen Buchstaben i e hat und dort sicher einen
e-Laut bezeichnet, glagolitisch durch dasselbe Zeichen a aus-
Zur glagolitischen Schrift. 165
gedrückt wird, so kann das nichts anderes bedeuten, als dass ur-
sprüngliches ja und ursprüngliches e in der Aussprache einander
so nahe lagen, dass ein Zeichen für beide genügen konnte. Sie
brauchten darum nicht identisch zu sein, und waren es auch nicht,
denn während ein dem urspr. ja vorangehender Consonant, der ur-
slavisch palatalisirt war, mit dem Erweichungszeichen ^ versehen
wird oder versehen werden kann, >%v^ = hona^ geschieht das bei
A = urspr. e nicht: ■PA'sffcs. Wie das so verwendete a gelautet hat,
kann man völlig genau nicht bestimmen, man wird aber richtig
vermuthen, dass das a in/a und der dem e entsprechende Laut die
Färbung eines sehr offenen e [ä] angenommen hatten. Man konnte
also für das ä in altem ja und für das ä aus altem e denselben
Buchstaben anwenden. Es liegt in der Wiedergabe des Vocals
also keine Unvollkommenheit, sondern in der Wiedergabe eines
diesem Vocal vorangehenden palatalen Consonanten [n u. s. w),
wenn dieser nicht mit ^ versehen wird, wie etwa .■'§•? a statt ^i-PA.
Ganz auf derselben Linie steht der Gebrauch eines und desselben
Zeichen 3 für e und/e, s (t «) für i undy/, 3€ für e und/^, nach
palatalen Consonanten. Dass man so verfahren konnte, muss seinen
Grund in der Sprache selbst gehabt haben. Die Grammatik der
slavischen Sprachen ergibt sicher, dass nirgends urspr. j [t] nach
Consonanten erhalten geblieben ist; entweder es geht mit den Con-
sonanten eine diese zugleich verändernde Verbindung wie : kj — c,
gj — dz [z] u. s. w., oder der Consonant geht von der nicht pala-
talen Lage zur palatalen über (w, /', r). Bekanntlich neigen nun die
slavischen Sprachen dazu, die Palatalisirung weiter zu führen, in-
dem auch die palatalen Vocale [e- /-Laute) palatale Verschiebung
vorangehender Consonanten bewirken. Ich möchte dazu bemerken,
die Frage , ob diese Art der Palatalisirung bereits urslavisch be-
standen habe, ist eine Doctorfrage, denn es gibt wohl überhaupt
keine Sprache, in der die Organstellung der Consonanten vor
harten Vocalen (a, o, u] genau dieselbe wäre, wie vor den weichen
(e, *), z. B. ein w, ^ in ta to tu, na no nu lautet immer anders als
in te ti , ne ni. Es kommt nicht auf die Palatalisirung überhaupt
an, sondern auf deren Stärke, und diese kann sehr verschieden
sein. Nimmt man nun an — wie ich es annehme — dass im alt-
kirchenslavischen Dialect eine Erweichung der Consonanten durch
e-^-Laute in wahrnehmbarem Grade bestand, so muss man doch
166 A. Leskien,
daneben behaupten, dass sie graduell verschieden war von der
durch urspr. j bewirkten, denn es kann wohl z. B. s-a-ps^os =
konerm, doch niemals ^3 = ne geschrieben werden. Dieser Unter-
schied des Grades der Erweichung ist aber bei der Aufstellung der
Schrift unberücksichtigt geblieben , so gut wie bei a = ä. Lässt
man diese Auseinandersetzung gelten, so erhebt sich die weitere
Frage, warum irnje^ß^Jh^Je im Silbenanlaut kein besonderes
Zeichen gebraucht wurde. Der Ansatz eines silbenanlautenden
ji {(i), j'h {ih) ist von dem eines /, h bei prononcirter i-Stellung der
Organe überhaupt so gut wie identisch und besondere Zeichen waren
daher unnöthig. Bei e und § liegt die Sache natürlich anders, da
die Ansätze von e und ie, e und i§ wohl unterschieden sind. Hier
ist der Umstand entscheidend, dass es überhaupt kein silbenanlau-
tendes e, e in der Sprache gab, sondern nur ?'e, ie. Es konnte daher
bei der angenommenen palatalisirenden Wirkung des e, e auf vor-
angehende Consonanten , die man recht gut auch durch ie, i§ be-
zeichnen kann, das Zeichen für e 3 und das für e 3€ auch als je, je
im Silbenanlaut verwendet werden. Ganz anders lagen aber die
Verhältnisse heij'u, 'u, jq, 'q: es gab silbenanlautende /w und u, j'q
und q, nicht palatale und palatale Consonanten vor u und q, die
ihrerseits an sich vorangehende Consonanten nicht palatalisiren.
Hier konnte also, wenn die Schrift nicht ganz unvollkommen
bleiben sollte , eine Unterscheidung nicht entbehrt werden , daher
der allgemeine Gebrauch der Zeichen p- und ^. Was deren Ent-
stehung betrifft, so scheint mir fpju eine directe Uebernahme des
griech. to oder, mit Vereinfachung, des lov zu sein (vgl. kyr. lo).
Die erste Hälfte des ^ ist meines Wissens bisher unerklärt. Ueber-
legt man, dass im ältesten glagolitischen Alphabet € nicht an sich
Vocalzeichen ist, sondern nur die Nasalität des o § in »€, das e 3 in
3€ bezeichnet, so muss auch in dem Theile ^ des ja der eigentliche
Vocal stecken. Die Gestalt dieser ersten Hälfte des Buchstaben
sieht in den ältesten Denkmälern so aus ^ Q, und ich glaube
man darf annehmen, dass in ihr enthalten ist das o-Zeichen § mit
einem darüber gesetzten diakritischen Zeichen "", dass dann aus
der Verschlingung der beiden Bestandtheile die überlieferte Form
entstanden ist. Die älteste Anwendung des '^ wäre darnach hier
zu suchen, später wurde es als Erweichungszeichen, also eigentlich
im selben Sinne wie hei j'q, über palatales n, I, r und gelegentlich
Zur glagolitischen Schrift. 167
sonst gesetzt. Ich lasse es dahingestellt, ob das Zeichen ^ nicht im
letzten Grunde auf griech. i zurückgeht.
Schwierig ist die Frage, was die Zeichen c8 *, -e % eigentlich
ausdrücken sollen. Jagic meint, <« sei aus dem o -Zeichen s mit
diakritischem Beistrich, ■& aus dem e'-Zeichen 8 mit demselben an-
gefügten Element hervorgegangen. Das würde stimmen zu der
allgemeinen Vorstellung, dass ^ einen o-w-artigen, h einen 2-e-artigen
Laut enthält. Aber mir erscheint die Annahme unwahrscheinlich.
Thatsächlich sehen die Buchstaben, wenn man die Ansätze, bei ^ das
CN, bei h das >- abzieht, in der handschriftlichen Ueberlieferung ganz
gleich aus, auch die Variationen sind bei beiden gleich, man
kann bei beiden sowohl ein deutliches o -Zeichen § wie ein mehr
oder minder dem s i gleichendes herausfinden, und ich komme
nicht darüber weg, dass dies gleiche Element so aufzufassen ist,
wie das € in se ^, 3€ ^, d. h. eine bestimmte Nuaneirung des eigent-
lichen Vocals, der in der ersten Hälfte des Buchstaben ausgedrückt
ist, bezeichnen soll. Darnach wäre also in den Beistrichen «^^ >-
der eigentliche Vocal zu suchen, in dem gleichartigen Zusatz die
Modificirung. Bei der Frage , woraus dieser Zusatz entstanden ist,
muss man auch die Bezeichnung des y heranziehen. Das y war
sicher kein diphthongischer Laut, es hatte so wenig wie ^fbim
griechischen Lautsystem eine Entsprechung, und es bleibt doch
auffallend , dass der Aufsteller des Alphabets dafür kein einheit-
liches Zeichen gefunden hat, sondern zwei Buchstaben, <«8 [oqt, <««)
zusammenstellt. Im Princip ist das genau wie die Anfügung des €
bei »€ q und 3€ e; das dem "Q beigegebene e-Zeichen muss also be-
deuten ein dem ^ sich näherndes os. Dabei kommt in Betracht, dass
y als die dem ?> entsprechende Länge auftritt ; lange oder irgendwie
gedehnte Vocale sind aber in der Regel geschlossener als die ent-
sprechenden Kürzen, so dass bei y eine ziemlich starke Annäherung
an ^ empfunden werden konnte; es geht ja thatsächlich früh in i
über. Wendet man den Satz, dass die zweiten Hälften der zu-
sammengesetzten Buchstaben die Modification eines durch die
ersten Hälften bezeichneten Vocals ausdrücken sollen, nun auf ««
und -8 an, so scheint es mir möglich, dass in dem Ansatz o^ von c:8
das o -Zeichen, in dem Ansatz >- von -8 das e-Zeichen verwendet
ist, und dass in dem zweiten Theile 8 das e'-Zeichen steckt. Durch
die Anfügung des i wäre dann der ö-artige Laut des ^ aufgefasst
168 V. Gardthausen,
als eine nach i hinneigende Modification des o, der e- artige Laut
des h als eine nach i neigende Lautung des e.
Nach den vorgetragenen Ansichten erscheinen die Buchstaben
8€ 3€, c85, cö flj d. h. die nicht durch ein einfaches Zeichen aus-
gedrückten Vocale, nach einem einheitlichen Princip gebildet; die
erste Hälfte enthält die eigentliche Vocalbezeichnung, die zweite
deren Modification. Zu dem zusammengesetzten Vocalzeichen ge-
hört noch » u\ hier liegt die Sache aber anders, da auch das
Griechische das Doppelzeichen ov hat, und ich meine, es liegt in
dem glagolitischen Buchstaben nichts anderes vor als die Stilisirung
der griechischen Buchstaben Verbindung. A. Leskien.
Eine alt-russische Schrift.
Dass die Russen mit dem Christenthume ihre Schrift von den
Byzantinern erhalten haben, ist eine unbestrittene und unbestreitbare
Thatsache. Aber dabei wäre es doch wenigstens denkbar, dass einige
Theile oder Volksstämme dieses gewaltigen Reiches in alter Zeit sich
zunächst einer anderen Schrift bedient hätten, bis auch bei ihnen das
allgemein-russische Alphabet den Sieg davon trug. In der That glaubte
ein Akademiker in S. Petersburg eine derartige Entdeckung gemacht
zu haben:
Origine syrienne des lettres russes primitives.
M. Fraehn, savant orientaliste, a trouv6 dans un auteur arabe, Ibn-
abi-Yakoub-el-Nedim , qui ecrivait en 987, un passage constatant qu'ä
cette 6poque les Kusses possedaient dejä Tart d'ecrire. Cet auteur nous a
meme conserv^ un modele de l'ecriture russe du dixieme siecle. Ces
caracteres ne ressemblent ni ä l'alp habet grec, ni aux rhunes des peuples
scandinaves ces anciens lettres russes, si difförentes de
tout autre aiphabet, ont la plus grande analogie avec les inscr. non encore
expliquees, tracöes sur quelques rochers entre Suez et le mont Sinai.
s. Annales de philos. chretienne pp. Bonnetty N. S. 13. Paris 1836, p. 80.
Sowohl in dem dort citirten Journal des Ministeriums i. Volksauf-
klärung, wie in den Schriften der S. Petersburger Akademie hat der
Entdecker dieser wunderbaren Thatsache von seinem Funde berichtet :
Eine alt-russische Schrift. 169
Ch. M. Frähn, Ibn-abi-Jakub-el-Nedims Nachricht von der Schrift
der Russen im X. Jahrh. n. Chr. — s. M^m. de l'acad. Impör. des scien-
ces de S. Petersbg. VI S. Sciences polit. etc. t. 3. S. Petersbg. 183G.
S. 507. S. 513 Text, Uebersetzung u. Facsim. (das unten nach einer
Durchzeichnung wiederholt ist).
Die Uebersetzung lautet:
Die russische Schrift.
Jemand, dessen Worten ich trauen darf, erzählte mir, dass einer von
den Koenigen des Berges Kabk (d. i. des Kaukasus) ihn an den Koenig
der Russen geschickt habe ; und er nahm davon Veranlassung zu der
Bemerkung, dass diese eine Schrift hätten, die auf Holz eingekerbt
werde. Dabei zog er ein Stückchen weisses Holz hervor, das er mir
hinreichte. Auf demselben waren Charactere eingeschnitten, die, ich
weiss nicht, ob Wörter oder isolirte Buchstaben darstellten. Hier ihre
Nachbildung (siehe unten).
Von befreundeter Seite wurde mir mitgetheilt, dass man den ara-
bischen Text und das dazu gehörige Facsimile jetzt besser findet in der
neuen Ausgabe Kitäb al-Fihrist, hg. v. Flügel. Lpz. 1871. Bd. 1
(Text) S. [20].
Frähn schliesst an diesen ganz verständigen Text seines arabischen
Gewährsmannes einige Bemerkungen, welche diese interessante That-
sache illustriren sollen und vergleicht S. 5 1 7 diese wunderbare russische
Schrift mit sinaitischen (d. h. nabataeischen) Characteren, welche zum
Vorbild gedient haben sollen. Ohne auf die Bedeutung der Zeichen
einzugehen, malt er orientalische und russische Zeichen untereinander
russische Schrift
sinaitische Schrift
und behauptet dann, die einen seien aus den andern abgeleitet. Frähn's
Erklärung ist viel auffallender, als die Behauptung seines arabischen
Gewährsmannes. Die Russen waren im X. Jahrhundert durch die
170 V- Gardthausen,
Tartaren des heutigen Südrusslands, das Schwarze Meer, Kleinasien und
Syrien vom Sinai getrennt, durch eine Reihe von Völkern, die eine
eigene Schrift hatten, und es ist kaum denkbar, dass sie sich das
Vorbild ihrer Schrift von den Ufern des weit entfernten Rothen Meeres
geholt hätten; namentlich im X. Jahrb., in dem nach der gewöhnlichen
Annahme die heutige Schrift der Russen bereits erfunden war. Und
wenn man näher zusieht, so ist die Aehnlichkeit der Schriftzüge keines-
wegs so gross, wie Frähn behauptet; und selbst wenn sie grösser wäre,
als sie ist, so würde jeder verständige Beuitheiler dennoch die weit-
gehenden Folgerungen ablehnen , die Frähn daraus ziehen wollte ; bei
der Art und Weise, wie der arabische Schreiber ihm fremdartige Schrift-
arten wiedergibt, würde man eher an eine flüchtige Nachbildung oder
an eine irrthümlicheVertauschung unverstandener Schriftproben denken,
die entweder dem Verfasser, oder dem Abschreiber passirt wäre. Ich
weiss nicht, dass Frähn^s wunderbare Hypothese jemals widerlegt ist,
glaube aber annehmen zu dürfen, dass es heutzutage Niemand gibt, der
es wagen wird, sie zu vertheidigen.
Wie bereits gesagt, ist das Wunderbare und Unglaubliche erst
durch Frähn in diese Controverse hineingetragen, der arabische Text
ist durchaus verständig und verständlich, wenn wir ihn nur so wörtlich
wie möglich fassen. Die »Schrift, die auf Holz eingekerbt« wird, muss
man nämlich als Kerbholz-Schrift^) auffassen.
Als Rest einer schriftlosen Zeit findet sich das Kerbholz fast bei
allen europäischen Völkern 2]. In Deutschland 3) hat es sich bis ins
XIX. Jahrh. gehalten und ist vielleicht, auch jetzt in abgelegenen
Theilen noch nicht vollständig verschwunden. Auch bei den skandi-
navischen Völkern sind vielfach Runen als Kerbholz-Zeichen verwendet.
»Selbst die im Gebiete des russischen Gouvernements und ehemaligen
Königreiches in Asien, Casan, wohnhaften heidnischen Völker, die
Tscheremissen, Tschuwaschen und Wotiaken, nehmen bei Schuld-Ver-
schreibungen zwey Kerb-Stöcke, die sich ineinander passen, und schnei-
den auf dieselben so viele Kreutze oder Striche, als die Summe des
1) Sam. Stryck, Dissertation, juridicarum vol. III, Francof. 1743, p. 219 :
De bacillis fissis vulgo Kerb-Stöcken.
2) Kerbholz, niedersächsisch Karvstock, schwedisch Karfstock, mittel-
alterl.- lateinisch bacillus fissus, tessera lignea, französisch Taille, Oches;
Krünitz, Encykl., s. u.
3) Grimm, Deutsches Wörterbuch 5. 562 u. d. W. Kerbholz.
Eine alt-ruBsische Schrift. 171
Geldes in Griwen oder Kopeken beträgt. Ein jeder, der Gläubiger und
Schuldner, schneidet auf seinem Kerb-Stocke zu Ende, wo die Kreutze
und Striche aufhören , sein angenommenes Zeichen statt der Hand-
schrift. Die Zeichen sind z. B. <^, ^, 6, X, H u. dergl. , wie es
einem jeden in den Sinn kommt, dergleichen zu wählen, dessen er her-
nach bey aller Gelegenheit, wo Unterschrift nöthig ist, sich zu bedienen
pflegt. Darauf werden die Kerb-Stöcke gegen einander ausgewechselt,
und sind bey ihnen so gültig, als bey uns die kräftigsten Verschrei-
bungen. Doch geht solches nur in Geldsummen, die nicht über 10 Rubel
sich belaufen, an. Müllers Samml. russ. Geschichte 3. St. Petersbg.
1758, S. 363 f.((i).
In unseren Museen findet man garnicht selten Kerbstöcke mit
Runen oder runen-ähnlichen Zeichen und der von Frähn so weit weg-
geworfene Gedanke, dass die Runen das Vorbild dieser altrussischen
Schrift gewesen, wird jedenfalls der Wahrheit näher kommen, als seine
eigene ganz unglaubliche Hypothese. Auf das Lesen und Erklären im
Einzelnen wird man allerdings bei diesem Facsimile verzichten müssen;
da die Schriftproben der europäischen Völker im Fihrist vom Verfasser
sowohl wie von seinen Abschreibern unverstanden nachgemalt und viel-
fach entstellt sind. Aber vielleicht führt der Querstrich, der in so auffallen-
der Weise fast das ganze Facsimile durchzieht, auf die richtige Spur.
In seiner ausgebildeten Form bestand das Kerbholz nämlich aus
zwei gleichen aneinanderpassenden Holzstäben , von denen der eine
sich in den Händen des Käufers befand, der andere aber in denen des
Verkäufers (beide Ausdrücke im weitesten Sinne des Wortes).
Beim Abschliiss eines Geschäftes legte man beide Stäbe anein-
ander; der eine der Contrahenten schnitt auf seinem Stabe eine Kerbe,
deren Bedeutung beiden bekannt war, die sich auch auf dem zweiten
Stabe fortsetzte. Die Fuge zwischen Stäben ist also für diese Art der
Kerbholz-Zeichen besonders wichtig ; sie muss in einer Nachzeichnung
auf Papier als ein Quersti'ich erscheinen, der die Zeichen durchschneidet,
welche sich zu beiden Seiten meist rechtwinklig an diesen Querstrich
anschliessen. Gerade dieser Querstrich tritt aber in der Nachzeichnung
des orientalischen Schreibers (s. o.) ganz besonders deutlich hervor, so-
wohl auf der rechten (wo er etwas geschwungen ist) wie auf der linken
1) Krünitz, Oekonom.-technologischeEncyklopaedie u. d. W. II. Aufl. 37.
Berl. 1794. S. 2—3. Vgl. Fr. Krauss, Ztschr. f. Ethnologie 18. 1886. S. (384)
Botenstöcke b. den Slaven (m. Abbild.).
172 V. Gardthausen, Eine alt-russische Schrift.
Seite, Er sollte eigentlich natürlich gerade durchlaufen; in der Mitte
müssen wir ihn uns also natürlich ergänzen. Ich denke mir die in der
orientalischen Handschrift entstellten Kerbholz-Zeichen der Russen also
ungefähr so:
f^%n<-ß-i^pj^
Wenn wir das Facsimile von diesem Standpunkte aus betrachten,
so scheinen die Zeichen des obern Stabes {A) ausgebildeter und mannig-
faltiger zu sein als die des unteren {B); man sieht dort 3+1 + 1
gerade Striche, die von A nach B durchlaufen, die aber nur auf A mit
einem kleinen Kreise oder Punkte ansetzen, die stets auf der anderen
Seite fehlen; sie sind also wahrscheinlich das Kennzeichen der Partei A.
Von den Zeichen <^ ^ <|^ X H , die von Krünitz (s. o.) als Marke der
Personen angeführt werden, erkennt man im mittleren Theile <^; dass
wir in dem ersten Zeichen links ein verstümmeltes ^ zu erkennen
haben, erscheint doch nicht recht wahrscheinlich.
So schwinden also auf der einen Seite die vermeintlichen Spuren
einer alten orientalisch-russischen Schrift und verwandeln sich vielmehr
in Reste der uralten Kerbholz-Zeichen, die bei fast allen europäischen
Völkern und ins Besondere auch bei den Russen gebraucht wurden. Bei
den Deutschen wurden sie im Volke noch angewendet in einer Zeit als
eine wirkliche Schrift längst Allgemeingut geworden war; es ist also
durchaus nicht auffällig, dass das russische Volk diese primitiven popu-
lären Zeichen beibehielt, als die russische Kirche sich bereits des heu-
tigen, aus dem Griechischen abgeleiteten Alphabetes bediente.
V. Gardthausen.
Anm. Der russ. Akademiker Baron Rosen hatte die Freundlicheit,
meine Aufmerksamkeit auf das wohlbekannte Werk Harkavy's (CKasaHifl My-
cy.ai>M. nacaTejieä o cias. u PyccKHXi.. ClXöri. 1870) zu lenken, wo S. 241 — 244
einige, jetzt allerdings zun Theil schon veraltete Bemerkungen zu Fraehn zu
finden sind. Das Buch »CiBepHtiii pfonoii Ka-ieHjapi.« von Vjac. Sreznevskij
(SPtbg. 1874) berührt die Frage über die angebliche alte Orient, russ. Schrift
gar nicht, es beschränkt sich auf den Runen-Kalender. Selbstverständlich
hält auch Baron Rosen die Ansicht Fraehn's für verfehlt, dagegen die von
Prof. Gardthausen eingeschlagene Richtung nicht für aussichtslos. Freilich
sei die Ueberlieferung der Zeichen ganz verzweifelt. F. J.
173
Le prix normal du ble ä Constantinople pendant le
moyen äge et le Code de Stephan Dnsan empereur
des Serbes.
Quand je m'occupais (1898) de la seconde Edition du Code de Ste-
phane Dusan, j'ai ränge le manuscrit du Code dösignd Rakovacki ä la
fin de la Serie des copies qui nous ont conserv^ le mieux ce monumen-
tum aere perennius de l'empereur serbe.
Le manuscrit Rakovacki contient une douzaine d'articles du Zako-
nik qui ne se trouvent dans aueune autre des copies. Le copiste a pos-
sede un manuscrit plus ancien, appartenant evidemment ä la seconde
eathegorie des textes (comprenant, selon moi, les changements d'une
revision du XV siecle), qui s'est malheureusement perdu. Est-ce que la
douzaine d'articles, uniquement conserve'e dans le Rakovacki, appartient
ä cette revision ulterieure du Zakonik ou est-ce qu'elle n'appartiendrait
plutot ä la redaction premiere ? Ce sont les questions auxquelles nous
ne pouvons r^pondre que par des suppositions. Au lieu de nous y
^garer, tächons de mieux connaitre ce qu'il y a dedans.
L'article 198 (de mon edition 1898) appartient ä la douzaine sus-
mentionn^e et a le texte suivant:
/I^oxoäbkl i];apcKLiH, coKie h naMext h apaqt, ^a Aasa BLcaKb mjio-
BiKL — KLÖtjib KHxa, nojOBHHa qucTaa a no^iOBHua npinpocxa, bojim
nepnepB ;i;HHapMH, a poKt xoMoy jkhxoj /i;a ce oycnna na MnxpoBb
;i;i)HL, a ApoyTUH poKB Ha Pea^^texBO XpHCXOBO, etc.
II y a une chose qui se deduit de ce texte, c'est l'equivalence pos^e
entre le kböBjIl aciixa et entre le nepnept AHiiapjiH. Dans les expli-
cations de cet article (p. 265 Edition 1898) j'ai dömontre que le kböbüb
est la meme chose que le mbxl — modius.
L'equivalence du perper et du modius de bl^ au XIII — XIV siecle
peut etre constatee aussi dans les traites de l'Empire Byzantin avec la
Röpublique de V^nise.
Dans le traite du 8 juin 1265 l'empereur Michel Paleologue fixe la
regle : Et habeant Veneti libertatem extrahendi frumentum de terris Im-
perii mei et ponere illud ubi volent, salvo quam in terris inimicorum
174 St. Novakovic, Le prix normal du ble ä Constantinople etc.
Imperii mei. Verum quando frumentum venditur a quinquaginta
yperperis supra centenarium in Constantinopoli, quod tunc ipsi non
possint entere pro transportando ipsum ('Orav de TrwXf^rat t6 /.ev-
TrjvaQiov 6n:ey.etva tOjv TtevTrjycopra VTteQTraQcov, ov fj.i]v l^covcovrai
avTÖv).
La meme stipulation se trouve plus clairement exprimee dans la
rdnovation du meme traitö le 15juin 1285 sous l'empereur Andronique :
Item habebunt libertatem Veneti emendi frumentum et extrahere ipsum
de Imperio nostro cum navibus eorum seu lignis, aut forinsecorum, et
quocumque voluerint portare predictum frumentum excepto ad terras ini-
micorum Imperii nostri, quandocumque centum modia frumenti volue-
rint yperperorum centum et infra; et si ultra valuerint, quam centum
yperperorum centum modia frumenti^ non possint extrahere de Im-
perio nostro sine licentia Imperii nostri. (Tafel u. Thomas, ürk. z.
alt. Handels- und Staatsgeschichte d. R. Venedig. III, 74, 85, 331).
Les memes traitös furent renouvel^s encore: le 11 novembre 1310, le
25 mars 1342 et le 9 septembre 1349 (Thomas, Diplomatarium veneto-
levantinum 1300—1350. Venetiis 1880, p. 82, 257, 341).
II est donc clair que le prix normal du ble dans les etats balca-
niques du moyen äge etait un perpere par modius et que cette stipula-
tion du Code Dusan selon le texte Rakovacki se confirme par d'autres
documents contemporains.
Kuokkala (Finlande), le 7/20 aoüt 1904.
St. Novakovic.
175
CoKK et coKajiBHHKB dc la Scrbic du moyen äge.
C'est presque tonte ma vie que j'ai pass^e ä lire et ä refeuilleter
des documents serbes du moyen äge. Je dois reconnaitre que j'ai eu
recours tres rarement aux documents byzantins contemporains. L'ete
passö, ayant eu un peu plus de loisir, je me suis mis ä prendre en con-
sid^ration le diplomatarium balcanique de son cote byzantin. L'effet de
cet essai a 6t6 tres interessant, J'emportais l'impression qu'on doit
avoir quand on lit un original apres en avoir longtemps lu seulement
les traductions. J'avais devant moi une fois aussi les modeles qui
avaient servi ä nos logothetes. Certaines cboses s'expliquaient qui me
tourmentaient depuis longtemps. Je communiquerai ici ce que m'ont
inspire les lectures mentionnees sur les deux termes serbes du moyen
äge insuffisamment expliqu^s — sur le cokk et sur le coKajtHHKt.
I.
L'explication du cokk a et6 tentee il y a döjä trente ans par
Miklosich et Daniele. Dans son PjeynHK h3 KH.H^eBHHX cxapHHa
cpncKHx Daniele sous cohL explique ce terme comme 6tant provenu du
latin medi^val soca, socagium et dit qu'il signifie tributum frumenta-
rium. A la fin des citations il le met en correspondance avec le mot
coKaJbHHKB , indiquant par lä la meme provenance des deux termes.
Cette explication se retrouve chez Miklosich dans son Lexicon palaeo-
slovenico-graeco-latinum. Quant au coKajiLHHKi. nous lisons chez
Miklosich que ce terme indique le »colonus qui tributum cohb dictum
pendere debebat, mlat. socamannus«.
La premi^re objection qu'on est force de faire ä ces explications
consiste dans ce qu'elles ne tiennent aucun compte des institutions
byzantines. Toutes les citations du feu Daniele nous portent dans les
pays de la Serbie centrale ou Orientale qui n'ont jamais öte sous le
regime des feodaux d'occident. Or ces pays-ci ont souvent change le
regime byzantin contre le regime slave, et on sait depuis longtemps
d^jä que ces changements n'etaient rien autre que des changements de
personnes dans la haute administration. Sauf les changements provenant
(probablement encore sous le regime byzantin) des circonstances locales,
le Systeme administratif etait toujours celui qui fut inaugure une fois
176 St. Novakovid,
pour toutes par les autorit^s imperiales de Constantinople. Le grand
centre ne perdait jamais son prestige legislatif, ne cessait presque Ja-
mals de legif^rer pour la Presqu'ile Balcanique toute entiere meme
alors quand eile etait demembr^e en plusieurs etats. Et comme il est
incontestable que Vordre administratif dans l'Empire Byzantin differait
de celui des etats europöens occidentaux, malgr^ la base romaine iden-
tique, il y a peu de chance qu'on puisse maintenir l'explication pure-
ment occidentale du terme cokk chez Miklosich et chez Danicic. Iiie-
vitablement , on doit chercher une explication qui se rapproche des
institutions byzantines et de l'ordre qui provient de celles-ci.
Toutes les citations qu'on pourrait actuellement compulser sur
eoKie DU cofeB comportent que c'6tait une contribution imperiale et
regalienne. Nous nous bornerons ä ne citer que le bon texte du Code
Dusan, l'article 42 de 1349 qui dit: II öauiTHHe Bi.ee Aa coy cboögahc
OTt Bi.cix:L paöoTB H no^antKL uaptcTBa mh, pasBi ^a Aaio coioe, h
BOHCKoy Aa BOioio no saKOHoy. Tous les patrimoines, contre le Service
militaire obligatoire, ^taient, par cet article, exempts de toutes les cor-
v^es (dont le role 6tait tres grand dans les etats mddi^vaux) et de toutes
les contributions de l'Empire except^ le cokk et le Service militaire.
L'article 198 (provenant malheureusement des copies tardives inter-
polees) nous apprend que cokk consistait dans un modius du ble ou
dans un hyperpere en argent. Les autres sources nous informent que
c'etait une dime d^stinee ä l'usage de l'autorite centrale, c'est-ä-dire de
la couronne. II y a beaucoup de cas oii les souverains, en cedant aux
monasteres certains villages ou terres, se desistaient de cette contribu-
tion obligatoire pour tout le monde , en faveur des ^glises. C'est une
confirmation par les faits de l'article sus-mentionn6 du Code Dusan.
L'excellente dissertation de H. Geizer Die Genesis der byzantini-
schen Themenverfassung (Leipzig 1899) mentionne ä la page 122 ce
qui suit: Wichtig ist Ibn Hordadbehs Bemerkung, dass der im ganzen
Reiche in natura erhobene Getreidezehnten in erster Linie dazu diente
die grossen Proviantmagazine der Kaiserlichen Armee zu füllen. Les
documents byzantins du XI. siecle nous permettent d'entrevoir les roua-
ges de l'administration byzantine ä Constantinople. D'apres les chryso-
bouUes de l'empereur Michael VII. Ducas (1071 — 1078) de l'annöe
10741) on voit que Tadministration ä Byzance ^tait partagee en diS6-
1) Fr. Miklosich et Jos. Müller, Acta et diplomata medii aevi I, 134.
CoKK et coKajBHHKB de la Serbie du moyen äge. 177
rent3 0€aq€tov. Ces aexgerov devraient correspondre ä ce qu'on
appelle actuellement le ministere. On en mentionne: ro oexgerov tov
ysviyiov loyod-itov\ ro OEy.Qerov tCov oi'/.Eia-/.Cov (pour lequel
M. L. Petit dit qu'il d^signait le bureau Charge d'administrer la fortune
particuliere de l'Empereur. ILiBtcTin PyccK. Apxeo.iorHy. Oum,ecTBa
B-L KoHCTaHTHHonOjii, VI, 51); lo G8'^Q€Tov Tfjg aayiiXXrjg; ro
ot'/.qixov TOV oi'/.ovoi.iiov rüv Evay(bv o'iy.iov. ro aexQSTov tov
orqciTuoTi/.ov XoyoS'erov. Le chrysobouUe et ses Privileges furent
enregistres dans tous ces OE-AQeTd. Quand la meme chrysobouUe fut
confirmee par l'empereur Nicöphore III Botaniate (1078 — 1081) on
jugea utile d'indiquer comment, sous quelle date eile avait et6 enre-
gistree dans le aey.qirov T\g oay.ü.hrjg et aussi dans le oe/.QeTOv tov
fieyaXov oaxelXagiov ^]. Le meme empereur, voulant exempter le
monastere de St. Jean Prodrome cctto re tCov /mtu y.aiQovg cayella-
gitov Tü)v iTtl Tfjg r^i^iETeqag aa/Jlkrjg yal tov ßeoTiaQiov confere au
dit monastere une chrysobouUe en aoüt 1079 ^j. L'enregistrement d'une
autre exemption semblable ev tm GEyqeTio Tfjg aaye?J.rjg est mentionnö
dans les chrysobouUes de l'empereur Alexius I. Comnene en 1088,
destin^es aux moines de l'ile de Patmos^). Dans une sceau de plomb
de la meme annee lOSS on lit l'inscription: 6 ßaailiy.bg voTaqiog tov
OEyQETou tov oay.eX?.aQiov y.QiTrjg /.cd avuyqacpEvg tGjv Kv/.Xccdiov
vrjGiüv*]. Une autre exemption sous l'empereur A, Comnene du juillet
1099 fut aussi enregiströe Iv Tcp OEy.QExo) Tf^g ßaailiyf^g GayeXXr^g^].
Sous l'empereur Manuel Comnene, en 1145, au mois de mars fut en-
registree une exemption pour les moines de l'ile de Lere (Cyclades) Iv
T(o GEy.QETcp Tf^g ßaGiXiTifjg GaxEXkrjg^), avec indication de la date de
l'enregistrement.
II est tout-ä-fait clair que le GEy.QETOv Tf^g ßaGiXi/.f^g Ga-KskXrjg
etait la grande caisse imperiale qui exigeait la taxe prescrite de tout le
monde, qui avait ses organes et ses fonctionnaires partout dans l'empire
et qui devait etre saisie officiellement de chaque exemption imperiale
pour que celle-ci püt etre eflfectuee. Tb gev.qetov rfjg ßaGiXr/.f}g
GayiXXr^g ä Constantinople fonctionnait donc comme aujourd'hui le
tresor ou le ministere des finances. D'apres un prostagma de l'empereur
A. Comnene, de l'annöe 1094, qui nous apprend que l'empereur etait
1) Acta et diplomata graeca V, 138. 2) Acta VI, 21.
3) Acta VI, 49, 53. *) Acta VI, 57. 5) Acta VI, 94—95. 6) Acta VI, 105.
Archiv für slavische Philologie. XXVII. 12
178 St. Novakoviö,
autorise de conferer au patriarcat la nomination t(^ (.leyaho oiy.ovöuo)
— T(^ l-ieyüXo) oa'/ieX'kaqidj — T(p aeyaXo) oy.£vo<f)v?yay.i — y.ai r^
oay.eX'kiov on voit que le meme rouage administratif fonctionnait aussi
au patriarcat i). L'institution me rappelle les mots russes Kasna, Kaseu-
Htiä et KaseHHoe le fisc, le tresor; fisc et tresor, qui non seulement
remplacent completement les termes byzantins t] ßaaiXiKr] aaxeXXrj et
rfjg ßaaiXr/.rig oaziXXrjg^ mais semblent y etre calquös entierement.
Je n'entre pas dans l'explication etymologique de mots Kasna et
KaseuHBiil.
Et c'est sur ces bases que j'oserai hasarder mon explication du
COKK en Serbie. 11 me parait que aa/JXXr] (prononcee cahe.iii) et cokk
correspondent aussi completement qu'il est nöcessaire. Tous les x« grecs
devenaient regulierement en serbe he. On peut trouver dans le diction-
naire de Daniele toute une coUection de mots medievaux oubli^s, avec
d'autres qu'on parle encore aujourd'hui: he^ipb, heJiHM, he<i>ajiHH, heuTH-
HapL, hHBOT, hepaMHAa, hupiiua, etc. A l'occasion des conquetes de
provinces qui alternaient tantot au profit des uns et tantot au profit des
autres, on changeait les fonctionnaires serbes contre les fonctionnaires
byzantins et vice versa, mais la contribution rjjg aaxiXXrjg restait teile
quelle et changeait seulement sa forme grecque contre la forme serbe
ou reciproquement.
II.
L'^ancien terrae de la Serbie du moyen äge coKajitiiuKb n'a rien de
commun ni avec lat. socamannus ni avec le m. -serbe coKie.
J'ai ddjä Signale une explication differente de celle de Miklosich
et de Danicic' dans la deuxieme Edition du Code Dusan ä Tarticle 107
du Code oii le mot coKajibHUKt est employe^). Selon les donnees y men-
tionnöes j'ai mis en avant que coKa.i[i>HHKi> ne signifie pas une classe
particuliere des contribuables, mais un artisan, un cuisinier ou un bou-
langer ou peut-etre le ma^on qui se connaissait dans la constraction des
ätres ou des fourneaux de l'dpoque. Comme la chose a trait aux usages
du moyen äge, on doit prendre en consideration la diflf^rence des con-
structions memes servant aux besoins indiques qui, surtout dans la
Presqu'ile Balcanique, echappe aux observations plus precises. Je
reviens ä cet objet d'abord ä cause de la connexion d'idees chez
1) Byz. Zeitschrift III, 19.
2) SaKOHHK Cie^aHa /lymana. Beorpa;i; 1898, pag. 211.
CoKK et coKa;itiiuKB de la Serbie du moyen age. 179
Miklosich et Daniele, et aussi parce que 9a se dövoile tres clairement
par les comparaisons des textes byzantins et des traductions slaves.
L'explication erron^e de Miklosich et Daniele a donnd lleu ä beaucoup
de combinalsons essayant de dömontrer quelle etait cette claase du
peuple Serbe qui s'appellait coKaJibimi^H, qul, certainement, s'ecroulent
d'elles-memes aussitot qu'on fait voir que coicajibHHKh n'ötait qu'un
simple artisan.
Nous commencerons notre enquete par les lols byzantines.
Le recuell de M. Viastar dans le oroixelov v. (edltion athenienne
Rhalli, p. 313) contient la loi du Procheiros Nomos eh. 38, p. 17:
OvTE cpovQvoVy ovxe eariav ev rw l7ti-/.oiv(o toIxm övvar ai rig
TTOLElv. Le traducteur serbe de Viastar du XIV siecle, contemporain
de St(§phan Dusan, reproduit le meme texte en slave par les mots:
Hnace neuiTt , HHJKe coKajii.HHi],oy bb oöbuitsh ct^h^ hb Moacexb kto
TBopHTH. La meme loi a ete traduite encore une fois pour la Serbie au
commencement du XIII siecle dans la KpLMfcqaM du St. Sava oü le
meme paragraphe se trouve dans le Procheiros Nomos — rpaAbCKLiH
3aK0Ht. Le texte grec du Procheiron contient une phrase supplementaire,
rendue aussi dans la traduction slave. Le texte du Procheiron est le
suivant: Ovre. cpovQvov, avve nvQY.a'Cav ev rcp eTtiy.oivco rolyji)
dvvarai rtoiElv^ iv ih tbi^ iTtiy.otvov roly^ov viib xov Jivqog v.cxTa-
ß)M7tTsad-ai. Ce qu'on a traduit par les mots slaves: Hh nemTH, hh
noBapLHHu;e npisb bahrs wöbuiToy ct^hs hb MoacBXb HHKbxo^B
TBOpHTH, HMbaCB OÖbmTJsK) CT^HOy OrbHb BpijKAaKTb 1).
On voit donc que les mots grecs eoria ou 7tVQ%aläy le feu, le
foyer, sont traduits en slave une fois (au XIV siecle) par coKajibHHua
et une autre fois (au XIII siecle) par noBapbUHi^a.
Dans la chrysobouUe du roi Miloutine (Stephan Uros II) de 1322
on remarque que coKajibinma prenait quelque fois la forme masculine.
On lit dans cette chrysobouUe: II cinoKomb mxo le kochjio KpajiKBbcxBO
MH, HiiavB coKa.ibHHKa, H cb sbmjIbh) u'Xb xora ciHOKoea npaso ÄOJiOMb
ropi c xiMHSH HHBaMH Ha apxHKHHCKoynoBO cxaHHmxe h ujxb xoy rope
oy no;ie2). II parait que le texte veut parier d'une construction k
fourneau ou au foyer public. On ne peut pas 1 expliquer avec plus de
1) TjiacHiiK 2or OÄ. VIII. Apx. H. ityquha KpMiuja Mopa^Ka, p. 116. Nous
avons remplace la lecture erronee numm par neiuxu.
2) Miklosich, Mon. serbica, 563.
12*
180 St. Novakoviö, Cokk et coKajtHHKb de la Serbie du moyen äge.
precision sans une connaissance exacte du mode des constructions de ce
genre au XIV siecle.
Un extrait d'un manuscrit de la Bibliotheque Nationale de Beigrade
No. 60, f. 159 contient le texte qui montre la meme signification du mot
coKajitiiHi^a : Et eoKajiBHHi^H .ih re coyxt nocxaBHJiH, noMemi öarpeiu-
TBK HJiH M^At KOBoynixeie, H2Ke HomTL HKO AtHt coBptmaiomTe et
ü/rHieMt öopoyinTe ce h BjacTii noKapaiouiTe ce, wtl KHest cToy-
acaKMH.
Par tout ceci se trouve confirme l'article 107 du Code Dusan:
Kto ce HaHÄ© otöhbl coy^HHa coKajiBiuiKa h.ih npHCTaea, Aa ce n.iiiiH
H Aa Moy ce B'Ece oysMi niTO ima. II parait qu'on a vite oublie le mot
et la signification de la coKajiBHHiia apres le XIV siecle, car les textes
du XV siecle interpolent dejä noctJifcHHKa au lieu de coKajitHHKa.
Et on voit clairement que coKajbHHKt n'etait autre chose que
l'homme prepose aux cuisines et aux foyers ou un artisan qui construisait
ce qui y ^tait necessaire. L'insuffisance de nos connaissances sur la
construction des foyers et des cuisines nous empeche de nous prononcer
plus precisement. Le Procheiros Nomos dans son chapitre ne menti-
onne pas des cheminöes qui n'existaient pas jusqu'au XII siecle. Le
paragraphe suivant, le 20, dans le chapitre XXXVIII du Procheiron,
nous aide un peu k entrevoir ce qu'on faisait des foyers et de leurs
fumee dans les maisons. ^Eäv rig Ttoirja}] rvQsipelov, l| oii xaTtvog
k-A7tEi.i.7iö{.ievog AaraßlccTiTei rovg Iv rolg vipr^lorsqoig oi/iovvrag,
övvavTai y.axa vöiioug ol ßlaTtTÖf-isvoi '/iloIvelv avTov sigTref-ineLV
Tov -/.ajtvov. Le mot TVQEipslov ne se trouve ni cbez Sophocle ni chez
Deheque ou Legrand. La traduction slave nous rend le texte precedent
comme il suit : Amxe kxo cLXBopnxt oKLHLi^e, irxt Hieroace AUMt ncxoAe
naKoext XBopnxb npintime atiiBoyuixHMt jioroyxL naKocxt npHKMjrio-
mxen BLSLÖpaHHXH bm« no saKOHOMt ne BLcnoymxaxn AHMa. Le typique
de St. Sava pour le monastere Chilandare nous apprend qu'on chauffait
les cbambres de Tbopital par une aroula de bronze, un rechaud ou
plutöt un brasero portatif {(xay/.dlt, mangal) encore en usage ä Con-
stantinople et dans l'intörieur de la Presqu'ile Balcanique.
Ce que les coKa.ii>HimH vivaient aussi dans les villages nous
empeche de d^terminer leur metier qui avait trait en tout cas ä la
cuisine ou au foyer d'apres la construction ou d'apres l'occupation. On
doit renoncer totalement ä les considörer comme une classe particuliere
de la Population ou des Colons. Quand on examine les lois qui les con-
L. K. Goetz, Die Echtheit der Mönchsreden des Kyrill von Turov. 181
cernent dans les chrysoboullea des monasteres, on voit qu'ila etaient
partout traites ä la fagon des autres artisans auxquels on faisait aussi
la mesure de la corväe agricole plut petita en röcompense de leurs pre-
stations d'artisans — im traitement partout usite dans la vie feodale de
l'ancienne Serble. St. Novakovic.
Die Echtheit der Mönchsreden des Kyrill von Tnrov.
Von Leopold Karl Goetz-Bonn.
In der kurzen Vita des cb. KHpHJiJit TypoBCKiä, f Ende des XII.
Jahrhunderts, die im cjiaBiHio-pyccKiä npo.ior^ unter dem 28. April
mitgetheilt ist (vergl. Cepriä: MicHUiecjcoB'L II, 110, Ausgabe von 1876,
abgedruckt in TBopeiiiü cb. oxi^a iiamero KHpHjr.!ia enncKona TypoB-
cKaro et npe/tBapHTejiBHHM'B oiiepKOMt Hcxopia Typona h TypoBCKOH
iepapxin äo XIII siKa, HBAaide npeocB. EBrenin. KieBt 1880, p. 296,
nnd in IIoHOMapeB'S : üaMHTHHKH ApeßHe-pyccKOH u;epKOBHO-y^iHTejB-
HOH jraTepaxypLi, IV. Band : CjraBflHO-pyecKÜl npojior'B. C. üeTepöypr'B
1898, p. 74), findet sich folgende Mittheilung über die Lebrthätigkeit,
die Kyrillus von Turov als Mönch entfaltete: »II MHoraMi, na no;iL3y
ßticT'L, y^ia H noyii];aK MonaxH Bt noKopcHin h noc^ymamH 6hth ko
iiryMeHy h xoro hm^xh hko Eora h bo bccm'b big nocjiymaxH. ^ep-
Heu,x 6o, H^e hg HM^ex-L nocjiymaniH ko HryMeny, hko ^e oöimacH,
He Moatex-B 6tiXH cnaceni.« (IIoHOMapeB'B : üaMKXHHKH IV, 74).
Dem Wortlaut dieser Stelle, dass Kyrill speciell zum Gehorsam
gegen den Abt gemahnt habe, entsprechen auch in der That einige
unter seinem Namen gehende Mahnreden an Mönche. Es ist auch wohl
anzunehmen, dass der Autor der im Prolog enthaltenen Vita des Kyrill
diese fragliche Stelle auf Grund seiner Kenntniss eben dieser Mahn-
reden an die Mönche niedergeschrieben hat.
Der Schlusssatz der Vita ist ein Gebet um Befreiung von feindlicher
Herrschaft: »Mojihmch 'm.q xe6i, Majraa cia c^OBeca npHHOcame, mojih
[sei. Kyrill] o iiacL BceAep^Hxe.;iH, Ewy 5Ke Htint npeACXonrnn co
AepsHOBeHieMT. , oxrB Hacxomii;!?! naMt ö^am HSÖaBHXHca h ox-l 6e3-
182 L. K. Goetz,
6o2CHiix'L ArapaHT., npncHO MyiiamHxi. nacB . . . h t. a-« (IIoHOMa-
peBi.: IlaMflTHHKH IV, 75). Mit Rücksicht auf diese Bitte wird die Ab-
fassung der Vita in die Zeit der Mongolenherrschaft verlegt (IIoHOMa-
peEt: üaMHTHHKH I, 89), $HJiapeTi.: Oösopt pyccKoil AyxoBHOH .raxe-
paTypti. 3. Aufl. C. IleTepöypr'B 1884 verlegt sie speziell in die Zeit
des Chmboh'b en. TBepcKiä, f 1289.
Die im folgenden zu besprechenden Stücke des Kyrill sind, mit
den alten Titeln, wie sie in der Ausgabe von en. EBreniä p. XCV ver-
zeichnet sind, diese drei, die ich weiterhin kurz mit A, B, C be-
zeichne:
A: CKaaaHLe o TiepHopHSL^bCTtMi, tinny ott. BfcTxaro aanoiia u
HoBaro, onoro oöpast Hocnma, a cero a^Jibi exBtpmaioma, abgedruckt
bei KajraHAOBim. : naMüTHHKH PocciScKOH CjiOBecHoeTH XII B^Ka.
MocKBa 1821, p. 102 — 116, bei CyxoMJHHOB'L: PyKonHCH rpa*a ysa-
poBa. T. IL C. üeTepöypri. 1858, p. 89 — 98, in russischer Uebersetzung
bei EBremit op. cit. p. 90 — 102.
B: IIoBicTB K-L BacH.iiK) Hryjieuy: npiixya o 6ijiO'^u3u,i nejio-
Biii,i, H MHHUibCTBi, H AyuiH H noKaHHiH, abgedruckt bei Kajaä-
j[,OBTvrh p. 117 — 131, bei CyxoM.iHHOB'L p. 79 — 89, bei EBreniH
p. 103—115.
C : üocjiaHie H^Koero cTapu;a kt. 6oro6.iaaieHHOMy BacHJiiio apxn-
MaHApHTy, cKHMi, zucrst edirt von ropcKiH in üpHÖaBJieHia kx tbo-
peniaM'L cb. 0Ti];eB'i.. Kasant 1851, t. X, p. 346 — 357, in russischer
Uebersetzung bei EnreHiä p. 115 — 120.
Ich citire im folgenden A und B nach KawiaHAOBH^i., C nach EB-
reniä. A und B behandeln in allegorisch-symbolischer Darstellung und
Deutung das Mönchthum und seinen Vorzug vor dem Weltleben, A
trägt keine bestimmte Adresse, B ist nach der Ueberschrift gerichtet an
den Abt BacHJiiil des Kiever Höhlenklosters, der 1 182 zum Abt gewählt
wurde (Hnax. JliT. 2 p. 424, siehe Goetz: Das Kiever Höhlenkloster etc.
S. 97 flf., in dem Aufsatz: »Kieso-IIeyepcKaa ./laBpa« in KisBCKaa
CTapHHa 1886 wird seine Abtszeit mit 11S2 — 1197 angegeben). C ist
eine Antwort an diesen Abt Baciuiil auf dessen Frage, ob er (Bacn-
jdS) das Gelübde der mönchischen Vollkommenheit (ßejiHKiil h cbhtoh
oßpasT. cxHMLi) ablegen solle. Auf den Inhalt dieser Stücke im einzel-
nen, ihre Beurtheilung als Literaturdenkmäler, die in ihnen sich finden-
den Entlehnungen brauche ich nicht näher einzugehen, da es sich im
folgenden nur um die Frage handelt, ob sie wirklich dem ihnen gegebe-
Die Echtheit der Mönchsreden des Kyriil von Turov. ] 83
nen Titel, resp. der ihnen gegebenen Adresse entsprechen, also um die
Frage : ob sie wirklich von Kyriil stammen, wann und für wen sie ver-
fasst sind. Zur allgemeinen Beurtheilung von A, B und C vergl. ausser
den schon genannten Werken noch Il3BicTifl II. Ota^jI. AKa^eM. HayKt
Bd. V, 241 SS.: MaKapin: Cb. KnpHJiJi^ TypoBCKiä, KaK'L nHcaxejib,
ferner MaKapiil: IIcTopin PyccKOH i^epKBH^. C. IIeTep6ypr'i>188S,T.III,
p. 146 SS. und ro.iyf)HiiCKiH : llcropia PyccKOH i^epKBH 2. MocKBa 1901,
T. 1\ p. 808 SS.
tpHJiapeT'B op. c. p. 36 hält alle drei für echt, d. h. für Werke des
Kyriil, EBreniH op. c. p. LXIX ^ hält A für unzweifelhaft echt, von B
und C sagt er: »mli pasA^-ifleMt MHinie xixx, Koxoptifl npHSHaioTt
nocj^AHia Asa co^HHeHiu HecoMHiiiuo ii.iii BectMa BipoaTHO npHna^-ie-
jKamHMH iiamsMy KHpH.j[jiy«; ähnlich nimmt auch IIoHOMapeB'L : Ila-
MflTHHKH I, p. 98 A für sicher, B und C für mehr oder weniger wahr-
scheinlich echt an; rojiyÖHHCKifi op. c. I^ 810 hält nur A für sicher
dem Kyriil gehörig, von B sagt er: »Hiiyero neÄhsa. cKasaTfc othoch-
xe.itHO Toro, npniiaAJiea^HT'i hjih ue npHHaA-ieaciix'L 3xo ciobo Kh-
pn-oy«, über C äussert er sich dagegen bestimmter: «noc.iaiiie kt> Ba-
CH.iiiD HryMGHy üeiiepcKOMy ycBOHSXcfl KHpHJi.iy TypoBCKOMy npsA-
no.i03KHxejibHO, HO BÄBa Äu cnpaBeA-iHBO «.
A gilt also allgemein als ein sicher dem Kyriil zugehöriges Stück,
wie schon MaKapiS op. c. III, 147, Anm. 232 bemerkt: »eme bx Kopin-
nen XIII b. CKasanie o iiepHopHSCKOM'B ^mni noMiiu,eHO no^t iiMeiieMt
,KHpH-ijia emicKona TypoBtcKaro'. Cji^a- no^JinHHoext CKasania hg
MoatexT, no^jeacaxt coMHiHiio. He ynoMiiHaeM'L o nosAHÜlmHxi. cnn-
CKaxt H X. A.«
Von diesem allerseits getheilten Urtheil über A aus wird nun durch
Textvergleichung nach Möglichkeit die Frage zu beantworten sein: ge-
hört B dem Kyriil an, ist es in der That an den Abt Bacioia gerichtet
gewesen, ferner: gehört das nach seinem Eingang unzweifelhaft an Abt
BacH.iiH des Höhlenklosters gerichtete Antwortschreiben C wirklich dem
Kyriil an.
Dass ro.iyÖHHCKiH meint, die Autorschaft des Kyriil an B lasse
sich nicht sicher bestimmen, habe ich eben angeführt. Was die
Adressirung von B an Abt BacH.iiH betrifft, sagt ro.iyÖHHCKiS op. c. I^
810 B sei nicht an BacHjin und nicht an das Höhlenkloster gerichtet
184
L. K. Goetz,
gewesen, »a öpaTCTsy KaKoro-TO ^pyraro HeHSBicxHaro MOHacTBipa«.
Auf die Gründe, die er dafür anführt, werde ich später zurückkommen.
Die erste Frage, die bezüglich A und B zu stellen ist, lautet also:
ist B gleichfalls wie A ein echtes Werk des Kyrill ? Darauf glaube ich
antworten zu dürfen: »Ja«, und zwar auf Grund dessen, dass eine An-
zahl von Stellen in A und B so vielfach, in materieller wie in formeller
Hinsicht, übereinstimmen, dass man eine innere Einheitlichkeit von A
und B annehmen kann, die auf einen Autor, einen Zuhörerkreis,
einen Zweck für A und B hinweist.
Ich gebe nun zunächst das Beweismaterial für die inhaltliche,
materielle Uebereinstimmung von A und B, d. h. führe die Stellen von
A und B an, an denen Kyrill ihm, wie es scheint, besonders liebe Ge-
danken vorträgt.
So empfiehlt er den Mönchen vor allem den Gehorsam, den Ver-
zicht auf den eigenen Willen :
KajiaHAOBH^ii, p. 103. To^lk)
äo MaHacTwpK HÄrää cbok) bojiio;
no BxcnpiflTtH jkb oöpasa Bcero
coöe noBbpsH bt. noKopenieHH Majia
CBOBBOjitcTBa yTaS b-l cepAi;« tbo-
eMx, ^a HB yMpemt Äyuieio.
KajraHAOBHTi'E p. 107. Ila^e
BBcero KT& roenoAy HMyiii,a jrio-
ÖOBB, H K^ HryMeny nocjiymaHie,
H Kt öpaTiH 6e3jio6ie, pasyMx
HMyiu,a öoatecTBbHfcixx ÜHcaHiH,
H T'^Mb iiacTaBJifliou^a kx Eory na
Heöeca iiAyui,aH. Tony npeAaacAb
ceöe, aKLi XajieB% IcycoiiH, blck)
CBOK) OTCiK'L BOJIIO.
Ka-iaHAOBHM^ p. 113. ^a h
TLi, MHHme, noacpH cbok) bojk), h
Chy&hyKU rpiXH H3.IHTbeML XenjBIX'B
CJBS'B.
B.
KajiaHAOBHi[T> p. 122. Bny-
Tpeniä ace BspTen'i, ycTaBt, rja-
rojK), anocTOJiLCKaro npeAania h
Ke.ieHHaro acHTejitcxBa, b-b iieM^ce
HHKT0»:e CaMOBOJIBCTBO HMaXB, HO
BciMx BCH o6iu;a cyxB, cyxB 6o bch
no^t IlryMeHOM-B.
KaaaHAOBHiirB p. 128. 06aqe
Bca cjrya^öa ArrejibCKaa h MHHmb-
CKaa e^HHO ecxB, ohh 6o bck) cboio
ocxaBHBme bojik), ho Bo2Kiio h Hry-
MeHK) noBHHyioxoi noBe^iiHiiG.
Die Echtheit der Mönchsreden des Kyrill von Turov.
185
Anderswo spricht er über die Kleidung des Mönches.
A.
KajraHÄOBH^t p. 105. Phsbi
3Ke HB CJaBHH H MflKtKLI JIIOÖH,
iiapacxyma [in einem anderen Text
»HX pacxyma« vielleicht »iio iia-
pacxyma«] cnpi^ifc MHortiMH nomn-
Baa 3an;iaTaMH, AOHAeate kt. ropi
ÖOrO.IIOÖHBIX'L ÄOÖpOA'feTejiiH äoh-
ÄBUIH.
B.
KajiaHÄOBHyx p. 123. A iia:e
xyAWMH odoji^sHT. pyÖM, ce öeci.
npHT^H CAOBO HMBiiyeTt: B^raca-
HHi^a H cyKHHHafl OAeat^a, h ot%
KOSLEXt KOaKL OÖOJnieHBfl; BCHKa
6o Aoöpa pH3a h njioTCKoe yicpaine-
nie yioaKe bctb HacToaxBjfl h bcbfo
MHHUiBCKaro ycxaBjienia.
Auch gegen die Unruhestifter im Kloster richtet er seine Mahnung.
B.
KajiaHAOBHyi. p. 130. Hb
npoAaAHMx Eoacia cjicea na ji»:h:
Kpa^yme, rpa6fliii;B, göhaaiUiB, na
HryMBHa sjiob MticjiHmB h
KjiflXBoio onpaBAaiomB.
KajiaHAOBnyi> p. 108. Chxx
6o paAH npHxoAHTb rHis-L Eoacin
Ha CBiHLi npoxHBHBia, cnp^yt Ha
MHHXLI, 0XM6Xai0ni,a CBOH oöixx.
HMH :as.e [so im Original und Korm-
caja; in einem anderen Text: »h
MAXBacx«] Bx ManacxLipH cxBa-
paioma.
Im Allgemeinen betrachtet Kyrill das irdische Leben und die
weltlichen Geschäfte als bedenklich und gefahrdrohend für das
Seelenheil.
KaJiaHAOBHM'B p. 104. Zm^h
Ha CBOBMB yM^: qero pa^n paay-
MHaro Eionra, Mipa, oxöiraBuiH?
HJiH oöin^aHaro xh I^apcxBa a:6-
jiaa, JiH AtHBOJifl rpixoBHBia pa-
60XBI HB XOXa, JIH atHxiHCKÜ HB-
najLu HB Aio6a, oxt HBaacB h^cxb
n0.I3BT, XOKMO AyUIH nOrHÖBJIb, JIH
aCBHOK) H A^XMH CMymaBMX ■?
B.
KajcaHAOBHit p. 126. A xop-
ryiomHM'B BFAa Kyn.ia C'BA'^BaBXca,
xy H rpixx CBBspuiBBaexca, h hhbi
BCa JKHXiäsKBia BBmH, B-B HHui,axi
a:B H öoraxcxBi, cnony HMyxB ki.
cnacBHiio cbmbio h aomx.
KajiaHAOBHTi'B p. 128. Ch-
pi&qB AOHABJKB qBJIOBiKX HB OCXa-
HBXca xijrecHBixT. noxoxiä h äh-
xBHCKBix'B nB^ajiiH, Ayuia Bro cb
EorOMT) CMipHXHCa HBMOaCBXB.
186
L. K. Goetz,
Auch die folgende Stelle sei noch angeführt, in der über die grosse
Neigung der Laien zum Mönchthum gesprochen wird.
Ka.iaHAOBHyL p. 105. II
CTapi^a, aee h öciamaro, yate yMb-
piTH XOTHma nOAOÖaeTb OCTpH^H
Bt MHHmtCTBO xoTain,a.
B.
Ka-iaHAOBH^n. p. 127. ChxT)
pa^H oöimaHiä bcakx XpiiexiaHHiit
HjAHTCfl noHecTH apeMT, rocno-
AeHB, CHp^qt HHoybCKfciH oöpast
na ca. B3flTH.
Es ist selbstverständlich, dass die angeführten Gedanken nicht
ausschliessliches geistiges Eigenthum des Kyrill sind, es sind allgemeine
so zu sagen Mönchsideen; aber immerhin darf man auf die Ueberein-
stimmung von A und B in diesen Anschauungen und auch in ihren
Wortwendungen hinweisen.
Auch in formeller Hinsicht findet sich an einzelnen wichtigen
Stellen eine weitgehende Uebereinstimmung zwischen A und B. Und
das zwar besonders da, wo Kyrill bescheiden, jeweils am Schluss der
betrefifenden Mahnrede, von seiner Arbeit spricht, dass sie nicht von
ihm selbst stamme, sondern aus den heiligen Schriften entnommen sei,
dass er ein ganz einfacher Mensch sei und dergleichen.
A.
Ka.iaH^tOBHyB p. 116. Ch
rjiarojia mh^ o cnx'i oxi. KHHn>, a
He co6i CKaaaBiny. Ame h^kto
MjßT^'h, TiS HHaKO npoTOJTKyexb,
Mbi npoTHBy HB B^maeMt, nicMb
6o aceHbi^H, ho K.iacoc'LÖHpaTe.iH, hh
xHTpei];H KHHraMT.; mh, rpyßaa
naAb, na^e Bcero oxt cTapiHiuHHb-
CTBa Bamero xpcöyeMi. CBHTbia
MOjIHTBBT.
B.
KajiaHAOBHU'B p. 125. Cni^e
5Ke CHMi. cKaBaHbiM'b H npoyee öes-L
pasyjia Aa ne ocTaHBT-i ; ne jih 6o
CHMt nOBiCTCMb TBOpi^H, HO 0T1>
ÖOJKeCTBeHblXl, B-LSeHJHGUlie HH-
caniH.
KajaHÄOBH^t p. 131. Cia
2ce r.iaroaio ne Be.iHyaflCfl, ho ce6e
xima, OTt Hepasysiia r.iaroJiio, ^e-
.iOB']&Kb 6o ecMb rpiment, KajieH'b
yA'b HMia MOH flSbiKT) ; aui,e 6o bx
rjiyÖHHy Eoacinx-i. bhhaoxt. khht^,
HO rpyßbiM'b paayMOMb npocTbiä
hshouik) rjtacL.
Die Echtheit der Münchsreden des Kyrill von Turov. 1 87
Auch hier ist zu sagen , dass diese Selbstverdemüthigungen so zu
sagen zum allgemein üblichen Stil und zum eisernen Bestand der
Mönchsphraseologie gehören, siehe Goetz: Kirchenrechtliche u. kultur-
geschichtliche Denkmäler Altrusslands, Stuttgart 1905, S. 388 f. So
drückt sich z. B. Nestor in /Kiixie iipen. OTua ÖeoAoeia an mehreren
Stellen ähnlich aus : ÜKOBJieB'B : IlaMHTHHKH PyccKOH JiHTepaTypbi XII
H XIII BiKOBt. C.IIeTepöypr'L 1872, p.LV: hb BtSMory rpyötin chii
n iiepaayMiiyeii'L und p. LXIII : rpyöx cbih h iiSBiatAa. >lKOBJieBi> in
/tpeBHe-KieBCKifl PejiHrio3HMfl CKasanifl, Bapinana 1875, p. 69 bemerkt
richtig hierüber: »Sto aBTopcKoe cMMpenie, xaKt pacnpocTpaHeHHoe
BT} ApeBHB pyccKoil .iHTepaxypi BOo6iu,e, yxo piAKiä naMaxHHKi. ea o6-
xoähxch öes'B 3Toro Mi&exa Bt Ha^ajii hjh Bt kohu,^, ecxb noApaacaiiie
rpeqecKHMi xpHcxiaHCKHMX nHcaxejHMi.tf. Immerhin sind die Stellen
aus A und B in ihrer Uebereinstimmung dadurch ausgezeichnet, dass
ihr Autor beidemale eigens die heil. Schrift als seine Quelle angibt, aus
der er die Autorität für seine Wahrnehmungen schöpft.
In gleicher Weise hat A wie B den Gedanken, dass der Autor für
die einfacheren, nicht für die klugen Zuhörer spricht.
A.
KajraHÄOBHTH. p. 114. Ame
6o H BGH B'^AflX'I. CeMt HO a31>
M-iaAUx-B paAH H HepasyMHMXT.
HanHcaio.
B.
KajiaäAOBHyi. p. 118. 3ä'£
CJIOBO nocxaBJibme iia npe^pe^eH-
HaK BTbSBpaxHMCH , paspimalome
npnxiH QT>K)3T>, ycntxa pa^n npo-
CX'feHUIHX'L, a ÖLICXpin yMOM'B H
npeacA© CKasaiiia ch Bi^axTb.
Die Zuhörer von A wie B sind Mönche. Indess redet Kyrill in A
fast durchweg seine Zuhörerschaft in der Einzahl an; xbi Monaxi.,
ßpaxx, HiiOKi), während in B fast immer die gesammte Brüderschaft
apostrophirt wird: bli, o hiiokii, öpaxie. Dass auch in A die Zuhörer-
schaft nicht nur ein einzelner Mönch, sondern die ganze Brüderschaft
ist, geht daraus hervor, dass, wo Kyrill von einer rituellen Handlung
des Mönchslebens spricht, er an die Kenntniss seiner Zuhörerschaft
appellirt mit den Worten: ii ca^in Bicxe (KajiailAOBHyt, p. 114). Auch
■weist es vielleicht auf eine grössere Zuhörerschaft hin bezw. ist viel-
leicht mit Rücksicht auf eine solche gesprochen, wenn Kyrill am Schluss
von A gewissermassen seine Zuhörer auffordert, es besser zu machen:
(Ka^aHÄOBH^T, p. 11 6) ame h^kxo My^p'B, xxh nnaKo npoTOJiKyexL, Mti
188 L- K. Goetz,
npoTHBy He BimaeiwB. In gleicher Weise bittet Kyrill auch in A wie B
zum Schluss um das Gebet der Zuhörer.
A.
KajiaHAOBH^'L p. 116. Mti
rpyöaü ^aa^, na^e Bcero ot-b cTa-
piäiuHHbcTBa Bamero TpeSysMi.
CBflTLia MOJIHTBH.
B.
KajaHÄOBHui. p. 131. Mene
a:e aKt nca, mojiio bli , hg npe-
3pHTe, HO H 3Ai Bt CBüTUXX CBOHX^
noMKHixe MOjraTBaxt.
Und dem Worte cxapiHuiHHbCTBO in A entspricht in der parallelen
Schlusswendung von B oxe^beTBo; beide Ausdrücke auch in ihrer
konkret-persönlichen Form finden wir sonst sowohl für die Gesammtheit
der Brüderschaft, besonders ihrer älteren Hälfte, wie als Anrede für
den Abt allein angewendet.
Aus der Textvergleichung scheint sich mir also, bei der materiellen
wie formeilen vielfachen Uebereinstimmung von A und B, zu ergeben,
das3 B wie A das Werk des Kyrill ist. Gleichzeitig haben wir aber
auch ersehen, dass, wie der Autor derselbe, so auch der Zweck seiner
Mahnrede derselbe und endlich auch die Zuhörerschaft die gleiche ist.
Die zweite Frage, die mit der Beantwortung der ersten im engsten
Zusammenhang steht, lautet nun: hat die alte Ueberschrift von B
Recht; ist B an den Abt BacH.iiä des Höhlenklosters, sei es an ihn
allein oder mit an die Brüderschaft des Klosters, wirklich gerichtet ge-
wesen? Darauf glaube ich antworten zu dürfen: »Nein(f, die Empfänger
bezw. Zuhörer von B sind die gleichen wie die von A, die Brüderschaft
des Klosters, dem Kyrill selbst angehörte. Welches dieses Kloster war,
lässt sich allerdings nicht sicher bestimmen. In einer Handschrift der
Gebete des Kyrill wird er Mönch des Klosters des heil. Nikolaus in
Turov genannt (EBreHÜt p. LXXX). Andere denken sich das Boris-
und Glebkloster, das Residenz der Bischöfe war, als Aufenthaltsort des
Kyrill (EBreniä p. LVI, Ka-ianAOBmix p. XXI, roryönncKiä I^, 630)
oder ein anderes bekanntes südrussisches Kloster, z. B. das zu Zarub,
aus dem K.iHMeHTx Cmojjüth^'l hervorging (noHOMapoBi., üaMHTHHKH
I, 95).
Dass B nicht an BacHjriS im Höhlenkloster, sondern an die Brüder-
schaft eines anderen unbekannten Klosters gerichtet sei, hat auch Fo-
jtyÖHHCKiä op. c. I^, 810 gesagt, und als Grund für seine Meinung an-
gegeben: »h6o bx 3aK.iK)yeHie cjiOBa [sei. B] asTop-L o6pan;aeTCfl hb
Die Echtheit der Mönchsreden des Kyrill von Turov. 189
KT. OAHOMy JiHity, a ko mhofhm'b (Bauie oxe^ecxBO, saiuH AyuiH. Baiiii,
iiokoh) h BHuie roBopHTx üeyepcKOM'L MOiiacxtipi bt. KieB'6 KaKTb o
TryatoMT) h nocxopomieMt ajih axitsTb MHoraxx jiHi^Tb«. Er spricht auch
im Vorübergehen die Vermuthung aus, der Text von B, der uns heute
bekannt ist, könnte interpolirt sein, geht aber nicht näher hierauf ein.
A ist unzweifelhaft an die eigene Brüderschaft des Kyrill gerichtet,
das besagen ganz klar kurze Wendungen, wie : xti »:e ne po^tcxBOM'B
co6e npHHecx 3Ai (Ka-ianAOBiiTi. p. 102) und dafür, dass die Zuhörer-
schaft von B die gleiche ist, wie die von A, darf, ausser der schon an-
gestellten Textvergleichung, auch noch die folgende Stelle aus B ange-
führt werden, bei der Kyrill offenbar sich und seine Mitbrüder im Auge
hat: a^^e öwxom'B oö^x-l nocxpHsama namero ctxpaHHJH (KajiaHAO-
BHqx p. 129).
Es ist auch richtig, dass, wie ro-üjÖHHCKiä bemerkt, in B von dem
Höhlenkloster als von einem den Zuhörern ferne stehenden Orte
gesprochen wird. Mir scheint, dass hier eine klar erkennbare und
abgrenzbare Interpolation vorliegt. Die fragliche Stelle lautet (Ka^iaä-
AOBH^Il. p. 126 S.): HHOKH HB MOHaCXtipt CJiaBHLI XBOpHXt, HO AOßpaA'fe-
xejiL MHHmLCKaa h Monacxtipt cjiaBeH'B XBopHXi,.
H ce Hßih ecmh formj ßeodocia nenephCKaio MiyMena, uowe
e^ Kueen ipadn, Hana.iHUKa o6meMy oKumiw, noueotce ne-
AUneMnpHO MHumhcmeoea, e^3AK)6ue^ Eoia u öpamiw ceom,
HKO C80H ydw, mihMowe u Eoih ehSJiwSu u, u mncmo eio padu
npocjiaeu nane ecnxi, uowe e^ Pycu Mouacmupee^.
Cia BHyxpeHfla AoöpoAixejH cbüxbixt. mhhxobx a:Hxie, naye MipLCKoM
BJiacxH ciaiox'B qiOAecLT, h xtx'B pa^n MHpLCKtia BejiMoa:a cbok) noKJO-
HHioxi) rjiaBy mhhxomx ....
Das eingerückt und in Schreibschrift (cursiv) gesetzte Stück halte
ich für Interpolation. Kyrill sagt vorher: »Die Mönchstugenden machen
ein Kloster berühmt« und dieser Gedanke wird nach der Interpolation
logisch eng weitergesponnen: »und wegen dieser Tugenden kommen
auch die Grossen dieser Welt zum Kloster«. Das Zwischenstück ist
eine später eingefügte thatsächliche Einzelbezugnahme auf ein be-
stimmtes Kloster, das dem Interpolator geistig und wohl auch körper-
lich räumlich nahe lag, während Kyrill ganz allgemein redete. Zu der
mehr abstrakten These des Kyrill hat also der Interpolator ein Beispiel
aus dem praktischen Leben bezw. der Geschichte eines Klosters gefügt.
1 90 L. K. Goetz,
Und zwar scheint mir möglich anzunehmen, dass der Interpolator
nicht den Text selbst verändern wollte. Er las die Stelle, vielleicht
beim Abschreiben, »die Tugend der Mönche macht ein Kloster be-
rühmt«; erinnerte sich, dass gerade das Höhlenkloster in Kiev von
ganz kleinen Anfängen an durch die Wirksamkeit des heiligen Theo-
dosius berühmter als alle anderen russischen Klöster wurde und notirte
sich dann die Nutzanwendung und diesen Beweis aus der Geschichte
für die Richtigkeit der Behauptung des Kyrill mit den Worten h ce aßi
ecTt: »Die Richtigkeit der vorstehenden Worte des Kyrill ergibt sich
uns aus folgendem geschichtlichen Beispiel u. s. w. « Ein späterer Ab-
schreiber hat dann diese Nutzanwendung als ein Stück des Textes mit
niedergeschrieben. Die Adressirung von B an BacHJriä mag dann viel-
leicht so entstanden sein, dass B und C von einem Abschreiber mit ein-
ander abgeschrieben wurden und von dem Empfänger von C, BacHjiiii,
ausgehend, und bei der in B vorhandenen Bezugnahme auf das Höhlen-
kloster, der Abschreiber eben auch B an BacHJiiH gerichtet sein Hess.
Die dritte Frage, die zu stellen ist, lautet: wann sind nun A und
B von Kyrill verfasst bezw. gehalten worden?
Sein Vita sagt uns ja, dass er als junger Mönch eine eifrige Lehr-
thätigkeit im Kloster entwickelte ; es liegt also nahe , dieser Lebens-
zeit des Kyrill A und B zuzuweisen. Andererseits wird angenommen,
dass Kyrill vielleicht das bischöfliche Amt, das er nach seiner Mönchs-
zeit bekleidete, vor 1182 niederlegte und dann noch bis zum Ende des
Jahrhunderts lebte. Es wäre also auch möglich, dass er A und B nach
1182 als alter Mann verfasst hat. Die Annahme, Kyrill habe nach
Niederlegung seines Bischofsamtes vor 1182 noch längere Jahre gelebt,
gründet sich auf die andere Annahme, dass Kyrill wirklich C, den
Brief an Abt BacHJiiH des Höhlenklosters geschrieben habe. Nämlich bei
der Weihe des Abtes Baciuift wird unter den Theilnehmern an der
Einkleidung des Bacimä zum Mönch auch der Nachfolger des Kyrill,
der Bischof JlaBpeHTiH von Turov genannt (IlnaT. JiTon. ^ p. 126).
Aus C ergibt sich aber unzweifelhaft, dass BacH.mi, als er diesen Brief
erhielt, schon einige Jahre Abt im Höhlenkloster war, denn in C ist die
Rede von dem Bau einer steinernen Mauer nm das Kloster, der das
Werk des BacH.iiH sei, und der doch sicher längere Zeit gewährt haben
wird. Ferner schreibt der Autor von C, dass BacH.iiH, nachdem er
schon als Mönch bezw. als Abt ein srottgefälliges Leben geführt habe.
Die Echtheit der Münchsreden des Kyrill von Turov. 191
nunmehr cxhmiihki. werden wolle, setzt also gleichfalls voraus, dass
schon einige Zeit seit der Abtswahl des Jahres 1182 verstrichen ist.
Mir scheinen nun einige Stellen von A und B dafür zu sprechen,
dass er als junger Mönch und ehe er selbst Bischof wurde, A und B
verfasst habe.
Darauf, dass Kyrill als junger Mönch A und B gehalten hat,
scheinen mir die oben angeführten Stellen hinzuweisen, in denen er
sich bescheiden über seinen Vortrag äussert, in denen er versichert,
dass viele seiner Zuhörer das, was er sagen will, schon wissen, dass
wohl manche unter ihnen es besser machen könnten, vor allem aber
auch die Anwendung der Worte cTapülumiibCTBO und oreiiLCTBO, die
im Munde eines jungen Mannes natürlicher klingen, als in dem eines
schon Bischof gewesenen Greises.
Darauf, dass er also A und B vor seiner bischöflichen Zeit ver-
fasste, scheint mir aber ganz besonders die folgende Stelle hinzuweisen.
KajiailAOBHui> p. 114: TaKoace h IlryMenoM'B , et nojiHi];eH) cjiyjKa-
in,HMx, cBHHMaTH MaHOTKy ci> njiBUK). IIoAOÖaeTt jKe H Majiy h nejiHKy
HryMeny cb nojiHi];eio cjiyatHTH h hb npocHTH xoro y EmicKona, to 6o
ecTfc MHHxy, EnncKony ysae qi05Ke, a IlryMeHOMX CBoe : na n.3aTHi 6o
^HCTi AepatHTCH B'tyA'B, a HB no BJiacTH cana; a h eaMH Bicxe, H/Kb hb
EnHCKon'B bcImi. hhokomi. MajiyK) MaHaxiio BT.s.iaraBTb na njiBmH.
Wir haben hier eine ziemlich unumwundene Vertheidigung ge-
wisser ritueller Rechte der Mönche bezw, des Abtes, die, wie es
scheint, von den Bischöfen den Mönchen streitig gemacht oder we-
nigstens nur den Aebten der grossen Klöster concedirt, jedenfalls aber
von der Erlaubniss des Bischofs abhängig gemacht wurden. Mir
scheint es wahrscheinlicher, dass Kyrill so deutlich antibischöflich sich
äusserte, ehe er Bischof wurde, als dass er, nachdem er selbst das
Bischofsamt schon bekleidet hatte, sich in diesem, wie es scheint,
streitigen Punkt auf Seiten der Mönche gegen die Bischöfe stellte.
Aus dem angeführten scheint sich mir also für A und B zu ergeben :
beide Stücke sind Mahnreden, die Kyrill als junger Mönch, ehe er
Bischof wurde, für die Brüderschaft seines Klosters gehalten hat. B ist
später durch einen Zusatz vermehrt worden und in dieser Form an Abt
BacHJiiä des Höhlenklosters als Empfänger adressirt worden, vermuthlich
weil es in einer Handschrift mit dem an BacHjtiii gerichteten Brief C
verbunden war.
192 L. K. Goetz,
Dagegen, dass A und B Mahnreden sind, spricht es durchaus
nicht, dass Kyrill in A gelegentlich sagt, er schreibe seine Ausfüh-
rungen: »HariHcaio« Ka.iaiiAOBH^'L p. 114, das ist eine Redewendung, die
ihm beim selbstverständlichen schriftliclien Ausarbeiten seiner Rede in
die Feder geflossen ist. Der ganze Wortlaut von A und B wie auch der
öftere »cii rjiarojia mhJ« KajaHAOBHii) p. 116 und ähnliche Wendungen
bekunden A und B als Reden.
Die letzte Frage lautet: gehört das an Abt BacHjiiä des Höhlen-
klosters gerichtete Schreiben C wirklich dem Kyrill als Autor an? Zur
Beantwortung dieser Frage bietet C selbst wenig sicheres Material,
so dass ich eine entschiedene Antwort nicht zu geben wage.
Aehnlich wie oben A und B spricht ja auch C von der Gering-
schätzung, die man für das irdische Leben gegenüber dem ewigen
Leben haben soll. Aber die Stelle EBremii p. 117: saöoxii o BeMHOM-B
cfflTaä noA'fe.iieM'i , h BcerAa ncKHCH, no npaBHjy CBoero oöira, o
2CH3HH neöecHOH, enthält doch einen den Mönchen zu allgemeinen Ge-
danken, um einen bestimmten Schluss aus ihr zu ziehen.
Aehnlich wie in A und B stehen auch am Schluss von C die Selbst-
verdemttthigungen des Autors; EBreniä p. 119: hb nnraS ko mh^
Bpaac;];Li 3a to, tito Hanncajii. ki. re6i 3to hb ot-b y>ia, ho otb ÖBsy-
Mia CBOBro, aber wie oben schon bemerkt, sind diese Schlussphrasen
Gemeingut aller schriftstellernden Mönche.
Mehr Gewicht glaube ich aber auf die folgenden zwei Ueberein-
stimmungen zwischen A, B einerseits und C andererseits legen zu
dürfen. A wie B bekunden ihrem ganzen Wortlaut nach die Vorliebe
des Kyrill für die Anwendung von Gleichnissen zur Erklärung des
Wesens und der verschiedenen Seiten des Mönchthums. Diese Vorliebe
bekundet auch C und zwar in bewusster Weise, sagt doch der Autor
von C: »yKaacy xeöi na npnxTy« (EBreniil p. 116).
Vollends auffallend ist die Uebereinstimmung von C mit A B
darin, dass der Autor von C gleichfalls sich auf die heiligen Schriften
als auf die autoritative Quelle seiner Darlegungen beruft; EBremä
p. 116: II H öy^y roBopnTt xeöi o cbhtoh cxHMt hb oti> cb6h, ho
OT-L CBHIIi;BHHtIX'I. KHHri. HJIH jy^HüB OTt C-IOBt CaMOFO XpHCTa.
Mehr Material kann ich in C selbst nicht finden. Wenn ich also
auch nicht mit Sicherheit mich darüber aussprechen kann, ob Kyrill als
Autor von C anzusehen sei oder nicht, scheint es mir doch auf Grund
Die Echtheit der Mönchsreden des Kyrill von Turov. 1 93
der zaletzt angeführten Uebereinstimmungen ziemlich wahrscheinlich,
dass Kyrill den Brief C an Abt BacH^iä geschrieben hat.
HeBOCxpyeßX in ^peBiie PyccKia IIoy^eHifl h IIoc.iaHifl oßt hiio-
MecKofi acH3HH. KaptKOBt 1862, S. 12 ss. hat ein Stück edirt, das er
dem Kyrill zuzutheilen geneigt ist. Und zwar hat er es aus einem
Pergamentmanuskript des Öudovklosters des XV. Jahrh. entnommen,
wo es den dritten Theil von A an Stelle des von Ka-iaHAOBHix p. 114,
115 mitgetheilten Textes bildet. Im Allgemeinen äussert sich Ne-
vostruev zu der Frage, ob das von ihm edirte Stück wirklich dem Kyrill
zugehöre und einen Bestandtheil von A gebildet habe, in folgender
Weise, p. 12 ss. : »Bt noyiisHiH, dem von Nevostruev edirten Stück,
KaKT. H Bi> CjiOBaxi. KnpHJiJia TypoBCKaro rocnoACTByeTt TyBcxBO
aBTopa H BOOöpaatBHie, ne cto.jbko sa^cl rojLixx MticjieH h iiasH^ia-
TBjItHOCTH, CK0.1bK0 yBJieUBHifl npeAMBTOMI) H TaK1> CKaSaTb n033iH,
qacTO ynoTpeÖJiHioTCii oöpasti h cpaBHenifl h pasBHBaiOTca nojratifl
KapTHHti .... To ^e opaxopcKoe, oökülhob h njoxHoe HSJoateiiie cb
pa3HLiMH «tnrypaMH piin, xüx-l ace atiiBoä h oöpaöoxaHHLifi hsbik-l,
Kaici y KnpHjja TypoBCKaro (f.
Was Nevostruev hier sagt, ist natürlich rein subjektive Empfin-
dung, die nicht Jeder zu theilen braucht, wie ja derartige Beurthei-
lungen alter Autoren oft in ganz entgegengesetzter Richtung sich be-
wegen.
Der Grundzug resp. das Grundthema von Nevostruev's Stück ist:
der Mönch soll sein Kloster nicht verlassen und in die Welt zurück-
kehren, ein Thema, dem ich in dieser Ausführlichkeit und Intensität
der Behandlung keine Parallele aus A und B zur Seite stellen kann.
Innerhalb dieses Rahmens behandelt dann Nevostruev's Stuck das be-
liebte Thema mönchischer Autoren: den Gegensatz von klösterlichem
und weltlichem Leben. Auch hier finde ich, obwohl A wie B ja auch
diesen Gegenstand berühren, keine wirklich verwandten Stellen, im
Gegentheil Nevostruev's Stück scheint mir weit stärker als A und B
das irdische Leben gänzlich zu verdammen und bewegt sich dabei mit
Vorliebe in einem Gedankenkreis, den ich bei A und B vergebens ge-
sucht habe, der Gegenüberstellung und Vergleichung der irdisch-
materiellen und der klösterlich-himmlischen Reichthümer.
Ebenso scheint mir, was Nevostruev an direkten Parallelen
zwischen seinem Stück und A und B anführt und worauf es doch be-
Archiv für slavische Philologie. XXVII. - JQ
194
L. K. Goetz,
sonders ankommt, gar nicht beweiskräftig zu sein. Nevostruev führt
folgende Parallelen an:
HeBOCTpyeBT. p. 16. Toro
pa^H Bort qejiOBiK'L ölictb, Aa mm
CLiHOBB Ero öyACMi).
KajiaHÄOBHq'L p. 124. Cbihi.
BoadS ciuBÄt CB neöece h Bxnjio-
THCH cnacenia pa^n namero h öwcti.
ye^iOBiKB, Aa ^e.iOB'SKa oöoacHTt.
Einen derartigen, allgemeinen christlichen Grundgedanken kann
man doch nicht als Parallele ausgeben !
HeBOCTpysB'B p. 16. He 6o
HjÄHTB Hacx Eon. ßjiarHMTi 6bith,
naTKe BejiMTi. HaMT> ajiBiM-B 6bith,
HO nate kto ce6e ^lecxH hjih 6e-
meCTilO nOBHHHa CXBOpHTB, TO B'B
BOJiH ero ecTB.
KajiaHAOBH^'B p. 121. Hh-
Koro 6o XpHCTOcB HyacAeK) kx no-
Kaaniio B.ieqeTB, ho BemBMH pa-
syiWB AaexB, Aa ottb t^x^ no3HaB-
UIHM^ ero H BX HBÖeCHOe BBGAeXB
ItapeTBO.
Hier liegt doch gerade das Gegentheil einer Parallele vor, denn
bei KajiaHAOBHTi'B heisst es im Gegensatz zu HeBocxpyeBi., dass Christus
uns mit einer Art milden Zwanges zum Guten führt.
Ka.iaHAOBHqT. p. 103. Cßima
ÄK eCXB, XOKMO AO ItepKOBHBIX'B
ABBpiä B'B CBoeä bojih 6yAH, h o
xoMB He paoiaxpaä, KaKO ii iihxt.
tä noxBapÄexB.
HeBocxpyeB-B p. 19. Oöpas'B
6o BBi HB cnacexB, amB a^-ibi au-
rBJiBCKBi HB yKpacHxecH. ErAa 6o
B'B HHO^IBCHOB BXOAflIUiB, XOrAa CBÖi
CBin^a B-BacHsaexe, Mae^io CBi-
iu,aMX B'B ManacxBip'fe XBpnamB Ky-
hhxb; CB^ma 6o Bipa bcxb, Macjro
ate AoöpBia A^xejrH.
Hier handelt es sich doch nur um rein äusserliche zweimalige An-
wendung eines Wortes, von einer Einheitlichkeit der Gedanken kann
nicht die Rede sein. Und auch in der folgenden von Nevostruev
noch angezogenen Parallele liegt doch nur das vor, dass beide Stellen
von dem Ritus der Ueberreichung einer brennenden Kerze bei der Ein-
kleidung des Mönches, dereinen allgemein bekannten symbolischen
Sinn hatte, ausgehen, und diesen allen Mönchen vertrauten Sinn, ohne
dass in A der Ritus der Kerzenüberreichung überhaupt erwähnt wurde,
zur Deutung verschiedener Stellen benutzen. KajrailAOBHyB p. 111:
Chmb oöpaaoMB h mhhx'b, XBopenieaiB saKona n AoßpBix'B a^J'b, cbob
TiÄO cKHniio CBHXOMy Äy^y CBXBapaexB h JKUBy ^BpxBy co6i rocno-
Die Echtheit der Mönchsreden des Kyrill von Turov. 195
^eBH npHHOCHTb OT-L yHCTa yjia, hko MyKy MOjiHTBy roeno^eBH npH-
Hoca : Bi Mac.ia m^cto c.ib3ti, bx ea;ia m'Jcto BtSABixanie ott. cepAu;a.
Die von Nevostruev angeführten Parallelen kann ich also durchaus
nicht für beweiskräftig halten.
Dagegen finde ich in formeller Hinsicht zwischen Nevostruev's
Stück und A und B einen ständigen Unterschied. A und B reden die
Zuhörer immer da mit dem allgemeinen Wort «Mönch« an, sei es in der
Einzahl oder Mehrzahl. Nevostruev's Stück braucht stets »BtBjnoöJSH-
hIh«, das ich bei A und B nicht finde.
Demnach, scheint mir, ist dieses Stück nicht dem opus A des
Kyrill zuzuschreiben und in den Handschriften, wo es sich als Schluss-
theil von A findet, nur durch Fehler des Abschreibers hineingekommen.
Aber ich kann Nevostruev, der schliesslich selbst an der Richtig-
keit seiner Annahme zweifelte, nur beistimmen, wenn er sagt p. 13:
»KaKi) ÖBi TG iiH 61.1.10: noyyeiiie cie, o^ibbhaho, pyccKoe h othochtch
Kl. ApeBHewy Bpejieim(f.
Zum Accente im Gailtlialerdialekte.
Vorbemerkungen.
Der Dialekt von Brdo (Egg) ist der am meisten nach Westen vor-
geschobene Theil des Gailthalerdialektes. Dieser wird im südwestlichen
Kärnten im Gail- und Kanalthale gesprochen, und zwar reicht der
Gailthalerdialekt von Podkloster (Arnoldstein), wo die Vermischung mit
dem Rosenthalerdialekte beginnt, bis in die Nähe von Hermagor einer-
seits und ins Kanalthal, unterbrochen von deutschen Sprachinseln, bis
Pontafel anderseits, er umfasst also geographisch das untere Gailthal
bis zur Mündung der Gailitz (Ziljica) in die Gail (Zilja), das Gebiet der
Gailitz und ihrer Zuflüsse, und das Thal der Fella (Bela) bis zur
Grenze Italiens.
Die speciell als Gailthalerdialekt bezeichneten Mundarten, die
keineswegs gleichartig sind, reichen von Arnoldstein bis gegen Hermagor
13*
196 Ivan Grafenauer,
und zwar theilen sie sich in folgende Gruppen: die Feistritzer Gruppe
am rechten Ufer der Gail, umfassend die Pfarren Gorje (Göriach) und
Feistritz (Bistrica), die St. Stefauer Gruppe im Terrassengebiete am
linken Ufer der Gail vom Dobrac bis gegen den Pressegger See (Pa-
zrisko jezero) umfassend die Pfarren Cace (Sack), ät.Jurij (St. Georgen),
St. Pavel (St. Paul), §t. Stefan (St. Stefan) und Borlje (Förolach), die
Vordernberger Gruppe, umfassend die Pfarre Blace (Vordernberg) am
rechten Ufer der Gail gegenüber St. Stefan. Bis dahin umfasst das slo-
venische Gebiet die ganze Breite des Thaies. Westlich davon erhebt
sich mitten im Thale ein Hügelkomplex in der Richtung von Westen
nach Osten, der das Gailthal in zwei Theile theilt, in einen südlichen,
durch welchen die Gail ihren Lauf nimmt, und einen nördlichen, der
als eine Fortsetzung des (deutschen) Gitschthales betrachtet werden
kann und den der Vellacherbach (Bela) durchfliesst. Der Hügelkomplex
reicht im Westen bis zum Durchbruche der Göstring, welche aus dem
Gitschthale kommend, am Markte Hermagor (deutsch) vorbeifliessend,
dort am linken Ufer in die Gail sich ergiesst. Dieses Hügelgebiet ist
der westlichste Theil des slovenischen Gailthalerdialektes und umfasst
die Pfarren Melvice (Meilweg) und Brdo (Egg). Der im Norden dieses
Hügelzuges gelegene Theil des Gailthales (Gemeinde Mitschig [Micice])
ist deutsch bis dahin, wo die Bela den Pressegger See bildet, wo die
südlich vom See gelegene Ortschaft Pazrije (Pasriach) slovenisch, das
nördlich vom See liegende Dörfchen Pressegg (Preseka) deutsch ist.
Auch die am nördlichen Rande dieses Hügelzuges gelegenen Dörfer
Borovnica (Brannitzen), Ob.- und Unt.-Vellach (Zgorna, Spodnja Bela)
sind deutsch, durch einen Wald (Egger Forst, Dobrava) vom sloveni-
schen Sprachgebiete getrennt. Die westlichste slovenische Ortschaft ist
Potoce, welche sich um den an die Gail anstossenden Rügelzug herum-
zieht und so in zwei Theile getheilt ist, von denen der östliche ganz
slovenisch, der westliche, am Aussenrande des Hügelzuges gelegene
Theil aber gemischt, doch tiberwiegend deutsch ist. Das nur durch die
Gailbrücke davon getrennte Möderndorf (Modrinja vas) ist aber schon
ganz deutsch. — Die Pfarre Melvice (Spodnje vasi), um 800 Einw.,
umfasst die Dörfer Melvice, Dole (Dellach), Napolje gespr. Näpale
(Nampolach), Rut (Raut), Loce gespr. Ocane, w Ocah (Latschach), und
Kozlöz (Grafenau); die Pfarre Egg (Brdo), um 1200 Einw., umfasst Brdo,
Velika vas (Micheldorf), Limace (Fritzendorf), Potoce Potschach;, Go-
cina (Götzing), Mele gespr. Melane w Melah (Mellach) und Moste (Brugg).
Zum Accente im Gailthalerdialekte. J97
Die Sprache dieser letzten Gruppe liegt den folgenden Ausführungen
zugrunde.
Erklärung der Lautzeichen.
Zur Fixirung des Lautbestandes des Dialektes von Brdo gebrauche
ich folgende Zeichen: a, J, c, c, d, e, ?, %, ßa, e, ä, 9,f, g, x> ^5 hJ, k, l,
i (w), w, w, 0, 0, ?^j, 0«, ö, 0, /?, r, 5, is, f, e< (w), v, w, z, z.
a, w, i sind die sonst im Slovenischen üblichen Laute (Bell-Sievers
a^, u\ i^). d ist der unbestimmte Vokal (Halbvokal, reduzirter Vokal).
Die Artikulation ist die mit niedriger palatal-velarer Zungenstellung.
Die Zunge wird nur sehr gering aus ihrer Ruhelage nach rückwärts
verschoben bei der Lippenstellung wie beim engen e. e ist das offene e
(Brückes e^^ Sievers ce^)\ e das enge e (Bell-Sievers e^)\ ig ist die Ver-
bindung des i mit a, wobei auf dem ersten Bestandtheil der Hauptnach-
druck liegt ; ea ist die Verbindung von offenem e mit a, e hat den grössten
Nachdruck ; e ist meist reduzirtes i am Ende der Worte, in der Aussprache
nähert es sich kurzem e\ ö kurzes offenes e am Schlüsse der Worte, klingt
ähnlich kurzem offenen e ; ist offenes o (Brückes 0^, Sievers 0^) : g enges
(Bell-Sievers 0^); u^ ist eine Verbindung von wund 9, wobei das m stärker
hervortritt; Op ist die Verbindung von offenem mit a, wobei der erste
Vokal stärker hervortritt; 6 meist reduzirtes ti am Schlüsse der Worte,
ähnlich klingend einem kurzen g ; o kurzes offenes am Schlüsse der
Worte.
Die Konsonanten c, c, d, f, g, j\ k, m, n, p, r, s^ s, f, z, z haben
die im Slovenischen übliche Aussprache, l ist das mittlere / und ver-
tritt das l' und das mittlere / vor e und /; / wird gesprochen wie ein
nichtsilbiges u [ti) und ist das l vor Konsonanten und vor a, 0, u dem
Halbvokal, und am Ende der Worte, b ist kein ausgeprägter tönender
Verschlusslaut, sondern eine tönende labio-labiale Spirans, die sich von
v nur dadurch unterscheidet, dass die Reibung bei b grösser ist. Im abs.
Auslaut und vor tonlosen Konsonanten sind i, d^ g stimmlos (Sievers
Z>, d^g). V ist eine tönende labio-labiale Spirans, nicht wie in den slavischen
V V V
Sprachen und in der Mehrzahl der slov. Dialekte labio-dental. Es wird
gesprochen vor ^ und e, iv wird gesprochen wie unsilbiges 21 (m, ^), und
erscheint vor Konsonanten, vor a, 0, u, dem Halbvokal und am Ende der
Worte. / ist gutturale Spirans nur im absoluten Auslaut, h ist ein Hauch-
laut wie deutsches /i. r, /, m, n können auch silbenbildend auftreten.
198 Ivan Grafenauer,
Betonung.
Die Betonung im Dialekte von Brdo ist in den Grundzügen gleich
der musikalischen Betonung der slovenischen Dialekte Krains, die der
Isovenischen Schriftsprache zugrundeliegen. Den Hauptunterschied
bildet der kurze Accent des Gailthalerdialektes. In der slovenischen
Schriftsprache ist bekanntlich der kurze steigende Accent ganz ge-
schwunden, der kurze fallende aber nur in einsilbigen Worten und in
Worten mit Ultimabetonung erhalten (vgl. M. Valjavec : Glavne tocke o
naglasu knizevne slovenstine im Rad jugosl. akad. Band 132, S. 118).
Der Gailthalerdialekt hat aber beide. Wo im Gailthalerdialekte der
kurze fallende Accent in einsilbigen Worten und in der letzten Silbe
vorkommt, deckt er sich mit der Schriftsprache, daher ich diesen Accent
nur gelegentlich erwähnen werde. Der Gegenstand der vorliegenden
Arbeit ist daher die Darlegung des Hauptunterscheidungsmerkmales der
Betonung des Gailthalerdialektes um Brdo gegenüber der slovenischen
Schriftsprache, des kurzen Accentes in nichtletzter Silbe.
Dieser scheidet sich in den älteren kurzen Accent, der aber nur kurz
steigend ist (cak. vodä — stok. vdda — schriftslov. vöda — gt. wögäa]
und den jüngeren, der sowohl steigend als auch fallend ist und eine
neue Weiterbildung im Gailthalerdialekte bedeutet.
Der ältere kurze Accent.
Dieser entspricht dem kurzen steigenden Accente in den serbo-
kroatischen Mundarten mit jüngerer Betonung (ich bezeichne sie der
Kürze halber mit st. = stokavisch), er kommt also meist in Worten mit
ursprünglicher Endbetonung vor, welche im Cakavischen (c.) und Rus-
sischen (r.) noch erhalten ist. In den slovenischen Dialekten herrscht
darin keine Einheitlichkeit. Es gibt Dialekte, welche diese Endbetonung
in zweisilbigen Worten ganz konsequent noch erhalten haben, so der
Rosenthalerdialekt in Kärnten, während in dreisilbigen Worten dort die
drittletzte Silbe den Ton trägt, andere Dialekte zeigen wenigstens theil-
weise die ursprüngliche Betonung wie der Dialekt des Resiathales und
einige Theile des Oberkrainerdialektes, so im Veldeser Becken, wo ich
in Zirovnica voda aufgezeichnet habe (vgl. damit Preseren's Krst pri
Savici in der 15. Stanze: vodä razgräja). In der grössten Mehrzahl
der musikalisch accentuirenden slovenischen Dialekte aber haben wir
den langen steigenden Accent in der vorhergehenden Silbe bei o und e,
die Endbetonung bei Halbvokalen in der vorletzten Silbe.
I
Zum Accente im Gailthalerdialekte. 199
Der kurze steigende Accent bei e« und o« (aksl. f, o) im
Thema.
Für das Schriftslovenische formulirte M.Valjavec bei den Stämmen
mit e und o die Regel folgendermassen : Hatte das Wort den Accent
ursprünglich auf dem Halbvokale am Ende des Wortes in der letzten
Silbe und steht in der vorhergehenden Silbe der Vokal e oder o, so
wird der Accent nach dem Ausfalle der letzten Silbe unverändert auf
die vorhergehende jetzt die letzte event. einzige Silbe zurückgezogen,
falls das Wort früher nur zwei Silben hatte, und bleibt auf dem
e oder o auch dann, wenn das Wort wieder eine Endung
bekommt und zwar als ', besser gesagt: wenn ' als ' von
der letzten Silbe auf die vorletzte zurückgezogen wird
(Rad B. 132, S. 167). Dasselbe geschieht auch bei mehrsilbigen Wörtern
mit ursprünglicher Endbetonung, wenn die letzte Silbe nicht wegfällt
(Rad B. 132, S. 176). In allen jenen Fällen also, wo hier das Stoka-
vische kurzen steigenden Accent hat, ist im Schriftslovenischen das
ursprünglich kurze e und o gedehnt und offen. Doch ist diese Dehnung
nicht überall und in allen Dialektgruppen durchgeführt. Dr. Sket in
seiner Slovenska slovnica betont z. B. vöda^ gora^ was wir aber wohl
als exspiratorische Kürze auffassen müssen, da sich Dr. Sket hier wohl
nach den exspiratorischen Dialekten Steiermarks gerichtet hat.
Im Gailthalerdialekte von Brdo haben wir in diesen Fällen den
älteren kurz steigenden Accent. Beispiele sind :
Substantiva. Einsilbige Maskulinstämme:
Sgl.-Nom.-Akk. blejc, Gen. bUaka^ Dat. hlejcö, Lok. hlehö^ Instr.
hleajkan. Plur. Nom. hlejie^ Gen. hle„köw^ Dat. hUnkan^ Akk. hUgCe^
Lok. hUaCdx^ Instr. hle(,Jcame. Dual ist nur Nom. Akk. hlejca erhalten.
Schriftslov. (sl.) hlek^), bUka\ c. biek, blekä; im Rosenthalerdialekt
(rst.) blaJ^, blaJ^a\ — boab, böaba (auch bdabo)\ sl. bob^ böba; st. bdba\
c. boba\ r. öoöä; — boaX-, ^^J^a; sl. boh^ böha\ — cveak, cveaka\ sl.
cvek^ cveka\ rst. cva^a\ Q.cvek, cveka\ — ceap, ceapa\ sl.cejt?, cepa. st.
cep^ cepa\ c. cepa\ — co«/, cdafa\ sl. co/", cöfa aus dem Deutschen
»Zopf«. — droak, dreaka\ sl. drek^ dreka\ rst. dra^ä] c. drekä; —
goazd, gdazda; sl. gozd, gözda; — groab, grbaba\ sl. gröb^ gröba;
1) Um Zweideutigkeiten auszuweichen, gebrauche ich auch im Schrift-
slovenischen für den kurzen fallenden Accent das Zeichen «, nicht Pleters-
nik's ». Sonst lasse ich alle diakritischen Zeichen Pletersnik's unverändert.
200 I^an Grafenauer,
li. grob, grdba\ c. grobä] r. hat hier abweichend rpö6a; — koap,
kbapa, das i des Mop ist hier ganz mit dem ersten Theile des Oa ver-
schmolzen; sl. klop, klöpa\ — knoafi kndafa\ al. knof, knöfa\ —
koaS^ kdaSa\ sl. kos, kösa\ st. kos, kdsa\ c. kosä; r. Koma; — krd„f,
kroafa', sl. krof, kröfa; — plßaXi P^^Jia; sl. pleh, pleha; c. pleh,
plehcl; — poad, pdada\ %\. p>od, pöda; l. pod, podä; Vuk aber hat
pod, poda; Mazuranic jedoch j9oc?a; — poaSt, pdaSta; sl. posf, pösta:
st. nach Mazuranic pösta, nach Vuk posta\ c. posta\ — roaC, rbgfia;
sl. roh, Val. röca, PI. roca; daneben kennt Pletersnik auch rohe, röcca.
aus letzterem wird wohl auch roaC zu erklären sein, sonst wäre uns das
c ein Räthsel; — snoaP, snöapa; sl. snop, stiöpa; st. snop^ sndpa; c.
snopa, r. ciionä; — speaX, speaha; sl. spe/i, speha; c. spe/i, speha; —
toaf, togfu, Batzen, Fladen; — zoji, zd„ka, Sack; sl. zök, zöka] c.
Zok, zokci. Vgl. Rad B. 132, S. 167 ff.
Abweichend ist dügr, dü^ra', sl. dvor, dvöra; c. dvor, dvora; r.
;iBopä; st. hat aber dvor, dvöra, wozu die Form des Gailthalerdialektes
^her stimmt. Andere recht interessante Abweichungen sind auch: koi,
ko^a; sl. koi,köla\ — mol mö^ia; sl. mol, mala; — stoi, stö^a; sl.
stoi, stöla, st. stöla, c. stola, r. cxojia; — wol, toö^-^a; sl. voi, völa;
st, völa, c. vola, r. BOjia. Die Klangfarbe des i = w (w) hat bewirkt,
dass das vorhergehende Oa nicht mehr offen als o« ausgesprochen wird,
sondern eng geworden ist [o], was seinerseits wieder bewirkt hat, dass
der Accent, der auf diesem Vokale ruhte, und der ursprünglich kurz
war, gedehnt wurde. Die Kürze des Accentes ist also in allen diesen
Fällen an den bestimmten Klang des offenen e„, o« gebunden und wird
verändert, d.h. gedehnt, sobald dieser bestimmte Klang des e„, Oa ver-
ändert wird. Dies wird uns noch klarer, wenn wir diejenigen Formen dieser
Ausnahmen betrachten, bei denen wir nichts, sondern /haben. Dort haben
wir nämlich den älteren kurzen steigenden Accent. Nom. Fl. lautet
nämlich nidje, kdje, stöje, xcöjie, Akk. PL mdj.^, kd„U, stdjs, wöjb.
Eigenthümlich ist auch die Behandlung von koiif: kiiojn, ktiojnja.
Mehrsilbige Maskulina mit derselben Betonung auf der Endsilbe
sind nicht zahlreich: ropo„t, rdpd„ta; s\. ropdf, ropöta; — trdak,
trbaka, Instr. trüiCe', sl. otrok, otröka; c. otrok, otrokä; — z9wo f,
zdwd(,ta', sl, zivot^ zivöta; c. zivota, r. sKHBOTa.
Auch im Nominativ-Akkusativ Singular haben kurzen steigenden
Accent jene Maskulina mit dem Vokal e oder o in der Stammsilbe, wel-
che in der Ableitungssilbe einen ursprünglich betonten Halbvokal be-
Zum Accente im Gailthalerdialekte. 201
sitzen, von dem der Accent auf das vorhergehende e oder o zurückge-
zogen wurde: cef,pdc, cegpca; si. cepac, st. cij'epac, c. cepoic\ im
Thema ist hier zwar t, doch ist es schon vor der Zurückziehung des
Accentes so gekürzt worden, dass es dann wie einfaches e behandelt
werden konnte ; ccasn^, ceaSvka, durch Analogie gebildet aus sl. cesan ;
st. cesan, c. cesan ; — hddögbdc^ hadö„hca ; sl. hudöbac^ hudöbca ; —
kd„tdc^ köafca, ein Verschlag im Stalle meist für junge Hausthiere und
die Mutterthiere, besonders für Pferde und Schweine; sl. k6t9c\ st.
kötac\ — köutö^ kdatla\ ^X.kötal] st. kötao^ h.kotäl] — nöaVC, nOaTca;
sl. nörsj] — ?id(,sc, nO(,hca\ sl. n<)zic\ st. ndzic, c. nozic] das i wurde
hier wie ein Halbvokal behandelt; — ^^d„pi, "ö„y??a; sl. ogenj\ st.
bgan^ c. ogan\ r. oront; — "oaSö, ^ögsia] sl. ösai] st. osao, c. osäl;
r. ocejx; — Meaprc, Iie„prca, Flurname; sl. rebrdc; — pegwc, pcawca,
sl. pevac] st. pijevac\ r. niBeui:,; davon gilt das oben bei ceup9c Ge-
sagte; — sdaköj seakia\ sl. sokoi, soköla\ st. soko^ sokdla\ r. coKOJit,
eoKOJia ; der Genetiv und alle übrigen Formen sind analog nach dem
Nominativ gebildet; — stdde„7ic^ stddeanca\ die Aussprache nähert
sich öfters geradezu stdd-änc^ st9d^änc\ sl. studendc^ st. studenac
(' statt ' wegen studenca^ Rad 132, S. 178); c. studenac] — Uapac,
tcapca [tcap^cdw sl. tepde\ — tbark^ tö„rka\ tördk^ c. torak\ —
zgöanc^ zgdanca\ s\.zvön9c] G.zvojiäc; — zre„h6^ zre(,hio\ s\. zrebalj]
zreblja ^]. Als hierhergehörig können wir auch he,jzdöwc^ bdazdöwca
betrachten, wenngleich in den übrigen slav. Dialekten diesem e nicht c,
sondern Halbvokal entspricht; sl. hazdg. Pletersnik hat das Wort in
seinem slovenisch-deutschen Wörterbuche nach Jarnik. Die Betonung,
die er angibt, ist aber nicht richtig, da man im Rosenthale, woher die
von Pletersnik angeführte Form [bdzovdc) wohl stammt, nicht aus dem
Gailthale, wie dort angegeben ist, bdzowc spricht.
Der Accent in den Worten roddowc^ wddoioca\ '-ows, ^pwsa; sl.
vd6v9c, st. udbvac, r. B^OBeux; sl. övds, st. ovas. r. OBecL ist kurz
wegen der folgenden Konsonantengruppe, da er sonst wegen o statt Oa
lang sein müsste.
Nur im Nominativ- Akkusativ haben kurzen steigenden Accent jene
männlichen Substautiva mit Endbetonung, bei denen der nunmehr auf
das oder e zurückgezogene Accent ursprünglich nicht auf dem Halb-
vokale am Ende des Wortes ruhte, sondern auf der letzten dem Halb-
1) Vgl. dazu Rad 132, S. 178 flF.
202 Ivan Grafenauer,
vokale vorangehenden Silbe im Gegensatze zur vorhergehenden Gruppe,
wo ursprünglich der Halbvokal am Schlüsse des Wortes betont war. In
den übrigen Kasus bleibt der Accent auf derselben Silbe, wo er ursprüng-
lich war als lang steigender Accent, da der Accent im Slovenischen nicht,
wie im Stokavischen, auch von nichtletzter Silbe zurückgezogen wird.
chaVak^ C9veka\ sl, clövek^ cloveka\ st. covjek, covjeka; c.
clovek^ cloveka] r. iie.iOBforB, ^ejoB^Ka; — jkacman^ J9cmena\ sL
j'ecmen^ Jecmena\ l,t. j'ecam, Jäcmena; — jealan^jdl'ena\ s\.jele?i,
jeVena\ \i. jelen^ jele7ia\ r. ojieHi>, ojtena; — JeaZdk^Jdzika\ sl.ye-
zik^ jezika\ \i. jezik^ jezika\ c. zafik^ zaflka\ — koaZdXi kazüha:
sl. közuh^ kozüha\ st. kozuh^ kozuha; r. KOyKyxt, Koatyxa; —
meadvad, m9dveda\ %[.medved^ medveda] st. med'cjed, medvjeda:
c. medved, medveda\ r. MeABi/it, Me^BiAa; — '^Oagrad^ wdgräda:
sl. ograd, ogräda\ — ^OaVay^^ wdreha; sl. örqh, oreha\ st. orah^
oraha\ c. oreh^ or%ha^ r. optxi., optxa; — pealan^ pdlina\ sl. jt)e-
Zm, pelina\ st. pelm, pelina; c. peltn, pefifia; r. nejLiH'B; — pa-
tealn, pdtdlitia ; sl.petelm, peteltJia; — p dakr özv , p & kr 6^^' a; sl.pö-
krov, pokrov, pokröva; lt. pdkrov, pdkrova', r. noKpoBi., nOKpoBa; —
pdatak, patöka', s\. pötok, potok^ potgka', st. pdtok, pdtoka', c. po-
tok, pofdka; r. hotok'B, noxoKa. — Auch kd^hok, k9hüka\ sl. klo-
hük klöhuk^ klohiika., st. klöbük^ klohüka; c. klohük, klobükä, r. kjo-
6yK^, KüOÖyKa ist hier anzuführen, wenn es auch streng genommen
nicht zu den obigen Beispielen gehört wegen der ursprünglichen Suffix-
betonung; seakö und wo^sc sind in die vorhergehende Gruppe durch
Analogie übergegangen und sind oben angeführt worden. Vgl. dazu
Rad B. 132, S. 141 und 179.
Jene einsilbigen Substantive der o/o- und e'-Deklination, welche im
Thema ein durch ursprünglichen fallenden Accent gedehntes e oder o
haben, zeigen im Lokal Singular theilweise kurzen steigenden Accent
auf der Stammsilbe : drügb, lo drdabö; sl. drgb^ v di'öbu; — nü^s.
w ndaSd\ sl. ngs, nösu u. s. w. Aber dieser Gebrauch ist schon stark
geschwunden vor der in diesen Fällen üblicheren Betonung wie
V drü^bö^ 719 mü^stö u. s. w. Konsequent kurzen steigenden Accent
haben im Lok. Sgl. nur: ww^c, sl. wpc; pd ndgce', s\. po nöci\ — sü
(aus su^l\ sl. sql\ w sdje, sl. v söli\ — nd skr e Je von sh%l Ofen-
decke. Pletersnik hat nach Zalokar für Krain in derselben Bedeutung
skril (nicht skrei) skrili: na skrili (= na pedi) lezäti.
Zahlreich sind diese Beispiele bei den femininen a-Stämmen . wo
Zum Accente im Gailthalerdialekte.
203
diese Art der Betonung durch Analogie auch in der Deklination stark
um sich gegriffen hat. Ich führe daher vorher ein vergleichendes De-
klinationsschema an : gd„ra^^\.göray %\.gdrci, c.gorä, r. ropu, rst. Ziora:
Singular.
Gailtd. (Brdo). Schriftsl.
Nom.
Gen.
Dat.
Akk.
Lok.
Instr.
Nom.
Gen.
Dat.
Akk.
Lok.
Instr.
goara
gdaVS
göave
gÖaTO
go„re
[neb. gd„re)
gdrö
gdlrS
gu,r
gbgi'an
göaTi
goarax
gdrame
gora
göre
göri
goro
göri
gorö
Plural.
göre
gor
goräm [göram]
göre
gor ah [gor ah)
gorämi
Dual.
Rosentd.
Russisc
(n.Scheinigg in Kres 11,428).
horä [hora)
ropa
höre [höre]
ropLi
hör hora)
rop^
horö [horo)
ropy
hör'' [ho7'9)
ropi
horö [horö)
höre (höre)
hiier (küjr)
hör am [hör am)
höre (höre)
horäh [horah]
horärn [horämd)
ropoK)
ropw
rop-B
ropaM'L
ropti
ropäxi.
ropaMH.
Nom. -Akk.: go„re^ sl, gorl:. Die übrigen Kasus des Dual sind
durch den Plural ersetzt. Es ist also die Behauptung Oblak's in seiner
Abhandlung »Zur Geschichte der nominalen Deklination im Sloveni-
schen«(SA.S.204), dass die Kärntnerdialekte den Unterschied zwischen
Dual und Plural festhalten, nur theilweise richtig. Auch die von Oblak
nach Scheinigg citirte Form Dat. Instr. Du. Upama im Rosenthale ist
sehr zweifelhaft, da Scheinigg diese Form (Kres II, S. 428) nur bei lipa
anführt, nicht aber auch bei horä^ vodd^ und da er in der Anm. 1 auf
derselben Seite sagt, der Dual gehe in der Volkssprache verloren, da
selbst mit dba^ oba (ausser im Nom. -Akk.) Pluralformen gebraucht
werden. Die Formen Kpama^ hväpcama^ miestama, misama (1. c.)
beruhen wohl mehr auf Spekulation als auf Wirklichkeit.
Was den kurzen steigenden Accent bei diesen Formen im Gail-
thalerdialekte (um Brdo) anbelangt, so entsprechen die Formen des Nom.
Dat. Lok. Sing, ganz den entsprechenden Formen der Dialekte, welche
204 Ivan Grafenauer,
der sloveniscben Schriftsprache zugrunde liegen, ebenso sind auch der
Dativ und Lokal Plur. (Dual) lautlich aus den entsprechenden Formen
der Schriftsprache zu erklären, wenn man auch beinahe mit Gewissheit
annehmen kann, dass bei diesen Formen, welche in der Schriftsprache
die Endbetonung noch bewahrt haben, der Accent im Gailthalerdiaiekte
später zurückgezogen wurde als bei den ersteren. Zu dieser Annahme
bewegten uns die Formen des Substantivums röka^ sl. röka^ r. pyKa,
wo sich die Formen N. röka^ G. röce^ D. röc^^ L. röc^ u. s. w. und
rhkax^ rdkan gegenüberstehen. Die Betonung der Formen des Gen.
und Akk. Sgl., Nom. Akk. des Dual und Plural ist durch Analogie
nach den übrigen Formen entstanden, ebenso die Endung Nom. Akk.
Dual golre statt ghlri^ (sl. göre) durch Analogie nach der Mehrzahl der
a-Stämme, um die Dualform vom Plural zu diflferenziren.
Beispiele sind: kdubg^pla kdnöf^ple\ sl. konoplja^ r. kohohjih, aber
st. kbnoplja\ — kd(,pa kdap^\ sl. köpa, resiad. Äojoa, c. kopa, r. Konä :
— kdaSa, kdaSd\ sl. kösa^ rostd. ^"osa, st. kösa^ c. kosa^ r. Koea; —
köaZa, köaZ^^ slov. köza^ rtd. ^oza\ st. köza, c. kozä^ r. K03a; — mö„-
sna mdaSn^, sl. mösfij'a, resiad. mösna, c. mohijä, r. MomHa; —
meatla meatU', sl. metla^ st. metla\ rtd. matia, c. metla, r. Msxjia :
— nd„sna nöasne\ sl. nöbija] — röaSa rdaSe\ sl. rosa] st.
rosa^ rtd. rosa^ 6. rosa, r. pocä; — scastra seaSträ; sl. sestra, st.
sestra, rtd. saslrä; c. sesträ, r. cecxpa; — wdada, wdadö', sl. vöda,
st. vöda, rtd. voda, c. vodä, r. BO^iä; — icöazna wd„hi^\ sl. vöztij'a.
st. vdznja\ — zdainla, ze„mlp.\ sl. zemlja\ st. zemlja, rtd. zamlä] c.
zemlja\ r. sbMjIä; — zeana, zeanS; sl. zeV^a, st. ze?ia, rtd. zawa, c.
ze^^a, r. atenä. — Hierher gehört auch '•^daca, sl. dce, r. OTei^t; dieses
Wort, das ich nur im Singular gehört habe, deklinirt folgendermassen :
Nom. "o^m, Gen, Dat. Akk. Lok. '^dacö, Instr. ^dacan. Küzmics hat
auch den Genetiv oce wie vode u. s.w. Die Form oca ist nach Oblak's
Annahme die ältere und kommt [otfcha] in der Klagenfurter Hand-
schrift und deu Schriftstellern des XVL und XVU. Jahrh. allein vor
(aber kein oce). Der Akk. oco [othfcho), welcher in der K.H. sich
findet, ist regelmässig nach der a-Deklination gebildet (Oblak, Zur Ge-
schichte S. 240 ff.). Die Form y<öac6 aber ist nicht auf dieselbe Stufe
zu stellen mit dem Akk. Sgl. der a-Stämme, da das ö des Suffixes eng
ist, wir haben hier wohl mit einer Analogiebildung nach der Deklination
der 2/-Stämme zu thun, da das 6 am Schlüsse der Worte im Gailthaler-
diaiekte die Entsprechung für u ist.
Zum Accente im Gailtbalerdialekte. 205
So werden betont feiner auch alle Worte auf -b,iba (sl. -öha) und
-data (sl. -öta)^ z. B.: grdöaba, grddah&\ sl. grdöba^ c. grdoha\ —
hdddaba^ hdddahS in der Bedeutung Teufel wie hdddahdc\ sl. hu-
döba, st. hudoba, c. hudobä] — u. s. w. Ipöata Ipdati] sl. lepöta^
st. lepota, c. lepotä, r. .lenoxa; — slpOata, slpdate\ sl. slepöta, st.
slepöta, r. citnoxa, u. s. w. Einige mit dem Suffix -ote gebildete Sub-
stantiva sind aber wohl durch Analogie nach dem ehemaligen Akkusativ
(nach M. Valjavec, vgl. Rad 132, S. 177) in der slovenischen Schrift-
sprache lang fallend betont: dobrota^ gorkgta^ sirota. Im Gailtbaler-
dialekte um Brdo ist ddbriata, idpü^ta (sl. toplota) ebenso betont, aber
wir haben nur SQrd^ta aber Akk. sarü^to.
Der kurze, steigende Accent ist nicht vorhanden vor j\ l und lo.
Der offene Vokal o« wird vor diesen Konsonanten geengt zu p und ge-
dehnt; j und w [l] haben nämlich im Dialekte von Brdo die Eigen-
thümlichkeit, dass sie in nominalen Bildungen intervokalisch zwischen
gewissen Vokalen, wil) zwischen e-ö, e-a, a-a^ a-o, g-a, o-o\ — /zwi-
schen e-a, e-o, a-e, a-^, p-^, o-e, reducirt und dann gleich behandelt
werden, z. B. : kräa [kräva], vidaa [videla], wo das zweite a in etwas
höherer Tonlage gesprochen wird als das erste ; ze-a, ze-o wird so ge-
sprochen wie ddze-a, ddze^Ö. Auf dieser Eigenthümlichkeit, glaube ich,
beruht auch die Behandlung des Accentes in den hierhergehörigen
Fällen.
daze^a; sl. dezela\ — me-a^ sl. meja^ st. meda^ c. mej'a^ r.
Mea:a; — nog^i sl. nöga^ st. nöga^ c. noga^ r. iiorä; — smg^a^ sl.
smöla^ st. smdla, l.smola, r. CMOjä; — so"«, sl. söva, c. sovä, r. eoBa,
st. aber sova] — ^-gwca, sl. övca, st. övca, c. övcä, r. OBi^ä.
Das unmittelbare Aneinanderrücken der beiden Vokale ist wohl
der Hauptgi'und gewesen, dass der diphthongische Vokal, der der
Träger des kurzen steigenden Accentes ist, zum einfachen Vokal wurde,
und dass der Vokal, weil er so in offener Silbe steht, gedehnt wurde.
Bei Oa, das zu g geworden ist, ist dies allerdings nicht der einzige
Grund der Dehnung, es ist hier auch die Verengung des Vokales von
Bedeutung, bei e, das nicht verengt worden ist, ist dies ganz sicher der
Hauptgrund: ddzeaia-ddzeaa-ddze^a. — Bei ngga, nggo ist uns dieser
Zusammenhang nicht so klar, da hier nicht/ oder ^ü, sondern^ vor-
liegt. Es liegt hier Analogie nach den übrigen Kasus vor: Sgl. N. ngga^
Gen. wd"^ aus noj^, Dat. wö"e aus noji^ Lok. wd"e aus tioji (neb. nöz^)^
Du. Nom. Akk. nö^i aus noJi\ Plur. Nom. Akk. wd"d aus 7ioje. Bei
206 Ivan Grafenauer,
'^gwca ist das o eng wegen des nachfolgenden w, der Accent aber ist
kurz wegen der folgenden Konsonantengruppe.
Wo aber das /, das dem e, o nachfolgt, als l wieder zutage tritt,
haben wir kurzen steigenden Accent: smq^-a^ Gen. Sgl. smoje, Dat.
Lok. smoje] — dBze^a, Gen. Sgl. dazeje, Dat. ddzeje, Lok. ns dazeje.
Nom. Akk. Du. ddzeJe', Nom. Akk. Plur. ddzeJe. So auch in zwei
Formen von ngga: Dat. PI. nbagan^ Lok. ndaga%.
Die neutralen o-Stämme mit ursprünglicher Endbetonung und
dem Stammvokal o oder e gehören mit dem ganzen Singular zu dieser
Gruppe: Nom. Akk. ^öokno^ Gen. ^^ojcna^ Dat. Lok. y^daknö^ Instr.
y^öaknan^ sl. öi^wo, ökna^ stokno, rst. o^'?id, r. okho; — biadro, bead7-a,
sl. bedrg, bedra; st. bedro, r. 6eAp6; — ^^Caklo^ ^akla\ &\.Jeklo,jekla\
rst./fl^^o; — pUace^ pUaca] s). plece, pleca; %t. plece; rst. place:
c. plece, r. njTeqo; — pscano, pseafia] s\. psetig^ psena] — regbro,
reabra\ sl. rebrg^ rebra] c. rebro^ r. peöpo; st. aber rebro\ — r^sdato,
r^seja; sl. resetg, reseta\ Itreseto, r. pemexo; — ^rmea?icö,^rmeanca;
Pletersnik hat hier unrichtige Betonung rumhice; — scadiö, sdadia:
sl. sedig, sedla; st. sedlo; rst. sadio\ c. sedlo, r. ciA-i6. — Bei ce^o,
sl. ce7o, st. celo, rst. ca/o, c. celo, r. ^lejio haben wir die schon oben
bei smo^a ddze-a betrachtete Erscheinung, der Lokal Sgl. aber hat
kurzen steigenden Accent nd cej^, r. iia yejii. Von den konsonanti-
schen Stämmen ist nur der Nom. Akk. Sgl. tCfiU zu erwähnen ; sl. tele.
st. tele\ rst. tale: r. tbm.
Adjektiva. Ursprünglich auf dem Suffix betonte Adjektiva,
welche in der slovenischen Schriftsprache den Accent auf ein vorher-
gehendes e oder o zurückgezogen und dieses gedehnt haben, falls es
nicht in der einzigen oder vorletzten Silbe des Wortes steht, in welchem
Falle kurzer fallender Accent in der slovenischen Schriftsprache, wie
auch im Gailthalerdialekte eintritt, haben im Gailthalerdialekte kurzen
steigenden Accent : brbd„k, brboaka, brbögko ; sl. globok, globoka.
glohökg\ st. dübok, duboka, c. dubok, duboka] der kurze steigende
Accent ist durch Analogie in allen Formen durchgedrungen ausser Nom.
Akk. Sgl. mask., wo Endbetonung herrscht: sdroak, hröaka, hröako:
sl. sirok, siröka, sirökg\ st. sirok, siroka; c. strok, sirokä; — vasdak,
vasoaka, vdsoako; sl. vüok, vtsöka, visökg\ st. vlsok, visöka] c. visok.,
visoka. — Auch im Nom. Akk. Sgl. haben den Accent von der letzten
Silbe zurückgezogen: 'rman, ^'meana, h-meano\ sl. rimien, rumena.
rumeng] st. rümen, rumena] c. 7'umen, rufnefiä, und zejan, zdlcana.
Zum Accente im Gailthalerdialekte. 207
zdle„no\ sl. zelen und zelen, zelefia, zeleno\ st. zelen^ zel<ma\ v-zelen,
zeletia. — Zu bemerkeu ist dazu, dass der kurze steigende Accent nur
der unbestimmten Form des Adjektivums eigen ist, die bestimmte Form
hat langen fallenden Accent: zdlijne, zali^na^ zdU^no u.s.w. Denselben
Unterschied zwischen bestimmter und unbestimmter Form haben wir
auch im Rosenthalerdialekte und im Dialekte von Resia : zalanä ist das
r. 3e.iena, zeloeiia aber das r. sejieiiaK (vgl. Baudouin de Courtenay,
OiitiT *0H. Pes. roBopoB. S. 75). Für das Schriftslovenische vergleiche
Rad B. 132, S. 154. Bei 7idw, ?i6y^a, ng^o] sl. nov, növa', — gof^ ffQ^a,
go^o\ sl. gol^ göla ist der Accent lang steigend wegen tv \i).
Ausser im Nom. Akk. Sgl., wo der Accent ursprünglich auf der
vorletzten Silbe ruhte, in allen Formen haben kurzen steigenden Accent :
döhdr^ döuhra^ doabro; sl. döba?', döbra] st. dobar^ dobj'a, c. dobar,
dobra; rst. dora^ doro\ Endbetonung ist im Gailth. erhalten in dro =
doro (wohl, ja); — möhdr^ möakra, mbahro\ sl. mökdr^ 7n6kra\ st. hat
hier auch im Fem. Nom. moh'a\ — töpö^ td'apia^ tdapio\ sl. aber
auch im Nom. Mask. töpdi^ töpla.
Mit allen Formen gehören hierher: mbacn^ möacna^ mdacno\ sl.
möcdn^ möcna, möcnq\ — nöaSn, 7idaS7ia^ W()«swo; sl. nösdn^ 7iös7ia^
7iös7io\ — i'boSTi^ röaSfia, rd(,s7io\ sl. rös97i^ 7'ös7ia^ rös7io\ — pbatti^
pöatna^pöatno\ ?\. pötd7i, pöt7ia^ potnq neben potm, pot?ia, pofTiq. —
Ferner zwei Adjektiva mit i in der Stammsilbe: sve^tö^ svcatia,
sveatio\ sl. svetSi, svetlä, svetlo; — tcaS7i, teaS7ia^ teaS7io\ sl. tes^hi,
tesTia^ testiq. Das Adjektivum boi^/i, boina, bgino hat g wegen des
i, kurzen Accent wegen der nachfolgenden Konsonantengruppe; rst.
boldn.
Nur im Nom. Akk. Sgl. mask. haben kurzen steigenden Accent auf
dem e oder o der Stammsilbe einige Adjektiva, welche im Schriftslove-
nischen im Nom. Sgl. mask. zweifache Betonung haben, die ursprüng-
liche auf der letzten Silbe und die jüngere auf der vorletzten: böagat\
sl. bögat und bogdt; st. bögat^ c. bogat] — Jcd(,smat\ sl. kösTnat und
kosmat] st. kösmat^ c. kosmat\ — das oben erwähnte ze„la7i\ sl. zelen
und zeren\ st. zele7i\ rst. zalan, c. zelen; — vej9k, sl. velik und
celtk.
Numeral e. Kurzen steigenden Accent hat in allen Formen ^ead7ij
^eana, ^eanö] sl. [edon] e«, ena, eno\ \i. jedan^ jed7ia^ jedno\ rst. adn^
anci, a7iu[ano)^ e. jedan^jedna^jediid; r. oahhx, OAHa, 05116. — Bei
den Ordinalzahlen haben diese Betonung die Lokale : pootd^, ü.petih; —
208 Ivan Grafenauer,
seaStdyiy sl. sestih\ — seadmdyi^ sl. sedmih\ — '^da.smdXi sl- ösmih\ —
ddiüe^td^i, sl. devetih] — ddse^tdx^ sl. desetih.
Pronomen. Pronomina, welche in diese Kategorie gehören, sind:
der Gen. Dat. Akk. Lok. Sgl. von ti und vom Reflexivum sehe: teabS,
scahi't sl. tebe tebe^ sehe sehe und teUi tebi, seb'i sebi; rst. tabe, sabe;
st. tebe, tebi', sehe, sebi; c. tebe, sebe; r. tböh, xeöt; ceöa, ceöi. Im
Gail- und Rosenthalerdialekte ist hier die Endung des Dativ-Lokal (i)
herrsehend geworden, nicht wie man anf den ersten Blick annehmen
könnte, des Genetiv-Akkusativ [e], denn wir haben vom Pronomen der
ersten Person im Gailthalerdial. Gen. Dat. Akk. Lok. mhi^, im Rosen-
thalerdial. mdtie [mena], was deutlich auf aksl. Mtni im Gegensatze zum
Gen. (Akk.) .Meue hinweist. Dieser Gebrauch ist schon alt, denn wir
finden ihn schon in der Handschrift der slovenischen protestantischen
Gemeinde von Gorice ob Arnoldstein im Gailthale aus dem XVII. Jh..
von welcher Oblak Bruchstücke im Archiv f. sl. Phil. B. XV, S. 459 flf.
veröffentlicht hat: kar fi ti mene dobriga fturil, S. 462; — oflfer, kateri
ieft tebe . . pernefom, ebenda; — offram fe febe dones . . ebenda, u.s. w.
— Ferner haben wir "ö„wa '^-öano; sl. öna öno, st, ona öno, c. ona o7io\
ncaga neben ne^a, nenmö\ sl. njega njem/ü, njega njemu; rst. njaha,
njomh; ^^i. njega njemu; g. njega tijemü; r. ero, esiy. — Beim Possessiv-
pronomen mqj tvqj svoj ist im Gailthalerdialekte Kontraktion wegen des
reducirteny eingetreten und ist daher die Accentuation eine andere ge-
worden: aus mb,Ja wurde mioä, aus twd„Ja ^erau.s.w. — In der Dekli-
nation tritt aber der kurze steigende Accent öfters wieder zutage, wenn
auch nicht in seiner charakteristischen Form. Der Klarheit halber
führe ich das Deklinationsschema an :
Singular:
Mask. Nom. Akk.: m'^oj tiooj swoj; Neutr.: mwö tioö swö
Gen. -Akk. : m^o^ega t^o'-ega s^^ö-ega
Dat. Lok.: my^of^amö f^'c^amö s^ö^-amö (neben mwämö
twdmö swdmö]
Instr. : mwän twän swdn
Femin. :
Nom.:
mwä iwd svö
Gen.:
mioe twe swe
Dat. Lok.:
m}ibU t^oH s^ö^e
Akk. Instr.:
mioö twö swö.
Zum Accente im Gailthalerdialekte. 209
Plural:
Nom.: Mask. m-o*e t^^i^e s^^'o^e\ Fem. Neutr. : mice tice swe
Gen. : mrcäli twäh sicäh
Dat. : mtcän twän swän
Akk. : i7iice twe swe
Lok. : mioäh ticäh sioali
Instr. : mwäme twäme swänie.
Dual:
Nom. Akk.: Mask. mwä ticä sicä; Fem. Neutr. : m"o^e t^d-e s'^ö^e.
Die übrigen Kasus wie Plural.
Das unbestimmte Demonstrativum ^-dne ^dnä ^^anö »jener gewisse«
hat im Gen. Akk. Mask. ^hne^a aus -Ca.ga^ Dativ Lok. -a?2(?„wö ; das Frage-
pronomen kdö (Gt. tüj)^ Gen. Akk. kbaga^ Dat. Lok. kouniö. — wtsy
sdaffct, seafnö^ sl. vsega^ vsemü] st. svega, svemu\. c. sega^ semü] r.
Bcerö, BCOMy.
Verb um. Die Verhältnisse sind bei den verschiedenen Verbal-
klassen ungleich. Von der L Verbalklasse haben die Verba mit ur-
sprünglicher Endbetonung kurzen steigenden Accent auf dem e^ oder
Oa des Stammes im Infinitiv, Imperativ, ferner im umschreibenden Par-
ticipium Perfecta auf -/, -/a, -lo und im Part. Perf. Pass. in allen For-
men ausser Sgl. Maskul.
Infinitiv: zd-boaSte, sl. böaii, st. l/osti, r. öocTii; — grcahate^
<\. grehsti^ st, grepsti, r. rpecxn; — pd-mea^te^ sl. menti^ st. mesti^
r. mbcth; — neaste^ sl. neati, st. nesti, r. iiecTii; — pUaSte, sl. plesti^
iit.plesti, r. nJBCTH; — tcapste, sl. tepdi, Ittepsti, r. tccth. Eigen-
thtimlich ist es, dass bei Verben der 4. Gruppe das e vor e verengt wird
zu ej\ während es in den Dialekten die der Schriftsprache zugrunde
liegen, offen ist: Vejct^ sl. Jehi^ st. leci^ r. jiequ; — p^jce, sl. peci, st.
peci^ r. nequ; — ^'^Jce^ sl. reci, st. reci, r. peqa; — tejce, sl. teci, st.
teci^ r. Teqn.
Der Imperativ dieser Verba lautet : gi-ej>e,^\.grehi, st.^rei?', Q.greln^
r. rpeöii; — zd-hoade^ sl. hödi^ st. bödi, r. öoau; — vldaze t>e, sX.Uzi] —
pd-meade^ s\.?nefi, ht.mefi^ c. meß, r. MCTii; — ndaSe, sl. fiesi, st. nest,
c. ?ief>t, r.HBCH ; — za-pleade, sl.p/ett, ht.plefi, r. njiexii; — teape, sl. tepi,
st. tepi, Y. Tenu. Mit Halbvokal: 'rce', sl. ren, st. rm, r. peKii; — pdce,
sl. /»ec/, st. 2^ßct\ c. jOßc«, r. neicii. — ^a<5<?, sl. ^ecV, st. ieci, r. tbkh. —
Archiv für slavische Philologe. XXVII. 14
210 Ivan Grafenaiier,
Ebenso betont ist auch der Imp. Plur. 1. und 2. Ps. durcli Analogie
nacli dem Sgl.: nCaSBioa nea&^ta^ sl. aber neswa nealta. — Das Partie.
Perf. auf -l^ -la, -lo dieser Verba lautet: bödö, böadia, höadlo.
höadle^ u. s. w., hödla^ hödlo\ — g^'ehö^ grcabla^ grcahlo u. s. w. :
sl. grehlcij greblo u. s. w. ; st. grehla^ grehlo u. s. w. ; c. greblu^ greblo :
r. rpeöjiä, rpeöjro ; — p9meadia\ sl. metla, mela\ — icUagla^ sl. legla.
st. legla^ c. legla, r. Jier.ia; — ncasla, sl. tiesla, st. nesla^ c. nesla, r.
iiecjia; — pejila, &\.pekla^ It.pekla, c.pekla, r. nsKJiä; — z9-pleadla\
&\. pletla plela, lt. plela, c. plelcl, r. njiejä; — reuHa, sl. rekla^ st.
rekla, c. re/da, r. peKJia; - — teakia, sl. iekla, st. iekla, c. fekla, r. xe-
laa; — icapia, sl. ^e/j/a, st. ^e^/a. — Partieip. Perf. Pass. : pr-bd-
deaii, -bddkgna^ -hddeano u. s. w., sl.pre-boden, bodena, bodeno u. s.w. ;
— grboaii, grbeaua, grbeano\ sl. greben^ gr-ebena, grebeno\ h.grebe7i,
grebenoj grebmo; c. greben, grebena, grebeno\ r. rpeöeiiä, rpeöeno:
— tepi'ji^ tdpeana^ t9pean'ü\ sl. tepen, tepena^ tepeno\ st. tepen, te-
pena, tepeno, c. tepen,, tepena^ tepeno\ — ebenso niddcana^ nsseaiia,
pdinddeaUa, pd6i\,na u.s.w. Im Singular Mask. ist, wie wir sehen, nach
Analogie der übrigen Formen kurzer steigender Accent statt des fallen-
den eingetreten.
Alle diese Verba haben im Schriftslovenischen auch im Präsens
den Accent zurückgezogen : nesem., dieses, tiese, ?ieseva, 7ieseta, ne-
semOj nesete^ c. nesen, neses, nese^ neaeind, nesete. Im Gailthaler-
dialekte ist dies nicht der Fall. Das Präsens lautet hier: ndsen, nd&es.
ndse\ 7idseva,nesesta\ ndsemo, 7i9seste, 7id^ö u. s.w. Vgl. Scheinigg,
Narodne pesni koroskih Slovencev 39: Kaj mi lipca prevetujes — Der
mi sadja ne nesös. Im Rosenthalerdialekte : nascmi^ 7iasas^ 7iase aber
7iasava u. s. w.
Kurzen steigenden Accent hat auch der Imp. und das Part. Perf. tau
-l (nur Sgl. Mask.) von prp9g7iUe, sl. pripog7iiti\ prpOagTie, pipdagtfva^
p7'pdag7v'7}io\ s\. pripög7n ahev p}'ipog7iiva ; prpd„gnö^ ^\. prip6g7iii.
Von der dritten und vierten Verbalklasse gehören hierher
jene Verba, welche das e {a) resp. i in -eti, -iti betonen und in der vor-
bergehenden Silbe den Vokal e oder o haben, und zwar haben sie den
kurzen steigenden Accent im Imperativ, im Supinum und im Part. Perf.
auf ^ Sgl. Mask. : gorete: gdgre, gda7'^te\ goaT^t] göj-6l\ Bl.göri, göret,
g6rel\ \X.göri,go7'io\ l. göret, go7'el\ — bdlete: bbjöl, '^.bölei; böalt,
sl. bölet\ — Itete: Uate, sl. Uti, st. leti, r. .neTii; lejöl, sl. Utei,
st. letio\ — Pzäte: IcgZe, sl. leH, st. lezi, r. .iea:ii; IcgZöl, sl. lezai,
Zum Accente im Gailthalerdialekte. 21 1
st. lezao^ c. lezcd^ r. jieKajii.; IcaZat^ sl. Uzat^ c. lezat, u. s. w. — ir-
dite: broade^ sl. Jrö^//, r. öpoAH, st. ^rwc;?^; bröadö^ hrögcl't^ sl. hrödil^
hrödit\ — hddite: hoade^ sl. Äorfe, r. xo^ii; höadö, sl. Ä(?(^«7, st. Äoc?«o,
r. xo^Mt; so auch von lomite (sl. lotnüi): zidaine, U„m^t, zldamö; —
mddite {s\. modifi) : zmd,^dc, möa^'t, zmbj:ö\ — skodife: sköade, sköa-
66 \ — lodzite [voziti]'. tcöaZe^ wögZ't^ zicöaZö\ — zdniU [zeniti):
zcane, zeaiif., ^'9ze,{)iö\ u. s.w. Vom Imp. Du. Plur. ^'^'^ie^w/fe gegenüber
sl. zenUe gilt das schon oben Gesagte. Die hier angeführte Participial-
betonung ist aber bei den Verben der IV. Klasse mit betontem l (sl. f
des Inf. nur dann der Fall, wenn das i der Konjugationsendung im
Präsens nicht betont ist, sonst ist die Betonung anders: zohrin^ zdhrltc
govorim^ govoriti): zdhü,rd.
Aehnlich ist es auch bei der V. Verbalklasse. Jene Verba, welche
ein e oder o in der dem betonten -ä-ti vorausgehenden Silbe haben,
betonen kurz steigend den Imperativ Sgl., durch Analogie auch Plur.,
das Supinum und das Part. Pf. auf -l im Sgl. Mask. : 09 säte [desäti) :
deaSej] SeaS^va,JeaS^ta, deaS^mö, dcaS^tö; SdaSat; dc'aSöi; sl. dest\ desat,
6esai\ st. 6esi^ öesat^ aber öesao (r. qeeajra,); — klpäte [klepäti):
kleaple,kleaplte\ kUapat, kUapöl] ü.klep1Ji,klepat,klepal\ &t.klepaj\
klrpaf, klepao ; — kaniäte [kondäti] : kö^,n6öl^ sl. köncal (die anderen
Formen habe ich nicht gehört); — kr säte [kresäti): kreaSat, krcasoi;
sl. kresatj kresal\ — nidtäte [metäti): zmea^Ie] meafat, mcatoi;
sl. 7ne6i, metatj metal\ — pdläte ' peljäti): peje^ pejat, pejöl^ sl.
pelji., peljat^i peljal\ — pdslate [poslati): pöaSU, pöaSlöl\ jJÖsK, pö-
slal\ — kdpäte [kopäti) (graben): köapU, köapat, köapöl] sl. köplji^
köpat^i köpaf. — Jene Verba aber, welche mehr als dreisilbig sind,
haben Endbetonung: trpdtät^ [trepetäti): trpatej\ trpatol] sl. trepeöi.^
trepetal\ — kö}^ati hat im Infinitiv zurückgezogenen Accent wegen il\
welches das o verengte, daher auch ko^^'ej, ko^^'af, ko^'-^öi. — Jene Verba
dieser Klasse, bei welchen im Infinitiv und Part.Perf. auf -l der Stamm-
vokal schwindet, betonen kurz steigend nur den Imperativ: brate:
beoTe, sl. Jen, st. 5m, r. 6epji; — driate: ddare, sl. deri, st. de7'i,
r. AepH 5 — kläte'. zd-köale^ sl. köJj'i., st. kö/j'i, r. KOJii; — mU^te :
rndje, sl. me/j'i, st. melji^ r. mcih ; — präte: pe^re^ sl. peri\ — sräte :
pase^re se, sl. serj'i; — pd-stläte: p9siejej s\. postelJi\ — gnäte:
zdane., sl. ze)ii\ ■ — zrijte: pszcare., sl. zrl. Jene dieser Verba, welche
im Präsens ursprünglich Endbetonung haben, die im Schriftslovenischen
auf das e oder o zurückgezogen wurde, haben wie ähnliche Verba der
14*
212 Ivan Grafenauer,
I. Klasse im Gailthale Endbetonung : hdi'en^ hdres^ hare u. s. w., sl. Le-
rem^ heres, here\ rosentd. hartim^ baras.
Halbvokal oder reducirter Vokal im Tliema.
Der Halbvokal ^jh ist im Gailthalerdialekte in dreifacher Weise
behandelt worden. In jenen Fällen, wo er gedehnt worden ist, haben
wir offenes e (denselben Laut, der auch der regelmässige Vertreter des
Ä im Gailthale ist), in den übrigen Fällen ist er entweder ausgefallen
oder als Halbvokal erhalten geblieben. Da der Halbvokal naturgemäss
kurz ist, haben wir in jenen Fällen, wo der Accent auf einen Halbvokal
von der folgenden Silbe zurtickgezogen wurde, kurzen steigenden
Accent. Dasselbe gilt auch von reducirten Vokalen, da sie lautlich
gleich sind den alten Halbvokalen, und vom silbenbildenden r. In den
Dialekten Krains haben wir in diesen Fällen fast durchwegs die End-
betonung erhalten.
Substantiva. Im Thema ist ein Halbvokal: pbs phsa pd&ö pd&a
P&SÖ phsan ; p9sa; pase pii söiv pa sati pdse pdSdx p^satyie; sl. pds psä ;
lt. pas psa\ — sds sdsa; sl. sas sasa; — söw (dieses a wird wegen
des 10 wie ö gesprochen) so^^'a; sl. Sdv^ iava, ivä; st. säv svä] —
ddz?i ddznj'a aus daz dazj'a; sl. daz dazjä, r. Aoac^TB, Aoac^a. Die Be-
tonung ist also ganz analog der Betonung einsilbiger Maskulina mit dem
Stammvokale e/o und ursprünglicher Endbetonung: boab, höaha u. s.w.
Ebenso betonen Maskulina mit ursprünglich betontem halbvokalischen
Suffixe, nur dass hier auch der Nom. Sgl. kurzen steigenden Accent
hat: lakdt iakta u. s. w., sl. lakät^ -kta neben /a^a^, -kta (Valj.-Rad).
— pekö^ pekla, sl. paTicl^ pakla\ st. päkao^i c.pakaJ., pak/ä; —
6tahar^ atabra; sl. staba7\ stabra; c. stabai\ stah'a. — Feminina und
Neutra mit ursprünglicher Endbetonung und mit halbvokalischem Stamm
haben kurzen steigenden Accent auf dem Halbvokale in allen mehr-
silbigen Kasus: daska ddsö^ d^de dasko dasde dasko\ dds6e\ dasdS,
dask, ddükan dasdö, daakah daskame\ sl. daska daske wie göra\ st.
däska^ c. da.ska, r. ^ocKa;. — magla möglö; sl. mdgla, st. mägla, c.
7nagla\ — mazda^ sl. mazdu (pio-d-ög); — sfazda, sl. sfaza, st. stäza,
c. i,taza^ V. cTBsa; — ta7na^ sl. tamu, ftJia, st. täma; — sa?ice, sl.
satice; — sl. stablo lautet aber stebio.
Im Thema ist silbenbildendes r: lirhat^ Jirbta, sl. hrbet, hrbta]
st. hruat aber Iirpta; — datrtak, datrtka\ sl. detrtakj 6etrtka\ st.
6etvrtaky S. detrtuk, cetrtka, r. ^lexBepTOKt, qeTBepxKa ; — ^rja^ "^'J^y
Zum Accente im Gailthalerdialekte. 213
sl. rjil rdja^ st. rdja, c. rja\ — msta V)'sf(*, sl. vrsta, vrstä, i: Bepexä
uud ähnliche. Nur im Nom. Sgl. drv9d, gen. drvica, sl. drvid, örviöa.
Im Thema ist ein zu Halbvokal gekürzter Vokal : j'dgla^ J^gU
Deichselnagel sl. igla im PöUauerthale in Oberkrain jdgla (fallend) ;
st. nßa^ c. igVä^ r. Hr.ia; — J^spa^ sl. izbu neben izba (Plet.), st. izba^
r. nsöa; — khpdc khpca^ sl. kupifc kupca^ st. küpac^ r. Kyneu;^; —
m'dstwo^ sl.tnostvq; — papar^ phpra^ ^\. pöpar^ pöpra; h. popar\ —
schio sekna^ sl. suknq sükng; st. dükno, r. cyKHo; — zhistica von
zanstwo] sl. zenstvq nnd ähnliche.
Adjektiva. Im Thema ist ein Halbvokal. In allen Formen ist
kurzer steigender Accent bei : mddö mddia m'Jdid^ sl. mdddi mddla'.
— idödk Idhka idhko^ sl. hgtk Idhdk^ hJika^ c. lagak\ — thrndn
tdmna tdmno\ sl. tarndn tamjiä; — tandk tdnka thnko, sl. tandk
tdnka aber st. fdnak. In allen Formen ausser Nom. Sgl. Mask. : {dsc
ids6a tdsco, sl. tasdii, st. aber tasta. — Im Thema ist r: mrtö^
mrfwa mrtwo] sl. mrtdv mrtva\ st. mrtav mrtva, c. mrtäv, mrtva;
— shidn shii'na schläfrig; — 6rn örna 6rno\ sl. 6rn 6rna 6rno\ st.
crna^ c. craä, r. ^lepna; — grd grda grdo, sl. grd grda; c. grda^ r.
ropAa; — trd trda trdo^ sl. tfd irda\ st. tvrda^ c. tvrda. Im Thema
ist gekürzter Vokal. In allen Formen ': krdak krka, krko, sl.
krätak krätka krätko^ c. kratdk'. — madak^ mhhka^ mahko] sl.
mehak, mehka, mehko; — m'astn^ mastna^ masfno', s\.mas{an,mdstan,
mastna, mästna ; — p^sn, prsna, prsno^ sl. praPan., präsan^ prasnd,
präsna^ c. p7'asdn, prasftd; — s-lddak, siadka^ sladko] sladak slä-
ddk^ sladka slädka] c. sladak sladka; — stfsn strsna strsno; strasan
strdsati, sirasnd sträma. — Nur im Nom. Sgl. Mask.: daböl dabe^a,
sl. debal debela.
Vom Pronomen gehört zu dieser Gruppe das schon erwähnte mane
und nasce^ sl. nihM. Von den Adverbien vane^ sl. vne.
Verba. Die Imperative: />3(^6', 'r(5e, tace, s\. pect, 7-eci, ^ece habe
ich schon oben erwähnt. Von der IL Verbalklasse gehören hierher
einige Verba mit Halbvokal in der Silbe vor dem charakteristischen
Infinitivsuffixe, welches betont ist. Sie haben bei ursprünglicher End-
betonung kurzen steigenden Accent im Imperativ Sgl. Du. und Plur.,
im Supinum und im Part. Perf. auf -l im Sgl. Mask. : dahnite [dahniti):
daJvie, dalmawa^ daJmamö^ dahnt^; daJmt] daJinö\ sl. dalirit^ dhhnU^
— pr-maknxte [pre-makniti): pr-makne^ pr-makiü^ pr-maknö\
sl. mahn, mahiU; — pahnite {pahniii): paJme^ pahnt^ pahnö:
214 Iv&n Grafenauer,
sl. pahni, pd/mii: — sa/mife [sdhniti): söhne, shlüit^ sdJmö; sl.
vsahm, vsdhnU', — spd-tdkräte [spo-tdh.nite): spotakni^ ^'thknt^ spd-
t9knö\ sl. spotdknl^ spotdknll. Von der V.Klasse erwähne ich: sdsäte,
sl. sdsäti: sdsöl^ %\.sdsal; iagate [Idgäti^ lagäti): iagej\ hgol aber id-
gat\ sl. läzi, idgai^ lagat. — Gekürzten Vokal hatjac/e und jdU^ sl.
idi i<n, iti ifi, silbenbildendes ?' : tvrnUe {vrniti) : pd-whie, pdwrnt.
patorjiö.
In allen diesen Fällen ist also der kurze steigende Accent dadurch
entstanden, dass der Accent von der folgenden Silbe auf die kurze halb-
vokalische vorhergehende zurückgezogen wurde. Die gekürzten, zu
Halbvokalen gewordenen vollen, langen Vokale mussten vorher gekürzt
worden sein, bevor der Accent zurückgezogen wurde, denn sonst könn-
ten wir uns nicht erklären, warum der lange Vokal zu einem Halbvokal
gekürzt worden ist. Der Prozess also, der im Dialekte von Brdo ganz
konsequent durchgeführt ist, dass alle Vokale vor der betonten Silbe
wie Halbvokale ausgesprochen werden, musste früher durchgeführt
worden sein, bevor in diesen Worten der Accent zurückgezogen wurde.
Der Prozess des Zurückziehens des Accentes musste daher bei o und e
früher durchgeführt worden sein, als bei den Halbvokalen und den re-
ducirten Vokalen. Diese Annahme wird, glaube ich, auch durch den
Umstand bestätigt, dass im Schriftslovenischen im Gegensatz zu o/e, auf
welche der Accent fast durchwegs von der folgenden letzten Silbe des
Wortes, falls sie ursprünglich betont war, zurückgezogen wurde, beim
Halbvokal in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle die ursprüngliche
Endbetonung beibehalten wurde.
Der jüngere kurze Accent.
Während wir in den bisherigen Fällen den kurzen Accent als den
älteren bezeichnen konnten, da er ganz dem kurzen steigenden Accente
des Stokavischen entspricht [vöfjda — toda, magia — mägla), und da der
ältere kurze Accent (st. krava) im Slovenischen in nichtletzter Silbe
zu lang steigendem oder fallendem geworden ist, tritt in einer Reihe
von Fällen im Gailthalerdialekte ein jüngerer kurzer steigender oder
fallender Accent auf, der sich aus langem Accente entwickelt hat, und
zwar vor Konsonantengruppen in geschlossener Silbe,
M. Valjavec hat im Rad jugosl. akad, B. 132, S. 120 u. 149 darauf
hingewiesen, dass der im Serbokroatischen und Slovenischen aus nrspr.
Zum Accente im Gailthalerdiaickte. 215
steigendem Accente entstandene kurze fallende Accent im Slovenischen
in nichtletzter Silbe verschieden behandelt wurde, je nachdem die be-
tonte Silbe offen oder geschlossen war. Im ersten Falle entstand langer
steigender Accent, im letzteren lang fallender, z. B. : ruk, rä-ka^ rü-kov
u. s. w., dagegen: riik-ca^ hU-ka, st. Vltka^ krüs-ka, st. kruska n.s.w.
Als geschlossen fühlte aber damals die Sprache Worte, wo der Scbluss-
konsonant zum Stamme gehört, und die folgende Silbe ein mit einem
Konsonanten beginnendes Suffix ist. — Silben jedoch wie ce-sta^ di-sta
galten als offen.
Die Kürzung dieses langen, fallenden oder steigenden Accentes im
Gailthalerdiaickte hat ihren Grund darin, dass die Sprache nicht nur
Silben wie hit-ka^ hrui-ka als geschlossen fühlte, sondern auch solche
wie cesta, disfa, die sie ces-ta, dis-ta zu trennen begann. Ein Theil der
Dauer des Vokales wurde auf den nachfolgenden, zur selben Silbe ge-
zählten Konsonanten übertragen, so dass der Vokal kurz zu werden be-
gann, bis er heute als kurz gefühlt wird: ce-sta — ces-ta. Es ist dies
derselbe Prozess, der sich auch in der deutschen Sprache in der Ent-
wicklung vom Mittelhochdeutschen zum Neuhochdeutschen abgespielt
hat: mhd. hrähte — nhd. brachte, mhd. dähte — ix'kd.' dachte, kläfter
— Klafter, höchzit ■ — Hochzeit, höchvart — Hoffart, herlich —
herrlich: u. s. w. Vgl. Paul, Mittelhochdeutsche Grammatik s, S. 14.
Sievers, Phonetik &, S. 304, § 849.
Der gekürzte steigende Accent.
Ursprünglich steigender Accent wurde im Slovenischen zu kurzem
fallenden umgewandelt, blieb aber kurz und fallend nur in letzter Silbe
und in einsilbigen Worten. In nichtletzter Silbe aber, wenn sie als offen
gefühlt wurde, entstand daraus langer steigender Accent, unter dessen
Einfluss e und o geengt wurden vgl. Rad 132, S. 120), ebenso im Gail-
thalerdiaickte : präg präga, r, nopöri, nopora, st. präg praga ; kräa,
sl. kräva, r. Kopona, st. c. krava. In den Fällen jedoch, wo die betonte
Silbe als geschlossen gefühlt wurde, hat der Gailthalerdialekt die lange
betonte Silbe gekürzt und wir haben kurze steigende Betonung.
Substantiv. Einsilbige Maskulina in allen Kasus ausser Nora.
Sgl., wo kurzer fallender Accent erhalten ist: chit centa; sl. c'cnta ; —
flnt,fünta\ %\. funt Junta; — grlnt, grünta, ^\. grünt grünta; —
gwant, gxoänta, a\. gvä?tfa; — gcmk gänka, ü. gänka; — kramp.
216 Ivan Grafenauer,
krämpa^ sl. krämpa'. — pänk (Analogie nach den übrigen Kasus),
pänka^ s,\. pd?ikrt, mhd. bcmchart; — pmit^ pänta; ü.pänta\ — pari,
j}ärta\ sl. /Jar^a; — prrst jirsta^ s\. prsia; — prt prta\ &\. prta\ —
stomf (das m ist labiodental wie/*), stümfa\ sl. strümfa\ — üjmf
tümfa] »Tumpf«; — - trbmf^ trümfa^ »Trumpf«; — wamp wämpa; sl.
vämpa. — Mehrsilbige Maskulina in allen Kasus: äntKury^^ änt-
varha^ Handwerk, äntvarhar, mhd. antwerc\ — lürtay., Schürze, »Vor-
tnch«; hädrar Lumpensammler von hadra Fetzen; — händö Streit-
handel, »Handel«; — lähray^ der Waldtheil, der zum Bauernbesitze
gehört, wohl »Laubreche«; — mäjraf, Stadel, »Maierhof«; — pdlpaz
ein dummer roher Kerl ; — pülpay., eine Art Pech (von Tannen) ; pän-
katar^ pänkatarca^ der Vater (Mutter) eines unehelichen Kindes, von
mhd. hancliart\ — zämpr^ mit gehacktem Fleisch gefüllter Schweins-
magen, und andere, besonders Fremdwörter. Einheimische Maskulina
mit dieser Betonung sind nicht zahlreich: küsöar küs6arja\ sl. küsder,
st. guster; — li,snjak Ußnjaka^ sl. l'esnik^ st. lesnik] — Jiotdsödc von
ndtösdk^ vgl. nätan^ sl. näton\ — ^akolsödö, ein kleiner Garten vor dem
Hause; — piskr piskra^ %\.insk9r\ — r^käwösö^ sl. rokävöid] —
s?7irkJ; sl.smrkalj, st. smrkcd/, Türk Ttirka. sl. Türdk Türka, c. Tn-
rak (%i.Türak). — /-Deklination: äntvart äntvatie] »Antworte; - —
päprat päprate^ sl. präprot\ st. paprat\ — prse^ sl. p'rsi^ st. prsi.
Die grösste Anzahl von Worten mit diesem jüngeren kurzen stei-
genden Accente bietet aber die «-Deklination: cesta ceste ceste u.s.w.,
sl. cesta, st. cesta \ — cthija cünj^, sl. cwija, st. cunja; — dcöia
Mädchen, c?«?^^/a Magd, decle, dekU\ sl. dekla, st. d^xkJa^ djekla: —
gonja gonjS^ sl. gönja\ — gösca gösdl'^ sl. gösda, st. gusta\ — grinta
grmt^\ sl. grinta »Grind«; — grmoivla, grmbiole, sl. mrävlja\ — kd~
Udlca kdUdlc^ 1. Heuschrecke, 2. Fieber; sl, kohilica^ st. kobilica] —
krästa kräsfe; sl. krdsta, st. krdsta, r. Kopocxa; — fänkwada, ünter-
krain. länkei; mhd. lcmcwit\ — lästahca (das h aus labialem v wegen c)
iästabc^, sl. lästavica, st. lastavica ; — lenda lendä ; sl. leda; — mrka,
mrlw, sl. mrha, st. mrha\ — novcsta )i9vest^\ sl. nevesta^ It.nevjesta,
c.nevesta, r. HeBiexa; — pälcapälce; ü.päh'ca^ %i.pdlica. — presta
preste^ sl. presta ; — pi^ga prg^^ sl. pö'ga, st. prga, klr. nepra, r. aber
nepra; — skränja, skränj^j sl. skräfrfa; — srenda srenS^, sl. sreda:
st. sreca: — skrba,lskrbä, sl. skrba, st. skrba; — sprätija spränß.
sl. ipränja ; — wähte f. [nd wähte prite zum Kirchweihfest als Gast
[wahtiik waht7ikd\ kommen). Pletersnik kennt vähte f. pl. vähti m. pl.
Zum Accente im Gailthalerdialekte. 217
Allerheiligen ; — vidh' PI. fem., sl. vile^ st. tile^ r. bu.ili ; — vidice, sl. viJice^
ItvUica ; — woina, sl. völna, st. vüna ; — zingrada » Sinngrün « bedeutet
Preisseibeeren. So aucli 7to/ra, sl. hUra^ skorja und ähnliche. Dass
der Accent wegen der folgenden Konsonantengruppen kurz ist, sieht
man besonders deutlich dort, wo der ursprüngliche Nasalvokal im Gail-
thalerdialekte in seine Bestandtheile zerlegt worden ist. Der Vertreter
des Nasälvokals ist im Gailthalerdialekte beinahe durchwegs lang:
möka^ röka^ '^eza u. s. w., sobald wir aber statt e (a) en haben, ist der
Accent kurz: lenöa^ srenca {leöa = Unöa). Interessant für den Kon-
sonantismus des Gailthalerdialektes ist es auch, dass die Verbindung
7ij\ rj ebenso Kürze des Accentes bewirkt, es ist dies eben kein er-
weichtes w, r, sondern n -\-j\ r -\-j.
Neutra: Grdisde Flurname, sl. gradtsSe, c. g7-adls6e\ — g'^'io,
gfla\ sl. grlq^ st. grlo, r. r6p.io; — gmidUsde^ grmdl\s6a\ sl. mrav-
IJisce^ c. mravlfUce^ vgl. gmöxola. Entstanden ist diese Form wohl
durch Volksetymologie in Anlehnung an das Verbum grmaJete wim-
meln. — juiro^jütra^ adv.ziifra; sl.jütro, zjidraj\ \,{.jutro mtra; —
mäsio mäsia-, sl. mäslg^ st. mclslo; — mcstb, sl. mestg, st. mfesto\ —
pdrißlo^ &\.povreslo\ — pdvesnw^ pdvesma\ ^l.povesmo, c. povestno^ st.
pÖDjesmo] — srej'sde &rejs6a\ sl. sräjca\ — stmisöe sfrnisda; sl.
st)-msde, st. sfrniste. — Hierher gehört auch eine Anzahl von Wörtern
auf -f/Zo gegenüber südslavischem / aus tl: hdbidlo^ hdculla\ hdcidlce^
hddidlca^ üeberzug über das Kopfkissen, sl. ohlacüg^ ohla6iIce\ —
krsädio, krsädia; sl. h'esälg, b. kresadlo', — mstdvidlo^ mdtavidia:
sl. motovilg^ c. motovllo, st. motovilo, b. motovidlo ; — st9p)ädio^
stdpädia^ sl. stopälg^ c. stopalo^ st. stdpalo; — sidlo, sidia\ sl. m7o,
st. 6■^7o, b. sidlo; — sidlc^, skllca\ — zedio, zedla\ sl. zeig. — Die-
selbe Betonung müssten wir auch bei hadidio (r. KaAHJio) annehmen,
welches in den Volksliedern bei Strekelj vorkommt, das ich aber aus dem
Dialekte von Egg (Brdo) nicht belegen kann, da es hier vom Lehnworte
viaTdli^ mhd. vnrouch^ verdrängt worden ist, ebenso wohl auch bei kro-
pidlo^ das ich um Egg nicht gehört habe, das aber bei Strekelj mit kadidlo
in Verbindung (Slovenske narodne pesmil. 433) dreimal vorkommt. Das
Wort kadilo hat sich im Dialekte von Brdo nur in einem Gebetsverslein
erhalten, aber als kadiio^ nicht als kadidlo'. nSvete tri^a kräle — so
zütra zgujda stäU — so Jezasa hskäle — trinejst dni n irlnejst nöi
— so Jezdsö 6ut gfr pmcasle: — miro, kddiio., cisto ziätov.. Es ist
dies der Rest eines Volksliedes, das sich anderswo erhalten hat, und
218 Ivan Grafenauer,
zwar scheint das Lied von einer anderen Dialektgruppe ins Gailthal ge-
langt zu sein. — Dieselbe Erscheinung haben wir auch dort, wo ur-
sprünglich langer steigender Accent nicht gekürzt wurde und im Slove-
nischen (und Cakavischen) langer steigender, im Stokavischen langer
fallender Accent erscheint: möjstdr^ sl. möjstdr^ st. mäJstor\ —
grbzdje^ sl. grozdj'e, st. grozcte ; — listje^ sl. listje^ st. lisce^ c. lisce ;
— qlje^ sl. ölje^ \i.ülje\ — 2;t'/;e, sl. z'elje^ st. zelje. Einige haben aber
auch kurz fallenden Accent: trnje^ sl. trnje^ st. trnje u. einige andere.
Adjektiva. In allen Kasus ausser Xom. Sgl. Mask. : 6'^ht^ öista,
disto U.S.W., sl. Slst 6ista Sistg, st. d^'ist ölsta. — In der letzten Silbe
ist ein Halbvokal: nizdh, niska, nisko u. s. w., sl. nizdk^ nizJca, nizko^
st. mzak\ — öz3k^ öska, osko, sl. gzdk, gzka, özkg\ st. uzak. — Bei
der Mehrzahl der so gebildeten Adjektiva ist aber auch im Nom. Sgl.
Mask. der kurze steigende Accent durchgedrungen in Anlehnung an die
übrigen Formen und Kasus, und wir haben durchwegs kurzen steigen-
den Accent: gVdddk gVddka glhdko^ sl. gläddk glädka glädkg\ st.
gladak [a zu Halbvokal geworden wegen l)\ — glinddk aus dem Deut-
schen, indeklinabel; — limojtn^ hmojtna, hmojtno^ mhd. gemeit\ —
jäsn^ jäsna^ Jäsno\ sl. jäsdn^ jäsna^ jäsng\ st. jäsan\ — srentn^
srencna., sren6no\ sl. sriicdn^ sreöna, sre6ng\ st. srefan', — mli^dii,
mliydna, mli^dnö; sl. mleddfi, mleS?ia, mUöng: — fff'hSHj grijsna.
grijno; sl. gres97i, gresna^ gresng\ st. grjesan^ grljesan^ und andere
ähnliche. Adjektiva mit den Suffixen -ji^ -ski^ -ov {-ev), -ast, welche
ursprünglich steigenden Accent in nichtletzter Silbe hatten, haben im
Gailthal er dialekte um Brdo kurzen steigenden Accent in allen Formen
und Kasus, falls dem betonten Vokale mehrere Konsonanten folgen:
kojnsöe^ köjnska^ kojnsko] sl. kgnjski^ kgnjska^ kgnjskg\ st.kd7ijski:
— crcsuöw^ dresnaa^ 6resnd^o\ sl. öresnjev^ drehy'eva^ öresnjevh ;
st. tresnjev\ — kü,zjc^ kiigzja^ k'ii3ZJo\ sl. kgzji^ kgzj'a, kgzje\ st.
kozjl, r. kogIü; — krempast^ krempasta, krempasto von krcmpate,
hinken; — P^sje^ P^sj<i, pesjo\ sl. päsji., pö,sja^ pö,sje\ st. pdsj'l^ r.
neciil; — sdtenje^ sl. slovenski\ tiimpast, tümpasta, tümpasto\ —
^'owdj'e, V.oic6Ja^ "owdj'o; sl. gvdj'i, aber st. btijt. —
Zahlwörter, welche hierher gehören, sind: dvcjste^ sLdväj'set;
— f7']ste = sl. fridesef, gebildet analog nach dvefste] — sirte^ sl. detrti,
st. detvrti, r. ^leTBepTLiil ; — sesie, sl. scsti; — sedme^ sklmi\ — osme.
sl. gsmi. — Vom Pronomen: täksn^ käksn, sl. tdks9f7, kdks9n. Ad-
verbia : doisan herunter, dblta hinunter, grsan herauf, grta hinauf.
Zum Accente im Gailthalerdialekte. 219
aus ^oy seni^ gor ija\ movka nachhause; sönJca heraus, tdnka hinaus,
soDiie herausen, tf}v7ie draussen ; zwrha [züarlia] oben. —
Verbum. Die Verba der ersten Klasse: {^\.) Jesti^ sedi, sesti,
vredi haben im Gailthalerdialekte um Brdo aus langem Accente ge-
kürzten steigenden Acccnt im Infinitiv und im Part. Perf. auf -/, -^a, -/o
ausser im Sgl. Mask.: J'^^te^ jedlo^ jedl'b\ sl.j'esii^ j'edia, jedlo\ st.
jesti,jela\ — sejöe^ seJda^ seklo\ sl. seöi, sekla^ seklg\ st, sjeci, sje-
kla\ — seste, sedia^ sedio; sl. sestt\ sedia, sedig ; st. sj'estt, sj'ela;
— tcrde, icrgla^ icrglo] sl. vre&i^ vrgla^ ®^V^?j ^*' '^^'c'/, vrgla. —
Diese Verba haben also den Stammvokal e (f), und nur diese werden
gekürzt, während ursprünglich ganz gleich betonte Verba mit anderem
Stammvokal den langen Accent bewahren trotz der auf den betonten
Vokal folgenden Konsonanteugruppe : kräste^ krädla, sl. krautig krädla :
st. krasti\ krdia ; — päsfe, pädia ; griste^ grizla ; stride^ strigla u. s. w.
Von der II. Verbalklasse betonen Verba mit ursprünglich kurzem
Vokal oder Halbvokal im Thema die Stammsilbe mit gekürztem Accente
durch das ganze Präsens, der Infinitiv betont das ^ des Infinitivsuffixes :
pr-pdgnite^ prpbgnan^ prpognas, prpqgnü u.s. w., sl. Valj. pripögnem^
pTipogniti, Flei. ^) pögnifi, pn'pggnem^ iit. pdgnem; — pr-mdknlti^ pr-
meknan ; sl. pre-mdknitii pre-mäknem ; st. mäknuti^ maknem ; —
^'^^dgnlte^ ögnan\ sl. ognitl^ ggnem\ st. ognem\ — pahnite^ pehnan\
ü. p9Jmiti^ pälinem\ h. pa/i?ie}7i', — sd/mUe\ seJma7i\ sl. S9ntii, säh-
?iem; st. sa!inem\ — spd-tdknUe^ spd-tekna7i\ sl. spo-tdkniti^ spo-
täknem ; st. taknem ; — zdshnUe^ zdeJman ; sl. vzddhniti^ vzdähnetn ;
st. daluiem. — Im Infinitiv, Imperativ und im Part. Perf. smf -i, -ia, -io
zeigen gekürzten steigenden Accent: zignte, zigne, zignö, zigtfia.
ztgiv'lo^ sl. vzdigniti^ vzdigni^ vzdignii] st. dtgnuti, dlgni^ dtgmio:
— zmrzfite, zmrzne, zmrztw, zmrzniti, zmrznij zmrznil', st. smrznuti^
smrz7ii^ srrirznuo ; — plüs7iU, plüs7ie^ plüs7iö^ sl. pljüs7iiti^ pJji'iS7ii,
pljüs7iil\ h,. pljus7iuii\ — prä-mte^ präs7ie, p7-äs7iö ; %\. ■p7'äs7iiH, präsni,
prdsiiii', lt. p7^äs7iuti; — prdTite, jJvdne, pt^dtiö; sl. p7'rl7iitZj prd7ii,
pfdnii\ 6i. prd7iuti\ — söipiite^ scipne^ s6ip7i6\ vs6ip7iiti^ ■vs6ip7ii^
vsdip7iil\ st. sßp7mti', — sk7-}p7ite, sk7']p7ie, skiupnd\ sl. sk7'ip7iiti^
skrip7ii, skripnil', lt. sk7'muti; — st\s7ite^ stis7ie, süs7iö; s\. sits-
Tiiti, stis7ii, stiSTiii; st. stls7iuti\ — vkhite, vedTie, vednö\ sl. ved-
1) In solchen Fällen hat Pletersnik die zurückgezogene, jüngere Be-
tonung, während Valjavec die ursprünglichere, ältere Betonung bevorzugt.
Ich richte mich hier nach Valjavec. Vgl. Ead B. 132, S. 144.
220 Ivan Grafenaucr, .
niti, vqdni^ vedmi\ st. venuti; — sSisnte, sdistie, s6isnö\ sl. kisniti,
kisni, kisnii\ st. Uhnuti. — So auch: ömrkute^ jemanden heftig auf
den Boden werfen [yicmrka)^ dregnte^ pd-6ednti^ fimfnte einen Stoss
versetzen, mläsnte^ mignte^ zibnte =^ zginiti^ zehnte^ zmeknte =
6m)-knte u. s. w. Im Präsens haben diese Verba kurzen fallenden Accent.
Interessant ist die Infinitiv- und Präsensbetonung bei einigen Verben
dieser Klasse, welche im Infinitiv ursprünglich das i des Suffixes be-
tonten, deren Stammvokal aber lang war. In diesem Falle geht nämlich
im Gailthalerdialekte der Accent vom ursprünglich betonten Suffix auf
die vorhergehende lange Silbe über, so auch in der IV. und V. Verbal-
klasse: kddUe, ndsite ■ — ■ dräzte, ciepHe\ mdtäte^ kdpäU — söipate^
skäkate. — Die Präsensbetonung dieser Verba wäre wegen des stok. "
im Sloveuischen ' (vgl. Rad 132, S. 160), das auch Valjavec verzeich-
net, im Gailthalerdialekte von Egg haben wir aber kurzen fallenden
Accent. Es hat also Analogie nach der Gruppe zmrztite^ zmrznan u.s.w.
durchgegriffen: spläknte^ spiäknan; sl. splakniti (Valjavec), splähiiti
(Pletersnik); spläknem (Valj.), spläknem (Pletersnik), st. splakniti,
spldknem\ — st('gnte,stegna7i\ seknte^seknan. Aber: lürnUe^ivrnan,
sl. vrniti, vrnem. Die Verhältnisse sind bei spiäknU ursprünglich die-
selben wie bei icrnite. Die verschiedene Behandlung rührt daher, dass
r schon sehr früh als kurze Silbe gefühlt werden mnsste, daher die
Anlehnung an die Gruppe makmte, meknan und nicht an die Gruppe
zmrznte, zmrznan.
Dieselbe gekürzte Betonung wie zmrznte u. s. w. haben von der
vierten Verbalklasse: sölstaie {sdutn, s6tstds^ sd'iste], sdiste, sdistö;
s\. izSistiti, izöisti, izöistil] st. dtstiti, dlsti^ dlstio] — '^^9-prtdte,
'"^aprte^ ^"dprfö; sl. o-prtiti, oprti, oprtii\ h. prtiti: — jezd9te,je-
zdöy sl.j'ezditi. — Im Präsens hat kurzen steigenden Accent: pdstUe
se, pbstn se^ pöstds^ poste u. s. w., sl. posiiti, pqstim aber st. pöstim.
V. Verbalklasse. Der Infinitiv ist ursprünglich auf dem Suffixe
betont, das Präsenssuffix ist -jem [-Jan) : dri^mate, di^mlan^ dri^mlas,
drlsmU u. s. w., sl. dremäU., dremlj'em^ st. drijemati, drljemJjem\ —
joskäte,jds6an\ &\.iskäti, is6em\ 'utiskati, Istem; — klpäie, kleplan;
sl. klepäti, kl'epljem.\ st. kUpati^ klepljem; — &räte^ serJan, ü.sräte,
serjem\ st. serem\ — skripate^ skr) plan; sl. skripäti, skripljem; st.
skrlpljem ; — söipate^ s6\plan, sl. sSipdti, sHpljem ; st. süpljem. Auch
im Infinitiv haben gekürzten Accent: henjate, henjati, lienjas u. s. w.,
'^. j'enjam.. Vi. jenjäm; — püiöate, piisöam., sl. püsdam^ st. püstätn ;
Zum Accente im Gailthalerdialckte. 221
— mi^njaU^ m\}njan\ sl. mcham^ st. mijevjän. Imperativ und Part.
Perf. auf -/, -la^ -lo dieser Verba: hcrijej\ henjöl\ 2iüs6ej\ pmdeßd^
pusd(Jl\ mijnjej^ nti^njöl'^ d\irjaU^ (Dgrjan, (l/igrjej\ di^rjol rennen. So
auch die im Präsens nicbfjotirten Verba: dürhate durchgelien, laufen;
fentaU pfänden, ßedraU aus dem Dienste entlaufen, ßobxite flattern,
Jiäwlate bellen; lömhate läuten, türdate zusammenstossen, ein Spiel
mit den Ostereiern, und andere. Im Präsens fallenden Accent hat:
irgatcj sl. trgati, st. i/rgati] — it'9y\ t''9'^i-i sl. trgaj\ trgal\ Präs. aber :
trgan, irgas, trga u. s.w., sl. trgam. Von der VI. Klasse hat in allen
Formen gekürzten steigenden Accent auf der ersten Silbe: pestowate,
sl. pestoväti, pestovaii. Präs. pestdwati, pcstawas u. s.w. Imp. peatd-
icej\ Part. Pf. II. pe&tdwöl^ Part. Pf. Pass. pesidwan^ Sup. pestdwat.
Denselben Prozess, den wir bei ursprünglich steigendem Accente
auf derselben Silbe im Gailthalerdialekte beobachtet haben, sehen wir
auch, falls der Accent von der darauffolgenden Silbe auf einen ur-
sprünglich langen Vokal zurückgezogen wurde. Gewöhnlich haben wir
im Gailthalerdialekte denselben langen steigenden Accent, der auch
sonst im Slovenischen in diesem Falle eintritt: hräda., sl. bräda, r. 60-
poAa; — düsa, sl. düsa, r. Ayiuä; — sriadci^ sl. sreda^ r. cepeAa; —
zinia^ si.zima^ r. 3HMa; — greda^ %\.greda^ r. rpaAa; — möJca, ^X.möka^
r.MjKa. Vgl. Rad 132,S. 183 ff. Kurzer steigender Accent aber erscheint
unter denselben Bedingungen, wie in der eben besprochenen Gruppe.
Mit dem Zurückziehen des Accentes ist im Gailthalerdialekte auch
eine Erscheinung verbunden, welche als Doppelaccent bezeichnet wird.
Diesen hat für den Gailthalerdialekt schon V. Oblak konstatirt, vgl.
Arclüv B. XVIII, S. 257 ^). Der Doppelaccent im Gailthalerdialekte
stimmt in zweisilbigen Worten und in Worten, welche die vorletzte
Silbe betonen, lautlich mit der Definition übereiu, welche Prof. Resetar
im § 3 seiner Schrift »Die serbokroatische Betonung südwestlicher Dia-
lekte« feststellte, die erste Silbe ist stärker, die zweite, ursprünglich
betonte, höher betont. Diese Erscheinung, welche einUebergangsstadium
von der ursprünglichen zur jüngeren Betonungsweise ist, kann aber im
Gailthalerdialekte nicht mehr als üebergangsform betrachtet werden,
denn sie ist keineswegs nur auf Worte mit ursprünglicher Endbetonung
1) Oblak ist dort ein Versehen unterlaufen; er gibt als Beispiel für den
Doppelaccent im Gailthale unter anderem auch giiddamö {gl§d). Es ist dies
wohl eine Kontamination zweier Formen: gth. gödam'ö [gqd) und jaunth. gtq-
damo, gth. gledamo [glfid], das aber fallend betont ist.
222 Ivan Grafenauer,
beschränkt, sondern hat weitere Kreise gezogen. Ursprünglich auf
Fälle beschränkt wie röka, bräda^ wo der Doppelaccent auf lautlichem
Wege entstanden ist, ist er auch auf die übrigen Fälle des steigenden
Accentes ausgedehnt worden: z. B. bäha, st. baha^ Mäce^ st. Made.
verUj st. vj'era^ süsä, st. susa u. s.w., wo er nicht lautlich erklärt wer-
den kann, sondern durch eine Inklination des Sprachgefühles, weiches
dieser Form des steigenden Accentes, sie analog verallgemeinernd, den
Vorzug gab. So ist heute der Doppelaccent die einzige Form des stei-
genden Accentes im Gailthale, nur dass die Exspiration des Neben-
accentes beim kurzen Accente schwächer ist als bei langem. Aehnlich
ist es auch in mehrsilbigen Wörtern, bei denen der Hauptaccent auf
einer Silbe vor der vorletzten Silbe ruht. Bei diesen Wörtern trägt
immer die zweite, dem (steigenden) Hauptaccente folgende Silbe einen
schwächeren aber höheren, kurz fallenden Accent : zmr/rada, vevarcä
{veverica), läkatnca [la/cotnica]^ sMkate, pestdicclte u. s. w. Wegen
der Regelmässigkeit dieser Erscheinung bezeichne ich den Neben-
accent nicht.
Gekürzter, von der folgenden Silbe zurückgezogener, steigender
Accent :
Substantiv. Maskulina. Es sind dies meist Wörter, weichein
der letzten Silbe einen Halbvokal haben, die aber theilweise wie ein-
silbige Wörter gesprochen werden: cvinc^ cv)nca, sl. svinac, svmca\ r.
CBHnei];'i>; — kiänc^ Mänca\ sl. Mändc^ st. klänac, c. Tdänac\ —
KräJnCj Kräjnca^ sl. Kränjdc^ st. Kränjac^ c. Ki'änjac\ — s)rh,
s\rka\ shstrdk, IX.sijerak, c. siruk\ — rä7ik, ränka [virani)'^ vgl. sl. vrä-
nec^ st. vränac, c. vränac; krücl Eiszapfen, sl. krcelj\ räskiad Acktx-
beet, Pletersnik hat nach Jarnik räsklad\ sl. rttzklad. Feminina der
a-Dekliuation : bi^äzda, bräzde u.s.y^., sl.brdzda, ht.bräzda^ c.bräzda,
Y. öoposAa; — p}zda, s\. jnzdo, c. plzdä', — itzda, sl. lizda, st. zizda,
r. ysAa, aber c. uzda] — zvi^zda, sl. zvezda, st. zvijezda, c. zvezda,
r. 3Bi3/i;ii; kl),sö6, sl. klesde, st. klijcste^ r. KMemii; — slotcza^ sl.
solza, c. suzä. Dazu kann auch das schon oben aufgezählte slhzba hin-
zugezählt Averden.
Neutra: äpno, äpna u.s. w., sl. väpng, st. väptio, c.j'äpno, klr.
Baniio, r. aber Banuo; — gni^zdo, sl. gnezdo, st. gnijezdo, c. gtiezdo^
X. TYAijifi; — V^two^ sl. dleto^ st. dlijeto^ c. dleto, r. ao-ioto; — tisf/S,
sl. Ustje, st. lisce, c. Itsöe; — k7'uUÖ, sl. krilg, st. krilo, c. krllo, r.
KpHJio; — trüpio, sl. trüphj c. tniplo) — üst^, sl. üsta, st. i'ista^ r.
Zum Accente im Gailthalerdialekte. 223
ycTci ; — pvu fj'r, sl. vpifje ; zgänjo^ sl. zganje. Dazu können noch gezählt
werden die schon oben erwähnten Neutra: 7)idsHco, sshiö, zhnstico.
Adjektiva: gost^ gösta, gösto, s\. gost, ggsta, gosto', st.güst,
güsta; r. rycTi, rycTa, rycTo: — pusf, püsta, püsto, 9\. püst,
jjHsta, st. püst^ püsta^ r. nycTi, nycTa, nycTO. — du^zn^ dti^zna,
dü^zno^ sl. döizdn, c. duzan; ■ — gi'hsn, grtjtia, gfi^sno] sl. grehn^
('. gresan\ — möin, mbtna^ sl. m()t9n^ c. mütun\ — /p/i^ö, pVdwa\ —
r))d9k, rijdka^ sl. reddk, redka\ c. rcdak\ ^V^f/;?, ^"iUjdna\ sl.v7'ed9n,
vredna, c. vredä/i, und andere ähnliche.
Pronomina: nehte^ sl. ?iekdn', nejkc^ sl. nehje.
Vevbum. Bei der ersten Verbalklasse sind die Betonungsverhält-
nisse nicht bei allen Formen gleich. Der Infinitiv hat gewöhnlich, falls
die Stammsilbe den Ton trägt, trotz der folgenden Konsonantengruppen
langen steigenden Accent: meste^ sl. mesti^ st. mesti, r. mhctii; —
räste^ sl. rästi, r, pocxii; — zebste, sl. zebsti, r. 3h6cth; — ireste^ sl.
(rcsti, r. TpHCTii. Ausgenommen sind nur die Verba mit en für
e (a): n9pren6e^ sl. na-preH^ klr. npHiii, und dasenöe^ sl. do-seci^ r.
AOCH^H. Dagegen im Präsens : nicht nur pr-senzan^ pr-senzas u. s. w.,
sl. prisezem\ ndprenzan^ sl. naprezem^ r. sanpaaceuit; Unzan^ sl. /(?-
zem^ sondern auch rästan^ sl. rästem^ r. pocTemB. So auch im Impe-
rativ: -prhnze^ sl. -pr'ezi^ -senze^ sl. S(?i?*, raste, sl. ms^/, r. pocTii. Im
Part. Pf. auf -/«, -^ sind die Verhältnisse wieder dieselben wie beim
Infinitiv: räsia^ räsio u. s. w., sl. räsla, räslo, r. poexjia, pocxjro; —
media, medio\ stri^gla, stri^glo u. s.w. Aber: -prengla, sl. -pr'egla,
X. Hanpfltrjiä; sengia, lengia.
Bei den übrigen Klassen sind die Verhältnisse einfacher, kurzer
Accent tritt ein vor mehreren Konsonanten. Im Infinitiv: spiäknte, sl.
splakniti, st. splähttUi] mahnte, sl. mähniti, st. mähnuti; stegnte,
sl. stegniti, seknte, sl. sekniti u. s. w. ; — räwnate, sl. ravnäti, st. rar-
?^ö^^ U.S. w. Präsens: rävman, rawnas, rävna u.s. w. Die hierherge-
hörigen Verba der II. Klasse aber maJinatixi.i.v:. — Imperativ: mahne,
sl. mähni, r. MaxHii; spiäkne, sl. spläkni; sekne, sl. vs'ekni; von wrnite,
sl. vrniti, icrne, sl. ?'/•«?, r. sepHii. — Weiter: raxcnej; skMle von 5^-«-
knte, skäclan u. s. w. Part. Perf. auf -/, -la, lo: mahnö, mähti'la,
mähn^lo, sl. mähnil, mahnxla, mahnilo. spläknö u. s. w., sl. splä-
knil; u. s. w.
In jenen Wörtern, wo ursprtinglich fallender Accent auf nichtletzter
Silbe ruhte, trat dieser im Slovenischen von dieser auf die folgende Silbe
224 lyan Grafenauer,
des Wortes über, welche gedehnt wurde, falls sie kurz war, und wir
haben langen fallenden Accent auf der folgenden Silbe. Vgl. Rad 132,
S. 191 ff. Das Stokavische hat den ursprünglichen fallenden Accent,
nur dass die folgende Silbe, falls sie geschlossen war, gedehnt wurde :
sl. (^ospgd, kokgSj gorq^ lt. gdspöd, kokös^ goru. Im Gailthalerdialekte
haben wir aber meist langen steigenden Accent auf der Silbe, auf der
ursprünglich der Accent war: kokds^ öko, sl. okg u. s. w. Es hat auch
die Analogiebildung insbesondere in der a-Deklination diese spezifisch
slovenische Betonung stark verwischt, ebenso bei der Deklination der
einsilbigen ■b/o-Stämme, wo der Nominativ Sgl. auf die übrigen Kasus
einwirkte, so: 7nüi>st, mösfa und tnüiSta. Die Regel ist hier doch immer-
hin der steigende Accent.
In jenen Wörtern mit dieser Betonung, deren Stamm auf mehrere
Konsonanten endigt, erwarten wir im Gailthalerdialekte in den mehr-
silbigen Formen kurzen steigenden Accent, doch ist dies bei den (im
Nom. Sgl.) einsilbigen Wörtern nicht immer der Fall, z, B. mäst^ mäste,
sl, mäst, masti, st. mästi', — 7nüfSf, mösta neben mü^sta, sl. mf)st,
mostü, st. mosta. Kurz sind : pest, peste, sl. pesf, pesti, st. pesti und
Substantiva mit r im Stamme: brv, brve, sl. bfo, brvi, r. öposn; —
kriy Irve, sl. h^vi, r. KpÖBH u. s. w. Die Neutra der Adjektiva posf,
ffdsto, sl. ffosto, r. rycTO ; pilsto, sl. pustu, r. nycxo habe ich schon
oben kurz angeführt, es ist dies Analogie wohl nach dem Femininum,
das ursprünglich endbetont war. So auch grdo, sl. (/rdg, r. r6p;i;o,
frdÖ, sl. trdoj r. TBep;i,o. Hier mag ich auch erwähnen, dass im Gthd.
das Adv. nicht gleich ist dem Nom. Sgl. Neutr. des betreffenden Ad-
jektivs, das Adjektiv hat im Neutr. Sg. die Endung o, das Adverbium
ö, die Betonung ist dieselbe.
Bei mehrsilbigen Substantiven ist die Betonung regelmässiger, lang
bei einfacher Konsonanz : kökds-kokgs, pöma6-pomq6, kurz vor meh-
reren darauffolgenden Konsonanten: öblak, oblaka u. s. w., sl. oblak,
ohlaka, st. obläk, resiad. bblak (fallend?), r. oöjiaKt; — obrand, sl.
obrgö, st. obrUd, r. ööpyut, bulg. ööpi.Ti'L; — öinlada die Zeit, da
der Mond aufnimmt (vom Neumond bis Vollmond) ; östara die Zeit vom
Vollmond bis Neumond; — mqzyane, sl. mozgani, st. mozdäni; —
podlaka, sl. podl?)ka ; — preklade Pluraletant fem. Gen. ; Pletersnik
betont es prckladi und stellt es unter das Schlagwort pi'eklad. Er
hätte es besser unter prekliida stellen sollen, das etwas Darübergelegtes,
speciell auch die Dachstuhlfette bezeichnet, was mit der Bedeutung
Zum Accente im Gailthalerdialekte. 225
von prekiade Tenndecke stimmt. Der Akkusativ ist auch preklade'.
rds preklade Je pädö^ vgl. auch Kres III. 474. Gen. lautet aber pre-
kladöw, also nach der ö/o-Deklination. Ebenso: pograde Pluraletant.
fem., Schlafstelle über dem Ofen; — otracc Pluraletant. fem.; Ple-
tersnik kennt otrohi und otrova^ was wohl ein und dasselbe Wort
ist. Es ist ein alter Plur. auf -y und ist theils zur ^-, theils zur o-De-
klination übergegangen. Im Gailthalerdialekte lautet der Gen. ''^dtrvi,
also nach der «-Deklination ; — drozj^^ sl. drozj?; u. s. w. Ganz ähn-
lich verhält es sich mit den Wörtern auf -äva: döbraa^ sl. dobräva;
mznjaa^ &\.mzäva; vwnjaa, sl. visäva] HrnjaUj sl. sirjava\ bliznj'aa^
sl. blizava] delnjaa^ sl. daljäva. So auch pöxoadn^ i\. poviodenj\ st.
pövodanj.
Der gekürzte fallende Accent.
Er ist gekürzt worden aus slovenischem langen fallenden Accente
meist in jenen Fällen, wo dieser aus ursprünglich steigendem Accente
entstanden ist, und zwar unter denselben Bedingungen, wie der ge-
kürzte steigende Accent.
Feminina mit einem Suffixe, das mit einem Konsonanten beginnt
und an den mit einem Konsonanten schliessenden Stamm angefügt wird.
Die Beispiele sind der Mehrzahl nach Feminina: lergia^ VergU, sl.
berglja] — britwa, britlca^ sl. britoa, st. brifva; — caganka^ sl. ci-
ganka\ — 6l,kla^ sl. kikla Kittel; — clkla Thiername; — godla, sl.
godlja; — hruska, sl. hrüska^ st. kruska\ — kasta^ sl. kasta\ —
kl etwa, sl. kletva\ — idznlwka, sl. ldzmvka\ — maöka, sl. maöka,
st. ma6ka\ — ndthka, sl. oüska\ — parnS (Plur.), %\. pdrna\ —
pj'anka, &\. pijä7ika\ — pUmnÖQca, ^\. plamnka, planmdica] — pd-
setwa, sl.posetva; — rania, al.ränia', — regia, sl. reglja; — rejta, sl.
rajta; — rogia, al.rogla; — signca, 'sX.senca, h..sjenica\ — sprikla,
sl. sprikJja ; — zvizgla, sl. zvizglja u. s. w. Hierher gehört auch das
Neutrum sonce, sl. soince, ferner die neutralen KoUektiva und Abstrakta
auf -Je, die Neutra auf -stcg und die Verbalsubstantiva von Verben der
3., 4. und 6. Klasse, gebildet vom Part. Perf. Passivi : BriiZjS, sl.
Brezje, Wallfahrtsort in Oberkrain; grmqxoj^, sl. grmq'oj^; Inje, sl.
ivje; piarj^, i\. perje; smigtje, sl. swe^'e und smetje; smori^öj^, sl.
smredje; snirrinj'^,i[.smrlmjc' woUJi aus lobUa, %\.JeUJe aus Jeiia;
zgiüwjä, sl.pod-zgldvje ; zdräwje, ül. zdrävje ; zrnje, sl. zrnje u. s. w. —
bdgastwo, sl.bogästvg; pjanstwo, a].pijänstvg; pastMwo, il.po/nstvg;
Archiv für slavische Philologie. XXTII. 15
226 Iv^ii Grafenauer,
zrianstwo »Bekanntschaft«, sl. znanstvo u. s. w. — 6dsanj^^ '^.6esanje\
klöanje^ sl. kle6änje\ Uzanj^^ sl. lezanje\ k9pwanj6, sl. kupovänJe\
zd-pdftsnji^ ■A.potcnje [zdpdtlßijii bedeutet »Arznei«); znanj^^ sl.
znänje und viele andere.
Bei den männlichen Substantiven der */o-Deklination tritt im Slo-
venischen fallender Accent auch im Nominativ Sgl. auf bei den Suffixen
-9c, -dk. Dieses Suffix hat ausser im Nominativ-Akkusativ Sgl. konso-
nantischen Anfang, daher fallender Accent zuerst in den obliquen Kasus,
analog auch im Nom.Akk.Sgl. Im Gailthalerdialekte haben wir, da der
Halbvokal auch in den obliquen Kasus nicht oder wenigstens nicht
spurlos schwindet, langen fallenden Accent, wofern nicht die vorher-
gehende betonte Silbe mit mehreren Konsonanten scliliesst: j'azhdc^
Jiizbdca^ s\. jäzb9c, it. j'azavac, doch: /ili^bdc, hlijjsca, sl. /ilebdc;
brt,mac, 5r?jW9C(7, sl. bremac ; zlü^mdk^ zlü^m^ka, sl. zlomek, u. s. w.
Kurz betont sind: paic, päica, s\. pähc, pälca, lt. palac; — kälc,
kaha; sl. tkaifdc, tkalca\ st. fkalac. — Tritt aber zu dem ersten
Suffixe in den Wörtern mit langer Betonung noch ein zweites hinzu,
wodurch der Halbvokal des ersten Suffixes schwindet, so haben wir
kurzen fallenden Accent: Jdt,bdc: hTiabödd] — brt,m9c: bri^mdad; —
klindc'. kT%ncd6\ krajdc: krajdd6\ petelindc: pdldVlnödö., vim9c, vi-
maca : virndad, u. s. w. Kurze Betonung haben auch ctlntrar, mr/iar
und ähnliche, dagegen hribar, glazar u. s. w.
Bei den Adjektiven haben wir im Gailthalerdialekte kurzen fallen-
den Accent in Bildungen mit dem Suffixe -j'i {-{/'), das ursprünglich wohl
lang steigend betont war, {/'aus tjt, was im Slovenischen in der vor-
hergehenden Silbe langen fallenden Accent bewirkte (vgl. Rad 1 32, S. 1 54),
und in der unbestimmten Form im Gailthalerdialekte gekürzten stei-
genden Accent haben: babj'e, sl. babji\ kadje, sl. kä6Ji\ krawji!, sl.
krävj'i] kurje., sl. kürji\ mUje., sl. misj'i; rlbje, sl. ribji; fl^Je., sl.
'pti6ji\ hsidje, sl. Usiöji u. s. w. — Ö'^iste., dlsfa, ölsto^ sl. 6isti\ —
crne, örna^ 6rno, sl. 6rni\ — gosU, gosta\ grde., grda\ iasde, iahka;
madlSy madia; mdtne, mbtna:, nisde, niska] osde^ oska; ptitve^
prUwa] sll^^Se, sü^dka, u. s. w.
Pronomina: fiste, ßsta, fisto durch alle Formen, sl. üsti.
Numeralia: petnejst.^ sl. petnajst\ s'i^stnejsf, sestnajst\ petred^
^ijstredj fünfzig, sechzig; täwzni, tausend; jyrve, sl. pfvi\ dicqjne,
trojne^ sl. dvojni, trgjni. Adverbia: tuka, &\.tükaj\ tukaU, sl. tü-
kajle\ tanU^ sl. tämU\ znd^, anderswo; — pttjle, poslej) pgtlej',jliträ,
Zum Accente im Gailthalerdialekte. 227
sl.JütrL Präposition: zUfpa?'^ ä\. zojydr. Konjunktionen: Ää/tar,
k9ddr, sl. käkor, kddSr.
Verbum. Von der I. Klasse haben kurzen fallenden Accent:
wrzan^ sl.vrzem, ivrzas, vrzi'u.B.w.j wrffö, i[.vrgal\ tcrzan^ %\.vrzen.
Ferner das Part. Perf. auf -/ und das Part. Perf. Pass. von : Unzan^ sl.
lezem: Tengo^ sl. Icgdl^ st. Vegao] lenzan, sl. tqzen] — prende, sl.
prqdi. prengö^ ü. pregal; st. näpregao; — prenzan^ sl.prezen; —
-sende, sl. -sedi: sengöj sl. segdl, st. dosegao] z9prsenzan, sl. zapri-
sezen] zräste, sl. zrästi: zrasöati, sl. zräsöen. II. Verbalklasse: Im
Präsens Singular durch Analogie auch Dual und Plural und im Part.
Perf. Pass. auf -en haben kurzen fallenden Accent (über den fallenden
Accent im Slovenischen in diesen Fällen vgl. Rad 132, S. 155 ff.):
zignte^i sl. vzdigniti: ztgnan, zignas, zlgn^', u. s. w., sl. vzdigneni:
ztgnjan, sl. vzdlgnjen\ — znirznte, sl. zmrztiiti: zmrznan, sl.
zmrznem, h. zmrztietn; z?nrzt7jan, sl.zmfznj'en', — plüsnte: plüsnan.,
sl. plüs?iem; — präsnte: prasnan, s\. präs?ietn, st. prasnem ; praspj'an,
sl. prasnj'en; — prdnte: prdnan, i\. prdnem, htjjrdnetn; —^ sSipnte:
äö^ipnan, ü. i6ipnem\ prs6\pnjan, %\.pres6ipnjen\ — sknpnte: skrip-
nan, sl. skripnem; skripnjan, sl. skripnjen\ — süsnte: sfisnan, sl.
silsnem, st. sfisnem ; sßsnjmt, sl. süsttjen ; — vedfite: vednati, sl. ved-
nem, st. venem; vednjan, sl. vednjen\ — s6\snte: sd^isnan, sl. skis-
nem, st. Msnem\ sdls7ijan, sl. sk%snjen\ — so auch: pdkleknte, sl.po-
kl'ekniti: pdkTeknan\ — prmbknte.^ %\.premökniti'. prnioknan; ebenso
dmyknte^dregjite, padednte, finfnte, mläsnte, mignte, z\hnt'ef zmeknte
U.S.W. Von der IV. Verbalklasse haben diese Betonung das Präsens der
Verba: jezddte: fi^zdn, fijzdos u. s. w., s\. jezdim] — grezddte s^'.
gri^zde sS me es ekelt mich; Pletersnik; hat nach Janezic groziti, grozi
se mi, nach Erjavec aus Dreznica pod Krnom greziti se: grezi se mi\
vgl. r. rpesHTtcfl. Von der V. Verbalklasse haben einige diese Betonung in
allen Formen : nQgävjate, sl. nagänjatij Sup. ndganjat\ Präs. ndganjan^
ndga7ijas,ndganja^ ^. ganjam\ lmp.?idga?2jej\ ndgattjej'ica, naganjejmöj
ndganjejle, sl. naganjaj\ Part. Perf. auf -/: ndglhy'öl^ sl. naganjal;
prgänjan, sl. pregänjan; — hrncate werfen etwas, dass es schwirrt:
drnkate schnurren (von der Katze); Vmgate baumeln; menkate, sl.
manjkati\ 7i9sianjate.i sl. vaslanjati, pumrate laut klopfen (an der
Thüre); rancate ein Spiel auf der rdncala] das ist ein etwa drei Meter
langes Brett, das in der Mitte auf einer Seite eine Höhlung besitzt, dass
es auf einen massig hohen Pfahl aufgesetzt werden kann. Die beiden
15*
228 Ivan Grafenauer, Zum Accente im Gailthalerdialekte.
Spielenden setzen sich auf je ein Ende des Brettes und drehen sich auf
dem Brette im Kreise um den Pfahl, auf dem das Brett in der Mitte
ruht. — rinkate, zdpisnjate, sl. zapenjati. Zu erwähnen sind dann noch
die Verbindungen des ne mit den Verben hom und 6em : rieJÖn^ nejdes
u. s. w. ich will nicht; tieghn, nejbds u. s. w. ich werde nicht.
Wenn wir das Resultat dieser Ausführungen zusammenfassen, so
sehen wir, dass der Gailthalerdialekt in Bezug auf den kurzen Accent
einerseits den älteren Zustand des Slovenischen bewahrt hat, dort wo
der Accent von der ursprünglich betonten Silbe auf eine vorhergehende
kurze Silbe (insbesondere bei e und 6) zurückgezogen wurde, — langen
steigenden Accent hat in diesen Fällen nur die Vordernberger Mundart
bei offenem einfachen e und o, — anderseits aber in der Lautentwick-
lung dem Slovenischen vorausgeeilt ist, indem er die Kürzung geschlos-
sener Silben beinahe ganz konsequent durchgeführt hat. Dies liegt
zwar schon in der allgemeinen Entwicklung der Sprachen, doch kann
die Nähe des deutschen Sprachgebietes und die Einflussnahme der deut-
schen Sprache den ersten Anstoss zu dieser Entwicklungsrichtung ge-
geben haben.
Ivan Grafenauer.
Die slavische Vertretimg von indogerman. o.
Im Slavischen sind indogerm. a und o unterschiedslos durch o ver-
treten. Die von Brugmann (Grundriss P, 146) vorgetragene Lehre:
»0 blieb in der Zeit der balt.-slav. Urgemeinschaft o, weiterhin auch im
Allgemeinen im Slavischen, während es im Baltischen zu a wurde«,
dürfte die herrschende Anschauung wiedergeben, wenn auch vielleicht
nicht allgemein anerkannt sein. Ich selbst habe jedenfalls Einleit. in
d. Geschichte d. griech. Sprache S, 111. 115 eine andere Ansicht ver-
treten, wonach idg. o im Slavischen wie im Baltischen zuerst zu a ge-
worden und dadurch mit idg. a zusammengefallen, dann später gemein-
sam mit diesem in das schon in den ältesten slavischen Texten vor-
Die slavische Vertretung von indogerman. o. 229
liegende o übergegangen ist. Folgendes Schema veranschaulicht den
Vorgang :
idg. a o
\/
balt.-slav. a
/\
balt. a slav. 0.
Ausgesprochen hat die Ansicht, dass »jedes slavische o aus a entstan-
den ist«, schon Mahlow, Die langen Vokale S. 7 f., sie aber lediglich
mit der Analogie des baltischen Wandels von o zu a begründet: da im
Litauischen ev ^ ov ^ av geworden sei, so könne auch aksl. synove
nicht direkt auf *süneves zurückgehen, sondern habe ein *sünaves zur
Vorstufe gehabt.
Diese Folgerung ist natürlich nicht zwingend und hat deshalb, wie
es scheint), keinen Eindruck gemacht. Das Baltische allein beweist
nichts fürs Slavische : mag man die Uebereinstimmungen beider Sprachen
auch noch so hoch einschätzen, so gibt es doch auch zahlreiche Abwei-
chungen zwischen ihnen, und die Behandlung von idg. o könnte zu
diesen gehören. Andererseits aber muss betont werden, die Ansicht,
dass idg. o im Slavischen sich unverändert erhalten habe, ist genau so
wenig bewiesen, wie jene andere Anschauung. Wir haben es mit zwei
an sich gleichwerthigen Möglichkeiten zu thun: die erste er-
scheint vom rein slavischen Standpunkt aus als die einfachere, die
zweite empfiehlt sich vom Standpunkte des Lituslavischen aus.
Es fragt sich nun aber, ob sich zwischen diesen beiden Möglich-
keiten nicht doch eine bestimmte Entscheidung treffen lässt. — Mich
leitete bei meiner Auffassung der Verhältnisse erstens die Erwägung,
dass nicht bloss die Balten, sondern auch die übrigen westlichen und
östlichen Nachbarn der Slaven, die Indoiranier mit ihren europäischen
Verwandten, den Skythen, und die Germanen den Wandel von o zu a
vollzogen haben, während die lUyrier (Albanesen und Messapier), die
ihn ebenfalls haben, aus nordöstlicheren, den Slaven benachbarten Ge-
genden in ihre späteren Sitze gelangt sein mögen. Die Slaven wären
also in dem grossen Gebiet von Indien bis Germanien das einzige Volk,
das die Entlabialisirung des idg. o unterlassen hätte, während sie selbst
ihre nächsten Verwandten, die Balten, vorgenommen haben.
Ein zweiter Wahrscheinlichkeitsgrund ist folgender. Idg. oi ist
wie at im Slavischen zu ^ geworden. Nun ist zwar der üebergang von
230 Paul Kretschmer,
ai in e phonetisch begreiflich, weil e in der Mitte zwischen a und i
liegt, und hat zahlreiche Parallelen in anderen idg. Sprachen, im Indi-
schen, im boiotischen Dialekt des Griechischen, sowie im Neugriechi-
schen, im Albanesischen, Umbrischen, Romanischen, Niederdeutschen
u. s. w. Dagegen ist unmittelbarer Uebergang von oi in e nicht glaub-
lich, er setzt vielmehr eine Zwischenstufe ai, mithin Wandel von oi in
a?', also auch von o in a voraus. Man könnte dieser Folgerung nur durch
die Annahme entgehen, dass oi über einen ö-Laut zu e geworden sei:
vgl. lat. poina~^'poena~^pena, foedus^\i2\. fedo. Die Entrundung
von ö zu e müsste aber im Slavischen in relativ späte Zeit fallen; denn
die Monophthongirung von o?, ai ist bekanntlich nicht sehr alt, jeden-
falls jünger als der Wandel von ^-e^ slav. 6e, da koi, kai durch slav. ce
vertreten sind. Nun fällt aber auch die slavische Labialisirung von a
zu in jüngere Zeit, wie die Lehnworte aus dem Griechischen, Latei-
nischen und Germanischen lehren : aksl. moloiru = i.iaQa-9-Qov, po-
lata = palatium, olütari = lat, altZire^ popü = got. papa, ahd.
p/iapho, TtaTtäg, koülu = got. katils, osilü = got. asilus u. s. w. ; vgl.
J.Schmidt Vocal. IL 170 Anm. Ferner hat das einem ö analoge 'Kl
keine Entlabialisirung erfahren. Das spricht alles gegen die Annahme
einer Entlabialisirung von ö zu e und einer Zwischenstufe ö zwischen
oi und e.
Zu diesen Wahrscheinlichkeitsgründen kommen aber noch that-
sächliche Zeugnisse für einen Wandel von idg. o in slav. a. Allerdings
bieten schon die ältesten kirchenslavischen Texte durchgehends o für
idg. und a, aber ältere Belege slavischen Lautbestandes, nämlich die
slavischen Eigennamen bei den frühmittelalterlichen Autoren, zeigen
dafür noch a. Auf solche Namen hat bereits Zeuss, Die Deutschen und
die Nachbarst. S. 68 f. Anm., hingewiesen, aber zu seiner Zeit, wo man
dem europäischen a und o noch idg, a zu Grunde legte, konnte man in
dem a dieser slavischen Namen natürlich nur das postulirte idg. a er-
blicken. Anders hat dann Safailk, Slav. Alterthümer IL 35 f., diese Fälle
beurtheilt, er erklärte sich das a für aksl. o durch Lautsubstitution, durch
ungenaue Wiedergabe des slavischen o- Vokales. J. Schmidt endlich hat
Vocal. IL 169 fif. theils aus jenen sogleich namhaft zu machenden slav.
Namen, theils aus der Wiedergabe von lat. a durch aksl. o in christ-
lichen Termini wie poroda = paradit,us, olütari = altare den Schluss
gezogen, dass das o im VII, — VIII. Jahrb. bei den norischen Slaven
noch ein dem a sehr nahe liegender Vokal, etwa schwed. ä, gewesen
Die slavische Vertretung von indogerman. o. 231
sei. Auch damals hatte diese Folgerung noch nicht die Bedeutung, die
sie heute hat, da die Existenz eines idg. o noch nicht erkannt war und
der Wandel von idg. o in slav. a daher nicht angenommen werden
konnte. Nach der grossen Wendung aber in der idg. Vokalforschung,
die zu dem Ansatz eines idg. a, e, o führte, scheint man jene Zeugnisse
ganz vergessen zu haben — auch Mahlow erwähnt sie nicht. Die we-
nigen Fälle indessen, die Zeuss und J. Schmidt citiren, lassen sich noch
bedeutend vermehren. Ich stelle sie im Folgenden zusammen.
^QÖciyuaros, Theophyl. Sim. (VII. Jahrh.) I 7, 5. VU 7, 1.
0, 1 cod. Vatic, JivÖQaydazn) vulg., Theophan. p. 254 (v. 1. J^vÖQa-
yäorq), Ji/vöoayuao)), 270. 271 de Boor. Das zweite Element des Na-
mens ist aksl. gosfi = lat. //ostis, also mit idg. o; das erste scheint
verderbt (aksl. radu 'libens'? odrü 'Bett'?), geht aber vielleicht auf
Stammvokal -a <^ idg. -o aus.
IIsiQdyccaTog, Theophyl. Sim. VII 4, 13. Hr^Qäyuorog Theo-
phan. p. 27 5. 276 [Tlr^QiyaoTog codd.), nach Safarik = Pirogosü aus
pirü 'Trinkgelage, Gastmahl' -j- gosVi.
KelayuGtög, Menand. ed. Dindorf p. 5 (VI. Jahrb.), = Ceh-
(josU aus 6elo Stirn (vgl. delesmü 'praecipuus')? + cjostt.
/IctßQay e'Cag^!J4vTrig avriQ^TU^iaQyog: Agathias III 2 1 (p. 18b,
1 1 Bonn.), VI. Jahrh. /tußqa- = Dohro-. Safarik setzt ^aßqayetag
= Dohrogosü^ doch ratisste dann der zweite Bestandtheil stark ent-
stellt sein. Wenn dobrü^ ndl. dapper^ engl- dapper^ ahd. tapfar zu
lat. paelign. yaZ'e;' gehört (Planta, Osk.-ümbr. Gramm. I 468. Brug-
mann, Idg. Forsch. XVI 499), so handelt es sich in der ersten Silbe um
idg. er, in der zweiten jedenfalls um idg. o.
Jctoyaur^oög Theophan. p. 497, 17 (Arch. f. sl. Ph. XXI 609)
= Dragomeru mit a = o im Stammvokal des ersten Elements. Vgl.
Dragamer Raeki Mon. bist. Slav. merid. VII 383 (c. 850— 896 n.Chr.) i).
Der Name der Slaven selbst, aksl. sloveninü adj., wird bei
Byzantinern und allen abendländischen Völkern mit a geschrieben.
Das älteste Zeugniss für Iv.Kavr^voi findet sich nach Müllenhoff,
Archiv f. sl. Ph. I 294 f., bei Pseudo-Caesarius um 525 n. Chr.; '^A.'ka-
ßr^voi Prokop., Sclaveni Jordan., 2y.XäßoL Maurik. Strateg., 2-/.Xüßoi,
2y.Xavivoij ^ycXaßivot Theophan., Slavi, Sclavi, Slavefii, Sclaveni,
*) Dagegen enthält der griechische Ortsname JaqyuuiaTo (Atollen) im
ersten Theil wohl aksl. draga Thal, bedeutet also 'Thalstadt'.
232 Paul Kretschmer,
Sclavonia, Sclavanicus u. s. w. bei den lat. schreibenden Autoren des
Mittelalters. ^d-loßiqvoL erst in späterer Zeit (einer der frühesten Be-
lege wohl in der Vita Clementis) und immer seltener als die Form mit
a. Diese hat sich bei Byzantinern und Abendländern forterhalten, auch
als die Slaven selbst den Namen längst schon mit o sprachen. Die
Namensform ^/.kaßrji/oi, Slavi u. s. w., hatte sich also bei den nicht-
slavischen Nationen schon eingebürgert, ehe im Slavischen a in o über-
gegangen war, und ist ihnen so bis auf den heutigen Tag geblieben.
Ob es sich hier um idg. a oder o handelt, ist zweifelhaft, da der Name
bekanntlich etymologisch noch nicht erklärt ist. Die Ableitung von
slovo = xlefog hat schon Safaiik bestritten. Möglich bleibt jedoch,
dass sekundäres ov aus ev zu Grunde liegt. Die kürzere Form ^yJ.äßoi
{29-ldßoi), über die Miklosich (Etym.Wtb. 308) sein Befremden aus-
drückt, ist vielleicht auf griechischem Boden in der Weise entstanden,
dass 2y,Xaßrivol nach Analogie von Uegyaur^vög , ^aaipay.rjvög,
Kv'Cixrjpög, J^Qrayrjpög u. s. w. als adjektivische Ableitung aufgefasst
und dazu gleichsam als substantivisches Stammwort ^y.laßoi gebildet
wurde.
^dy.avov. Konstantinos Porphyrogennetos gebraucht das Wort
zweimal im Sinne von 'Sitte, Gewohnheit', wo er von den Petschenegen
und Chazaren spricht, aber wie ein griechisches Wort. Die admin.imp.
c. 8 p. 73, 18 ff. : ors ftoir^oovair ol narCivccyilrai nqbg rov ßaai-
liybv zovg oQy.ovg y.arh to. Ca/ara ccvrCov. c. 38 p. 170, 14 f.: ov
y.al aQxorra y-ara to tCov Xaud:Qtov ed-og y.al udy.ccrov TtSTtoir]-
xaot. Er setzt also die Kenntniss des Wortes bei seinen Lesern voraus,
und dieses muss daher zu seiner Zeit im Griechischen schon eingebürgert
gewesen sein. Es begegnet auch bei Suidas s. v. öaröv^ jedoch in einer
von Gaisford als Interpolation ausgeschiedenen Stelle. Das Wort kann
also zu einer Zeit aufgenommen worden sein, als die Slaven noch a für
o sprachen, udyavov = aksl. zakonu ist ein Compositum von honu^
das sich zum Verbum 6%nq verhält wie o-pona zu pmq von Wurzel
{s)pe?i-. Es handelt sich also vermnthlich um idg. mit e ablautendes o;
doch ist auch idg. a nicht ausgeschlossen. Im heutigen Griechisch lautet
das Wort tayövi (Du Gange Uay.övwv). Die südlichen Griechen haben
wohl das Wort später als die Byzantiner aufgenommen oder an die sla-
vische Form angelehnt, als diese bereits in der zweiten Silbe mit o ge-
sprochen wurde.
yaQaadoeidrig. An einer sehr bekannten Stelle, De themat.
Die slavische Vertretung von indogerman. o. 233
p. 53f., erzählt Konstantinos Porphyrogennetos, dass zur Zeit des Kon-
stantinos Kopronymos, als die Pest wüthete (746 n. Chr.), ganz Hellas
und der Peloponnes slavisirt worden sei; der berühmte Gelehrte Euphe-
mios habe daher einen Mann aus dem Peloponnes, der sich auf seinen
Adel viel einbildete, mit jenem zu einem geflügelten Wort gewordenen
Jambus verspottet :
yagaadoeidrjg oipig sa-0^?MßcofX€vrj.
Dieser Mann verrieth also durch den slavischen Typus seines Gesichtes
seine unhellenische Abkunft. Mit besonderer Absicht ist hier offenbar
das hybride Compositum yaQaadosidr^g 'schlau aussehend' aus aksl.
gorazdü '^ pev'itns,^ -\- gr. -eidrjs gewählt, um die ungriechische oder
halbslavische Abkunft des Peloponnesiers zu kennzeichnen. Aksl. go-
razdü hat Miklosich auf ein unbelegtes got. Adjektiv *garazds 'mit
Rede begabt, viel redend' aus Präfix ga- -\- razda 'Sprache' zurück-
geführt, später freilich (Etym.Wb. 73) diese Herleitung wieder in Zweifel
gezogen. Die Bedeutung von aksl. gorazdü spricht kaum dagegen, da
sie nach cech. horazditi 'schelten', vgl. magy. garäzda 'zänkisch',
russ. dial. gorazdü 'sehr' u. a. sicherlich nicht die Grundbedeutung dar-
stellt. Ist die Etymologie richtig, so handelt es sich in der ersten Silbe
um german. a, das zur Zeit der Aufnahme des von den Slaven entlehn-
ten Wortes ins Griechische im Slavischen noch nicht zu o geworden war.
gaycctiov. In den Schollen Gu zu Euripides, die Dindorf auf
Thomas Magister zurückführt, sowie in der Editio princeps von 1534
findet sich zu Orest v. 146 folgende Bemerkung : dövat, y.dlauog Xertzog
ev Tolg eXeoL q)vöf.iEvog. zivhg de ipaoi to iduoTLvSog lEyöf-ievov
Quyd^iop, ou '/.a?Mg ?JyovTeg' ov yaq airb tovtov avQiyi yivsTai.
Ngr. qayä'Qi 'Gebüsch, eine Art Gras' (G. Meyer Ngr. Stud. II 53) aus
aksl. rogozü, serb. rogoz u. s. w. 'Riedgras'. Daneben gibt es wie bei
L,ä/.avov — L.ay.6vt im Ngr. auch die jüngere Vokalisation: epirot. ^o/-
yöi:^og^ ZwyqdcpeLog Jäywv I 50, der Flussname 'Poyöupog in Thessa-
lien, vgl. aksl. rogozi?ia.
In den erst aus dem heutigen Griechisch bekannten slavischen
Lehnwörtern, die zuletzt G.Meyer Ngr. Stud. II gesammelt hat, ist slav.
o in der Regel durch o wiedergegeben. Eine Ausnahme macht y.a-
qovva 'Trog' = aksl. koryto^ Meyer S. 30, dazu die Ortsnamen Ka-
QOVTsg und Kaqovvia in der Eparchie Doris. Daneben kommt die
jüngere Form -/.ovQvra^ tsakon. korita vor, die auch in der zweiten
Silbe jüngere Vokalisirung zeigt.
234 Paul Kretschmer,
TtuyavLÖ, 'Verfolgung (von Räubern z.B.), das Treiben von Wild'.
Ortsname Ilayavea bei Gythion: vgl. Ttayavala 'Ort, wo man jagt,
Wald', G. Meyer Ngr. Stud. II 49. Zu serb. pogona 'Verfolgung' (aksl.
nicht belegt). Meyer will die Vokaldifferenz durch Anlehnung an Tta-
yavog oder aus dem Vlachischen erklären, aus einem vorauszusetzenden
rumän. *poffoanä, doch befriedigt keine dieser beiden Vermuthungen.
/cayavög = lat. paganus liegt doch begrifflich sehr weit ab. Also a
Vorstufe von slav. o = idg. o, Aa. pogona zu aksl. ze?iq 'treibe', Iterat.
goniti gehört.
Anderes, was man könnte hierherziehen wollen, bleibt als unsicher
besser bei Seite: so das nur bei Somavera belegte rcaaräßt 'pezza di
ißSinno^ == aksl. postavü, aber epir. Ttoaräßi ZcoyQcccp. Jäy. Ibl, tzovg-
Tccßt 2v?J.oyos XIV 216b (Meyer a.a.O. 52). kayy,6g, lay/.ccdi, lay-
xdda 'Schlucht, Thal', das G. Meyer S. 37 zu aksl. Iqka 'palus, sinus'
stellt, erklärt Amantos, Die Suffixe der ngr. Ortsnamen 25 f., besser
aus Verschränkung von kayiov X ay/.og (oder a/xw?-'), vgl. Xayyövi.
Nur ?.ovyyiu ^ayoog jiaoaTCoräf.iiog' mag auf das slavische Wort zurück-
gehen. — Tsakon. ygäßcc 'Höhle, Loch' ('^ ygcovi], 7i^xqa -/.oilri^ ßa-
^vA,r] xoiXÖTT], TQVTta' Oixopöfiov rQuiiii. T. toa/.. dtaX. 67) kann
zwar nicht aus dem erst spät dem Deutschen entlehnten neuslov. graha
'Graben' herstammen, wie Thumb (German. Abh. f. Paul 253) für mög-
lich hielt; eher könnte man an aksl. grobü 'Grube, Grab' denken wie-
der mit a = urslav. a aus o. Indessen verdient die Annahme von
Loewe K. Z. 39, 285 f., dass das Wort das entlehnte germ. graha sei,
entschieden den Vorzug, einmal wegen der üebereinstimmung des
Genus, ferner weil das Wort, wie Thumb und Loewe entgangen ist,
schon bei Hesych in doppelter Bedeutung bezeugt ist: y^aßäv ay.a-
rptov. ßöd-QOv. Diese beiden Bedeutungen 'Grabscheit' und 'Graben'
vereinigt auch das germanische Wort; bezeugt sind sie freilich aus ver-
schiedenen Dialekten: got. graha 'Graben' und ahd. graha 'Grabscheit.
Spaten'. Darin irrt Loewe jedoch, dass er annimmt, yqäßa existire
nur im Tsakonischen und müsse daher aus der Sprache in Lakonien
angesiedelter Germanen entlehnt sein, yqäßa ^rgc'oyXif wird von ^ra-
uariädr^gj ^ainiay.d V 35, auch für Samos bezeugt, und bei unserer
unvollständigen Kenntniss des Wortschatzes der neugriechischen Dia-
lekte lässt sich niemals sagen, ob ein Wort nicht auch in andern Gegen-
den vorkommt.
Neben den Lehnwörtern sind es, und zwar in weit grösserer Zahl
Die slavische Vertretung von indogerman. o. 235
als diese, die Ortsnamen, in denen die Slaven Spuren ihres dauernden
Aufenthalts auf griechischem Boden hinterlassen haben. Auch die sla-
vischen Ortsnamen des modernen Griechenlands zeigen grösstentheils o
für slav. 0, sei dies nun aus idg. a oder o entstanden; z. B. FaüI^ilov
(Messeuien), role/.iiov [Lokvis, Olympia), rolefirj (Eparchie Naupaktia,
Patras) zu aksl. (joUmu 'gross'; Kö'Qlov (Lakonien), KoQua (Gythion),
Kotiroa (Naupaktia) von aksl. koza 'Ziege', Adj. kozij\ Flöyoßa
(Gortynia), rioyoßiraa von aksl. ffloffii 'Weissdorn'; IIodoloßiTOa
(Eparchie Vonitsa) zu aksl. podolükü 'Saum'; ToTZÖlia (Theben, Par-
nassis), ToTtoXiavd (Eurytanien), Tojculoßa (Patras) zu aksl. topoU
'Pappel'; ToTCOQiora (Gortynia): aksl. ^o/?om^e 'Hackenstiel' ; ^0{.i-
rtOTivä (Naupaktia) zu bulg. serb. lohoda 'Melde'. Daneben gibt es
aber auch Ortsnamen, in denen a dem slavischen o entspricht.
Neben rogirCa in Epirus, FovQiTGa in den Eparchien Parnassis
und Trichonias (letzteres mit nordgriechischer Vokalisirung aus Fo-
qizou) steht Faglrau auf Korfu = slav. Gorica. FaqävxLa in
Messenien (vgl. FaQavTUvov in Arkadien) erinnert an slav. Goranci
in Krain (nach Miklosich, Die slav. Ortsnamen aus Appellativen I 24).
Auch der Bergname FctQovvci sowie der Dorfname Fccqovpuc auf Korfu
gehören wohl hierher und sind mit slav. Goryni zu vergleichen, vgl.
kleinruss. Horyn (Miklosich a. a. 0.). Neben Zayöqi in Epirus, Za-
yoqä in Thessalien liegt ZayaQÜ in Böotien, Zayäqaiva in Messenien.
Es fragt sich, ob das in diesen Ortsnamen steckende slav. gora 'Berg'
idg. oder a enthält. Die verwandten lit. gire 'Wald', skr. giri-, avest.
gairi- (Nom. PI. garayo) 'Berg' entscheiden die Frage nicht. Für o
spräche aber das von Livius 45, 29 genannte, vielleicht mit dem Ber-
mion in Makedonien identische Gebirge Bora., wenn dieser Name mit
slav. gora gleichzusetzen ist, sowie gr. ßoQsag, falls es ursprünglich
»Bergwind« bedeutete; vgl. Prellwitz Etym.Wb. u. ßoqiag, Pederseu
K.Z. 36, 319, der alban. malijE 'Nordwind', eig. 'ßergwind' und ital.
tramontana vergleicht.
FaoTovvr] in Elis dürfte slav. Gostgm vertreten (vgl. den Namen
des Ortes Gosty?i bei Lissa in Posen) und dann zu gostt gehören, für
welches lat. Jiostis idg. o erweist. Dieser Fall reiht sich also den früher
genannten Personennamen auf -yaozoo, an *).
^J Nicht beweiskräftig ist TvQuußo; oder TovQvußog, wie zwei thessa-
lische Ortschaften (bei Larissa und Trikkala) heissen, neben Tvqvoßov (im
236 Paul Kretschmer,
Eine weitere Durchforschung des in Betracht kommenden Mate-
riales, besonders aber der noch so wenig untersuchten slavischen Orts-
namen des modernen Griechenlands, wird vielleicht die Zahl dieser
Belege für gr. a = slav. o noch vermehren. Es fragt sich, welche Be-
weiskraft ihnen für unsere Frage zukommt. Wie bereits erwähnt, er-
klärte Safafik das gr. a = slav. o aus ungenauer Wiedergabe des sla-
vischen Lautes, während J. Schmidt auf einen dem a sehr nahe liegenden
Vokal, etwa schwed. «, schloss. Beiden Gelehrten war es aber unbe-
kannt, dass auch das griechische o (o, w) ein durchaus offener Laut ist
und schon zur Zeit der Aufnahme der slavischen Wörter war: dies folgt
aus der Wiedergabe des geschlossenen italienischen o und des lat. ö
durch gr. ov (s. darüber Byzantin. Zeitschr. X 586). Gr. o (w) wäre
also zur Wiedergabe eines offenen slav. o sehr geeignet gewesen, und
wenn statt seiner gr. a verwendet wurde, so muss der slavische Vokal
mehr nach a als nach offenem o hin gelegen haben, d. h. er war ent-
weder reines a oder höchstens ein ä mit minimaler labialer Färbung.
Nun wird ja thatsächlich, wie wir erwarten, in der Zeit, wo die Slaven
schon sprachen, dieses immer durch gr. o wiedergegeben, und nur in
den ältesten Belegen slavischer Namen und Wörter im Griechischen
findet sich dafür a. Daraus folgt mit Sicherheit wenigstens das eine,
dass im Slavischen ein Vokalwandel stattgefunden hat, der sich in der
Richtung von a nach o hin bewegte ^).
heutigen Xo/ub^ ElqvTciviag), Ttqi'oßu (in demselben Nomos und in Lokris),
sowie bulg. Trnova (Tarnova auf einer latein. Urkunde vom Jahre 994, Eacki
S. 23), poln. Tarnovo, auf deutschem Boden Tornow, Tarnow (Buttmann, Die
deutschen Ortsnamen S. 97), d.i. aksl. frt'itiovü, trunova, trünovo 'spinosus' von
irunü 'Dorn'. [Sonst erseheint in griechischen Ortsnamen vielfach -oPjo, -oßa
für slav. -ovo, -ova, z. B. }jQä%o3(e, FäßQoio Berg in Atollen (= bulg. Gabrovo),
r?.6yoßa, riukoßa [n^^l.jalova fem. 'unfruchtbar';, TonöXoßa, BtQ^oß«, Jeqi-
xoßo, '£yx'/.ii'oß(( u. 8. w.] In Tvqvußog kann jedoch auch die slav. Endung -avu
vorliegen, wie iuKiaußo; dem moderneu Namen des Ossa, der wohl von serb.
Jiisa 'Regen', bulg. kisa 'nasses Wetter' (zu aksl. kysnqti 'nass werden') = gr.
y.iGa 'regnerisches Wetter' (aus Thrakien bezeugt, G. Meyer Ngr. Stud. II 30)
abgeleitet ist, also slav. a aus « enthält. Thatsächlich begegnet fem. Tmava
als Ortsname wiederholt in Kroatien, als Flussuame auch in Böhmen und im
westlichen Ungarn.
1) Nicht unerwähnt lassen will ich, dass man bei ^«x«ror und yccQaa-
d'oEi&rjg auch an Assimilation von o an das « der Nachbarsilbe denken könnte.
Indessen ist die Assimilation von o an « im Ngr. so selten (vgl. Hatzidakis
Die sliivische Vertretung von indogerman. o. 237
Nächst dem byzantinischen Reich ist es Dalmatien, wo uns sla-
vische Eigennamen aus verhältnissmässig früher Zeit überliefert sind.
Das Material ist uns neuerdings durch Jirecek's so lehrreiche Abhand-
lungen über die Romanen in den Städten Dalmatiens während des
Mittelalters (Denkschriften d. Wien. Akad. IS. und 49. Bd., 1901 — 4)
näher gebracht worden. In den lateinischen Urkunden Dalmatiens vom
X. bis ins XIII. und den Anfang des XIV. Jahrh. weisen die slavischen
Eigennamen in ihrer lateinischen Form vielfach ein a an Stelle von
slav. auf. Ich stelle die Fälle aus Racki, Mon. spect. bist. Slav. merid.
VII, und den Sammlungen bei Jirecek ^namentlich II. Theil S. 65 ff.)
zusammen.
X)a^ra = slav. Z>oira in Urkunden vom Jahre 1076 — 80 und 1078,
Racki S. 125. 121, aber auch noch 1260, 1273, 1289: Jirecek II 69.
Daneben Dobra seit 119S. — Dabro 918 n. Chr., Racki a. a. 0. 19;
940 — 46, Racki 20; 986: Racki 22; zahlreiche Belege aus dem X. —
XIII. Jahrh. bei Racki Regist. S. 502. Jirecek II 69. Auch Dahriis
Racki 128 ff. vom J. 1080. Daneben Dobro seit 1034. — Dabre (Gen.
Dabrete) 1282, Jirecek a. a. 0. — Dabriza 1032, Racki 41 u. ö. Da-
bricha 1196 neben Dobriga 1279, Jir. a. a. 0. — Dabraza = slav.
Dobraöa 1080, Racki 130 u.ö. Dabrazze 1124. — Dabrisius = slav.
Dobriga 1248. — Dabrosa = slav. Dobrusa 1198, Jir. a. a. 0. —
Dabralis = slav. Dobrali 1085, Racki 141 u. ö. Bei dobrü handelt
es sich vermuthlich um idg. a (s. oben S. 231).
Balislaua, auch Ballislaua = sl. Boleslava in Ragusa im XIII. —
XIV. Jahrh., Jirecek II 66, neben Boledragus schon 892, Racki
S. 16. Ob aksl. bolijz 'grösser' idg. a oder o enthält, ist zweifelhaft;
%kr. bala-m 'Kraft', \a,t. de-bilis 'kraftlos' entscheiden nichts; gr.ßelTe-
Qov 'besser' spräche, wenn es verwandt wäre, für o.
Gatjslauus, Fem. Gaysclaua = sl. Gojslav, -slava, Kurzform
Gaya, Gaiussa neben Goülauus, Goya im XIII. Jahrb., Jirecek II 72.
Pradanus im J. 1080, Racki 135, Micha Pradani 1144, Jirecek
II 74, sonst Prodanus. Aksl./jro- = gr.TVQÖ, lat.^ro-, also mit idg. o.
Pauersenus 1190, Pauergenus 1255 — 61 neben Pouergenus 1279
= slav. Povrizen 'Projectus' von povresti 'projicere', Jirecek a. a. 0.
Aksl. po^ lit. pas zu lat. osk. umbr. pos^ also idg. o.
Einleit.S.331), dass diese Erklärung nichts Befriedigendes hätte, zumal dann
jene Fälle von den anderen analogen getrennt werden müssten.
238 Paul Kretschmer,
Der Stammvokal -o- erscheint in der Compositionsfuge als -a- in
Dedasclava = Dedoslava^ Jirecek II 68. Dahrasclauus = Dohro-
slav 1169, 1195, 1199 und noch im XIII. Jahrh., Jirecek II 70; Ba-
hr amusclo == Dobromysli^ 850 — 96, Racki 383. Dragauiti =^ Dra-
(jovit^ 1069, Racki 76 f.; Dragamer 850 — 96, Racki 383; Dragabuth
1076, R. 110; Draganegus, Dragadet 1080, R. 128. 134; Draga-
mosus 819, R. 322; Dragaslaua 1282 u. ö., Jirecek II 71, Mirasclaua
= Miroslava 1282, ebd. 74; Miramuscle ^^ Miromysli 850 — 96,
Racki 383. Negamire^ slav. NSgomir^ Jir. 74. Radasclauus = Ra-
doslav 1247, ebd. 75. Uitadrag XI. Jahrb., Racki 166, sonst Uito-
drag u. s. w.
Die Endung -ota erscheint als -ata in Bell ata = Belota 1018,
Racki 33 u. ö. ; Cernata = Crtnota, lOSO, Racki 133; Velcata =
Vlukota 1195, Jirecek II 79. Vgl. auch den Ortsnamen Dahrat =
Dohrota bei Cattaro, Jir. I 98. Der Ausgang -oiia als -ana in Bu-
bana^ Bubcmna^ Bubogna = Bubona: Berzana = Brizona^ Jirecek
II 67; Dabrana = Dohrona [hjz.JoßQCiJvctg), ebd. 70; Peruan7ia =
Prwotia, ebd. 75; Uilcana = Vlnkona, Zuuerana = Zverona.
ebd. 79.
Diesen zahlreichen Schreibungen mit a stehen aber in derselben
Zeit, oft in derselben Urkunde solche mit o gegenüber ^). Dieses
Schwanken wird kaum aus der offenen Aussprache des slav. o zu er-
klären sein, die die romanischen Notare theils mit a, theils mit o aus-
gedrückt hätten. Den Romanen ist offenes o nicht fremd, sie hätten es
gewiss ebenso von a geschieden, wie die Slaven selbst, die es schon vom
IX. Jahrh. ab konsequent mit o bezeichnen. Auch hier dürfte das a auf
Tradition aus einer Zeit beruhen, in der die Slaven noch reines a oder
höchstens ein ä mit geringfügiger Lippenrundung sprachen. Dabra-
sclavus in Dalmatien wird man schwerlich anders beurtheilen dürfen,
wie z/aßqayfCag bei Agathias. Dass die lateinische Kanzleisprache
ältere Lautformen fremder Eigennamen bewahrte, ist nicht verwunder-
lich und kann man ähnlich auch anderwärts beobachten.
Safarik a. a. O. führt auch deutsche Belege für die Wiedergabe
von slav. o durch a an. Für unsere Frage möchte ich jedoch diesen
1) Im Laufe des XIV. Jahrh. verschwinden die Schreibungen mit a für
sl. o (Jirecek I 98), was sich nach Jirecek daraus erklärt, dass damals in Dal-
matien an die Stelle der früheren geistlichen Notare italienische Juristen
traten.
Die slavische Vertretung von indogerman. o. 239
Fällen keine grosse Beweiskraft beimessen. Wenn der Name des sla-
vischen Gottes in Retbra, Radogost, bei Adam von Bremen (MGH.
VII 312) Rcdigost, bei Helmold (MGH. XXI 13) Radigast lautet i), so
kann hier recht wohl Umformung des slav. gosü nach deutschem gast
vorliegen; und dasselbe gilt von den zahlreichen deutschen Ortsnamen
slavischen Ursprungs siwf-gasf, wie Dobergasf in Schlesien und Sachsen,
wo schon das o im ersten Element, sl. dobrü, gegen die Annahme
spräche, dass das a in -gast die offene Aussprache des sl. o wiedergibt,
Gorgast hei Küsh-'m^ Wolgast in Pommern, Liebegast^ Radegast u.s.w.
(Buttmann, Die deutschen Ortsnamen mit besonderer Berücksichtigung
der ursprünglich wendischen in der Mittelmark und Niederlausitz S. 133).
In Gosda (Kreis Sorau, Kalau, Kottbus, Spremberg), Zschornegosda
bei Senftenberg ist dasselbe slav. Wort mit o wiedergegeben. Aber auch
die anderen Fälle, in denen a slavischem o entspricht, z. B. Rogaseti,
Rog'dsen: poln. rogozina (Buttmann a. a. 0. 110 f.). Garenchen bei
Luckau zu gora^ GahlenhQi Kalau, Galinchen bei Kottbus: niedersorb.
gola 'Wald' (Buttmann a. a. 0. 85) u.s.w. sind nicht sehr beweiskräftig 2),
weil hier in der That die Möglichkeit besteht, dass a auf der offenen
Qualität des slav. o beruhe, der die geschlossene Aussprache des deut-
schen nicht entsprach. Mit den griechischen und lateinischen Belegen,
die überhaupt die slavischen Laute strenger festhalten, können also die
deutschen nicht auf eine Linie gestellt werden.
Um zusammenzufassen, so hat sich uns ergeben, dass im Slavischen
vor und um die Zeit der ersten schriftlichen Denkmäler ein Lautwandel
in der Richtung von a nach ö stattgefunden hat. Es ist mindestens sehr
wahrscheinlich geworden, dass slav. o, ob es nun idg. o oder a vertritt,
die Stufe a durchlaufen hat. Hinter der Ausflucht, dass dieses a doch
eine leichte labiale Färbung gehabt haben könnte, kann sich der Skep-
tiker nur deshalb verschanzen, weil wir die Qualität prähistorischer
Laute immer nur ungefähr zu bestimmen vermögen und daher auch z.B.
nicht die Möglichkeit bestreiten könnten, dass idg. a ein wenig labial
gefärbt gewesen sei. Andererseits steht dem Ansatz idg. o^urslav.«^
slav. kein Argument entgegen, und für die übliche Annahme, die auf
V Bei Thietmar ;MGH. HI 812, 7; ist Riederjost neben Riedegast über-
liefert.
-; Es verstellt sich, dass von diesen Ortsnamen, wenn sie verwerthct
werden sollen, zuerst die ältesten urkundlichen Formen ermittelt werden
müssten.
240 Paul Kretschmer, Die slavische Vertretung von indogerman. o.
jeden Fall nur eine Möglichkeit darstellt, dass idg. o im Slavischen un-
verändert erhalten geblieben sei, ist noch kein stichhaltiger Beweis-
grund beigebracht worden.
Wien, 25. Febr. 1905. Paul Kretschmer.
Einige Hypotliesen über die Sprache der Skythen
und Sarmaten.
Die Frage über die Nationalität der Skythen und Sarmaten kann
im wesentlichen als gelöst betrachtet werden : die einen wie die anderen
waren iranischen Stammes, mehr oder weniger verwandt mit den heu-
tigen Osseten.
Aber nicht alle Einzelheiten sind aufgeklärt und vor allem nicht
die Frage über das Verhältniss der Sprache der Skythen zu jener der
Sarmaten.
Wie bekannt, waren vor dem Beginn unserer Aera die Skythen
aus Südrussland verschwunden und an ihre Stelle traten die Sarmaten.
Im Zusammenhang damit unterlagen beinahe alle Flussnamen Südruss-
lands ümbenennungen. Statt BoQvad-evrjg der skythischen Epoche
kam JävaTtQig auf, statt Tvqag — Danaster, statt "F^raj'fi? — Vagus.
Der letzte Umstand veranlasst die Vermuthung, dass die Sarmaten vom
Norden her nach Südrussland kamen, aus den Gegenden, wo der mitt-
lere und obere Lauf der besagten Flüsse lag, aus dem Volynischen und
Kijever Waldland, aus den Bassins der Flüsse Dniepr, Oka, Don, unter
anderem aus den Gegenden , wo sie in der Nachbarschaft der Slaven
wohnten — dass sie ihre Flussbenennungen mit sich nach dem Süden
brachten und damit die älteren skythischen eintauschten.
Die russische Benennung des alten Täva'ig ist Don [jlfiwh). Man
kann als sicher annehmen, dass die Russen den Namen von den Sar-
maten entlehnten und dass er auf die sarmatische Benennung mit dem
Laute d zurückgeht, vgl. avest. dänu- (Fluss), osset. -don (fluss). Die
Verwandtschaft zwischen der sarmatischen und skythischen Benennung
Einige Hypothesen über die Sprache der Skythen und Sarmaten. 241
unterliegt keinem Zweifel, nur blieb im Sarmatischen im Wortanlaut das
alte iranische tönende f/, während im Skythischen der tönende Laut
durch den tonlosen / ersetzt wurde.
Darnach ist die Annahme gestattet, dass die skythische Sprache
im Wortanlaute und intervokalisch an Stelle der ältesten
und sarmatischen tönenden Konsonanten die tonlosen setzte.
Von dieser Hypothese ausgehend sind wir im Stande, einige sky-
thische Namen zu erklären.
Vor allem die Benennung des Flusses Prut nÖQata, bei den Grie-
chen des Schwarzen Meeres ITvQeTÖg. Die älteste Form der skythischen
Benennung, die augenscheinlich von den Slaven direkt aus dem Skythi-
schen ^) entlehnt wurde, kann auf Grund des angesetzten *II'BpyTTb, wo
y den Diphthong ati ersetzt, wieder hergestellt werden. Die ursprüng-
liche skythische Form msig pär-cmfa{h) gelautet haben, mit dumpfem ä,
das im Slavischen durch i., bei den Griechen durch ihr o und v wieder-
gegeben wurde. Wenn in dieser Form das intervokalische t aus d her-
vorgegangen ist, so lässt sich der zweite Theil des Wortes leicht mit
Hilfe des avestischen aodha Gewässer, altind. odatl als Particip f. g.
quellend, wallend erklären. Im ersten Theil suchte schon MtiUenhoff
die Wurzel par. Darnach wäre die Bedeutung des skythischen par-
auta{h) — ein wasserreicher, wogenreicher Fluss.
Die skythische Benennung eines unbekannten Flusses unweit vom
Dniepr war — navTi-Ad/tr^g. Herodot erzählt, dass die Benennung
eines Flüsschens in Skythien in der Uebersetzung ins Griechische igal
ödoi bedeutete. Darnach haben wir Grund anzunehmen, dass die Sky-
then dann und wann kleine Flüsse und Bäche mit dem Worte »Weg«
bezeichneten. Folglich ist der erste Theil des Namens naPTi-'/.(X7rr]g
möglicherweise in Zusammenhang zu bringen mit dem altind. panthä
Weg, slav. nATfc id., und der zweite mit dem altind. gahh-lra (tief), so
dass IIavTL-/Mm]g — bedeuten würde: tiefer Weg. Man vgl. die
Benennungen russischer Flüsse, die wahrscheinlich von den Sarmaten
den Slaven übermittelt wurden — Ipuf (Hnyxi. ^epHnr. ryö.), Ikopot
(IlKonoTi, BojitiHCK. ryö.).
Die Namen skythischer Gottheiten widerstrebten bisjetzt der Er-
klärung. Doch mit JäTti (Erde) vgl. griech. artcpä (Väterchen = *abbha) ;
1) Wir nehmen als die Urheiraath der Slaven die Gegend des heutigen
Königreichs Polen und des westlichen Weissrusslands an.
Archiv für slavische Philologie. XXVII. 16
242 A. Sobolevskij,
die Bedeutung des Namens wäre — Mütterchen. Mit Taßixi die Göttin
des Herdes vgl. laX. favilla^ griech. d-vto, altind. dhüma Rauch, slav.
ABiM'B U.S. w. ; die Bedeutung wäre die »rauchende« (AMMHmaH, AHMHan).
In der zweiten Hälfte des Wortes J^gyiu-itaGa oder J^QTii^i-Ttaaa
darf man dasselbe Element suchen, das in der zweiten Hälfte vieler alt-
persischer Namen wiederkehrt, als : Jigra-ßatog, Oagvcc-ßa^og u, s.w.,
d. h. avest. häzu (Arm), osset. hazug (Ellenbogen). In der ersten Hälfte
von Olvö-ovQog könnte man ein mit dem altind. veda, avest. vaedha
verwandtes Wort erblicken ; den zweiten Theil stellt Vsevolod Miller
(OccBTHHCK. 3TK)Ati III 132) in Überzeugender Weise mit dem altind.
gura Held, avest. süra (mächtig) zusammen. Der zweite Theil des Na-
mens der mythischen Vorfahren der Skythen TctQyt-TÖcog erklärt sich
mit Hilfe des altind. deva, avest. daeva.
Herodot hat uns zwei skythische Benennungen der Flüsse '^'YTtavig
und '^YTtccKVQig überliefert. Die erste ist jetzt Bug, die zweite versetz-
ten die Gelehrten nicht weit vom Dniepr. Die Identität des ersten Theils
dieser zwei Benennungen lässt es unzweifelhaft erscheinen, dass darin
irgend ein Appellativum steckt. Das dürfte wahrscheinlich — äpa (Was-
ser) sein, a lautete ä (dumpf) ; vgl. altind. üp Wasser, avest. ö/s, äpem
Wasser, altrusss. ape Fluss. Der zweite Bestandtheil der ersten Benen-
nung — m oder ani (vgl. die Benennung der Stadt Nioaoov Ptolem.,
auf einem unbestimmten Fluss nahe beim Dniepr, wo -oaaov wahrschein-
lich ebenso ein Appellativum ist, wie in einer anderen Benennung der
Stadt ^OcpwvöGcc Ptol.). Der zweite Bestandtheil der zweiten Benennung
— Akäri, mit dem dumpfen ä, ist wahrscheinlich identisch mit der sar-
matischen Benennung eines unbestimmten Flusses beim Dniepr ^yaqog
Ptol. oder bei Bug Agalingus Tab. Peuteng.
Aus dem Vorausgehenden ist ersichtlich, dass wir in der Sprache
der Skythen ein dumpfes ä ansetzen dürfen. Wahrscheinlich haben die
alten Griechen dieses a wiedergegeben durch ihr a,o,v, dann und wann
auch ausgelassen. Auf keinen Fall sollen die Namen der Skythen
^yioXÖTOi und 2yivd-ai, die uns Herodot überliefert hat, von der alt-
persischen Benennung derselben Sakä, die sich auf den Inschriften des
Darius Hystaspes befindet und uns von Herodot überliefert ist (VII 64 :
.5'axat), auseinander gehalten werden. Offenbar konnte jenes dumpfe ä
sehr kurz sein, wenn es in unbetonter Silbe stand.
Zwei sarmatische Flussbenennungen zeigen in ihrem ersten Theil
unzweifelhaft das Appellativum dana (Fluss). Die Form Danas fr- gibt
Einige Hypothesen über die Sprache der Skythen und Sarmaten. 24S
nicht genau die sarmatischen Laute wieder. Die slavische Form *JI,t>-
H'icTp'B, wo i aus ai, gestattet die Korrektur dätia-isfr-. Vom ersten
Bestandtheil war soeben die Rede, der zweite — ist ein Eigenname,
derselbe, wie skythisch "/ffr^oc; (Donau), russ. (von den Sarmaten) Istra
(ein Fluss im Gouvern. Moskau), vgl. altind. is-ira kräftig, frisch, gr.
iSQÖg. Die Schreibung z/avaTT^tg wird angesichts des altruss.^i.iiinp'L,
^i,H']&npi, durch die sarmatische Form dana-ipr wiedergegeben; mit
dem zweiten Theil vgl. russ. Ibr (Hripi, ein Fluss im Gouv. Volynien).
Dieselbe Flussbenennung, nur mit einem Suffix versehen — ist russ.
Neprjadva (HenpaABa, im mittleren Russland), aus *^i.n'5np.i^Li.
Der erste Theil des sarm. Javovßwg^ Danumiis — ist derselbe
wie in Danaster ^ //ävajtqLg. Der zweite — ein Eigenname — allem
Anscheine nach — cwi. Der Kosmograph von Ravenna, aufzählend die
ins Schwarze Meer mündenden Flüsse, setzt an erste Stelle Avia^ wobei
er ohne Zweifel an die Donau dachte. Der volle sarmatische Name der
Donau dürfte gelautet haben: Dätiävi, sowie die skythische Benennung
des Don Täva'ig, nur mit dem alten d.
Die sarmatische Benennung des südlichen Bug, die Jordanes als
Vagus (statt Bagus) bezeichnet, wird wahrscheinlich Baga (mit dumpfem
a) gewesen sein. Ptolemaeus gibt diese Benennung, mit Anwendung
auf andere Flüsse, durch die Formen Bvxog, Böy.og wieder. Die alt-
russ. Denkmäler schreiben Bug (Byrx) und Bog (Bort), letzteres aus
*6xr'i.; Konstantin Porphyrogen. gibt Boyov. Die Slaven dürften die
Benennung des Flusses von den Sarmaten zweimal bekommen haben :
bei der ersten Entlehnung gaben sie Baga durch *6t>v% wieder; bei
der zweiten, da u schon monophthongisch war, — durch uyrt. Vgl.
avest. hagha deus, slav. 6ori>. Selbstverständlich ist der Gleichklang
des westlichen Bug mit der Benennung des südlichen Bug nur zufällig ;
jener nordwestliche Name ist wahrscheinlich verwandt mit dem litaui-
schen haugus^ der furchtbare.
Die angeführten Beispiele gestatten die Annahme, dass die sar-
matische Sprache ebenso ein dumpfes a hatte, wie die
skythische, und dass die Slaven, als sie das Gebiet der Sarmaten
zuerst im mittleren, nachher im südlichen Russland einnahmen und von
den Sarmaten viele Flussbenennungen überkamen, das sarmatische a sehr
häufig durch ihr ^ wiedergaben.
Bei einiger Kühnheit der Hypothesen können verschiedene skythi-
sche und sarmatische Flussbenennungen durch die Zusammenstellung
16*
244 A. Sobolevskij,
mit Appellativen der altindischen und avestischen Sprache erklärt wer-
den i). Sie enthalten zum grössten Theil Substantiva mit der Bedeutung
Fluss, Wasser u. s.w.; in Verbindung mit Adjektiv oder das Adjektiv
allein. Angesichts der natürlichen Beschränkung der Zahl der nach
der Bedeutung stimmenden Appellativa müssen sie an verschiedenen
Orten sich wiederholen. Daher erklärt sich die Nichtübereinstimmung
der alten Autoren bezüglich der Ortsbezeichnung des einen oder anderen
Flusses Südrusslands; daher die nicht selten begegnende Identität oder
nahe Verwandtschaft in der Benennung verschiedener Flüsse des heu-
tigen mittleren Russlands: Tbsna (avts *Dbsna?), daher lI,Ha. Desna,
Dis7ia\ Cy.ia; Pi.ct, Pi.ma (daher Orsa, Iria u. s. w.); Cho-rol, Cho-
moi\ Cho-p'br^ u. s. w.
1) Ausser den aufgezählten Benennungen kann das skythische Tvqag
(vgl. russ.TopT. = ♦Ti.p'i., als Nebenfluas des Donec) mit Hilfe des altind. tara
überwindend, tära rettend, gedeutet werden.
A. Sobolevskij.
Cech (qexi») und Cacli (naxt).
Neben der üblichen ethnographischen Benennung uexx [dec/i)
kennen die altrussischen Texte auch die Form ^axt [dach). Der Lau-
rentius-Text der Nestor'schen Chronik vom J. 137 7 hat als Acc. pl.
^axH (Ausg. 1872, S. 25); auch der Troicker-Text derselben Chronik
aus dem XIV. Jahrh. gibt dieselbe Form yaxii ib. Der akademische
Text der Suzdaljer Chronik aus dem XV. JahrLi. kennt den Nom. plur.
qaxoBB (ib. S. 476). Die Novgoroder erste Chronik, nach dem Text des
XV. Jahrb., nennt den Todesort Svjatopolk's Meacn qaxH n jkxii (S. 84).
Gleichartige Formen mit a findet man in anderen Texten verschiedener
russischer Chroniken aus dem XV. — XVII. Jahrh., unter anderem in
dem illustrirten Texte der compilirten Chronik der Moskauer Garen aus
dem Anfang des XVII. Jahrb. Ebenso spricht man in der Urkunden-
sammlung »KpHMCKia A^-ia« der Moskauer diplomatischen Kanzlei unter
dem J. 1492: o ^laefeT), MacKofi (sc. Kopcjit), ei. yropcKHMt öhjcä (der
Cech und Cach. 245
böhmische König kämpfte mit dem ungariachen, vgl. Ulanickij, Maxe-
pifljiBi AJiH iwanMiiLixT. OTiiouieiiiil Pocciii, IIo.ibmH u. s. w. M. 1887,
S. 121). Die stidwestrussische Uebersetzung des polnischen Wislicer
Statuts kennt qacKy piiqt (cechische Sprache). Unter den Literatur-
denkmälern werde 'ihxh erwähnt im rassischen Lucidarius nach dem
Text des XVII. Jahrh. (ed. Tichonravov in seinen JÜTonncH S. 51). Die
heutige russische Sprache wahrt noch den alten Spruch: Meac^y yaxii
H Jinxii (Archang. Gouv.) in der Bedeutung: so so, nicht so und nicht so,
womit in gewissem Grade der lausitzserbische Spruch übereinstimmt :
to su moje cechi a lechi in der Bedeutung: das ist mein Alles (Wisla
IX. S. 148).
Unter den stidslavischen Texten fand ich nur in einem serbischen
Apokryph des XV. Jahrh. den Nom. pl. yaxoBe (neben ^lext, uemKaa,
vgl. Tichonravov, IlaM. OTpey. .iiit. II. 441). Die böhmischen Texte
können meines Wissens keine Variante dach aufweisen, allein ihr einsti-
ges Vorhandensein dürfte sich aus den bei Gebauer in seinem altböhm.
Wörterbuch angeführten Ortsbenennungen Cachoo und Cachovici er-
geben.
Uns will keine von den bisherigen etymologischen Ableitungen des
Wortes ^lext [cech) einleuchten. Uns scheint am nächsten zu liegen die
Annahme, dass das Wort gleichartig gebildet wurde mit dem *jiäx'l
(neben dem adjecti vischen .lA/ttCKt) und dem russischen nciixi. (zu
no.iicLe), d. h. das Suffix s [ch) anzunehmen. Das mhochd. kehse con-
cubina und altnord. hefser Sklave (Kluge) gestatten die Annahme einer
Form kip&o also ^laxi. aus ^keps'b] und die Zusammenstellung derselben
mit dem russ. TienaxH, ^anaxn (fangen, aufgreifen), russ. ^lani,, altböhm.
6ap^ dep (Zapfen), russ. ^eraira, Mentira, pol. czapiga, czepiga (der höl-
zerne Theil des Pfluges), bulgar. 'ient, yenKa (Zweig), Tienaxt (knorrig)
u. s. w.
A. SobolevskiJ.
246
Ein Schreiben des Patriarchen Gennadios Scholarios
an den Fürsten Georg von Serbien.
Die kgl. Bibliothek zu Dresden besitzt aus dem Nachlass Gühling's
eine junge Papierbandschrift A 187, die mancherlei merkwürdiges ent-
hält. Ich habe anderwärts i) gezeigt, dass sie im J. 1600 wahrscheinlich
auf einer kretischen Besitzung des Sinaiklosters geschrieben wurde. Der
Sammler hat aber offenbar irgendwelche Interessen an der Kirche Ser-
biens gehabt. Nicht nur, dass er p. 404 des I. Theils in der Mystagogie
des Symeon von Thessalonich de sacramentis c. 94 (MSG. 155, 284 A)
vor den Worten öib xai Iz ds^uop ein Rubrum bietet, das in dem ge-
druckten Text fehlt : Ol de ^sQßoi Tcoiovat to kvavriov y.al äyvoiovai
— offenbar auf die Lage des Gottesmutterstücks auf der rechten Seite
des Diskos zu beziehen — , er hat p. 512 — 516 eine Correspondenz
zwischen dem Fürsten Georg I. Brankovic von Serbien (1427 — 1456)
und dem ökumenischen Patriarchen Gennadios II. Scholarios (1453 —
1459) aufgenommen. Da diese fast noch unbeachtet zu sein scheint 2),
gebe ich sie im folgenden wieder.
Dabei bemerke ich im voraus, dass die Zählung der einzelnen Ant-
worten von mir herrührt: auf Grund dieser einen Handschrift, deren
Sammler die verschiedensten Quellen bunt durcheinanderwürfelt, wird
sich nicht mit Sicherheit der Umfang der Correspondenz abgrenzen
lassen. Es könnte sein, dass ihr nur das erste, sicher interessanteste
Stück § 1 — 3 angehört. Auf Grund der von dem Erotapokriseisschema
der sonstigen Quellen unserer Handschrift abweichenden Form, die
Frage nicht als Frage, sondern als Ueberschrift einzuführen, glaube ich
aber, dass § 1 — 15 zusammengehören. Die beiden letzten §§ 16. 17
») Byzantinische Zeitschrift 1905.
2) Durch eine gütige Mittheilung des Herrn Herausgebers erfuhr ich,
dass Archimandrit Ruvarac eine serbische Uebersetzung besitzt. (Diese be-
kam der serb. Historiker durch die Vermittelung des gewesenen serb. Ge-
sandten in Konstantinopel, Herrn Stojan Novakoviö, von einem serb. Geist-
lichen, der den Text in einer Handschrift auf Patmos fand, abschrieb und
übersetzte. V. J.)
Ein Schreiben d.Patr. Gennadios Scholarios a. d. Fürsten Georg v. Serb. 247
habe ich nur aagefügt, um nichts auszulassen ; sie gehören wohl nicht
mehr dazu.
p. 512 ZrjTrjf^iara /.al egiorrjaeig tov evoeßeCTCcrov öeotcötov
^SQßeiag kvq recoqyiov TtQog rov itavayaoraznv /.al oi%ov-
(.levLAOv JtaxQiäqx^v /.vq FsvadLov tov ^%oX6.qlov: —
drtonQtasig rov TtaTQKXQxov.
5 (1) ^HqwTrjaag tzeqI Tf]g s^rjyrjaeiog tov &€0(pvlä/tov aQX^~
ETCLO-KÖTtov BovlyaQtag. -/.al avrr] loreQX^'^l Ttaqcc Tfjg
k-AyilrjoLag. ax^dov yccQ ovöhv MyeL Xölov avrov, älla
Ttavra eIölv äXXcjv ayiiov y,al (.idliatcc rov XQvoooröfiov.
■/.al 7]v aocphg y.al öqd-udo^og aqxLEQE'Og. ei de evQloy,eraL
10 ev tolg ßißXioig rolg ^eQßiyiolg tl oiteq 6o'/.ei oti
ovy. eoTiv vyieg, aTtb rfjg dyvoiag eoxl tov i.ietayXtot-
tiOavtog t) (.lerayqäipavrog.
(2) xh de ßißliov xov Bavd-OTtovXoii eoxeqxd^rj Ttaqa xfjg
ey,ytXr]aiag. f.irj7toxe öe i^iexeylMxxio-d^rj eig xh ^eqßi'/.ov
15 ov '/alöjg^ lav 6oY.fi '^^ "^^^^ ^^ ytalüg ytal ÖQ'S'CÖg
XeyeLP. ev yaq xfj rptovfj fji.uüv bXov eoxl xh ßißltov
ÖQd-odo^ov.
(3) xa de dLrtXoKax)]xovf^teva ev (.lövaig xalg 7tQnr]yiao[ievaf,g
p. 513 Xeyovxai, \ xh de dyiaG(.ia xiov aytiov ^eofpavLÜv
20 Xa(.ißccv6xai Ttqh xov dvxidojqov.
(4) (eqcüx.) TIeqI xfjg Ttavayiag xfjg /.leydXrjg ite/^ijtxrjg.
(dTtözQ.) 'H dvacfOQcc xfjg navayiag rj ev xfj /.leydXj] 7tef.i7rxr]
vipovi-ievr] yivexai /axd xyjv avvfjd-eiav xCov dXXiov
fifieqüv TiXfjv ev x(p ßf]i.iaxL, ov-/. ev xfj xqajxetrj xfjg
25 xqocpfjg. dio '/al (pvXdxxexat '/al f.iexaXa(.ißdvexai
oxe XQ^^^ ^Qo xov dvxidi'oqov.
(5) {eqibx.) JJeql xov ^lovda.
[drcÖT/q.) '0 ^lovdag ejtetr]Oe (.lexa xfjv Ttqodoalav
oXiyov, i'wg ov exeXeod-Tq, o Xeyexai ev t(p ßißXUit
30 xü)v Ttqd^eoiv.
(6) {eqö)x.) TIeql ^vGiaaxr^qiov ^ioXvvd-evxog.
[dTtö-zq.) Th ^vaiaaxriqiov ;cw^ic; xiov avfißdvxiov dt
OTtola GviiTTxiofxaxa yivexai Ttqwxov dyiaa/j-ög,
1 — 4 roth. 2 und 3 ^ D. 5 d^BotpiXccxrov D.
21 4*'. 22 V^'.
248 E. von Dobschütz,
elza ^voia. kav ymI T;tooaqäy.ovTa r^^(.uqai /.al
TtXeiovg TtaQild^iooiv, äve/XTiodiaTwg nal ädia/.QLTtog
XeiTovQyelTai.
(7) (Ipwr.) Ilegl hgiiog /.ai /.ogul/.ov TtLvovrog vdwq ev vvtitL
5 {a7t6y.Q.) Tb lav jt/tj vdcoq b lbqevq kv vv'/.ri, ccTib
TtolltJv ahiwv eoriv ti f-uv oiiv ölipav Ix tcoAv-
(paylag auI f.i€^rjg eOTtsQLvfjg eo^ev , ov dvvaxca
^OiäGaf b de Xal/.bg si TtQo «^ ojqüv ttIj] xb vdioq.
Tilrjv kS, äod-Bveiag^ dvvarat 'Aa(.ißdveiv tbv evkoyrj-
IX) (.livov aqrov rjroi rb avrldwQov . 7r/.rjv b Sctve-
XÖfxsvog ayiaofxov öt ev'/Mßeiav rcXeov vj(pe'K(.lxaL
rov äyLaLof-ierov, lav /.al rb rv^bv IfiTtöÖLOiia fj.
(8) {egtoT.) JleQi IsQewg orav fxrj e'kdj} (xerh tüv a).lo)v tegeiov
röjv TTjV 7tQoaA.of.ii6r]v Ttoir^aävroiv, si övvarai AsitovQyr^aai ;
15 (ßTTO/t^.) 'O voTEqr]aag hqevg (xerh rrjv TtQoay.oi-iidrjV
ov dvvarcii ?^£iT0VQyfjaai , et /.ai Tti/^g /.a/cDg
Ttoiovvxeg /.al avaidCog y.al f^üxQi if^g TtQOJTrjg eloööov
jiQOOTid-Evtat Y.ul avToi.
(9) [kgöiT.) TltQL Tov aravQOV.
20 (aTtö'/g.) Tb axavQL/.bv '^vlov ol keyovreg avalr](pd-^vai,
eig %bv ovqavöv, ovv. oXdaoLV^ xi Xeyovaiv.
(10) [eqür.) Hbql aq^LEitta/ÖTiov '/a\ Ttarqiäqxov.
{aTtöy.q.) Jvvaxai b avd-evrr]g tov tötiov /.al rj avvodog
ziüv iTVia/ÖTttüv Ttoif^oai aqy^unio-/.07tov /.al Ttaxqtäqyr^v^
25 -/.al (J.rj GvvLaxa^iivov xov xötiov, Iv w rjv jiqöxeqov
j] y.ad^eöqa avxov. b [.irjxqoTtoXlxrjg NavTiäy.xov
p. 514 y.ä^rixai Iv allrj Tiö'keL \ Ölöxl xb Nav/tw/xav
yiaxiViy.öv ioxiv /.al ov öi%ovxai avxöv , /.al o^wg
övo^ätexaL NavTiäv.xov. b '^Pcoalag dvo(xä'!^exuL
30 /al eaxi Kvißov /al Tiäorjg 'Pioaiag /.al b/j-tog
■/ädiqxai iv x(^ Mooyoßuo^ ölöxl xb Kvißov eaxi
.AaxLVL'/bv (y.al) ov ;fw^£t avxbv ovxa öqd-ööo^ov.
'/al inl aXktüv tvoDmv oxe ly.oaxelxo h Ktovoxav-
1 TjfiiQus D. 5 anoxQ.a.. R. 13. 15 egan. anöxQ. a. R.
19 Jpa'x. a. R. 22. 23 eQu^c. anoxg. a. R. 27 tov vavn. D.
30 xvifxov D^, corr. ßov Ji-. näarj q(aaiag D. 31 xvißov so D.
32 xtti von mir zugefügt.
Ein Schreiben d. Patr. Gennadios Scholarios a.d. Fürsten Georg v. Serb. 249
TivovTtoXtg v/tb ^latLviov ert] s^T^y-ovra rgia, lyivovto
TtatQLÜQxcd KiovOTavrivovTtöXetog /.ara diadnp]v /.al
ovriog wvof.iaCovTO '/.al ofxiog iyAd-iqvxo iv rf] Niviaia'
1/.EI yaQ TÖTE fjp To ßaaikeiov . Tckrjv öttov IgtIv
5 6 ToiovTog aQyiie7iiO'/.07tog ^ TcaTQiccQxrjg, ov dvvaTai
elvai k'KBi InLo'KOTiog aXXog yvrjOLog^ aÜJ b evQLO'/.ö}XEVog
]] f.iEraTid-EtaL Elg aXÄi]v E'/.y.kr]aiav, *) eI /.irj {.likkoi
yEVEOd^ai TQiaE7cia/.07rog, iöid^Ei diu Tb -/.oivbv av(X(peqov.
(11) [eq(!ot.) Ei dvvarai sTclayiOTtog rj jtarQL&Qxrig xixyqlg 6ia.v.6vov
10 XEiTovQyfjaai;
[a7t6'/.Q.) Jläg iTcioAOTtog dvvarai ^vaiäoat fxövog Aal
X^Qig öiaxövov eI exec ^vaiaarrjQiov Xöiov Iv tm /.EkkUij
avTOV y.al idUog ^rjÖEvbg älkov TtaqövTog eI f-irj tov
VTtrjQETOVVTOg aVTCp. (paVEQWg Ös EV TJ] (.U]TQ0JT6kEL
lö avTov t] /mI iv Tip iöicf) d^vaiaaTr]Qiq} 7tokkG)v oQiovTiov
ov övvaTai x^Q^^S dur/.övov kvbg xb skaTTov.
(12) {eqcot.) üeqI tov aTro'AEiQavTog iavTbv x^Q'^S d-Ekiif-iaTog
Trjg ov'Qvyov.
{a7tö-/.Q.) '0 a7to/.Eiqo}v kavrbv ÖEÖEf-iivog yafxio X'^Q^'S
20 d^Eki](.i.uxog Trjg avCvyov cc(.iaqTävEL. Tb 6e /igöaioTtov Tb
ajtoYMQEV l^ExäCEi ETtiOKOTCog /.al eI (,iEV ■/.axa nElo\ia
■/ML (pikovEmiav ä7t£/.dQr], Ttäkiv awÜTtTEi avTb fXETct
Ttjg ovZvyov ' ei öe /.arä &eIop oy.07t6v ^ ov-/. cctio-
ßakkEi TO. (.lovaxt'/ä.
25 (13) (|(»(ür.) nEql (.uav^EVTog ayisvovg.
{ärtö-AQ.) Tb (.iiavd^EV ay.Evog ei (xev Tif-iiöv eotiv,
ayiaQETUL, ei öe EVTEkkg, äxQEWvvai. ofj.iog xal
T(x ßQÖJGLfia äxQEiovvTai av fxiavS-üaiv.
(14) [eqwt.) UeqI tov E(.iEoavTog eI dvvaTat f-iETakußsiv.
30 [aTCÖTiQ.) "^0 EfiEoag arjUEQOv övvaTai avQiov (.lETakaßElv.
eI Öe '/aTETTEiyEi , '/.al tji avTfj fjfisQcc, eccv Tiqbg d^ävaTOV
vnäqxu V ccod^EVEia /.al ov-/ Ecpd^aas Tiqb tovtov
f^iExakaßElv . El Öe ToiavTi]v äa^evELav exel Ttg \
p. 515 log TO EfiElv (XTtav TO /cqoaka(.ißavöfXEVOV, ovÖEfiia
5 ncczQtccQ}(rjs: danach aus Z. 9 flf. einige Worte, aber durchgestrichen.
17. 19 IpüjT. ccnöxQ. a. R. 23 t^? correxi, tov D. 25 tQojz. a. R.
29. 30 iQ(üT. anöxQ. a. R. 33 ix^iv\ 1. 'ix^i Tis- 34 1. ^ote?
250 E. von Dobschiitz,
aövva(.dav rov av^QWTtov avaTtkTqqoi to vaTeQrif.ia
T^g (.leTalrupscog^ ei Tr]V i-ierävoLav -Kai zrjv l^oj-io-
löyriOLV ede§aro rov av^QcoTtov. et Se Ix (.ie^r]g
o b Ifietog Aal ova £§ aa^eveiag /.ai ovöe S-ävarog
xaTETteiyei ?) yial ev vr^oriixoig fjfi€Qaig ctqywv fjfxigag
iLvag Jial {.uravoCüv ^ elra /.oivioveirio /.axa rrjv didc/.Qiaiv
tov ixei^ovog.
(15) [eqiüt.) Ei xQTj ta ^rjQiößQcoTa iad^iea&ai]
10 {änö'A.q.) Tä d^r^QLÖßqiora ?} d^rjQiOfpövevTa ov/. sioi
^vr]ai{j,aia, ovöe ta vno Ttaidtov xTeivöfxeva. yvvaiyibg
dk cpovevovGr^g ov dal iod-iead^ai.
(16) [eqüix.) IleQi rov tqItov ovquvov.
(ccTtoyiQ.] (Oy TQlrog ovQavbg,€igdv fjQTtäyrjo fxax(XQiogIIavlogj
15 soTii' b XQiTog XQÖTtog Tfjg ^tioQiag rov d-eov. ÜQWTrj yccq
d-eojQia lazivfjccTrb tCov eiy.6vo)v rov d-sov rjyovvTÜv 7tou]f.iaTcov
avTov, y.aS^wg b IlavXog avxbg Xtyei^ bxi ra aÖQara
rov d-eov ocTtb ATiaecog -/.daf-iov öia röJv 7tou]i.idt(ov voov(.ieva
Y.cc&oQärai naq r^^ilv. JEVtiqa larl voeqo. ffvaiy.rj^
20 btav b vovg x^QtCfj kavrbv anb rfjg -d-ewQiag rov y.6ouov
y,ai rü)v rov -/.oai-iov ymI rüv TtqoGTcad-üv rov aw/u-arog
'Aal oXog ivaaxoXfjraL rfj (.iskirj] rCov ^siiov y.al aiöiiüv
y.ara rag VTrorvTicoasig rfjg jciarecog y.al rüv v6f.iiov rov
^eov. Aal roxi, (pwxi^Exat Ix rov d-eiov (fO)r6g
25 Aal xiveg TiqoßXiTtovoiv xa f,isXXovxa log ol :n:QO(pfjxai.
TqLxrj egxIv voeqcc vtveq (pvaiv, öxav b vovg y.axa ^ilrjfxa
^Eov vxpoi^fi Ttqbg artOAaXvipiv Ttqayfxäxtov ^eioxeqojv
Aal ovqavLiov [xai] aTTEq r] (.lEXXovoa ccTtOAaXvipEt rj^iqu xolg
a^loig, Aal tdj) avxa ova ev nlaxEi alX^ kv yvcboEi 'Aal
30 AaxaXrjipEi.
JäX?M xb äXtjS-EOXEQÖv EGxtv hxL xQixog ovqavög
EGxiv, ov Aal jtaqäÖELGOv XEyEt, b E^wxEQiAbg ovqavbg
9 &riQi6ßo(oxos LXXGen. 44, 10, danach Chrys. de Providentia 12, Greg.
Nyss. c fornic. = von wilden Thieren aufgefressen ; hier, durch S^^ioqio-
vBvxa erklärt, nur = von einem Thier getödtet. 13. 14 J^cot. tmoxq. a. R.
14 o rubr. omissum. 15 i7, 19 J, 26 T, 31 A roth. 28 xai
scheint getilgt und ist zu tilgen. 30 xaTa^slxpei, corr. m. 1.
Ein Schreiben dPatr.GennadioB Scholarios a.d. J'iirsten Georg v. Serb. 251
■/.ai reXsvTaiog. tqeIq yccQ doiv ol ovqavoL' '0 %fi7tvQog
riyovv b «/w*' xovg ccotiQag, '0 devTsgog b /.gvoräXlivog
'Iriyovv tu aTsgetof^ia, Tgirog rj €§(0 ocpalQa oitov
dvegxovrai ai ifjuxcd tCov ayiiov /.al acp ov /.aTekev-
h oovTcci tv rfj öevTSQa TiaQovoLa. eig zb avakaßelv
rcc ocbfiara ccvaöxiqoöf^iEva töte Yva tEKei(x)d^G)Giv
vvv yccQ ei y.al ct7Colavovot Tfjg ovQavüv f.ia/.aQt6Ti]Tog, \
p. 516 dlV uTSÄelg eiai dia to llXeLneiV avTCJv tcc awf^iaTa.
b yccQ Ixvd^QioTtog ovxi ^vx^] l^iövov eazip,- älkcc ipvx^
10 (.lExa Gi'o(.iaTog, ovöe i^iäTi]v b ^sog Trjv Xoyr/.rjV
ipvyjjv avvedrjaEV (.ietcc aibf.iaTog 'ivcc y^coQLGd-Eloa ci/ta^
firj^ETi Evtod-fi, äXlä öei avTrjv kvwd^fivcti tovtm tvote
yEVO(.iEV<i} d(pi^ccqto) . e/.eI tolvvv eig top tqLtov '/.al te-
kEvralov ovqavbv 'Aal vorjTbv TiaqäÖELOov., kv m eiaiv ol
15 äyyeXoi y.al fj ipvx^ zov Ilavkov fj kiyovoa' ^ETtid^v^ü)
dvaXvoui y.al oiiv Xqigtm Elvai' y.al tCov aXkcDv ayuov
TU 7tvEV{.iaTa, EAEl fjQTtdyr] -rj ipvx^ tov Ilavkov
JiTtOQEl (5t, äqa fXETo. Giü(.iarog r) %w(»tg tov Gijjf.iaTog,
OVX ^l^t VTtOTtTEVEL (.irjTCOTE y.ttl TO Gw/^ia aVTOV TjQTtdyr]
20 (.lETct Tfjg ^pvx^fjg eig tov ovqavöv lyivoiGyE yaq oti tovto
dövvaTov fjv TÖTE, ETtELÖrj Göjfia (pd^oqäg elyßv etl. otuv
de aff&aQTOV yEvrjTat y.al kka^pqbv y.al kafiTcqbv olov ^v
TO TOV Xqlgtov (.lETcc TTjv dvaGTaGtv , TÖTE dvaßrjGETai
yal avxb /.ietcc zrjg ipvxfjg ^ig tbv ovqdvLOV rcagdÖEiGov
25 og EGTLV TÖTiog TÜv f.iayaqLa)v. dkka dTCoqsl, äqdyE rj
ipvx^} ExtoQiG^rj TOV Gio(.iaTog Jtqbg yaiqbv yal dcp^xEV
auTo vEyqbv eiog ov Tidkiv VTteGTqeipe -/.azä ^avfxa t]
E(.iEVEV ivTbg TOV GCüf.iaTog, fjqTtdyrj de '/.al Eig tov ovqavbv
y.al fjv bi-iov Iv Tcp Giojj.aTi (pvoiyiog yal ev tio ovqavCg
3 y.aT IviqyELttv, 'iva drcoyakvcpd^fi tcc fxvGTrjqia twv
ovqavCbv Eig wcpEkEiav Tfjg oiyovfiEvr]g, ojtEq egtI (.iel^ov
d-av(.ia TOV TtqoTEqov.
(17) [eqioT.) TL Gt]f,iaivEc vdqöov JciGTiKt] 7tokvTi^ov\
[aTiöy.) Tb Ttakaibv EÖioys Miovofjg tx TEGodqoJV elÖüv yevEG^at,
Tb f-ivqov Tb keyöfÄEVOv TCokvTifiov, o i]kei,(pe Tovg hqEig
1, 2 O, 3 T roth. 17 "rjqnttyei D, corr. m. 1. \% M roth.
33. 34 i^wT. unoxg. a. R. 33 Titel roth. n'iazixT] so hier. 35 EiXr}g)B D.
252 E. von Dobschiitz,
anh /.erpalfjg ecog Ttodüv, tteqI ov keyei b Tiqocpiqrr.g Javiö '
'wgi-ivQor S7tl yf.ecpaXfig rb -/Mtaßalvov srrl Ttcbyojpa' xal rot e^f^g.
Ttai ItiI TovToig eoTTjOsv eTiiarrjfiovag oMiovofjgj rovtovg fxövovg
(Qydtso&aL avrb xa/, rovto sQf^Uivevet rb 7tiOTiy.r]g Tio'kvTiixov
5 xb £^ ercLOTTK^irig örjlordtt yev6f.i£vov. ta de Eidr] elalv
ravza- avS-ovg af^ivQvr]g, Kivdfitoi.iog £VfU(5»yg, 'iQetog
y.aXdixov evibdovg /.al eXatov.
2 nöyLoi'fi D. 4 niaT'ixrjs so hier D. 5 iTuniaTTjfirjs D. 6i]XXovÖti D.
Die beiden ersten Fragen bieten das meiste Interesse als Beitrag
zur Geschichte der serbischen Literatur.
Leider wissen wir nicht genau, welche Commentare Theophylakts
gemeint sind, und welches ßißXiov rov Buv^orcovXov. Man denkt bei
letzterem naturlich zuerst an den vielseitig thätigen Kirchenhistoriker
Nikephoros Kallistos Xanthopoulos ; es gibt aber auch andere Träger
dieses Namens i), besonders könnte das Handbuch der Asketik von den
beiden Brüdern Kallistos und Ignatios Xanthopoulos hier noch in Be-
tracht kommen. Ebensowenig wissen wir, was die Bedenken der Serben
gegen diese Schriften erregt hat.
Bedeutsam ist in der Antwort zunächst der Ausdruck kirchlicher
Approbation, für den aus der orthodoxen Kirche viel weniger Belege
bekannt sind, als aus der abendländischen 2).
Theologisch interessant ist sodann die im ersten Falle beigefügte
Motivirung: 1) Theophylakt bietet fast nichts eigenes, fast nur Väter-
exegese. Es ist das gleiche Princip, das wir mit der grössten Deutlich-
keit bei den Exegeten der karolingischen Periode ausgesprochen finden.
2) Der Mann selbst war ein orthodoxer Kirchenfürst.
Charakteristisch für den Stolz der Griechen, mit dem sie auf die
barbarischen Nationen herabsahen, ist endlich die Art, wie der Patriarch
von den serbischen Uebersetzungen spricht: der Unkenntniss derüeber-
setzer traut er alle Fehler und häretischen Entstellungen zu.
Kenner der serbischen Literatur werden uns sagen können, wie es
um diese Uebersetzungen bestellt ist.
1) S. meinen Artikel Nicephorus Call. Xanth. in Hanck's Real-Encyklo-
pädie 3 XIV 20 f.
2) Ueber den Gebrauch von aTsgyety acquiescere im Sinne von appro-
bare zur Zeit des Florentiner Konzils s. Suicer, Thesaurus s. v.
Ein Schreiben d. Patr. Gennadios Scholarios a. d. Fürsten Georg v. Serb. 253
Zu der Frage über Theopbylakts Commentare gehört auch die 5.
über Judas' Ende und vielleicht die 9. über das heil. Kreuzholz.
Mit der räthselhaften Person des Verräthers hat sich die fromme
Phantasie immer gerne beschäftigt. Die Frage, ob auch er noch hätte
Busse thun und das Heil erlangen können, findet vielfache Beantwortung,
und meist in bejahendem Sinne i). Kedrenos weiss, dass die Apostel ihn
zur Busse ermahnten 2). Sein Selbstmord wird auf eine besondere Ein-
wirkung des Teufels zurückgeführt 3). Andererseits haben einige Exe-
geten, als erster wohl Origenes^), der Reihenfolge bei Matthäus folgend,
angenommen, Judas habe sich noch vor Jesu Tod entleibt, um dem
Herrn im Hades zuvorzukommen und dort seine Verzeihung zu erlangen.
Diese Auffassung wird von Theophylakt in seinem Commentar zu
Matth.275, nachdem er selbst den Selbstmord als dcaf.iovLCodeg und aus
Furcht vor der Schande ^) erklärt hat, als die etlicher Exegeten wenig-
stens angeführt 6). So mag sich die Frage erklären.
1) Leo I. de passione domini s.I 5 MSL 54, 316; Asterios von Amasciaet?
(iBTÜpoiau bei Phot. bibl. c. 271; Eus. Alex. s. XVHI = Ps. Chrys in resurr.
MSG 61, 736 = Sacra parall. frgm. 495 Holl; Christus patiens v. 220 ff. p. 41
Brambs.
2) p. 345 le ed. Bonn, erwähnt auch in ep. 17 des Michael Glykas. (s. u.).
3) Origenes in Joh. tom. XXXII 24, 317 (p.469 Preuschen); Ps. Ignatius
ad Phil. IV p. 2I818 Zahn (vor Jesu Tod!j ; Ephraem Syr. evang. conc. exp.
C.20 p.240 Moesinger; Petrus Comestor hist. scol. evang. 162 MSG 198. 1624 f.
nimmt an, dass der Teufel ihn erst wieder verlassen, und so der dolor die
Ueberhand gewonnen habe, worauf der Teufel wieder bei ihm eingekehrt sei.
*) Origenes in Matth. comm. ser. 117 (V 24 Lomm.): cxistimavit enim (Ju-
das) praevenire in inorte moriturum magistrum et oceurrere ei cum anima
jiuda, ut conßtens et deprecans misericordiam mereretur. Die koptisch erhal-
tenen Akten des Paulus und Andreas wissen aber, dass Judas dieser Plan
misslang: als Christus die Hölle entleerte, wurde er allein zurückgelassen,
nicht wegen des Verrathes — für den hatte er Verzeihung erlangt — , sondern
weil er nachher noch dem Teufel als seinem Herrn gehuldigt hatte (Lipsius,
Apocr. Apostelgesch. I 616;. Aehnliches muss auch Abba Ammonius gelehrt
haben: bei Christi Ankunft seien wie den anderen so auch Judas die Ketten
abgefallen, aber nur die Gläubigen habe Christus mit sich aus dem Hades
hinweggeführt (s. ep. 17 des Michael Glykas).
5) Dies nach Chrysostomus in Matth. hom. XV 5 MSG 57, 230.
ß) Tivig da Xkyovaiv ort b'IovSa; cpiXdoyvoog wi' vneXäfj.ßuyey ort ccvtös
TB XEQ&r]aEi XU ttoyvQccc noo(iovg Xqiazov y.al o Xoiazhg ovx unoxxfcyihi^aBTai,
üAA« (fiu(pvyt] Tovg'IovStciovs ^s no'kXäy.ig tfiicpvyB' xöxB di idiav avxoy xaxa-
xoid^iyic. xal rjdrj xaza&ixfcad-tyxa dno&avelv, fXBtBfJ.B}.T]&r] as xov nQayfxaxos
254 E. von Dobschütz,
Die Antwort des Patriarchen ist oflfenbar bestimmt durch die land-
läufige Harmonisirung der Berichte bei Matthäus (27 3_jo) und in der
Apostelgeschichte (lie— 2o)j wozu dann noch, durch ApoUinaris von Lao-
dicea in die exegetische Tradition eingeführt, die Papiaserzählung tritt i).
Die ersten beiden Berichte lassen sich zeitlich noch eng zusammenrücken :
rupto laqueo putatur post cecidisse et crepuisse — sagt Petrus Comestor
und fügt ausdrücklieh hinzu: nach den einen am gleichen Tag, nach den
andern erst nach der Auferstehung 2). Ein lateinischer Exeget, Hilarius
oder Faustinus oder wer sonst der Verfasser der Quaestiones ist, gesteht
ausdrücklich, den Tag nicht bestimmen zu können ^l. Im Morgenland aber
wirkt bewusstoderunbewusst immer noch die 3.Ueberlieferung mit hinzu
und nöthigt einen längeren Zeitraum zu statniren ^]. Durch diese auch von
Theophylakt gebotene Harmonistik '^) ist auch Gennadius bestimmt, wenn
er sich auch nur auf die Apostelgeschichte beruft. Im Gegensatz dazu
steht der 17. Brief des Michael Glykas an Nektarios, die ausführlichste
nnnßuvxog naq 'öneo vns'Ad/ußai'E. (ho xrd unrjy^aro, \va TtQoXaßtj tov "Irjanvu
tv TCO "Jidri xal IxETBvffag acoTT^Qias^ TEvirjTcci. Vgl. Catena Corderii (Toulouse
1646) zu Mt. 27.5 mit dem Lemma Xqvaoaxonov. Als Meinung von rwis ab-
gelehnt auch bei Michael Glykas ep. 17.
1) Catena Oxon. ad Act. apost. ed. Gramer p. 12 f. Vgl. Patr. apost. opp.
ed. von Gebhardt, Harnack, Zahn I 2, 93 f. ApoUinaris verbindet ausdrück-
lich Mt. und AG. durch Ineßico y.cu9cciQeO-Eis ttqo xov hnonviyi]ri'.i und fügt
dann als Erläuterung zu AG. die Papiasstelle ein. — Ganz vereinzelt steht
die aus Mt. 18 e, geschöpfte Behauptung des Aphraates, Hom. XVII 4, S. 217
Bert, Judas habe sich einen Mühlstein um den Hals gethan und sich ins Meer
gestürzt — wie nahe die Verbindung lag, zeigt Adamantius Dial. I 16 p. 34
V. d. Sande Bakhuyzen.
2) Petrus Comestor bist. scol. evang. c. 162 MSL 198, 1625 (vgl. act. 9
ebd. 1649).
3) Pseudo-Augustin quaest. de Novo et Vet. Test. qu. 94, MSL 35, 2288
(vgl. über den Verf. Bardenhewer Patrol.410): weil man am Sabbath kein
Geld tragen darf!
*) So verbindet schon Ephraem Syr. evang. conc. expos. c. 20 p. 240
Moesinger das laqueo se suspendit Mt. und cecidit et crepuit medius AG. durch
die Annahme, dass der Strick riss ; fügt aber hinzu alii dicunt, Judam portani
o.lausisse et interius obserasse et donec putresceret et totiis venter eins esset dif-
fusus nemo portam domus aperuit ut interiora videret. Christus patiens V. 1429 f.
1693 f. verbindet Mt. und AG.
5) a. a. 0.: nX)^v yc^waxE oxi iS^rjxe fiki' xov xqä)(t]Xoy avxov e<V xijy t<yx^~
rrjv ano SivSqov xivos xqEfxt«Jc<s iavxof, xov (ff Stuö^ov xXi&ifXog tnü^rjaE ....
(paal yao bxc i'oato v&E^ixfi TTEQininxtaxEy . . . (= Papias).
Ein Schreiben d. Patr. Gennadioa Scholarios a. d. Fürsten Georg v. Serb. 255
Erörterung im3erer Frage aus der alten Zeit, die in dem Nachweis
gipfelt, dass Judas iv avrfj rf] dyxöpj] ro rov ßiov rilog Ids^ato i).
Schwieriger ist die 9. Frage: Der Gedanke einer Entrückung des
Kreuzes in den Himmel muthet zunächst an wie eine Reminiscenz an
das Petrus-Evangelium, wo dem aus dem Grabe auferstehenden und gen
Himmel fahrenden Christus ein Kreuz folgt, von dem aus eine Stimme
erschallt 2). Direkter Einfluss des Petrus-Evangeliums ist so gut wie
ausgeschlossen. Vielmehr wird die gleiche Gedankenverbindung mit-
wirken : als das Zeichen des Menschensohnes bei Christi Parusie (Mt.
243q) dachte man sich das Kreuz 3). Vom Himmel her sollte es Christus
voranleuchten. Also musste es zum Himmel entrückt worden sein.
Diesen Schluss zieht ganz direkt Chrysostomus in seiner 2. Rede auf das
Kreuz und den Schacher c. 4*). Die Idee entsprach der Tendenz, die
Himmelfahrt Christi auszudehnen auf die ihm Nächststehenden — daher
auch für Maria eine Himmelfahrt angenommen wurde ^). Sie entsprach
der exaltirten Kreuzesverehrung ^). Vielleicht hängt sie auch antithe-
1) MSG 158, 904: zunächst wird Papias scharf abgelehnt; dann AG. so
mit Mt. harmonisirt, dass der Strick vielleicht nachtraglich gerissen und
der todte Judas herabgestürzt sei, so dass die Eingeweide verschüttet wur-
den. Den Acker habe nicht er, sondern der Hohe Rath gekauft, und nicht
um Judas zu begraben. Als Autoritäten werden noch genannt Chrys. in Matth.
hom. 85, Nilus und Ammonius. Dass diese Briefsammlung Glykas und nicht
Zonaras gehört, s. Krumbacher SB München 1894, 391 ff., LG -^ 383. Woher
dasCitat Joh.Zonarae ep.46 bei J.Monnier la descente aux enfers 186 stammt,
weiss ich nicht.
2) Ev. Petr.39 xcci aiavooi' (ohne Artikel) &xo^ov&ovyTa avxol? (dem von
zwei Engeln begleiteten Christus) ; 42 xal vtckxotj tjxovsto ano rov aravoov.
3) [Elias]-Apocalypse p. 161 Steindorff, Daniel-Apocalypse bei E. Klo-
stermann Analecta 120 no; andere Stellen bei Bousset, Antichrist 154 ff.
■*) MSG 49, 413: ßovXei /nad-elu tkü^ xcd ßuaiXEucg avfxßoXov h axc'.v^6s\
xcel TiüJs OEixyhu zb nQCiyficK iaxiu , ovx ucprjxev uvxoy Eiuai inl X7]s yrjg, aXV
ayianccaey uvxov xal elg rov ovQuvov uvriyaye. nöO-ey SfjXoi' xovxo \
fiEx^ (cvxov uiXXei t^'/^a&ui iv xfj öevxEQa nccoovaU^ — folgt Mt. 24o6— 30. Schon
lange vor Chrysostomus hatte die Sibylle das Kreuz für den Himmel in An-
spruch genommen (Orac. Sib. VI 26 — 28): w ^vXov iL fxc.xcQiaxoy, ecp' tu
^£op ISsxayva&rj, ov^ tgsi ae X^^^i f'^^-' ovqavov nlxou taoipei, r^vixcc ccaxgä-
xp£i{s) xo ffo»', d-EÖg, tfinvQoy buua. Buch VI ist nach Geffken Texte und Unter-
suchungen NF VIII J, 31 f. ein Christus-Lied aus häretischen Kreisen und
wohl älter als das III. Jahrb. Hier wäre also eine Nachwirkung des Petrus-
Evangeliums möglich, die bei Chrysostomus nicht in Betracht kommt.
5) S. Lucius, Anfänge des Heiligenkults 1904, 441 ff., 512 ff.
6) Neben dem Kreuzeszeichen kommen hier die uralten, ursprünglich
256 E. von Dobschütz,
tisch mit katharisch-bogomilischer Abneigung gegen den Kreuzeskult
zusammen
Die kurz und schroff abfertigende Antwort des Patriarchen ist eben
in der Verehrung der Kreuzesreliquien begründet. Wie sollte das Kreuz
zum Himmel entrückt sein, von dem man allenthalben grosse und kleine
Partikeln besass — soviele, sagt Erasmus, dass man ein ganzes Last-
Schiff davon bauen könnte 2). Nicht entrückt, sondern vergraben war
es gewesen, bis die allerfrömmste Kaiserin Helena es wunderbar wieder
auffand 3), eine Thatsache, deren Gedächtniss die Kirche alljährlich am
14. Sept. festlich begingt).
Gennadius würde wohl sehr erschrocken sein, wenn er erfahren
hätte, dass er mit seinem hochfahrenden ovv. otöaot ri XeyovOi keinen
geringeren als seinen berühmtesten Vorgänger auf dem Stuhle des heil.
Andreas abfertigte. Obendrein war damals schon ein anderer Ausweg
gefunden, die Kreuzauffindungslegende mit dem Gedanken der Kreuzes-
entrückung zu vereinigen : nach der Weissagung des Methodius sollte
der letzte christliche Kaiser von Byzanz — und den hatte Gennadius
erlebt! — seine Krone auf das Kreuz niederlegen, die dann zusammen
gen Himmel entrückt werden würden, um Christus bei seiner Wieder-
kunft zu dienen ^).
gnostischen Gedanken von Kreuzeserscheinungen in Betracht: das Licht-
kreuz der Johannesakten 98 fp. 199 Bonnet); ein Kreuz leuchtet voraus bei
der Umweihung eines Tempels zur christlichen Kirche durch die Heiligen
Florus und Laurus, Synaxar. CPolitanum z. 18. Aug. p. 907 Delehaye. Ein
Kreuz hebt den Sarg des Apostels Matthäus aus dem Meer (mart. Matth. 26
p. 255 Bonnet), was sich fast wie eine Illustration zu Ign. ad Eph. 9i liest. —
Alles dies hat nichts mit dem Kreuzholz zu thun.
1) S. Zöckler, Art Neu-Manichäer in Hauck's Real-Encycl. 3 XIII 761.
2) S. Eb. Nestle, de sancta cruce 1889, 126.
3) S. Lucius a.a.O. 165 ff., 505 ff.
*) S. Nilles, Kalendarium manuale I^ 274 f., Synaxarium ecclesiae CPo-
litanae ed. Delehaye p. 43. Die abendländische Kirche trennt die beiden Er-
innerungen : crucis inventio 3. Mai, crucis exaltatio (= Rückbringung des
durch die Perser geraubten Kreuzes durch Heraklios) 14. Sept.
5) Ps. Methodius in den Monumenta ss. patrum orthodoxographa Basel
1569 p. 98: x«t inai' (pnvrj b vlog x^f f(7i(o?.eic(^, aynßtjtrsTcci b ßnailevs xwu
^Pco/^ctibjy, Evd-a knccyr} xb SvXovrov axavQov iy roXyod^ei xal xov ixovaiov inlq
rjfidiv vnsßXTj d^ccvaxov b Ttvqiog tj/^wv 'Ii^aovg X^iaxög, xal aQsl o ßaai'kehs xbjy
"Pojf^atcay xb axi/n/ua avxov xccl kntß^rjaei avxo tni xov axavQou (ed. axqaxbv)
xal txnexäaag xag '/elqas avxov eis xbv ovQavov naQadwaei xrjv ßaaiXeiai' xü>v
Ein Schreiben d. Patr. Gennadios Scholarios a. d. Fürsten Georg v. Serb. 257
Die rein liturgischen Fragen 3. 4. 6. 13; 7. 8. 14 überlasse ich
andern zur Erklärung ^). Sie haben immerbin einiges kulturgeschicht-
liche Interesse zur Charakteristik der sittlichen Zustände in Volk und
Priesterschaft: Völlerei war offenbar sehr verbreitet. Aehnliches In-
teresse haben Frage 12 über das Mönchwerden eines Ehemanns ohne
Einwilligung der Frau, und 15 über den Genuss nicht geschlachteten
Fleisches: in beiden Antworten zeigt sich eine grosse Geringschätzung
der Frau.
Hervorheben möchte ich nur noch die kirchenrechtlich interessante
Frage 10: die Möglichkeit, einen Metropoliten oder Patriarchen zu
weihen für einen Bischofssitz, den er nicht einnehmen kann. Es ist ein
orientalisches Seitenstück zu der abendländischen Praxis, Bischöfe in
partibus infidelium zu weihen. Die orthodoxe Kirche zeigt auch hier
ihre konservative Stimmung, indem sie nur ungern den Grundsatz preis-
gibt, dass der Bischof zu seinem Ort gehört. Die 3 Beispiele zeigen in
lehrreicher Weise den Einfluss der Lateinerzeit auf die griechische
Kirche 2). Beachtung verdient der Gedanke freiwilligen Verzichtes des
niederen Stelleninhabers dicc rb y.oivbv Gvucptoov. Charakteristisch für
die byzantinische Auffassung ist die dem avd-evTr^g rov tottov, dem
weltlichen Herrn, eingeräumte Initiative. Dass nicht nur von Erz-
bischöfen, sondern auch von Patriarchen die Rede ist, wird seine sehr
akute Bedeutung gehabt haben: Pec, der Sitz des 1346 gegründeten
und 1375 vom ökumenischen Stuhl anerkannten serbischen Patriarchats 4)^
war eben an die Türken verloren gegangen. 1459 — 1557 war der ser-
bische Patriarchat dann mit dem älteren bulgarischen von Ochrida ver-
einigt. E. von Dohschiitz.
Xmaiicivöjv joid-eö} xal naioi. y.ui uvaXr,(pd^GtTui o axuv^ogiv tu ovqayw ufia
TW arijuaccTi jov ßccac'/.iws' Siöxi b axavoös, if lo exoefiaad-rj o xvqios 7^u(üy'lT]-
aov; Xoiarhs Siic rt/U Aoivr^v twu itnüvTwv aüirr^qUiv. (cixos fxi'/.).ei cpuipead^cci
iv xft 7iuqovai(c c.vxov tiunqoaS-Eu avxov eis i'/.ty/ov xüu aniaTiay 'loväc.iüiu.
Lat. ibd. 112 und aus Bern. A 9. ed. üsinger, Forschungen zur deutschen Ge-
schichte X 621 ff.; Sackur, Sibyllinische Texte und Forschungen 1898, 93;
Bousset, Antichrist 156 f.
1) Zu Frage 7 sachlich vgl. Anast. Sin. quaest. 100 MSG 89, 752.
~) üeber die Latinität von Kiew hat Loofs in Theo). Stud. und Kritiken
1898, 165 ff. gehandelt; vgl. auch desselben Symbolik I 120 ff.
3) Die bei Krumbacher Gesch. der byz. Litt.- 1095 genannte Spezial-
litteratur ist mir leider unzugänglich.
Archiv für slavische Philologie. XXVII.
258
Eine altbosnisclie slayiscli-griechische Inschrift.
Im Dezember vorigen Jahres soll in Hodbina, einem hercegovini-
scben Dürfe, 10Y2l^°^ ^on Mostar entfernt, beim Setzen von Weinstöcken
in einer ca. 50 — 60cm tiefen, sandigen Schiebt an einer an 30° ge-
böschten Lehne eine ganze beschriebene Bleitafel ausgegraben worden
sein, die leider von den Bauern zerrissen wurde, so dass nur fünf kleine
Stücke davon gerettet werden konnten. Die Angabe aber, dass eine
ganze Bleitafel gefunden worden sei, ist vielleicht nur in dem später
zu erwähnenden Sinne richtig, denn aus den erhaltenen Stücken, bezw.
aus der auf denselben enthaltenen Inschrift muss man sagen, dass we-
nigstens diese fünf Stücke nicht zu einer Bleitafel, sondern zu einem
etwas über 5 cm breiten Blei streifen gehörten. Glücklicherweise ge-
hören die drei kleineren Stücke zusammen und bilden ein zusammen-
hängendes grösseres Fragment von ca. 7 cm Höhe, während es we-
nigstens möglich ist, dass auch die zwei übrigen Stücke, in der
Gesammthöhe von ca. 91/2 cm, einander ergänzen. Nichts sicheres
lässt sich dagegen über das gegenseitige Verhältniss der beiden
auf diese Weise zusammengestellten Fragmente sagen; da aber auf
dem einen der Text ganz sicher zuerst ein griechischer, dann ein
slavischer ist, während das aus den drei kleineren Stücken gebildete
Fragment nur einen slavischen Text enthält, so ist es leicht möglich,
dass das kleinere Fragment die — leider nicht unmittelbare — Fort-
setzung des grösseren bildet. Wir wollen also das aus den zwei grösse-
ren Stücken gebildete Fragment mit I, das andere, aus den drei kleine-
ren Stücken bestehende, mit II bezeichnen, wobei wir uns in Bezug auf
die ursprüngliche Form der vollständigen Inschrift denken können, dass
sie entweder einen längeren ununterbrochenen Streifen bildete oder
aus zwei in der Mitte zusammengefalteten Hälften bestand, somit wirk-
lich eine Tafel bildete. Letzteres ist schon deswegen wahrscheinlicher,
weil der eine Rand auf beiden Fragmenten ziemlich stark beschädigt
ist, während der andere gut erhalten ist, so dass der beschädigte den
äusseren, der gut erhaltene dagegen den inneren Rand einer Doppel-
tafel bilden konnte; jedenfalls gehören dann beide Fragmente zu der-
Eine altbosnische slavisch-griechische Inschrift. 259
selben, nämlicli zur rechten Hälfte, da auf beiden der rechte Rand be-
schädigt ist.
Als ich nun vor einiger Zeit diese Fragmente durch freundliche
Vermittelung des Herrn Dr. Münsterberg, vom hiesigen kunsthistori-
schen Museum, zur Entzifferung bekam, bereiteten sie mir anfangs eine
nicht geringe Ueberraschung : ich sah sogleich ein, dass slavische
Schriftzeichen mir vorlagen, und doch konnte ich nichts Vernünftiges
herablesen, obschon die Schriftzeichen sehr deutlich eingeritzt waren:
ich hatte nämlich zufälligerweise zunächst Fragment I in die Hand ge-
nommen, das zunächst einen griechischen Text darbietet, welcher aber
gewiss von einem Slaven geschrieben worden war. Beide Fragmente
rühren nämlich ganz bestimmt von einer und derselben Hand her
und sind durchwegs in der slavischen Cyrillschrift geschrieben, und
zwar in der Cyrillschrift desjenigen Duktus, der sich allmählich in
Bosnien ausgebildet hatte und zu dessen charakteristischen Merkmalen
das quadratische D (für B), sowie das Zeichen i» (für c-^} gehört. Dass
aber auch der griechische Text ebenfalls von einem Slaven (und nicht
etwa umgekehrt der slavische von einem Griechen!) geschrieben worden
sei, ersieht man daraus, dass auch im griechischen Text die beiden rein
slavischen Zeichen k für den silben- und wortschliessenden Halbvokal,
sowie Ml für die Silbe /m vorkommen.
Was enthalten die beiden Fragmente? Wir wollen zunächst Frag-
ment II durchnehmen, weil hier die Erklärung sicherer ist. Zunächst
gebe ich dasjenige wieder, was gelesen werden kann, wobei zu bemer-
ken ist, dass die Zeilen 6 — 9 so geschrieben sind, dass die 6. und 8. die
linke Hälfte des Streifens, die 7. und 9. dagegen, etwas tiefer als die
6., bezw. 8. stehend, die rechte Hälfte einnehmen; von der ersten Zeile
sind nur die unteren Striche einiger Buchstaben erhalten, welche sich
schwer ergänzen lassen ; am ehesten dürfte im Anfange ein CTa (vielleicht
Abkürzung für CßfTa) gestanden sein. Die weniger sicheren Buch-
staben stehen in runden Klammern, während mit eckigen Klammern
die Stellen bezeichnet sind, wo die Tafel abgebrochen ist, so dass dann
mancher Buchstabe nur zum Theil erhalten und deswegen auch nicht
immer sicher zu ergänzen ist. Bemerkt sei endlich, dass das erste
Stück dieses Fragmentes die 5 ersten Zeilen enthält, doch geht die
Bruchlinie durch die beiden letzten Buchstaben der 5. Zeile, so dass
deren unterer Theil schon auf dem zweiten Stücke sich befindet, wel-
ches den weiteren Text bis Zeile 10 inclusive umfasst, aber wiederum
17*
260 M;. Resetar,
so, dass die Bruchlinie durch diese letzte Zeile geht und den unteren
Theil derselben auf dem dritten Stück lässt.
Zeile 1 [ ] Zeile 8 WTank
2 CHÖTklUI^HpHCTf ) 9 HA PHKaMH
3 MH A «Da1^JAHCT(..) 10 [K]e Wn^OA« CQ^ 36
4 MapkKOMb HMaTH [....] 11 ma8 ^aHEMaUJk w
5 k AiJKOIlilk h[w ] 12 [..]acT HHHa /KHTS[..]
6 (h)uT 13 r hhIhS naiuir' i
7 h3E 1) C0«TH[€..]
Also in Transskription: Zeile i [8cKpk]-2cn8THy (d. i.
uskrs?iutjifn iüT uskrs?m/jem) ^iiHCT[o&H]-^M h •^- (KAHii(MiCT[\i)
4 MapkKOMk H MaTH((M)-5k, A^KOMk, HW[ßaHCM]-6k H T'HI-
CBfTHe[Yk]8 wTank^ tt j^- ßUKAU»^'^ K( wnyoAf CßS 3«-^^MA8
J\,A HEIHaiUk W-^2[k^\J,^cT HH Ha JKHTÖ [HH]13[Ha] hhhS Hall» . .,
und in deutscher Uebersetzung : (etwa: ich beschwöre dich) «bei der
Auferstehung Christi und bei den 4 Evangelisten Markus, Matthäus,
Lukas, Johannes und bei den 318 heiligen Vätern und den 4 Flüssen,
welche die ganze Welt umströmen, dass du keine Macht haben sollst
weder über das Getreide, « — die Lesung, daher auch die Deu-
tung der letzten Zeile, bezw. die Ergänzung des naiuif ist unsicher.
Fragment I besteht — wie schon erwähnt — aus zwei Stücken,
deren Bruchlinie ziemlich gut übereinstimmt, da aber keine durch die
Bruchlinie geth eilten Buchstaben die beiden Stücke sicher vereinigen, so
mag es dahingestellt bleiben, ob sie wirklich zusammengehören. Das
erste Stück umfasst die ersten 7 Linien, das zweite die übrigen; im
ersten ist die erste Zeile nur theilweise erhalten und auch die fünfte ist
durch einen Riss stark beschädigt, immerhin aber noch ziemlich lesbar ;
doch das erste Stück ist jedenfalls besser erhalten als das zweite, wo
manches schwer zu lesen ist. Ich lese also auf Fragment I Folgendes :
1) Dieses ungewöhnliche Zeichen für cyrill. 1 kommt merkwürdigerweise
auch im glagolitischen Alphabet vor, das die bosnisch-bogomilische Hand-
schrift Radosav's enthält (vgl. Archiv XXV, 21. 30); auch eine bukovinische
Handschrift aus dem XVI. Jahrb. mit einigen Zusätzen in glagolitischer
Schrift bietet in den letzteren ebenfalls ein ähnliches Doppelkreuz für cyrill. I
(o. c. 33).
Eine altbosnische slavisch-griechische Inschrift. 261
Z. 1 TS[.... \- [ ] Z, 8 TpHHOCk Mn'aTHCK(T..)
2 WHii HMrapdpk THp[ ] 9 w[t?]okS Kt naHT( )
3 WpbrHHEKh TOp(.Ck)[..] 10 rHWHk aiUlHHIv DC»Ck\-p(H?)
4 K6Hk A"W npOKODH^K») U [T]iW HkCHMk CYHHH(Kk?)
5 M(HHk fJKSpHHk neT(....) 12 (aOfTJH GOAi>(TK )
G TÖapHK» KCHlUHk [A^K) 13 7,<\npH(l\U\Ti{ji, )
7 CJMEraAOMapk 14 Mk^KHOHMk KOHfre?)
15 TKH HEBO H I^EMAS (p . .)
16 [.... npHfHHT.. Da....]
In diesem Fragment sind also wenigstens zwei verschiedene Theile
zu statuiren; der zweite Theil ist slavisch (serbokroatisch) und umfasst
die Zeilen 13 — 16, vielleicht auch Zeile 12, denn das deutlich lesbare
hdcaS könnte sowohl ,und den Willen', als auch ,und dem Ochsen'
sein; sicher slavisch ist der weitere Text, obschon es nicht leicht ist,
den richtigen Zusammenhang zu finden: in Zeile 13 haben wir ein deut-
liches H sanpHSiUTa (oder sanpHtiutia) ,und befiehlt, bezw. ver-
bietet', in Zeile 14 ist vollkommen sicher '<i;HBHtUik koh, so dass das
vorausgehende Mk etwa zu BOrOMk zu ergänzen w<äre, also ,bei Gott
dem lebendigen, welcher..', in Zeile 15 ist endlich sehr deutlich HfKO
H 3EMA^ ,den Himmel und die Erde', weswegen man das vorausgehende
>KH in ^,pk->KH ergänzen möchte, doch die letzten Buchstaben von
Zeile 13 lassen sich nicht so lesen. Obschon nun die Deutung dieser
Zeilen nichts weniger als sicher ist, kann man doch mit voller Bestimmt-
heit behaupten, dass der Text des Fragmentes I von Zeile 13, vielleicht
12 angefangen slavisch ist.
Noch schwieriger ist aber die Deutung des ersten Theiles dieses
Fragmentes, obschon es sicher zu sein scheint, dass der Text hier durch-
wegs griechisch ist. So sind sicher griechisch die Zeilen 8 — 10, welche
den Anfang des zweiten Stückes dieses Fragmentes bilden: -d^Qf^vog
(.iSTCi zr^g S-EOTÖ'/,ov '/.ai TtavTiov ayicov ai-iriv, was nach neugriechi-
scher Aussprache und in slavischer Cyrillschrift (also ohne d-, dafüi
aber mit dem wortschliessenden h) eben ergibt: TpHHOCk UiTA THCk
TfOTOKÖ KE naHT[WHk aJPHWHk aMHHk. Dagegen ist der übrige
Text in diesem nichtslavischen Theil schwer zu erklären. Ich habe mich
diesbezüglich an Krumbacher gewendet, der die Liebenswürdigkeit
hatte, eine Erklärung für die Worte DOCkYp[H r]tw nHCkHkC^HH in
262 M. Eesetar,
Zeile 10 — 12 mitzutheilen ; er liest sie folgeudermasseu : Ttiog yor^ S-£(p
■TCOLGEiv ia/vp, so dass Zeile 8 — 12 den Sinn geben würden: >' Klage.
Mit der Muttergottes und allen Heiligen. Amen. "Wie man durch Gott
Stärke machen muss . . . .« Krumbacher selbst findet allerdings die
Erklärung des zweiten Satzes sehr unsicher, weil man dabei annehmen
müsste, dass für Ttiög DOCk anstatt fiOCk und dann, weil iu ttoigbiv
und löyvv je einmal K für h stehen sollte. Zur Bekräftigung der Er-
klärung Krumbacher's kann ich aber anführen, dass auch in Frag-
ment II höchst wahrscheinlich einmal k für H vorkommt , nämlich in
dem CHSTkM der zweiten Zeile, das ich zu ScKpkCHÖTHn ergänze, wie
denn überhaupt der Schreiber kein aufmerksamer gewesen zu sein
scheint, denn er hat sicher den Fehler \'HpHCT.. für YpHCT..., dann
eßalsfAHCTH für EBaHh'hEAHCTH und vielleicht noch manchen, beson-
ders im griechischen Theil begangen, dem eben die Schwierigkeit bei
der Erklärung der Inschrift zuzuschreiben ist. Was aber in den Zeilen
1 — 7 stecken mag, darüber ist auch Krumbacher im unklaren, der
allerdings nicht das Original, sondern bloss eine nicht sehr gute Photo-
graphie und meine Abschrift in den Händen hatte ; letztere war aber
insofern ein gutes Hilfsmittel, als gerade in diesem Theile die Inschrift
sehr deutlich ist, somit ein Zweifel über das Geschriebene fast ausge-
schlossen ist. Nur eines scheint sicher zu sein, dass wir es auch in die-
sem Theile mit einem griechischen Text zu thun haben ; so könnten wir
haben: in Z. 3 ein dqyriv, in Z. 4 ein TTQoy.OTtiov (wiederum mit n für
tt!), in Z. 6 ein tov Jlqiov^ dann vielleicht dö^u und in Z. 7 irgend
eine Form von i.isyaXof.i(XQTVQ (der heil. Prokopios war eben ein f.ie-
ya?^OfidQrvQ\). Uebrigens ist auch die Möglichkeit nicht ausgeschlos-
sen, dass wir es mit einer zusammenhangloseu Folge griechischer Worte
zu thun haben, welche — vielleicht zum Theil unrichtig wiedergegeben
— nur dazu dienen sollten, die Zauberkraft der Beschwörung zu er-
höhen, was bekanntlich sehr oft geschieht ^).
Wenn auch also die Inschrift, besonders in ihrem griechischen
1) So kommen in einem Gebete aus einem serbischen Eitual vom J. 1423
vor dem Segen die Worte xiiHeHEumci». MäHTnct vor (belTichonravov. IlaMHi-
HUKu OTpe^eHH. pyccK. .lUTepar. II, 357); vgl. auch die lange Reihe willkürlich
gebildeter Worte, theilweise mit griechischem Habitus, in einem Gebete
gegen rasende Hunde und Wölfe (Starine X, 278): captcapt, *apB*apB, sHea,
BUÄiH, cajiarapbi, CMrj;a, rocurÄC*!., Meptrapu, *api>, raiepu, ra.iBMese.m, MHa-
MecaJU, ÄHKL.
Eine altbosnische slavisch-griechische Inschrift. 263
Theil, schwer zu erklären ist, kann mau doch mit ziemlicher Sicherheit
sagen, dass uns eine Beschwörungsformel vorliegt; der Zweck derselben
ist bei dem Zustande, in welchem Fragment 11 sich befindet, bezw. bei
der schweren Deutung von Fragment I nicht leicht festzustellen : nach
dem slavischen Theil, wo der Passus vorkommt, dass »du keine Macht
weder über das Getreide haben sollst noch ...» zu urtheilen, könnte
man vermuthen, dass die Beschwörung vielleicht gegen denjenigen ge-
richtet war, der gesetzwidrig den Besitz des betreffenden Feldes sich
aneignen würde, oder gegen den bösen Geist, der den Feldfrüchteu
schaden könnte ; dagegen wäre die Inschrift, wenn die Deutung Krum-
bacher's richtig ist, eher als ein allerdings sehr unbequemes Amulet zu
betrachten, das am Leibe getragen werden sollte, um dem Besitzer Kraft
zu verleihen. Die Schwierigkeit in der Deutung des eigentlichen
Zweckes dieser Inschrift wird dadurch erhöht, dass wir im Slavischen
keine passenden Parallelstücke haben, nach welchen eben die Inschrift
ergänzt und so auch deren Zweck richtig gedeutet werden könnte ; we-
nigstens konnte ich keine ähnliche Zauberformel in der mir bekannten
Literatur finden : inhaltlich steht dem Fragment II noch am nächsten
ein Gebet in Starine X (S. 277), um die Feldfrüchte vor jeder »teuf-
lischen Macht« zu schützen.
Wenn uns auch der direkte Zweck dieser Inschrift nicht genau be-
kannt ist, so können wir um so sicherer sagen, wo sie entstanden ist:
ganz sicher in Bosnien (im weiteren, bezw. älteren Sinne des Wortes,
also die Hercegovina, wo sie gefunden wurde, mit inbegriffen), denn der
Duktus der Cyrillschrift ist entschieden bosnisch zu nennen und erinnert
stark an die Cyrillschrift der altbosnischen steinernen Grabinschriften :
übrigens genügt schon das Vorkommen des ti, um dies zu beweisen. Für
den bosnischen Ursprung spricht auch der weitere Umstand, dass für ur-
slav. ^ zweimal ein je {3anpHei|ja Fragm. I,Z. 13, cc6THe\'k Fragm.II,
Z. 7) und einmal ein i vorkommt (pHK<.\MH Fragm. II, Z. 9), da die
Mischung dieser beiden Aussprachen eben in Bosnien am häufigsten
vorkommt. Wir können auch sagen, aus welcher Zeit ungefähr die In-
schrift stammt: nach der Schrift zu urtheilen, dürfte sie ins XV. Jahrh.
gehören. Fast gar nichts lässt sich dagegen über denjenigen sagen, der
die Inschrift auf der Bleitafel eingeritzt hat; jedenfalls muss er aber
ein »Gebildeter« gewesen sein, d. i. einer, der der Kunst des Schreibens
und Lesens mächtig war, weil die Schrift von einer sicheren Hand
zeugt, die ohne Zögern die Messerspitze führte, somit auch einen indivi-
264 M. Eesetar, Eine altbosnische slav.-griech. Inschrift.
duellen Charakter verräth ; ich glaube daher nicht, dass etwa ein Hand-
werker nach einer ihm gegebenen Vorlage die Tafel beschrieben habe.
Wenn aber die Inschrift ins XV. Jahrb. gehört, so möchten wir gerne
wissen, ob sie von einem orthodoxen Christen oder von einem Bogumilen
herrührt. Leider lässt sie uns auch in Bezug auf diesen Punkt im
Stiche, doch möchte ich eher sagen, dass der Schreiber kein Bogumile
war; schon der Umstand, dass der Text auch griechisch ist, scheint da-
für zu sprechen, denn die Bogumilen waren keine »Gelehrten«, welche
mit dem Griechischen hätten paradiren wollen, es sei denn, dass mau
— wie gesagt — gerade die unverstandene Sprache zur Erhöhung der
Kraft der Zauberformel verwendet habe ; aber auch die Anrufung der
»318 heiligen Väter« (es sind die Theilnehmer an der ersten allgemeinen
Kirchenversammlung von Nikäa vom J. 325 gemeint) würde in einer
bogumilischen Beschwörungsformel kaum vorkommen, da die Bogumilen
die Autorität der organisirten Kirche nicht anerkannten; und wenn da-
neben auch ,die vier die ganze Erde umkreisenden Ströme' ^] angerufen
werden, so ist das ein Satz der mittelalterlichen Geographie, der auf
die biblische Erzählung (Genesis II, 10 — 14} zurückgeht und nicht
etwa mit irgend einem spezifisch slavischen Glauben oder Aberglauben,
als deren treueste Hüter und emsige Vertreter die Bogumilen gelten, in
Verbindung steht. Trotzdem also die vorliegende Inschrift nur zum
Theil gedeutet werden kann, hat sie einen nicht geringen Werth, weil
sie — so viel ich weiss — die erste zweisprachige Inschrift dieser Art
ist, und dann auch deswegen, weil relativ so umfangreiche Inschriften
auf Metall bis jetzt auf südslavischem Boden nicht gefunden wurden.
Dass das Material speziell Blei ist, hat wohl keine weitere Bedeutung,
denn bei dem relativ jungen Alter der Inschrift ist wohl kaum daran zu
denken, dass bei der Wahl des Materials die altchristliche Abneigung
gegen dieses Metall hätte massgebend sein sollen.
1) Bei Tichonravov, op. cit. II, 357, werden iu einem Gebete die vier
Ströme bei Namen genannt: eucoHi.,. rewut, Turpt, e^paix.
Wien, I.März IS 05. M. Resetar.
265
Polnische Glossen aus dem Anfang des XV. Jahrh.
Im Przemysler Stadtarchiv wird unter Nr. 248 ein Papiercodex
aufbewahrt, welcher, der Schrift nach zu urtheilen, nicht später als zu
Anfang des XV. Jahrh. zu Stande kam. Er enthält lauter juristische
Materien, worunter auf Bl. 162^ — 163^ auch ein kleines juristisches
Vademecum, das von dem Verfasser desselben, höchst wahrscheinlich
einem städtischen Schreiber polnischer Nationalität, mit der Ueber-
schrift: «Vocabula juris provincialis et feodalis« versehen wurde. Nun
lässt sich zwar nicht behaupten, dass dieser Arbeit ein bemerkens-
wertheres sachliches Interesse zukäme, aber in sprachlicher Beziehung
ist sie insofern von Belang, als sich in ihr auch einzelne polnische
Glossen finden, die verdienen, bekannt zu werden. Ich gebe sie, um
den Sinn und die Bedeutung derselben um so wirksamer hervortreten
zu lassen, genau in dem Zusammenhange wieder, in welchem sie in der
Handschrift selbst erscheinen. Es sind die folgenden :
Bannum regium poicxjatli krolewfky (= poiät krölevski).
ludicium formatum gayony fiand (= gaj'ony sod).
Interdictum regium zapowyedz kroleiofka (= zapovedz kro-
levska).
Talentum, i. e. marca, alias grzywna (= gryvna).
Vasallus, i. e. seruus, alias poßel [■= posei).
Vsurpat, alias pofianda (= pozoda).
e
Tutor et mundiburdius i) dicitur mwffer, zachoczcza (= zachocca)
uel opyekadlnyk (= opekadlnik).
Pi'olocutor, procurator moiocza (= movca).
Pugil rzecznyk (=^ rec/iik) 2).
Interlocutorium poradzenye (= poradzene).
Noxa, alias przezgrzefche (= prezgrese).
ij Hängt nach Brinckmeier (Glossarium diplom.) mit deutschem »Mund-
wart« zusammen.
-j Sonst verstand man unter »pugil« (vgl. Du Gange, Brinckmeier u. a.)
denjenigen, der für Andere mit Brachialgewalt eintrat.
266 Kaluzniackl,
Verandus ^) zachodzcza (== zacJiodzca) mqX ßlupcza (== slupca).
Pena vy7ia '.== vina).
Emenda ^JOCM^ [= pokup).
Solidus duo significat: primo est firmus; alio modo dicitur dena-
rius, continens in se XII parvos schel^g (= selgg).
Recompensa glowa {= glova)^ zaplatha (= zapiata) uel satis-
dacio. — *Recompensa XVIII talenta facit et quodlibet talentum XXX
solidos*.
Turpiloquium tiarzeczenye czczy (= narecene cci).
Alloqucio dothyknyenye czczy {= dotyknene cci).
QiO-aüicivi?, ffwada [-= zvada).
Municipale jus powyfcJione prawo (= 2>ovyso7ie pravo).
Arbitrium, voluntas, consensus, wulgariter wffala {=ufaia), ivola
(= vola).
Conventus, i. e. concilium gromada myefka (= gromada meska).
Tres sclauonicas marcas sloicyenfkye grzywny (= sloienske
gryvny)^ que faciunt XXXVI solidos. Solidus hie valet XII alenses
comunis pecunie szelapg (= selog).
Decreta, alias wstawy (= ustavy).
Comunitas gmyn myefczky (= gmi7i mescki).
Emendare pokupycz (= pokupic) .
Agare konacz prawem {= konac pravem) .
Fforo infronito na loyxoolanem targu {= na mjvolanem targu). —
*Fforo infronito, i. e. edicto publico inter quatuor angulos ciuitatis,
scilicet illo arbitrio, quod ipsa comunitas cum senioribus statuit de con-
sensu sue comunitatis*.
Seutencia, i. e. diffinitiva oi'tel.
Talentum rubel et facit XX grosses argenti puri in sua suma in
hoc loco.
Fferiatus dies dicitur domiuicus dies; celebris dies naroczytlii
dzen (= narocyty dien].
Legale impedimentum Jprawyedlyice przegahanye (= spraied-
live pregahane\.
Struprum odleganyo dzewftwa (= odlegane dzevstva).
1) Man würde hier eher »varantus« in der Bedeutung von Gwarant er-
warten. Uebrigens hängen beide Formen mit dem mittellateinischen weren-
dare (= wehren, vertheidigen) zusammen.
Polnische Glossen aus dem Anfang des XV. Jahrh. 267
Obsidia zafchadzenya (= zasadzena).
Irruencia domiciliorum xoderzeMjc na dorn (= uderene na dorn),
gtcalth f= gcalt).
Ffeodatus, i.e. hereditarius; inde feodum, i.e. domus fchyedlyfko
[= sedlisko).
Contubernium Jcupczy ßclad (= kupcy skiad), uel gromoda
!= gromäda). '
Resignacio zvfdange (= vzdane).
Investitura xoyxoyedzenye (= vyvedzene).
Qiierimonia zaloha (= zaJoba).
Arma bellica -woyena fbroya (= voj'ena zhroj'a).
Scutum bellicum tvoyenne fczyt alho tarcza (= vojenne scyt albo
tarca).
Manifestum factum lycze (= lice) uel yaicny wczynyk [=^ javny
ucynyk).
Colloquium xoyecze (= iece)^ uel poradzenye (== poradzene).
ActOY poivod (= povöd) aut gyjczecz {=jiscec).
Succumbit przepadl icyna (= prepadi vine).
Ffoedus Wohle panftioo (= volne panstvo) uel icolne dobre
!= volne dobre).
Depactacio rugowanye (= rugovane).
Publica fiscata yawna zaftawa {=^Javna zastava)', ffiscacio 2;«-
stawa (== zastava] aut zaklad (= zaklad).
Parafarnalia oczczyfthy pofiag [= occysty posag).
Arestatus wztrzymany (= vstrymany).
Simulacio przymylenye (== prymilehe).
Vargelth (= vargelt) emenda idem sunt.
Lozu7iga i. e. contribucio.
Neptimus uel vanus i) przeßkofcli [= preskos., beziehungsweise
preskos ) .
Homincus (sie!) paralyfien zabythi [^= piaTalizen zabity).
Satisdacio, i. e. defensio, wulgariter gica7' (= gvar), zaflubyenye
(= zaslubene) pro aliquo.
Omagium, i. e. obsequium regibns halderzfthwo (= Jialderstvo).
Ueberblickt man nun die vorstehend abgedruckten polnischen Aus-
1) Dürfte für mittellateinisches vanius in der Bedeutung von vagus
(= Landstreicher, Vagabund) stehen.
268 Kaluzniacki.
drücke, so wird man einräumen müssen, dass mehrere derselben hier
überhaupt zum ersten Male erscheinen. Es sind dies : dzevsttw, hal-
derstvo^ lozunga^ odlegane, poradzene, pregabane, preskos, bezw,
preskoS^ prezgrese^ slupca, vece und vzdane. Aber auch Ausdrücke,
wie: dotyknene^ glova^Jiscec^ lice^ movca^ nar ebene (sei. cci\ posel.
povät, pozodatie, povysone pravo, prymilene, ruhel^ rugovane^ sedli-
sko, tideretle, ufala^ volne panstvo, vstrymanij^ vyvedzerie^ zakiad^
zasadzene^ zasluhene und zastava^ dürfen, sofern sie in unserer Vor-
lage andere als die ihnen sonst zukommenden Bedeutungen bieten, sehr
wohl noch als eine nicht unerwünschte Bereicherung des altpolnischen
Wörterbuchs, zumal nach der juristischen Seite hin, angesehen werden.
Der Rest bietet zu besonderen Bemerkungen keinen Anlass.
In orthographischer Beziehung stellen die in Rede stehenden pol-
nischen Ausdrücke den Uebergang von der alten zu der neueren, im
XV. Jahrh. üblichen Schreibung dar. Demgemäss wird darin o einmal
noch durch ^, sonst aber durch an und ap ; A-, im Worte pocup, einmal
noch durch c, sonst aber durch k\ j in der Regel durch 3/, vor einem /
jedoch durch ^; w im Anlaute regelmässig durch iv, im Inlaute durch
u\ V m der Regel durch w, seltener durch v wiedergegeben u. s. w. In
einigen dieser Schreibungen tritt übrigens ausnahmsweise auch das laut-
gesetzliche Moment in die Erscheinung. So wird ä im Worte gromoda
in Gemässheit der wirklichen Aussprache durch ; h vor c im Worte
ßlu/;cza durch p und dz im Worte zachof.3;cza durch c; m im Worte
paralyßew (instr. sg. m. g.) durch 71 vertreten. In Anbetracht des Um-
standes, dass Szczerbic, Skarga, Wujek u. a. regelmässig opiekalnik
schreiben i) , überrascht ferner auch die Schreibung opyeka6?/nik da-
durch, dass sie noch die Lautgruppe dl bietet. Dies beweist uns also,
dass die lautgesetzliche Berechtigung dieser Lautgruppe im Polnischen
zu der Zeit, als die »Vocabula« entstanden, ungleich intensiver empfun-
den wurde als später. Schliesslich auch Schreibungen, wie : wczynyk,
na wywolanem targu und woyenne fczyth sind insoferne von Bedeutung,
als der Wechsel zwischen e und y eine Spracheigenthümlichkeit dar-
stellt, der man in Ostgalizien auch heute noch bei sehr vielen Personen
begegnen kann.
1) Belege bei Linde unter dem Stichworte : opieka.
Kaluzniacki.
269
Die Zeitreclmune; und die Monatsnamen der Hnznlen.
Wenngleich die auf die Huzulen bezügliche Literatur seit meiner
letzten Notiz darüber ^) durch so ausführliche Schilderungen, wie die-
jenigen von B. Kozariscuk2)j R. F. Kaindl^) und VI. Suchevyc*) eine
namhafte Förderung erfuhr, kann man in unmittelbarem Verkehre mit
ihnen manches Detail kennen lernen, wodurch das von diesen Sammlern
Mitgetheilte hier und da berichtigt, eventuell ergänzt werden kann. Ein
Detail dieser letzteren Art ist nun beispielsweise auch das nachfolgend
zur Sprache gebrachte. Es betrifft die Zeitrechnung und die Monats-
namen der Huzulen und bedarf, um klargestellt zu werden, nur einiger
weniger Bemerkungen.
1) Archiv f. slav. Phil. XI, S. 625—626, Anm.
2) Ich habe hier selbstverständlich in erster Linie die hübsche Skizze
im 'Sinne, die dieser Schriftsteller in der «HayKa« pro 1889 und 1891 unter
dem Titel: »Hs'i öyKOB. KapnaxcKuxi, ropt« veröffentlichte. Allein auch die
übrigen Mittheilungen Kozariscuk's, die er in den weiteren Jahrgängen der
«HayKa« und zum Theile auch in den »EyKOB. BiaoMOCTU« (1895 — 1S99) zum
Abdruck brachte, sind nicht ohne Interesse. Sie wären noch verdienstlicher,
wenn Kozariscuk sich hätte angelegen sein lassen, auch den dialektischen
Eigenthümlichkeiten seiner Materialien die gebührende Eechnung zu tragen.
3) Ein vollständiges Verzeichniss der hierher gehörigen Arbeiten Kaiudl's
sammt Würdigung derselben ist in den «SanucKu« der Sevcenko-Gesellschaft
in Lemberg, Bd. XI, XXI und XLI, sowie im «Lud« IV, S. 95 ff. zu finden.
*) Ich verweise speciell auf seine mit recht vielem Fleisse und zwei-
felloser Sachkenntniss geschriebene »ryuy.itmuua«, von der zur Zeit der
Einreichung dieses Artikels bereits der ganze erste und das erste Volumen
des zweiten Theils erschienen waren. Ausfuhrliche Besprechung des Werkes
in der Zeitschrift f. österr. Volksk. VIII, S. 201 ff. Den hier enthaltenen,
durchwegs sehr zutreffenden Bemerkungen Franko's möcht' ich meinerseits
nur noch hinzufügen, dass es von Such, kaum richtig war, der Ansicht
Pol's, wonach uns in den Huzulen »mit voller Kraft der noch unverwischte
slav. Typus entgegentrete«, so ohne weiteres zuzustimmen. Es ist offenbar,
dass ihm die einschlägige Partie in der Abhandlung Miklosich's: »Ueber die
Wanderungen der Rumunen in den dalmat. Alpen und den Karpathen« (Denk-
schriften der Wiener A. d.W., Bd. XXX) ganz fremd geblieben war.
270 Kaluzniacki,
Wie von den übrigen, in ihrer Mehrheit leider noch immer schrift-
unkundigen Angehörigen des kleinrussischen Volksstammes, so wird die
Zeit in der kalendermässigen Bedeutung dieses Wortes ^j auch von den
Huzulen in der Regel nach den unbeweglichen Kirchenfesten, die sie in
Folge alljährlich sich erneuernder üebung sehr genau, selbst hinsicht-
lich der Zahl der zwischen den einzelnen Festen liegenden Wochen und
Tage kennen, berechnet. Es war, oder es geschah dies — sagen sie —
zwei, drei Wochen vor, beziehungsweise nach den Weihnachten. —
Am Tage des heil. Nikolaus, des winterlichen (6. December a. St.), wer-
den es genau vier Jahre sein, als die grosse Feuersbrunst unser Dorf
vernichtete. — Weihnachten waren, das wisst ihr, heute zwei Wochen.
Also haben wir bis zu den drei Hierarchen (30. Jänner a. St.) noch
ganze drei Wochen und bis Christi Darstellung (2. Februar a. St.) noch
drei Wochen und drei Tage. — Gott sei Lob, dass wir bei Onuphri
(12. Juni a. St.) sind. In fünf Wochen und drei Tagen ist Elias, und
da dürfen wir bereits die neuen Erdäpfel essen. — Es gibt drei Paare
von Feiertagen, die um fünf Wochen und drei Tage, und weitere drei
Paare, die um zwei Wochen weniger zwei Tage von einander difieriren.
Die ersten drei Paare sind: Weihnacht und Christi Darstellung; Onu-
phrius und Elias; Peter und Christi Verklärung. Die anderen drei
Paare: Onuphrius und der Kräuteriwan (d. i. Johannis Geburt ; Demeter
und Michael; Michael und Maria Opferung oder Einführung. — Wir
Rusnaken unterscheiden Frühjahrs-, Sommer-, Herbst- und Winter-
feiertage. Frühjahrsfeiertage sind, die zwischen dem warmen Olexa
(17. März a. St.) und dem Kräuteriwan (24. Juni a. St.); Sommerfeier-
tage, die zwischen dem Kräuteriwan und der Erhöhung des heil. Kreuzes
(14. September a. St.); Herbstfeiertage, die zwischen der Erhöhung des
heil. Kreuzes und Maria Opferung oder Einführung (21. Nov. a. St.);
Winterfeiertage, die zwischen Maria Opferung und dem warmen Olexa
liegen. — Ach, hätten wir nur einmal Maria Schutz (1. October a. St.!
hinter uns, dann hätten auch unsere schwersten Arbeiten ein Ende u.s. w.
Neben dieser, dem Kirchenkalender angepassten, gibt es aber bei
den Huzulen auch noch eine andere, sich mehr an den bürgerlichen
1) Ich mache hier absichtlich diesen Vorbehalt, weil es bei den Huzulen
auch zahlreiche Ueberreste der primitiven, durch kalendarische Rücksichten
noch nicht beeinflussten Zeitrechnung gibt. Nachdem jedoch diese Ueber-
reste zu besondern Bemerkungen keinen Aulass bieten, so wurden sie hier
nicht weiter berücksichtisrt.
Die Zeitrechnung und die Monatsnamen der Huzulen. 271
Kalender anschliessende und, was das Auffallendste ist, den übrigen
Kleinrussen in gleichem Umfange nicht geläufige Art, die Zeit zu fixiren.
Denn, während die Kenntniss des bürgerlichen Kalenders sich bei dem
Gros der Kleinrnssen meist darauf beschränkt, dass sie wissen, dass das
Jahr aus vier Quartalen, beziehungsweise aus zwölf Monaten besteht,
geht aus den Auskünften, die ich in Sadeu, Mareniceni, Seletin, Wy-
zenka und anderen, von mir persönlich aufgesuchten huzulischen Ort-
schaften der Bukowina auf meine bezüglichen Anfragen grhalten habe,
hervor, dass die Huzulen auch die Anzahl der auf jeden Monat ent-
fallenden Tage anzugeben im Stande sind. Allerdings sind diese ihre
Angaben mit den kalendermässigen, präciser: mit den gegenwärtig als
kalendermässig geltenden Zahlen insofern nicht im Einklänge, als sie
sich die ersten 11 Monate gleichmässig aus je 30, den letzten aus 33,
hiermit das Jahr aus zusammen 363 Tagen bestehend i) denken. Als
der erste Monat im Jahre gilt ihnen der April 2), als der letzte und
längste der März.
Beachtenswerth sind übrigens in gewisser Hinsicht auch die Mo-
natsnamen der Huzulen. So heisst bei ihnen der April, mit dem sie,
wie soeben erwähnt wurde, das Jahr beginnen, herezenj^ der Mai tra-
venj\ der Juni Ixnylenj oder zeh)ij\ der Juli hydzenj^ der August hi-
1) Wieso die Huzulen zu vorstehenden Zahlen gelangt sind, ist freilich
eine Frage, die nicht so einfach beantwortet werden kann. Am nächsten läge
wohl anzunehmen, dass sie sich dieselben auf Grund des geltenden Kalenders
selbst zurechtlegten. Da es ihnen schwer fallen mochte, sich zu merken,
welchen Monaten 30, welchen 31 und welchem 2S, beziehungsweise 29 Tage
zukommen, so gingen sie dieser Schwierigkeit eventuell in der Weise aus dem
Wege, dass sie lauter 30-tägige Monate gelten Hessen und den Ueberschuss
dem letzten Monat zuwiesen. Wenn aber erwogen wird, dass auch der alte
babylonische und ebenso der alte iranische Kalender nur lauter 30-tägige
Monate kannten und die Ausgleichung mit der wirkliehen Dauer des Sonnen-
jahres annähernd durch Schaltvorrichtungen bewirkten, so Hesse sich sehr
wohl auch der Fall denken, dass die Huzulen hierin irgend einer älteren
Ueberlieferung folgten, die sich im Südosten Europas, woher sie gekommen
zu sein scheinen, auch dann noch gehalten haben konnte, als christliche
Staaten und Kirchen bereits den durch Julius Cäsar mit Beihilfe des alexan-
drinischen Gelehrten Sosigenes reformirten römischen Kalender annahmen.
-) Auch Dienstboten- und andere Verträge werden von den Huzulen
nicht, wie sonst bei den Kleinrussen, von Weihnacht zu Weihnacht, sondern
von April zu April oder genauer: von dem einen Georgstage zu dem anderen
abgeschlossen.
272 Kaluzniacki,
ienj^ aber auch Jiopenj\ der September zoidenj ^ der October pado-
iyst, der November hrudenj\ der December prosynec, der Jäuner si-
cenj pervyj\ der Februar sicenj druhyj, aber auch lutyj\ der März
marot ^). Was nun au diesen Monatsnamen zunächst auffällt, ist, dass
sie mit Ausnahme desjenigen für den Monat März, der römische Pro-
venienz bekundet, durchaus slavischen Ursprungs sind. Ferner ver-
dient bemerkt zu werden, dass einige derselben andere, und zwar theils
spätere, theils frühere Zeitabschnitte 2j bezeichnen als bei den übrigen
Kleinrussen. Zu den Monatsnamen der ersteren Art gehören : herezenj
und t7'avenj\ zu denen der anderen Art : zotdenj\ padolyst und hru-
de7ij. Mehrere dieser Monatsnamen, so namentlich: hnyhnj\ bilenj
und kopenj\ nehmen unsere Aufmerksamkeit auch dadurch in An-
spruch, dass sie den übrigen Slaven, die Kleinrussen mit inbegriffen 3).
nicht bekannt sind: wenigstens wissen die bis jetzt erschienenen Ver-
zeichnisse slavischer Monatsnamen, unter denen die einschlägige Schrift
Miklosich's (Denkschriften der Wiener Akademie der Wissenschaften,
Bd. XVII) obenan steht, nichts davon. Es liegt auf der Hand, dass der
erste dieser Namen mit Thema gnüu in der Bedeutung faul, fäulniss-
erregend, der andere mit Thema b&lü in der Bedeutung weiss, weiss-
lich, der dritte mit Thema kopa in der Bedeutung Schock, hier speciell
Schock Garben, zusammenhängt. Mnylenj würde sonach obiger Ab-
leitung zufolge den Monat bedeuten, der wegen der um diese Zeit herr-
schenden feuchten Wärme die Fäulniss begünstigt; hiienj den Monat,
der in Folge des sich damals vollziehenden Reifeprocesses den Saaten
1) Kaindl, Die Huzulen, S. 98 schreibt statt dessen minder richtig: tra-
loyn, zelyii, bedzyn^hopyn^ zouty, padohst, hmdyn,prosenyc, siczyi'tperivyj, siczyii
druhyj, berezyn. Die Nameu : hnytenj, hiienj und lutyj sind ihm überhaupt
unbekannt geblieben.
2) Es wäre aber gefehlt, wollte man hieraus den Schluss ziehen, dass
diese Verschiebung erst von den Huzulen etwa zu dem Zwecke vorgenommen
wurde, um die Monatsnamen in üebereinstimmung mit den in ihren gegen-
wärtigen Wohnsitzen henacheuden klimatischen Verhältnissen zu bringen.
Wie zahlreiche kirchenslav. Denkmäler bekunden, waren die in Eede stehen-
den Monatsnamen in der ihnen gegenwärtig bei den Huzulen zukommenden
Bedeutung seinerzeit auch den Südslaven und insbesondere den Bulgaren
geläufig. Die Huzulen sind also auch hierin nur irgend einer älteren Ueber-
lieferung gefolgt.
3j Speciell den Kleinrussen ist auch der Name prosynec nicht geläufig.
Die Sonnwendlieder der westgalizischen Kleinrussen. 273
ein weisslicbe3 Aussehen verleiht; /i;oy>e;{;" hingegen den Monat, der.die
Felder mit schockweise geschichteten Garbenhaufen bedeckt.
In sprachwissenschaftlicher Beziehung wäre hervorzuheben, dass
alle huzulischen Monatsnamen mit Ausnahme derer für October und
December und des entlehnten marot mittelst des Suffixes enj (= mij-b]
gebildet sind. Kaluzniacki.
Die SomiAveiidlieder der westgalizisclieE Kleinrnssen.
Es dürfte einigermassen auffallen, dass ich die Sonnwendlieder
der westgalizischen Kleinrussen aus der Gesammtheit derartiger Lieder
heraushebe und selbe als eine besondere Gruppe behandle. Selbstredend
habe ich meine guten Gründe hierfür. Schon der Umstand, dass die
westgalizischen Kleinrussen ihre Sonnwendlieder nach einer eigen-
artigen, den ostwärts wohnenden Volksgenossen nicht geläufigen Melodie
singen und auch den Gegenstand dieser Lieder mit einem fremden, dem
Sprachschatze ihrer polnischen und slovakischen Nachbarn entlehnten
Ausdrucke, nämlich mit dem der »sobotka« bezeichnen, lässt dieselben
als eine folkloristische Extravagante erscheinen, die verdient besonders
gewürdigt zu werden. Ungleich wichtiger als dieser scheint mir aber
der Umstand zu sein, dass die Sonnwendlieder der westgalizischen Klein-
russen auch einen wesentlich anderen Inhalt haben als jene der ostwärts
wohnenden Volksgenossen. Denn während in den Liedern der letzteren
Kategorie ^) das eigentliche Merkmal des Festes der Sommersonnen-
1) Sie sind in besonders grosser Zahl in den »TpyAii 3THorpa<i>.-CTaTucT.
3KcnejuHiu st aanajHo-pycc. Kpaii« III, 199 — 223 u. 483 — 486 abgedruckt.
Einiges hierher gehöriges Material ist übrigens auch bei Zegota Pauli »Piesni
ludu rus. w Galicyi« I, 30 — 31, dann bei Kucyj (ich verweise insbesondere
auf die Nummern 239 u. 240) und bei A. Pavlovskij I, 30 zu finden. Neuerer
Zeit sind dazu noch die Beiträge hinzugekommen, welche die Damen J. Mo-
szynska und Z. Rokossowska, sowie Pater Brykczynski im »Zbior wiadoraosci
do antropologii krajowejaV, Abtheilung f. Ethnologie S. 2G — 38, XI, 177 — 184
und XII, 95 — 96 verüfFentlicht hatten. Die zuletzt erwähnten Beiträge bieten
jedoch vergleichsweise mit dem in den »TpysM« Enthaltenen nur wenig Be-
merkenswerthes.
Archiv für slavische Philologie. XXYII. lg
274 Katuzniacki,
wende, d. i. das Feuer, fast ganz zurücktritt i) , nimmt es in den ein-
schlägigen Liedern der westgalizischen Kleinrussrn den ersten Platz
ein, es ist wie des Festes, so der Lieder Mittelpunkt.
Leider sind von den uns hier interessirenden Liedern nur einige
wenige 2), und auch diese in zumeist ganz verstümmelter Gestalt 3) pnbli-
cirt worden. Um daher sowohl die erwähnten Lücken auszufüllen, als
eventuell auch weitere, bis jetzt ungedruckt gebliebene Nummern zu
eruiren, habe ich es für der Mühe werth gehalten, während der Sommer-
ferien, die ich seit einer Anzahl von Jahren grösstentheils in dem in
Frage kommenden Gebiete zubringe, mein Augenmerk auch diesem
letzteren Gegenstande zuzuwenden. Was war nun das Ergebniss meiner
Bemühungen ? Es zeigte sich, dass in der überwiegenden Mehrzahl der
von mir aufgesuchten Ortschaften sich in der That nur einige wenige
Lieder dieser Art, und zwar in Redactionen erhalten haben, die nichts
weniger als correct sind. Bald fehlt der Anfang, bald wieder das Ende
des Liedes, oder es werden Bestandtheile verschiedener Lieder ge-
dankenlos durcheinander geworfen. Glücklicherweise gibt es aber auch
Ortschaften, wo wir etwas besser daran sind. Dahin gehören insbeson-
dere die beiden, im Bezirk Lisko gelegenen Nachbardörfer: Rajskie
und Telesnica Sanna mit Namen. Es lassen sich hier effectiv noch neun
verschiedene Nummern in Redactionen feststellen, die man als einwands-
freie bezeichnen kann.
Mit Rücksicht auf ihren Inhalt dürften von diesen neun Liedern
die nachfolgend sub 11 und V abgedruckten wohl die bedeutungsvollsten
sein. Im Liede II gelangt speciell die wunderthätige, Menschen wie
Thieren gleich zuträgliche Kraft der durch den Flammenschein der
Sonnwendfeuer versinnbildlichten Sommersonne zum Ausdruck, wäh-
rend im Liede V der directe Hinweis auf den Umstand vorliegt, dass
1) Auf einundfünfzig, in den »Tpyati 3THorpa*.-cTaTucT. sKcn. b-b aanajHo-
pycc. Kpaii« a.a.O. abgedruckte Nummern können z.B. höchstens drei (d.i. die
Nummern : 2, 38 und 7i>) als solche bezeichnet werden, bezüglich derer dies
nicht zuträfe.
2) Mir sind diesbezüglich nur die vier oder, da das mit Nr. 4 bezeichnete
nicht hierher gehört, nur die drei Lieder bekannt, welche Jakob Golovackij
in seinen «HapoaHi.iH ntcHH rajiuu. u yropcKoft Pycu« II, 529 — 530 abdruckte.
3; Um sich hiervon zu überzeugen, genügt es, die von Golovackij a. a.O.
unter 1, 2 u. 3 abgedruckten mit den Liedern zu vergleichen, die ich unter
IV, VIII und V vorführe.
Die Sonnwendlieder der westgalizischen Kleinrussen. 275
der Sommer zu der Zeit, da die Sonnwendfeuer brennen, bereits seinen
Höhepunkt erreicht hat und bald, nur zu bald dem rauhen Winter mit
dessen unzertrennlichem Begleiter, dem »kahlen« Froste, werde weichen
müssen. Aber auch das Lied VU ist noch insoferne von Bedeutung, als
daraus hervorgeht, dass selbst in der Gegend, wo man in der gewöhn-
lichen Rede nicht mehr kupalo, sondern (vgl. Archiv XVI, S. 60 S ff.)
kopaio spricht, sich ausnahmsweise noch der alte Name und in alter
Beziehung erhalten hat. "Was dagegen das unter Nr. IV vorgeführte
Lied anbetrifft, so glaube ich nicht, dass demselben eine mythologische
Bedeutung innewohne. Die schwarze, beziehungsweise die blinde Katze,
deren hier Erwähnung geschieht, scheint ihren Grund vielmehr in dem
Umstände zu haben, dass es factisch schwer war, zu dem Worte »so-
botka« einen besser passenden Reim zu finden als »kotka«. Hatte man
aber einmal diesen Reim statuirt, so ergab sich der scherzhafte Inhalt
des betreffenden Liedes, wonach die Burschen in ihrem Ungestüm eine
ungesalzene und ungesottene schwarze, beziehungsweise blinde Katze,
die Mädchen hingegen, die etwas später eintreffen, eine wohlzuberei-
tete weisse Ente verzehrten, gewissermassen von selbst.
Da die westgalizischen Kleinrussen, wie oben erwähnt wurde, so-
wohl das Fest als solches, als auch die aus diesem Anlasse angezünde-
ten Feuer mit einem aus dem Sprachschatze ihrer slovakischen und
polnischen Nachbarn entlehnten Ausdrucke bezeichnen, so lag es nahe
anzunehmen, dass auch zwischen den beiderseitigen Liedern irgend
welche Uebereinstimmungen bestehen. Auf Grund einer eigens in dieser
Richtung durchgeführten Vergleichung darf ich jedoch versichern, dass
dies nicht der Fall ist. Wenigstens habe ich unter den bis jetzt bekannt
gewordenen polnischen und slovakisch-böhmischen Sonnwendliedern
nicht eines angetroffen, das sich mit einem der hier abgedruckten klein-
russischen inhaltlich decken würde. Und ähnlich wie in Bezug auf In-
halt gehen die beiden Gruppen von Sonnwendliedern auch in Bezug auf
die äussere Form auseinander. Eine Ausnahme hiervon macht in dieser
Hinsicht höchstens das in der Umgebung von Krakau gesungene poln.
Sonnwendlied, das mit den Worten :
Oj sobötka, sobotecka,
beginnt 1) und mit den hier abgedruckten kleinrussischen formal inso-
1) Es ist zuerst im »Tygodnik ilustrowany« pro 1862, Nr. 141, dann noch
einmal in Kolberg's »Lud, jego zwyczaje« etc. V, S. 295 abgedruckt worden.
18*
276
Ka}:uzniacki,
fern übereinstimmt, als es mit ihnen das Versmass (den vierfüssigen
Trochäus) gemein hat.
Schliesslich bemerke ich noch, dass die Melodie, nach der die in
Rede stehenden kleinrussischen Sonnwendlieder gesungen werden, die
folgende ist:
-£
J^
Die Lieder selbst haben nachstehenden Wortlaut;
Oh coöotko, coöotoüko,
K na Teöe BOJOqH.ia (2)
M CTeateiiKy xojioyHJia
Eh to bx ropy, to bi> ;i;o;iHHy,
To B1. TOJioKoy, to El. ii;apHHy.
ropH-aci, ropH, coöoToilKO,
TopH HOHO, noAHHMaii ch, (2)
Ha yci öoKLi poscBi^aft cn
Ell TO Bt ropy etc.
Ta io»:x ropHTt eoöoTOHKa,
FopHT-L HOHO, najenie, (2)
Ha ycfe öoKLi fiCKpti cie
Eil TO Bi. ropy etc.
Oh coöotko, coöötohko,
H Ha xeöe BOjio^iHJia (2)
II cTeateHKy xojioqHJia
Eh to Bt ropy etc.
II.
3anLij[ajia coöoToiiKa,
CxonH.ia CH iiejfl;;oHKa,
CxonHiia CH, npnöirae,
Ta me ApoBeui'L AOK.iaAae.
CoÖOTOHKa HCHO TOpHTI,
Hejifl;i;oilKa ntimHO xoähtx;
CoöüTOHKa Aorapae,
XoAOÖOHKa npoKBHTae.
m.
Oii Ha ropi, na ropöo^Ky
CK.iajIH A^BKLI COÖÖTO^Ky.
npHHUIJIH XJ[0ni;H, p03BaJIHJIH,
Coöi pyKti sacMajiHJiH.
lOact öy^eTB Tenept snaTH,
RkT> COßÖTKy p03BaJIflTH.
HaKT. na ropi, na ropöo^iKy
ÜKjiajiH xjionnH coöoToqKy.
npHHmjIH A^BKLI, HB TLIKaJIH,
T6.ihK0 1) KpacHi 2j 3acniBajiH,
A coööTKa 3ani>Tjra.ia,
T^tBKaMT. AO-iK) BimyBa.ia.
IV.
/I^o.iimH>iHe, ropiuiHHHe,
Cxo^bTe CÄ^Ai» HaM'B na co66TKy,(2)
1) Weiter westwärts hört man: tövko.
2) Von der Oslawa, einem Zuflüsse San's, westwärts hört man häufiger :
rapAi.
Die Sonnwendlieder der westgaliziachen KleinruBsen.
277
CneyeMe saMt yopiiy i) KOTRy.
Hhmt. ch A'^bkli no3uira;in,
Xjioni;H KOTKy posopsa^ii ;
HHMt me Ä'iBKBi 31. ropöa söirjiH,
Xjionun KOTKy ^lopHy^) stijiH,
Heeo.ieiiy ik HeMaineny
II i^eöyjiBKOBX iieKpameHy.
A KOMy ca ne ÄOCTajro,
Han cn Bti^pe 3x kotkli cajio,
Haft CH cxoBaxx na nojiHu;K) 3),
MacTHTH cn KanycTHi],io^).
ITaKt cfl A'iBKLi nosö'SrajH,
Eijiy Ka^iKy posopBajiii,
II cojeHy H Mameny,
M i^eöy.iKKOB'K saKpameiiy.
CaiepTb c^ MoposoMi. TaHi],OBaJia,
Ta 3a Jiope Aecb nornajia.
Ilom.ira CMepTt codi y Ji']&cti,
Iloöin. 5) 3a HeBt Moposi. jihchh,
II CH^iaTx xam-L bi. TeMiioft Hopi,
3a BO^aMH y KOMopi.
CMepxe, CMepxe, He BepxaH ca,
Tii, Mopose, ne 3^HBjrHH ea ;
ÜHAbxe CH xaMi, ne Bepxaftxe,
Hacx noacHXKY ne söaBjrailxe;
Haft HaM-L coHrte Aajtuie rpie,
jKhxo, apei^'L CKopo spie.
VI.
Oh noracjia coöoceHKa,
SanjiaKajia MapncenKa.
Ta ne racHH, coööceäKO,
Ta ne n.3a^iH, MapncenKO.
3anHjrajia coöoceHKa,
SacniBajia MapncenKa.
lOacx ne njiaye, ne pti^ae,
Eo HBaca oönniviae.
VII.
Ha Kyna.ia, xa na üna
KynaJia ca rpe^ina nanna,
Kynajra ca, xa Bxanjrajia,
Ha 6pau,efiKa ch BOJiajia :
Bbihah, bbihah, Möii 6pau,eHKy,
Ho^aä, no^aS mh pyyenKy,
Ho^an eAHy, no^aä o6i,
Ta npnropHH Mene 'ai> co6i.
He A^Mx eAHy, ne AaMx. o6i,
He npHropny xe6e 'ai» coöi.
Bbihah, bbihah, moh xau;eHKy,
HoAan, noAaii mh pyiieäKy etc.
He AaMt eAHy, ne AaMt oöi,
He npnropny xeöe 'a'b co6i.
Bbihah, bbihah, MaxepeHKO,
noAan, noAaä mh py^eäKy etc.
He AaMx. eAHy, ne AaMx o6i,
He npnropHy xeöe 'a'b codi.
Bbihah, bbihah, moh MHAeHBKBin,
1) Daneben besteht die Variante : cjiinj.
-] Vgl. die nächst vorangehende Anm..
3; Weiter westwärts : no.rauy.
*) Ebendaselbst: KanycTuuy.
5) Hier und da hört man auch : nöruay.
278 Kaluzniacki, Die Sonnwendlieder der westgalizischen Kleinrussen.
IIoAaä, no;i,a5 mh pyqeHLKti,
no^aä e^Hy, no^aS o6i,
Ta npHTopHH Mene 'ai> codi.
^aM^B TH eAHy, AaM-L th o6i
II npHropny xeöe ai- co6i&.
VIII.
Ha posToiii, Ha noroi^i
^Ba rojiyÖH BO^y nnjH,
BoAy HHJiH, 3a>ryTHJ[H
Taä B3KJIH CH, no-iex^jH.
TIojieT§jiH Bi> AyöpoBOHKy,
Ha sejieHy KajiHHOHKy,
H CTajiH TaMx posBaacaTu,
HKt ÖLI TOTO AOKOHaTlI 1 ' ,
nJ,o6i> OcTanoB'B IlBacefiKO
Ta Bateiray ch 3x MapnceäKOB-L.
TyTKaJIB Ä3B0HH 3aA3B0HHJIH,
H rojiyÖH TaKt BcyAHJiH:
By^eMx ^At HjepKBH npn-iiTaTH,
MaTKy 66aty yMOJiETH,
HaH OcTanoBi) IlBaceäKO
Ta BateHHTi. ca ai. MapaceHKOBt.
IX.
Bepxi. EecKLiAa sejieHoro
Ilace Hh'ihk'b kohä cboto
Ilace, nace, nonacye,
Ha KOHH'iKa nocBHCTye :
Eh KOHHiK-y qopHorpHBBiH,
^OM'B TLI CMyTHLlil, He IirpHBHH ?
IJ,H TH ^KOAHTX SÖpYH TaH,
IJ,H maöjiHiiKa cTajreBaa?
Hh mh ^koaktt söpya Taa,
Hh maö.iHqKa cTajieBaH,
IIho mh yK0AHT%, mo He SHaemt,
nj^o KaTpycK) 3acMyyaeuit,
A KaTpycH Teöe jhgöht-l,
UI,Hpe ^AT> cepi];io npnrojiyönT'L,
Jhhil ÖLI TBi KaTpycK) jnoöny,
HJ^npe 'a^ cepipo npnroxyÖHy.
*■) Statt dieser zwei Verse begegnet man hier und da auch der Variante :
H ciajin CH roBopHTH,
KoMy-öt Toro nopyiHTH.
Kaiuhiiacki.
Kritischer Anzeiger.
Erstes Decetmium vnssenschaftUcher Thätigkeit der Sevcenko-Ge-
sellschaft der Wissenschaften in Lemberg. *)
Die Sevcenko-Gesellschaft d. Wissenschaften in Lemberg hat vor Jahres-
frist das erste Deeennium ihrer wissenschaftlichen Thätigkeit abgeschlossen.
Gegründet im J. 1873 von ukrainischen Patrioten aus Russland zur Pflege
der ukrainischen Literatur, wurde sie im J. 1892 in eine wissenschaftliche
Gesellschaft umgestaltet und machte sich energisch an die Erforschung der
Fragen, welche vorzüglich mit der Vergangenheit und der Gegenwart der
Kleinrussen im weitesten Sinne, also auch die österreichisch -ungarischen
Ruthenen umfassend) verknüpft sind. Durch eine Reihe weiterer Umgestal-
tungen sich dem Organisationstypus der Akademien nähernd, wurde sie in
letzter Zeit de facto eine kleinrussische Akademie, wenn auch ohne Titel, und
als die gegenwärtig einzige höhere wissenschaftliche Nationalanstalt ver-
einigte sie in sich die wissenschaftliche Arbeit in kleinrussischer Sprache
und erlangte eine ungemein wichtige Bedeutung in dem Kulturleben des
kleinrussischen Volkes. Obwohl nun über ihre wissenschaftliche Thätigkeit,
wie auch über einzelne Publikationen im »Archiv« wiederholt die Rede war, so
dürfte doch eine systematische üebersicht aller bisherigen Arbeiten, welche
sich auf kleinrussisches Land und Volk beziehen , für alle Slavisten will-
kommen sein.
Die wissenschaftlichen Publikationen der Sevcenko-Gesellschaft be-
stehen aus folgenden Serien :
»Mittheilungen der Sevcenko-Gesellschaft d. W.« (3aniicKH
HayKOBoro ToBapiiciBa iMenu IUeBqeHKa), eine wissenschaftliche Zeitschrift,
hauptsächlich der Geschichte, Literaturgeschichte, Ethnographie und Sprache
des kleinrussischen Volkes gewidmet. Sie erscheinen alle zwei Monate in
Heften, jedes mehr oder weniger im Umfange von 200 Druckseiten; bis zum
Schlüsse des J. 1904 sind 62 Hefte erschienen. Hier werden Abhandlungen
und kleinere Materialien mit erklärenden Anmerkungen publicirt (kleinere
Notizen und Materialien in der Abth. Miscellanea). Ausführlich und syste-
matisch wird die Rubrik Bibliographie geführt (in den Abth. Wissenschaft-
*) Aus Anlass dieser bibliogr. Üebersicht drücken wir den Wunsch aus,
auch über andere slav. Gesellschaften, die der Pflege einheimischer philolog.-
historischer Disciplinen oder der Ethnographie gewidmet sind, ähnliche Re-
ferate zu bringen, wenn man sie uns, so wie es hier der Fall war, in deutscher
Bearbeitung zusendet. Es ist kaum nöthig hervorzuheben, dass bei derartigen
bibliogr. Uebersichten die kritische Würdigung der Einzelleistungen nicht
immer zur Geltung kommen kann. V. J.
280 Kritischer Anzeiger.
liehe Chronik und Bibliographie, welche zusammen Vs — V2 des Heftes ein-
nehmen); hier wird jahraus jahrein der Inhalt kleinrussischer, russischer,
polnischer, magyarischer und sonstiger Zeitschriften angegeben, welche
irgendwelche Artikel oder Materialien über kleinrussische Länder bringen
(in den letzten Jahrg. gegen 70 Zeitschriften) ; alle irgendwie wichtigeren
diesbezüglichen Artikel und Publikationen finden hier eine kritische Würdi-
gung oder wenigstens eine Inhaltsangabe, so dass diese 62 Hefte der »3a-
nucKjj« zusammengenommen eine recht solide bibliographie raisonnöe für das
Studium Kleinrusslands darstellen, über 3500 Titel diverser Artikel und
Publikationen. Besonders sorgfältig, wie in keiner anderen ausländischen
Publikation, wird die wissenschaftliche Literatur Eusslands registrirt und
besprochen. Von Zeit zu Zeit finden auch systematische Uebersichten der
Literatur einzelner Fragen Platz, welche nicht unmittelbar mit Südrussland
verknüpft sind; so wurden in den Jahren 1897 — 99 Uebersichten der Literatur
zur allgemeinen Weltgeschichte, für die J. 1900 — 2 Uebersichten der west-
europäischen Literatur über Anthropologie, Archäologie, Ethnologie und
Folklore gebracht.
»SaniioKii« sind das Organ der historischen und philologischen Sectionen
der Gesellschaft. Ausserdem gibt jede von ihnen jährlich einen Band ihres
»36ipHUK« heraus im Umfange von 15 — 30 Druckbogen; sie sind für umfäng-
lichere Arbeiten oder systematische Sammlungen kleinerer Aufsätze bestimmt.
Im »Zbirnyk« der historischen Section wurde meine Geschichte der Ukraine
(Bde. I — IV und VI — VII des »Zb.«) publicirt, in jenem der philologischen
Section wurden Sammlungen der folkloristischen Arbeiten Dragomanov's und
Dykariv's, eine zweibändige Biographie Sevcenko's von AI. Konyskij u. A.
gedruckt. Bisher sind 7 Bände des historischen und 6 des philologischen
»Zbirnyk« erschienen.
Die historische Section gibt ausserdem noch die »Ruth, historische
Bibliothek« (PyctKa icTopuina 6i6.!iiOTeKa) und die philologische die »Lite-
ratur-Bibliothek« (yKpaiucLKo-pycBKa 6i6.iiOTeKa) heraus. Die erste begann
schon in den 80-er Jahren zu erscheinen, unabhängig von der Sevcenko-
Gesellschaft d. W. und wurde nur später durch die Ges. übernommen zu-
sammen mit einem kleinen Subsidium, welches der galizische Landtag dieser
Publikation spendete. Hier wurden meistentheils Uebersetzungen hervor-
ragender Monographien zur Geschichte Südrusslands gedruckt (von Kosto-
marov, Antonovyc, Vladimirskij-Budanov u. A.) ; bisher sind 24 Bde. er-
schienen. Vom künftigen Jahre angefangen soll diese Publikation Materialien
und systematische Sammlungen werthvoller Artikel bringen, welche in sel-
tenen galizisch- und uugariäch-ruthenischen Druckschriften zerstreut sind.
Die »Literatur-Bibliothek« wurde unlängst gegründet für wissenschaftliche
Ausgaben kleinrussischer Klassiker; bisher sind drei Bände erschienen,
welche die Werke des bukowinischen Dichters und Novellisten J. Fedkovyc
enthalten.
Archäographischen Publikationen sind zwei Serien gewidmet:
»Quellen zur Geschichte der Ukraine« (/Kepejia so icxopui TKpaiHii-PycH)
bringen urkundliches Material und »Denkmäler der ukr. Sprache und
Bericht über die Thätigkeit der Sevcenko-Gesellschaft. 281
Literatur «(IIaMflTKuyKpai"nci.KoiMOBU i jiTeparypu) — literarische Denkmäler.
Jährlich erscheint ein Band, abwechselnd bald aus der einen, bald aus der
zweiten Serie. Von der historischen Serie sind bisher G (I— V und VIIj, von
der literarischen 4 Bände erschienen; von den darin enthaltenen Materialien
und sie begleitenden Elnfiihrungs-Studien wird weiter bei entsprechenden
Themen die Rede sein.
Ethnographische Materialien erscheinen auch in zwei Serien:
Ethnographische Sammlung (Eruor'pa'i-iiiiHir 36ipiiHK), hauptsächlich den Pro-
ducten der Volkstradition (des Folklore) gewidmet und Texte in möglichst
genauer philologischer Wiedergabe bringend. Von dieser Serie erscheinen
jährlich zwei Bände; bisher sind 16 Bände erschienen, welche eine ganz be-
deutende Masse volksthümlicher Ueberlieferungen enthalten. Die zweite
Serie: »Materialien zur ukrainischen Ethnologie« (Marepuji.iH ao yKpaiHCBKo-
pycBKoi eiHo.iBor'ii, bisher 7 Bde., erscheint ein Band jährlich) bringen haupt-
sächlich Beiträge zur descriptiven Ethnographie sowie zur Archäologie
(Paläoethnologie).
Die Juridische Zeitschrift (^aconuct üpaBHuia), Organ der juridi-
schen Commission, wurde nach zehnjährigem Erscheinen (18S9 — 1900, zehn
Bände) im J. 1900 in eine »Juridisch -ökonomische Zeitschrift« umgeformt
im J. 1904 ist der Doppelband VI — VII davon erschienen. Wie ihre Vor-
gängerin wendet auch diese »Juridisch-ökonomische Zeitschrift« die meiste
Aufmerksamkeit dem obligaten österreichischen Rechte zu, weniger Raum
den theoretischen Fragen des Rechtes und theilweise der Sociologie er-
theilend ; ziemlich viel Platz wird der Bibliographie ertheilt. Die den klein-
russischen Themen gewidmeten Artikel werden weiter unten erwähnt. Als
eine Ergänzung der »Zeitschrift« dient die »Juridische Bibliothek«, wo um-
fangreichere Universitätscurse aus dem Gebiete des obligaten Rechtes ver-
öflfentlicht werden (bisher sind drei Hefte erschienen).
Arbeiten aus dem Gebiete der mathematischen und naturwissenschaft-
lichen Disciplinen wurden anfangs in den »Mittheilungen« veröffentlicht,
welche als allgemeines Organ der Gesellschaft galten; in den ersten Bänden
der »Mittheilungen« (bis zum XIV.) gibt es ziemlich viel mathematische,
naturwissenschaftliche und medicinische Artikel. Seit dem J. 1897 werden
dieselben in der Sammelschrift derSection für mathematische, natur-
wissenschaftliche und medicinische Disciplinen gedruckt; im J. 19u4 wird der
zehnte Band erscheinen. In den J. 1898 — 1902 wurde der medicinische Theil
separat als »Medicinische Sammelschrift« (JIiKapci,KHii 36ipHUK) her-
ausgegeben (erschienen sind 6 Hefte; ; ausser Abhandlungen und Beobach-
tungen wurde hier auch der Bibliographie und Terminologie viel Platz ge-
geben. Gegenwärtig ist sie mit der gemeinsamen Sammelschrift der Section
vereinigt.
Ich muss auch die literar-wissenschaftlichen Publikationen der Gesell-
schaft erwähnen. Bis zum J. 1898 gab sie die Zeitschrift »Zorja« heraus
1880 — 1897, 18 Jahrgänge); sie erschien zweimal monatlich, wurde für die
»Familienlektüre« bestimmt, seit 1891 illustrirt (unter den Illustrationen sehr
viele ethnographische und historisch interessante Abbildungen). Im J. 1898
282 Kritischer Anzeiger.
trat an ihre Stelle der »Literarisch -wissenschaftliche Bote« (üiTepaiypHo-
HayKOBUH bIcthhk), eine Monatsschrift vom Typus der westeuropäischen Re-
vue, erscheint in Heften, jedes im Umfange von 10 — 12 Druckbogen. Der
Inhalt zerfällt in Belletristik, den wissenschaftlich-literarischen Theil und die
Chronik. Die Gründung dieser Revue fiel mit einer starken Belebung des
kleinrussischen literarischen Schaffens in Galizien und Russland zusammen
und blieb auch ihrerseits nicht ohne merklichen Einfluss auf dasselbe sowie
auf die Erhöhung des allgemeinen Niveau's des literarischen Geschmackes
und der kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft. Der L.-w.B. gibt ein ziem-
lich vollständiges und lebhaftes Bild der literarischen Bewegung dieser Jahre.
In seiner literarisch-wissenschaftlichen Abtheilung sowie in seiner Chronik
wurden eine Menge Artikel und Notizen nicht nur literar-kritischen, sondern
auch allgemeineren wissenschaftlichen Inhalts veröffentlicht. Wer sich mit
dem Inhalt dieser Zeitschrift näher befassen möchte, den verweise ich auf das
unlängst erschienene Inhaltsverzeichniss des L.-w. Boten für die ersten fünf
Jahre (20 Bände) seines Erscheinens.
Ein Bild der Wirksamkeit der Gesellschaft, der in ihren gelehrten
Sitzungen vorgetragenen Arbeiten und ihrer wissenschaftlichen Publikationen,
geben periodische Berichte (Chronik], welche in kleinrussischer und deutscher
Sprache seit dem J. 1900 viermal jährlieh erscheinen; früher wurden solche
Berichte in den »3anucKn« veröffentlicht. Jedes Jahr gibt das erste Heft dieser
Chronik einen Jahresbericht der Gesellschaft; Nachrichten über den Stand
der Bibliothek und anderer wissenschaftlicher Hilfsmittel, eine Liste der In-
stitutionen, welche mit der Gesellschaft ihre Publikationen austauschen u.s.w.
Nach diesen allgemeinen Bemerkungen komme ich zur systematischen
Uebersicht der nach Gruppen geordneten Materialien und Forschungen auf
dem Gebiete der Vergangenheit und der Gegenwart Südrusslands, welche in
den Publikationen der Gesellschaft enthalten sind.
Mit der Archäologie beginnend will ich zuerst einige Artikel des
Theodor Volkov über den bekannten Fundort in Kijev hervorheben: »Vor-
historische Funde in der Cyrillus-Gasse in Kijev« (Ethnol. Mater. I) — bisher
nach meiner Meinung die beste Arbeit, welche über diese Funde veröffent-
licht wurde — und »Der Madeleine-Sdl in der Ukraine« (Zap. 46), eine
Arbeit, speciell den ornamentirten Stosszähnen des Mammuts gewidmet,
welche Herr Volkov der Madeleine-Epoche zuschreibt. Im VI. Bde. der Ethn.
Mater, erschien der Anfang seiner grösseren Abhandlung über die »Vor-
mykenische Kultur«, jene räthselhafte Kultur, welche besonders durch die
unlängst gemachten Funde des Herrn Chvojka solches Aufsehen erregt hat
und bisher in Hinsicht ihres Ursprungs und ihres Verhältnisses zu ähnlichen
westlichen Funden nicht aufgeklärt wurde. In Verbindung damit stehen »Die
Funde in den Tumuli zwischen Veremje und Stretivka und bei Trypille«,
welche von demselben Volkov in einer vorläufigen Notiz (Eth. Mat. III) be-
schrieben wurden.
Die frühmetallische Kultur berühren: meine Notiz über bronzene
Schwerter aus dem Bez. Turka (Ostgalizien, in den Karpathen) — einen der
wenigen erforschten Funde der mesodanubischen Broncekultur in Galizien
\
Bericht über die Thätigkeit der Sevcenko-Gesellschaft. 283
(Zap. 33) und mein Artikel über das Gräberfeld beim Dorfe Cecliy, Bez.
Brody in Galizion (Zap. 31 — 32), einem überaus reichen Bestattungsgräber-
felde aus der Uebcrgangszeit von der Stein- zur Eisenkultur, welches leider
durch die Grabungen der unwissenden Leute, denen ihre Führung anvertraut
wurde, total verdorben worden ist. Die Aufschichtung verschiedener Kul-
turen und die Ueberreste der Fiirstenperiode beschreibt mein Artikel über
Zvenyhorod, eine der ältesten fürstlichen Residenzen Galiziens (Zap. ibid.);
hier wird auch die Streitfrage über die Lage Zwenyhorods behandelt. Einem
interessanten Funde der Erzeugnisse altrussischer Juwelierkunst im D. Molo-
tiv zusammen mit den Münzen des XIV. Jahrh. ist mein anderer Artikel ge-
widmet (Zap. 25). In der Notiz über »die Ohrringe des Kijever Typus bei
gegenwärtigen Kaukasiern« (Zap. 37) weise ich darauf hin, dass Ohrringe
dieses Typus, Ajour- Arbeit, mit drei geflochtenen Perlen noch jetzt durch
eingeborene Juweliere in der Gegend von Vladikavkas verfertigt werden.
Einige Notizen habe ich auch den altrussischen und byzantinischen
Bleisiegeln gewidmet, welche in Ostgalizien gefunden werden (Zap. 33). Die
altrussische Kunst behandeln: meine Artikel über die Arbeiten des Ak. Kon-
dakov (Zap. 40), über die Miniaturen des Trierer Psalters (Zap. 49) und der
Marie Hrusevska über die einstige Ausbreitung der ruthenischen Kunst in
polnischen Ländern — sehr interessante Nachrichten über die in polnischen
Ländern verlorenen und erhaltenen, von klein- und Weissrussischen Meistern
des XIL — XV. Jahrh. geschaffenen Kunstdenkmäler (Zap. 51).
Ausserdem wurde ein allgemeiner Umriss der archäologischen Denk-
mäler auf dem südrussischen Territorium , der Kultur nach archäologischen
üeberresten sowie auch der altrussischen Kunst in meiner »Geschichte der
Ukraine« gegeben, wovon gleich unten. Werthvolle Hinweise und Correc-
turen finden sich in einigen Recensionen über archäologische Arbeiten, so
z. B. in Jastrebov's Recension über die »Tumuli der Smila« des Gr. Bo-
brinskij (Zap. 7), V. Domanskij's Besprechung der archäologischen Karten
der Gouvern. Volynien und Podolien (Zap. 50) usw. Eine Uebersicht der
westeuropäischen Literatur über die Archäologie vom J. 1900 bis heute gibt
Z. Kuziela (Zap. 59).
Von meiner Geschichte der Ukraine') sind bis jetzt vier Bände
erschienen, welche die Zeit bis zum Ende des XVL Jahrh. umfassen; die fol-
genden Jahrhunderte denke ich in weiteren vier Bänden darzustellen. Der
erste Band beginnt mit der Geschichte des Territoriums — der Uebersicht
archäologischer Menschenspuren auf dem Territorium von den Karpathen bis
zum Kaukasus — von der paläolithischen bis zur historischen, graeco-sarma-
1) »IcTopHH yKpaiHii-Pycii« Bd. I, 1898 (bis zum Beginn des XL Jahrh.),
IV 4- 496 S. (Sammlung der bist, philosoph. Section, Bd. I); Bd. II, 1899 (das
XL— XIII. Jahrh.), 403 S. (Samml. Bd. II); Bd. III, 1900 (bis zum J. 1340),
700 S. (Samml. Bd. III und IV); Bd. IV, 1903 (das XIV.— XVI. Jahrh., poli-
tische Verhältnisse), 532 S. (Samml. Bd. VI und VII). Die ersten Bände sind
schon vergriffen und erscheinen in neuer Ausgabe (Bd. 1, 1904. VIII-f-62S S.).
Im Druck befindet sich eine deutsche Ausgabe, welche von der Firma
B. G. Teubner in Leipzig besorgt v/ird.
284 Kritischer Anzeiger.
tisclien Kultur. Durch die Analyse der Frage über die Urheimath der indo-
europäischen und speciell slavischen Stämme werden die Ausgangspunkte
der späteren slavischen Colonisation (inwieweit dies bei den jetzt bekannten
Thatsachen möglich ist) festgestellt und hernach die nichtslavische Coloni-
sation des südrussischen Territoriums überblickt: die griechische Coloni-
sation der Nordufer des Schwarzen Meeres, die iranische Steppenbevölkerung
(Skythen, Sarmaten, Alanen), die thrakische, zu welcher am ehesten die
ältesten Bewohner der Karpathen zu zählen sind, die germanische (Bastarnen.
Gothen) und schliesslich die asiatische, turkofinnische Migration (Hunnen,
Bulgaren, Chazaren, Avaren, Magyaren, Pecenegen). Das zweite Capitel ent-
hält eine Skizze der slavischen Besiedelung des südrussischen Territoriums
— Geschichte der Colonisation und eine Uebersicht der Sitzplätze einzelner
Stämme auf diesem Territorium; ziemlich viel Platz wurde der Feststellung
der westlichen und südwestlichen Grenze der kleinrussischen Colonisation
gewidmet, wo es so viel strittiges und unsicheres gibt; eine Uebersicht der
Verluste, welche die kleinrussische Colonisation unter dem Andrang der Horde
der Pecenegen erlitten hat, beschliesst dieses Kapitel. Das dritte Kapitel ist
der Darstellung der Kultur- und Lebensverhältnisse südrussischer Stämme
im Zeitpunkte ihrer Festsetzung und Staatenbildung gewidmet, auf Grund
linguistischer, archäologischer und historischer Daten: Wirtschaft und In-
dustrie, Lebensweise, Handel, der physische und psychische Menschentypus,
die religiöse Weltanschauung, Begräbniss- und Hochzeits- Bräuche, das
Familienleben und die sociale Organisation. Im vierten Kapitel wird die
Bildungsgeschichte des Russischen (Kijever) Staates dargestellt — die
Schwächen unserer annalistischen Tradition werden nachgewiesen und hernach
die Nachrichten über den Beginn der Staatsorganisation unabhängig von der
Theorie des varägischen Ursprungs der »Rus« zusammengestellt: die ältesten
Nachrichten über »Rus« sowie Zeugnisse über den Bildungsprocess des Kije-
ver Staatswesens, woran sich eine Uebersicht seiner Geschichte im X. Jahrh.
(Oleg, Igor, Olga, Svjatoslav) knüpft. Hierher gehören auch zwei Excurse am
Ende des Bandes: über die Aelteste Chronik sowie über die normannische
Theorie in der historischen Literatur (Geschichte und Kritik des Normannis-
mus). Das letzte Kapitel ist dem Ausbau des Kijever Staatsgebäudes unter
Vladimir gewidmet. In der zweiten Ausgabe wurde der erste Band bedeutend
erweitert; manche Kapitel wurden ganz neu geschrieben, z. B. die archäo-
logische Uebersicht des Territoriums, wo sehr viel neues Material hinzukam ;
neue Kapitel wurden hinzugefügt über die Familienverhältnisse und die An-
fänge des politischen Lebens bei den südrussischen Stämmen ; die Literatur-
nachweise wurden erweitert und vervollständigt.
Der zweite Band besteht aus zwei Theilen. Der erste (Kap. I — III) gibt
die Geschichte des Kijever Staates, seiner Auflösung und seines Verfalls bis
zur Hälfte des XIII. Jahrh. ; der zweite besteht aus Skizzen, welche einzelnen
kleinrussischen Gebieten gewidmet sind: dem Kijever (im Anhang dazu eine
kleine Skizze des Gebietes von Turov und Pinsk), dem Gernihover und Pere-
jaslaver Territorium, ihrer Geschichte, ihrem kulturellen und socialen Leben
(Kap. IV und V). Das letzte Kapitel ist den Steppen am Schwarzen Meer
Bericht über die Thätigkeit der Sevcenko-Gesellschaft. 285
gewidmet, schildert die Ueberreste der kleinrussischen Colonisation in den
Steppen und die dortige türkische Colonisation (die Pecenegen, Torken, Po-
lovzen, ihre Colonien in der Ukraine, die Ankunft der Mongolen = Tatarenj.
Der dritte Band beginnt mit einer Skizze der galizisch-volynischen
Territorien; ein besonderer Abschnitt, welcher das Interesse völliger Neu-
heit hat, befasst sich mit Ungarisch -Ruthenien; hier sind Nachrichten der
ungarischen Urkunden des XK. — XIII. Jahrh. über ungarische, mit Ruthenen
besiedelte Provinzen gesammelt. Das folgende Kapitel gibt die Geschichte
des galizisch-volynischen Staates des XII. — XIV. Jahrhunderts (bis zum
J. 1340\ das dritte schildert die Schicksale der Länder am Dniepr unter der
Herrschaft der Tataren, welche den völligen Verfall des Staatslebens und der
Kultur hier herbeiführte. Die zweite Hälfte des Bandes (circa 320 Seiten)
enthält einen Umriss der politischen und socialen Einrichtungen, der ökono-
mischen Verhältnisse, der Lebensweise und Kultur der kleinrussischen Län-
der in der Periode ihres selbstständigen Staatslebens (X. — XIV. Jahrh.) : das
Staatensystem und die Verhältnisse der Fürsten zueinander, die politische
Organisation der Territorien, der Fürst und das Vece (Volksversammlung),
die Administration und die Gerichtsbarkeit, die Kirche und die Kirchenver-
waltung, die sociale Einrichtung — die Klassen, ökonomische Verhältnisse,
das Recht als kulturelle Erscheinung, das Privatleben — Familienverhält-
nisse, die damaligen Laster in der Darstellung der kirchlichen Literatur und
der Einflnss des Christenthums, das kirchliche Leben, die Kunst, Auf-
klärung, Gelehrsamkeit und die literarische Production.
Der vierte Band ist den äusseren politischen Ereignissen des XIV. bis
XVI. Jahrh. gev/idmet, welche auf die Schicksale der kleinrussischen Länder
von Einfluss waren und schliesslich zur Vereinigung dieser Länder unter pol-
nischer Herrschaft führten. Das erste Kapitel stellt die Geschichte derOccu-
pation kleinrussischer Länder durch das Grossfürstenthum Littauen und das
Königreich Polen im XIV. Jahrh., sowie ihren Kampf um die galizisch-voly-
nischen Länder dar. Das zweite wird durch den ungarisch-polnischen Streit
um Galizien eröffnet und geht hierauf auf die Ereignisse des XIV. und An-
fang des XV. Jahrh. über, welche auf die Beziehungen Rutheniens, Littauens
und Polens einen mächtigen Einfluss hatten und ihre Geschichte in den folgen-
den Jahrhunderten bestimmten: die Union vom J. 1385, den Vertrag über die
Incorporation der zum Grossfürstenthum gobörigen Länder unmittelbar an
Polen; die Opposition gegen diese Incorporation im Grossfürstenthum Lit-
tauen unter Führung des Vitovt ; die Aufhebung jener fast selbstständigen
Fürstenthümer, aus welchen die kleinrussischen Territorien des Grossf ürsten-
thums Littauen bestanden und ihre Umwandlung in einfache Provinzen. Das
dritte Kapitel schildert den Kampf klein- und weissrussischer Fürsten und Bo-
jaren mit der ihnen feindlichen Politik der littauisch-polnischen Regierung,
die Conflicte des autonomistischen Programms der littauischen Aristokratie
mit der centralistischen Politik Polens. Ein besonderer Abschnitt spricht
von den Schicksalen der Länder am Schwarzen Meere, von der Bildung der
Horde vonKrym, ihren Beziehungen zum polnisch -littauischen Staate und
tatarischen Verwüstungen, welche mit dem Anfange des XV. Jahrh. be-
286 Kritischer Anzeiger.
ginnen. Das letzte Kapitel schildert den Vollzug der Union und die Ver-
einigung der übrigen südrussischen Territorien mit Polen. Im pendant zu
dieser Uebersicht der äusseren Verhältnisse wird der V. Band die sociale und
kulturelle Evolution der kleinrussischen Länder während der littauisch-polni-
schen Periode zur Darstellung bringen. Dieser Band ist schon im Manuskript
fast fertig und wird wahrscheinlich in diesem Jahre (190.5) erscheinen.
Von speciellen Beiträgen zur alten Periode der Geschichte süd-
russischer Länder und des Slaventhums hebe ich folgende hervor : Panacovnyj
über griechische Colonien am Kubangestade (Zap. 2), meine Arbeit über die
Anten (ibid. 21) ; M. Korduba über das Reich Samo's (ibid. 13) und Z. Kuziela
Uebersicht der neueren Literatur betreffend die älteste Geschichte des
Slaventhums und Revision der darin hervortretenden Fragen (ibid. 52, 53;.
Hier seien noch Dykarivs Arbeiten zur vergleichenden Mythologie erwähnt:
«Mythologische Fragmente«, »Fragmente aus der griechisch-slavischen My-
thologie« *) U.A. Zur Geschichte des alten Kijever Staates: Gr. Velycko
über politische und kulturelle Beziehungen der Rus zu Byzanz — eine tüch-
tige Kompilation (Zap. 6); M. Korduba über sociale Klassen und politische
Parteien im Fürstenthum Halle bis zur Hälfte des XIII. Jahrh. — einige in-
teressante Bemerkungen, welche die Fehler und Trugschlüsse in anderen
Fällen wettmachen (ibid. 31,; meine Arbeiten über das halicer Bojarenthum
des XII. — XIII. Jahrh. (der Bildungsprocess einer geschlossenen Bojaren-
klasse und Ursachen ihrer Macht — ibid. 30; sowie über eine gegen das fürst-
lich-gefolgschaftliche Regime gerichtete Bewegung in den Stadtgemeinden
des XIII. Jahrh. (ibid. 1); B. Barvinskyj über die Pressburger Zusammenkunft
Daniels mit dem König Bela (Zap. 52;, meine kritische Prüfung der Urkunden
des Fürsten Leo, welche von früheren Forschern als authentisch angesehen
wurden (ibid. 45).
Den Versuch einer historischen Chrestomathie, enthaltend die wichtigeren
Abschnitte aus den Quellen zur kleinrussischen Geschichte des IX. — X. und
der ersten Hälfte des XI. Jahrh., mit einleitenden Anmerkungen und Erklä-
rungen gab ich im J. 1895 separat heraus u.d.T. »Ausschnitte aus den Quellen
zur Geschichte der Ukraine« (schliesst mit Skylitzes-Kedrenos und den
Sagen). Besondere Abschnitte der Quellenkunde behandeln folgende Ar-
beiten: Nik. Suchevyc über die Verträge der Rus mit den Griechen (Juridische
Ztschr.2); K.Levyckyj's Ausgabe der »Ruskaja Pravda« (nach Karamsinschem
Kodex) mit einer kleinen Einleitung (ibid. 5); meine Forschung über die Chro-
nologie der halyc-volynischen Chronik — enthält eine allgemeine Analyse.
Richtigstellung der Daten einzelner Vorkommnisse und einen chronologischen
Index zur Chronik, auf Grund dieser Analyse zusammengestellt (Zap. 41).
1) Beide mit anderen analogen Arbeiten Dykarivs, auf Kosten der Ver-
ehrer des Verstorbenen herausgegeben im V. Bde. der Sammlung der philo-
logischen Section , welcher ausschliesslich dem literarischen Nachlasse des
talentvollen Autodidakten-Philologen gewidmet ist, dessen Arbeiten werth-
volle ethnographische Beobachtungen enthalten, aber vom methodologischen
Standpunkte Manches zu wünschen übrig lassen.
Bericht über die Thätigkeit der Sevcenko-Gesellschaft. 287
Derselben Chronik sind auch einige kleinere Notizen gewidmet (ibid. 8,
47, 52).
Zur Geschichte der späteren Jahrhunderte (der littauisch-polnischen
Periode) haben wir folgende Arbeiten: P. Ivanov über die letzten Romano-
vicen und den Boleslav Trojdenovic (Zap. 2); Em. Terleckyj über galizische
Geschehnisse nach dem Tode Boleslavs (ibid. 12); für die Zeit des Vladislav
Opolskij publicirte ich einige noch unedirte Urkunden (ibid. 51); für das
XV. Jahrh. meine Notiz über den Charakter der Herrschaft der Kijever
Fürsten des XV. Jahrh. (zwei unedirte Urkunden des Grossfürsten Kasimir,
welche die Möglichkeit einer Einmischung des Grossfürsten in die innere
Administration des Kijever Fürsten involviren (Zap. 31) und eine grössere
Arbeit des Rudnyckyj über türkisch-tatarische Kriegszüge nach Galizien im
XV. Jahrh. und die Organisation der Verteidigung (ibid. 31 — 32). Für die
Geschichte der socialen Verhältnisse — der ökonomischen und juridischen
Formen jener Zeit wurden von mir edirt: einige Kijever Dokumente des XV.
und XVI. Jahrh. (Zap. 11), eine Eeihe ältester Inventarien aus dem Ende des
XV. und dem Beginn des XVI. Jahrh. der podolischen Schlösser (Zap. 9) der
Starostei von Lemberg (ibid. 12), Peremysl (ibid. 19) und Eatno (ibid. 26),
sowie zwei bäuerliche Verkaufskontrakte aus dem Anfang des XVI. Jahrh.
aus der westlichen Marke des galiz. Ruthenenlandes (Zap. 50;. Für die Hälfte
des XVI. Jahrh. bieten die Lustrationen der kleinrussischen, zum polnischen
Königreiche gehörenden Domänen eine ungemein wichtige Quelle. In der
Publikation »Quellen zur Geschichte der Ukraine« (Fontes historiae ukraino-
russicae) in vier Bänden edirte ich vollständig die Lustration der 1564—1565
und 1569 — 1570 Jahre, nur einige von der Kijever Archäographischen Kom-
mission (Prof. Vladimirskij-Budanov und mir) bereits edirten Abschnitte
bei Seite lassend. Sie umfassen Galizien und die Territorien von Podolien,
Cholm und Ratno und bieten äusserst wichtige Nachrichten über ökonomische,
juridische und nationale Verhältnisse dieser Länder. Als Einleitungen zu
diesen Bänden gab ich Abhandlungen über die ökonomischen Verhältnisse
des Bauernstandes in den königlichen Domänen Galiziens im XVI. Jahrh. her-
aus auf Grund jener Lustrationen, sowie zahlreicher Inventarien, welche von
mir kopirt und für die Edition in derselben Publikation der Gesellschaft vor-
bereitet wurden.
Ich erwähne noch meine Bemerkung über die im Archiv der polnischen
Finanzverwaltung gegenwärtig der Warschauer Finanzdirection) enthaltenen
Materialien, sowie ausführliche Recensionen über die Beschreibungen der
kleinrussischen Territorien von AI. Jablonowski (von mir und St.Tomasivskyj,
Zap. 17 und 51j und einige kleinere Beiträge (ibid. 13, 28, 43 u. A.).
Kulturelle, religiöse und Privatverhältnisse jener Zeit behandeln die Ar-
beiten: A. Lotockyj über westrussische Domkapitel (Zap. 9), meine und des
Dr. Prochaska über die Lage der orthodoxen Kirche in Polen (ibid. 27 und 30),
eine ausführliche, noch nicht geschlossene Abhandlung des AI. Susko über
Benedikt Herbest, einen der Vorläufer der Kirchenunion des XVI. Jahrh. mit
einer allgemeinen Schilderung des Zustandes der katholischen und orthodoxen
Kirche im XVI. Jahrh. anstatt einer Einleitung (Zap. 53, 55, 61), sowie seine
288 Kritischer Anzeiger.
AbhandluDg über die Einführung der Jesuiten in Polen (ibid. 57 und 5S ; Ma-
terialien und Anmerkungen über das Geschlecht der Bybelskyj, gesammelt
vomLemberger katbol. Erzbischof Prochnizki, einem Nachkommen der poloni-
sirten und katholisch gewordenen galizischen Bojarenfamilie (von mir für den
Druck vorbereitet), sowie Notizen über die Conversion der Orthodoxen zum
Katholicismus aus dem Samborer Matrikel vom Ende des XVI. Jahrh. iviele
orthodoxe Kriegsgefangene aus dem moskovitischen Kriege (Zap. 48 und 8)
und die von A. Susko herausgegebenen Akten der Warschauer S5'node aus
dem J. 1561 (Zap. 59). Ueber die ökonomische und juridische Lage der ortho-
doxen Dorfgeistlichkeit meine Arbeit gegründet auf Dokumenten des Sam-
borer Gebietes, mit Beifügung der Dokumente selbst aus der ersten Hälfte
des XVI. Jahrh. (Zap. 34), und spätere ähnliche Materialien mitgetheilt von
Mich. Zubryckyj (Zap. 25 und 34, Sammlung der histor. Section Bd. 5).
Vieles geben die Publikationen der Gesellschaft für die Geschichte des
Kosakenthums. Der Aufklärung der Frage über den Anfang und die ur-
sprüngliche Organisation des Kosakenthums ist mein Artikel gewidmet: Be-
merkungen zur Geschichte des Kosakenthums Zap. 22) ; dieselbe Frage be-
rühren meine zwei späteren kleinen Artikel: über die Kosaken vom J. 1470,
welche im Codex der genuesischen Kolonien erwähnt werden (Zap. 56j und über
denHetmanBohdanko Rozynskyj (ibid. 16), sowie E. Barvinskyj's über einen
Streifzug der Kosaken nach Ocakov im J. 1545 (unedirte Dokumente, ibid. 18;.
Ferner von demselben E. Barvinskyj über die Beziehungen Kaiser Ru-
dolphs II. und des Papstes Klemens VIII. mit Kosaken 1593 — 1594 (ibid. 10),
meine Materialien zur Geschichte der Bewegung der 1590er Jahre (ibid. 31
32) und ein analoges, von B. Domanyckyj edirtes Dokument (ibid. 40). Mit
dem Bande 60 beginnt eine noch unvollendete ausführliche Studie von dem-
selben B. Domanyckyj zu erscheinen: Das Kosakenthum an der Grenzscheide
des XVI. und XVII. Jahrh., wo alles bisher verötfentlichte Material zu diesem
Gegenstande gesammelt ist. Die Geschichte des Kosakenthums von dem
Aufstande des J. 1625, bis zum Aufstande 1630 inklusive, behandelt St. Rud-
nyökyj in zwei ausführlichen Abhandlungen, welche sich durch die Menge
des gesammelten Materials und die Exaktheit der Methode sehr vortheilhaft
auszeichnen (Zap. 17 und 31); wenn auch von einem Studenten geschrieben
würden sie einem auch mehr erfahrenen Gelehrten Ehre machen (zusammen mit
der weiter unten zu erwähnenden Abhandlung des Tomasivskyj waren dies
die besten Arbeiten, welche aus meinem historischen Seminar hervorgegangen
sind). Obwohl sich der Verfasser nur auf edirtes Material beschränkte,
führte er doch eine Reihe neuer Thatsachen und Details der Geschehnisse
ein und gab vielen eine neue Beleuchtung. Dem Antheil der Kosaken an
dem moskowitischen Kriege 1633—1634 ist die Arbeit des Oleg Celevyc ge-
widmet welche auch einige inedirte Materialen enthält (Zap. 28).
Vieles wurde gethan für die Geschichte der Epoche des Chmelnyckyj.
Zum 250 jährigen Andenken an diese grossartigste ukrainische Volksbewegung
(im J.1898) wurde ein Doppelband der Zapysky (23— 24) ausschliesslich seiner
Geschichte gewidmet. Hier erschienen: meine Studie über diese Bewegung,
dann eine ausführliche und sehr solide, auf Grund ganz neuen, vom Verfasser
Bericht über die Thätigkeit der Sevcenko-Gesellschaft. 289
selbst gesammelten Materials geschriebene Arbeit des St.Tomasivskyj über die
Volksbewegungen in Galizien im J. 1648 (in früheren historischen Arbeiten
wurden diese Bewegungen sehr wenig erforscht; ; eine interessante Arbeit des
Iv. Franko über zeitgenössische polnische Gedichte von Chmelnyckyj und den
Vorfällen der Jahre 1648—49; St. Rudnyckyj's Analyse der Nachrichten über
Chmelnyckyj und seine Epoche in der neuedirten Chronik des Temberski,
und einige kleinere Notizen und Recensionen. Aus Anlass des 250 jährigen
Andenkens an die Vereinigung der Ukraine mit Russland wurde ein kleiner
Artikel von mir im Lit. wiss. Boten (19üO, 1) veröffentlicht. Materialen aus
galizischen Archiven zur Epoche des Chmelnyckyj, gesammelt von Tomasiv-
skyj und theilweise (für das J. 1648) von ihm ausgenützt in der erwähnten
Arbeit, sind von ihm in den J. 1889 — 1901 in zwei Bänden herausgegeben-
■worden in der Serie »Quellen zur Geschichte der Ukraine«, Bd. IV und V; als
einleitende Studien wurden von ihm diesen Bänden zwei Abhandlungen bei-
gegeben : über die Wirksamkeit der galizischen Komitien während der Epoche
Chmelnyckyj's, und über die Veränderungen, welche diese Bewegung in der
Kolonisation des nordöstlichen Galiziens (des Lemberger Territoriums) verur-
sachte. Hier muss auch noch seine Arbeit über die Rolle des Lemberger
Bürgerthums in der Epoche Chmelnyckyj's und die Lebensverhältnisse dieses
Bürgerthums erwähnt werden (Zap. 15).
Die Epoche Chmelnyckyj's berührt auch die interessante Arbeit des
Em. Terleckyj über die Oceupation der Nachbarterritorien Weissrusslands
durch Kosaken und über die Ursachen ihres bekannten Conflicts mit der
Moskauer Regierung (Zap. 14;. Die Vorgänge unmittelbar nach dem Tode
Chmelnyckyj's schildert D. Korenec in der Abhandlung: »Verhandlungen
Ivan Vyhovskyjs mit Polen 1657 — 58« (Zap. 38); Vyhovskyj's Fall und die
weiteren Vorgänge beleuchtet Herasymcuk in der Abhandlung »Ivan Vyhov-
skyj und Georg Chmelnyckyj« (Zap. 59 und 60). Der Politik des letzten Mit-
streiters und Trägers der Ideen Chmelnyckyj's ist ein Artikel des Oleg
Celevyc »Verhandlungen Dorosenko's mit der polnischen Regierung« (Zap. 25)
gewidmet, eine auf zwar publicirten, aber bisher in der Historiographie der
Ukraine nicht ausgenützten Materialien gegründete Arbeit. L. C. gibt eine
allgemeine Uebersicht der durch das J. 1654 geschaffenen Verhältnisse — der
Gegensätze in den Bestrebungen der ukrainischen Gesellschaft zur Politik
der Moskauer Regierung feine nicht ganz komplette, aber nützliche Zu-
sammenstellung des Materials, Zap. 29 — 30J. Frau H.Radakova schildert auf
Grund publicirter und inedirter Quellen eine der schwersten Naturalleistungen,
welche die russische Regierung den Kosaken auferlegt hatte — das Graben
des Ladoga-Kanals (Zap. 12). Ivan Dzydzora gibt auf Grund neuerer Publi-
kationen eine Uebersicht des Verhaltens der russischen Regierung zur Ukraine
in den J. 1726 — 1737 (Zap. 61); er stellt auch Beiträge zu den inneren Verhält-
nissen der Ost-Ukraine zusammen, welche im III. Band der »Beschreibung
Kleinrusslands" von Lazarevskij verstreut sind (Bd. 58).
Zur Geschichte der galizischen »Oprysken« (Räuber) wurden herausge-
geben (richtiger wieder herausgegeben) die Artikel des Jul. Celevyc im XX.
Bande der »Historischen Bibliothek«, sowie spätere Lieder und Erzählungen
Archiv für slavische Philologie. XXVII. 19
290 Kritischer Anzeiger.
über Miron Stola und andere Oprysken (Ethnogr. Sammlung Bd. V). Zur Ge-
schichte der »Kolijivscyna« (Gemetzel in ümanj im J. 1768, begann im J. 1904
die Publikation neuer Materialien : Memoiren und Briefe der Basilianer zur Ge-
schichte dieses Gemetzels, gesammelt von A. Kryzanovskyj und von mir be-
arbeitet (Zap. 57], Beiträge über die Antheilnahme der Kijever Mönche an
Hajdamakenbewegungen, von S. H. (Bd. 59), und ein anonymes polnisches
Gedicht, mit kritischen Bemerkungen über die zeitgenössische polnische Me-
moirenliteratur sowie deren neuere Bearbeitungen (Bd. 62). In früheren Bän-
den erschien eine Notiz des verst. AI. Markevyc über einige unberührte Nach-
richten von den Häuptlingen der Kolijivscyna (Bd. 45), sowie ein interessantes
Pamphlet, mitgeteilt von E. Makaruska (Bd. G).
Den kulturellen und religiösen Verhältnissen Galiziens im XVIII. und
der ersten Hälfte des XIX. Jahrh. ist der ganze V. Band des SolpHUK der
histor. Sektion gewidmet. Ich erwähne nur die wichtigeren Artikel und Ma-
terialien dieser interessanten Sammlung: Materialien zur Charakteristik der
Lebensweise galizischer Dorfgeistlichkeit im XVIII. Jahrh., gesammelt von
M. Zubryckyj; über den Kampf der Geistlichkeit mit Volksaberglauben, Ma-
terialien mit dem Vorwort des Iv. Franko; Materialien zur Geschichte der
Volksschulen zu Ende des XVIII. und aus der ersten Hälfte des XIX. Jahrh.,
gesammelt von G. Kmit, Iv. Levyckyj und Iv. Franko; Skizze der Entwicke-
lung des Schulwesens in Galizien von Iv. Levyckyj; über die erste ruthe-
nische Gesellschaft zum Zweck der Volksaufklärung (in Peremysl 1816 — 1818)
von Iv. Franko, sowie seine Mittheilung über einige unedirte ruth. Lehrbücher
aus dem Anfang des XIX. Jahrh. Ausser dieser Sammlung erwähne ich: Ex-
cerpte aus den Gestionsprotokollen der ruth. Pfarreien aus dem Ende des
XVIII. Jahrh., mitgetheilt von Iv. Franko (in kultureller oder socialer Hinsicht
interessante Anordnungen der Behörden, Zap. 27], die galizisch-ruthenische
Bibliographie 1772 — 1800 von Iv. Levyckyj (Zap. 52); ein Memorial der Dissi-
denten, präsentirt dem polnischen Landtage vom J. 1791, mitgetheilt von M.
Haluscynskyj (Zap. 51); schliesslich eine Arbeit des AI. Lotockyj über die
Lage der säkularen Geistlichkeit in Kleinrussland im XVIII. Jahrh. im Ver-
gleich mit Russland (Zap. 21).
Oekonomischen und socialen Verhältnissen des Abschlusses des XVIII.
und des XIX. Jahrh. sind folgende Arbeiten gewidmet : Iv. Franko über die
Wirthschaft des Hrymalover Güterkomplexes, an der Ortsgrenze Galiziens
f Jurid.-ökonom. Zeitschrift Bd. L ; Mich. Zubryckyj über die frühesten Eekru-
tirungen nach Volkserzählungen und Dokumenten (Zap., Bd. 42), derselbe über
die Hungerjahre 1846 — 1849 (Bd. 21), sowie seine kleineren Notizen im Bd. 50
und 58; L. Jendyk's Sammlung von Volkstraditionen über das Frohnwesen
(Ethnogr. Sammlung Bd. 5) und ein interessanter Artikel des Iv. Franko über
die Bauernverhältnisse in der Bukowina und den bekannten Deputirteu
Lukjan Kobylyca (Zap. 49). Derselbe Verfasser lieferte auf Grund polnischer
Memoiren ein lebensvolles Bild der polnischen Gesellschaft in den ukraini-
schen Gouvernements während der ersten Hälfte des XIX- Jahrh. ;Zap. 45)
und widmete einen speciellen Artikel einem Eepräsentanten der polnischen
Bauernthümelei, Anton Szaszkiewicz (Bd. 57).
Bericht über die Thätigkcit der Sevceuko-Gesellschaft. 291
Zur Geschichte des denkwürdigen Wendepunktes im galizischen Leben
im J. 1S4S gibt es einige kleinere, aber interessante Beiträge i;. Ein Bild
galizischen Lebens von diesem Wendepunkte anfangend zeichnet (nicht immer
vollständig, aber interessant) der ausführliche Artikel des verst. Eust. Ter-
leckyj, aus seinen Papieren herausgegeben^). Es wird durch Portraits einiger
Repräsentanten der damaligen Literatur und Politik vervollständigt, welche
von Iv. Franko lebhaft skizzirt wurden (Iv. Naumovic, Ant. Petrusevic, Iv.
Husalevic — Lit.wiss. Bote 1899 Heft 10—11, 1901 Heft3 und 1903 Heft 8— 11).
Wichtiges Material zur Kulturgeschichte der galizischen Ruthenen aus der
Mitte des XIX. Jahrb. geben zwei Briefsammlungen, welche Cyr. Studynskyj
publicirt hat, nämlich die von Uionys Zubryckyj (Zap. 43) und sehr reich-
haltige von Jakob Holovackyj, deren erster Theil als VIIL Bd. des philol.
Zbirnyk erschienen ist. Für die Geschichte der 70 er Jahre gibt viel interes-
santes die Biographie des Eust. Terleckyj , geschrieben von Iv. Franko
(Zap. 50 . Kleinere Notizen und Materialien zur Geschichte der letzten Jahr-
zehnte des XIX. Jahrh. will ich nicht aufzählen; Interessirte können dieselben
in den Inhaltsangaben finden. Ich erwähne nur den Artikel des Iv. Franko
über die kulturelle und litterariscbe Bewegung Galiziens in den letzten Jahr-
zehnten (Lit. wiss. Bote 1901, Heft 7 — 9), sowie meine Artikel über das kul-
turelle und sociale Leben Galiziens (ibid. 1899, Heft 2, 5 und 11), und eine
Anzahl Nekrologe der verstorbenen Repräsentanten der kleinrussischen
Wissenschaft. Eine allgemeine Skizze der nationalen kleinrussischen Wieder-
geburt im XIX. Jahrh. gab ich in dem öffentlichen Vortrag, gedruckt u. d. T.
»An der Schwelle des Jahrhunderts« (Lit. wiss. Bote 19ul, Heft 2).
Mich zur Literaturgeschichte wendend, will ich mit der Reihe
solcher Arbeiten beginnen, wo die Produkte des südrussischen Schriftthums
als Bindeglieder in der internationalen Geschichte weitverbreiteter Themen
der Weltliteratur erscheinen. Hierher gehören einige Arbeiten des Iv. Franko :
eine ausführliche literarische Geschichte des Romans von Barlaam und loa-
saph (Zap., Bd. 8, 10, 18 und 20), eine mit eben solchem grossen Apparat ge-
schriebene Geschichte der Legende vom Klemens Romanus: der Verf. beginnt
mit den altchristlichen Bestaudtheilen, um mit der Geschichte dieser Le-
gende in Altrussland zu schliessen; die Arbeit ist nicht zum Abschluss
gebracht Zap. Bd. 47, 48, 56, 59 und 60) ; eine Reihe Arbeiten über die Apo-
kryphenliteratur: das Evangelium Pseudo-Matthäi über die Geburt und Klnd-
1) »Der 1. und 2. November 1848 in Lemberg", offizieller Bericht, mitge-
theilt von Jul. Levickyj ;Bd. 25); G. Kmit »Das J. 1848 und das Lemberger
geistl. Seminar« Bd. 40); ders. »Ein Seminarist als Agitator (Bd. 41); ders.
»Aus den Verhältnissen eines galiz. Dorfes in der Mitte des XIX. Jahrh.
Bd. 44), s. ausserdem Bd. 52. 57 u. s. w.
~) Das galizisch-ruthenische Schriftthum in den J. 1848 — 1856 (Lit. wiss.
Bote 1903, Hefte 6 — 12 und separat u. d. T. : »Das galizisch-ruthenische
Schriftthum in den J. 1848 — 1865 auf Grund damaliger social-politischer Be-
strebungen der galizisch-ruthenischen Intelligenz«. Es ist eine Fortsetzung
der Arbeit desselben Verfassers »Die literarischen Bestrebungen galizischer
Ruthenen«, deren erster Theil 1892—93 in aCme i Ciobo erschienen war.
19*
292 Kritischer Anzeiger.
heit der Maria (Bd. 35), über alttestamentliche Apokryphen, apokryphe Evan-
gelien und Apostelgeschichten, — die drei letzten Arbeiten bilden Einleitun-
gen zu den drei bisher erschienenen Bänden eines grossangelegten Corpus der
Apokryphen in kleinrussischen Redaktionen gesammelt von demselben Ver-
fasser ij. Als ein Beitrag zur altkirchenslavischen Literatur muss auch der
bisher noch nicht abgeschlossene Artikel VI. Kocovskyj's über das Wirken
Cyrills und Methods genannt werden (Lit. wiss. Bote, 1904, Heft 1 u. 2*.
Eine allgemeine Uebersicht der zeitgenössischen Studien über die alte
kleinrussische Literatur gibt ein Referat des AI. Kolessa (Zap. 34". Eine all-
gemeine Skizze der alten kleinrussischen Literatur findet sich in meiner Ge-
schichte der Ukraine (Bd. III); ebenda (Bd.I) ist auch ein specieller Exkurs
der ältesten Chronik gewidmet. Es folgen die Artikel des Bas. Scurat über
die Bittschrift des Daniel Zatocnik (Zap. 9), meine Notiz über das Wunder
des heil. Klemens, welches vom Akad. Sobolevskij herausgegeben wurde
(Zap. 49), Iv. Franko über die »Sage von der Auferstehung des Lazarus»,
in welcher der Verf. ein altrussisches Gedicht über ein apokryphes Thema
nachgewiesen hat (Bd. 35), sowie desselben Verf. Arbeit über die wun-
derbare Verwandlung des Wassers in Meth im Chersonesus (Bd. 44 und eine
Variante Bd. 52). Für das XV.— XVI. Jahrh. — mein Artikel über die Lob-
rede auf Vitovt, welche in die älteste ruthenisch- litauische Chronik der
kurzen Redaktion einbezogen wurde, sowie über die Zusammensetzung der
Chronik selbst (Bd. 6) und die Erklärung aus Anlass der Hypothese, dass das
erste Litauische Statut gedruckt wurde (sie gründet sich auf einer irrthüm-
lichen Lesart) (ibid.). Für die polemische Literatur des XVI.— XVII. Jahrh.
eine umfassende Sammlung polemischer Schriften theils aus alten Drucken,
theils aus Handschriften herausgegeben von Cyr. Studynskyj (Denkmäler
Bd. V) — enthält Traktate von Herbest, Zebrowski, St. Zizanyi, Klerikus von
Ostrog und Meletius Smotryckyj, mit einer Einleitung vom Herausgeber);
Iv. Franko's Notiz über ein damals gedrucktes Sendschreiben des Ivan Vysen-
skyj (Bd. 35, 1), Cyr. Studynskyj über Hyp. Potij's Autorschaft des Antirrhesis
(Bd. 35) und AI. Susko's Bemerkungen über den Text der »Palinodia« Kopy-
stenskyj's und ihre Umarbeitungen (Bd. 54). Für die poetische Litteratur des
XVII. Jahrh. M. Favlyk — über Gawwatowicz, den Verfasser kleinrussischer
Intermedien vom J. 1619 Bd. 35). F. Zyteckyj über die »Ostroher Tragödie«,
ein versificirtes Poem, verf. um das J. 1630 (Bd. 51), Iv. Franko über anonyme
Verse eingestreut in die »Dioptra« vom J. 1612 (Bd. 22) und derselbe über ein
versificirtes Pamphlet des Lemberger Bischofs Sumljanskyj (Bd. 39,, sowie
die Reihe keinerer Notizen von C. Studynskyj über die versificirten Panegy-
rika des XVII. Jahrh. (Bde. 8, 12, 50).
1) Denkmäler der ukrainisch-ruthenischen Sprache und Litteratur. Bde.
I — IV (1896 — 1902). Die Untertitel dieser Bände lauten: »Apokryphen und
Legenden aus ukrainischen Handschriften gesammelt von Dr. Ivan Franko«.
Bd. I, Alttestamentliche Apokryphen ; Bd. II, Neutestamentliche Apokryphen:
A. Apokryphische Evangelien, Bd. III, Neutestamentliche Apokryphen: B.
Apokryphe Apostelgeschichten; Bd. IV (in Vorbereitung) wird apokryphe
Apokalypsen enthalten.
Bericht über die Thätigkeit der Sev6enko-Ge8ell3chaft. 293
Zur Geschichte des westruthenischen (galizischen und ungarischen)
Schriftthums des XVII— XVIII. Jahrh. gab Iv. Franko eine allgemeine Skizze,
begleitet von der Inhaltsangabe einer ganzen Reihe (25; handschriftlicher
Codices miscellanei, welche Denkmäler des damaligen Schriftthums enthalten
u. d. T. »Das karpatho-ruthenische Schriftthum des XVII.— XVIII. Jahrh.«
(Zap. Bd. 37, 38) — ähnliche Beschreibungen der Sammelbände und einzelner
galizischer Handschriften sind in den Zapysky auch sonst mehrere erschienen
(Bd. 10, 19, 37 u. a.). In einem besonderen Artikel befasst sich derselbe Verf.
mit den Spuren der Legende vom Presbyter Johannes und der Entdeckung
Tibets in einem karpatho-ruthenischen Texte (Bd. 41). Einige Legenden aus
einer im Dorfe Chitar befindlichen Handschrift aus dem Anfang des XVIIL
Jahrh. publicirte V. Hnatiuk (Bd. 16). Derselbe gab auch in zwei Bänden ein
Legendenkorpus aus der mündlichen Tradition des galizischen Volkes heraus
(Ethnogr. Sammlung Bd. XII— XIII;. Ziemlich viel wurde auch für die Er-
forschung der alten Verse und geistlichen Gedichte gethan: mehr oder
weniger bedeutende Sammlungen auf Grund alter Handschriften und der
neuzeitlichen mündlichen Tradition wurden von VI. Hnatiuk, Iv. Franko und
mir publicirti).
Zur Geschichte der neuen (wiedergeborenen) kleinrussischen Literatur
übergehend muss ich vor allem die vom verst. Em. Ohonovskyj verfasste Ge-
schichte dieser Literatur erwähnen, welche ursprünglich in der »Zorja« publi-
cirt und dann auf Kosten der Gesellschaft separat in sechs Bänden (1887 bis
1894; herausgegeben wurde 2 . Der erste Band, welcher die Jahrh. XI— XVIII
umfasst, kompilativ und sehr oberflächlich ausgearbeitet wurde, wurde
Gegenstand scharfer Kritik und verschaffte dem ganzen Werke eine ziem-
lich abträgliche Reputation. In Folge dessen wurde seine Literatur-
geschichte des XIX. Jahrh., welche die piece de resistance des ganzen Wer-
kes bildet, nicht nach Werth gewürdigt. Es ist richtig, der Verstorbene war
kein Literarhistoriker von Beruf, ihm fehlen leitende Gesichtspunkte, er zieht
es vor fremde Erscheinungen zu reproduciren statt eigene Urtheile zu fällen
und hat sein Buch in zwei Dritteln mit Inhaltsangaben der Literaturwerke
angefüllt; trotzdem aber hat sein Werk als eine Materialien- und Thatsachen-
Sammlung einen bedeutenden Wert und bleibt immer noch das wichtigste
Handbuch für die Kunde der ukrainischen Literatur des XIX. Jahrb., welches
durch nichts Besseres ersetzt worden ist. Eine allgemeine Skizze der Wieder-
geburt Galiziens bis zum J. 1870 gab der verst. Eust. Terleckyj in oben er-
wähnten Artikeln. Eine kurze Skizze der Literaturbewegung des Jahrhunderts
1) M. Hrusevskyj, Ein Liederbuch aus dem Anfang des XVIII. Jahrh.
(Zap., Bd. 15 und 17); VI. Hnatiuk, Ungarisch -ruthenische geistliche Ge-
dichte Zap., Bd. 46, 47, 49 eine grosse Kollektion); derselbe, Sammlung der
von den Leiermännern vorgetragenen Gedichte (Ethnogr. Samml. Bd. 11, und
kleinere Publikationen in Bd. 14, 21, 58 u. a.
-) Bd.I, Jahrh. XI. — XVIIL; zweiter Theil in zwei Bänden ~ die Poesie
des XIX. Jahrh.; dritter Theil in zwei Bänden — die Belletristik des XIX.
Jahrh.; der vierte Theil — Geschichte der Erforschung Südrusslands, un-
vollendet, umfasst die Ethnographie.
294 Kritischer Anzeiger.
gab AI. Kolessa im Artikel : »Das Jahrhundert der erneuten ukrainisch-ruthe-
nischen Literatur« (Lit. wiss. Bote 1898, Heft 11). Unlängst wurde aus den
Papieren Dragomanovs seine Skizze der ukrainischen Literatur des »Entre-
aktes« 1866 — 1878 herausgegeben (ibid. 1902, Heft 1—2). Eine allgemeine
Uebersicht der literarischen Bewegung der letzten Dezennien gab Iv. Franko
u. d. T.: »Aus den letzten Dezennien« (Lit. wiss. Bote 1901).
Gehen wir zu speciellen Arbeiten über. Das 100 jährige Jubiläum der tra-
vestirten Aeneis von Kotljarevskyj im J. 1898 rief eine kleine Kotljarevskyj-
Literatur hervor. Ausser der oben erwähnten Skizze Kolessa's erschienen im
Druck die damals während der »Akademie« zu Ehren Kotljarevskyj's gehal-
tenen Vorträge von Prof. St. Smalj-Stoökyj und der meinige (Lit. wiss. Bote
1898, Heft 11), weiter meine Notiz über die Ausgaben der Aeneis 'ibid.;, Iv.
Franko's »Kotljarevskyj in Galizien« (Zap., Bd. 26) und »Der galizische Soldat
derZauberer«(ibid. 27). Sehr viele Arbeiten wurden demSevcenko, dem Patron
der Gesellschaft gewidmet. Den ersten Platz in dieser Sevcenko-Literatur
nimmt die grosse Biographie des Dichters vom verst. AI. Konyskyj ein. welche
theilweise in denZapysky vom ersten Bande angefangen pnblicirt, und in über-
arbeiteter Form in zwei Bänden herausgegeben wurde u.d.T. »Taras Sevcenko-
Hrusivskyj, ('hronik seines Lebens« (Sbirnyk der philologischen Sektion Bd. I
u. IV, 1898 u. 1901; gleichzeitig erschien diese Arbeit auch russisch in Odessa
mit einigen Kürzungen). Dies ist die am meisten detaillirte Uebersicht der
Thatsachen des äusseren Lebens des grossen ukrainischen Dichters, doch mit
vollständiger Ausschliessung der Entwicklung seiner schöpferischen Thätig-
keit und überhaupt seines geistigen Lebens. Den Streitfragen über die Chro-
nologie einzelner Schöpfungen Sevcenko's widmete derselbe Verfasser zwei
besondere Artikel (Bd. 8 und 9), und ausserdem einige Notizen den Text-
fragen (Bd. 33 und 39). Den letzteren sind ausserdem die Arbeiten des Jul.
Romancuk und M. Kr-skyj gewidmet (Bd. 34 und 56). Dem literarischen Stu-
dium einzelner Werke Sevcenkos sind gewidmet die Arbeiten des Iv. Franko
über »Die Dienstmagd« (Zap., Bd. 6) und »An die Polen« (Lit. wiss. Bote 1904,
Heft 4), und des Iv. Kopac über den »Traum« (Zorja 1895) und des AI. Kolessa
über den Einfluss der Werke des Mickiewicz auf Sevcenko (Zap. 3). Viele
kleinere Materialien und Notizen über Sevcenko sind in der Zorja. im Lit.
wiss. Boten und den Zapysky verstreut. Unter der Redaktion des Em. Oho-
novskyj wurde von der Gesellschaft eine volle Ausgabe sämmtlicher Werke
Sevcenko's begonnen; diese Ausgabe umfasst bisher vier Bände, ist noch nicht
abgeschlossen i).
Der zweite kleinrussische Schriftsteller, für dessen Erforschung von
der Gesellschaft viel gethan wurde, ist J. Fed'kovyc, der bedeutendste unter
den älteren Schrifstellern der österreichischen Ukraine. In den Publikationen
der Gesellschaft erschienen : seine Biographie, geschrieben von AI. Kolessa,
welche in den Spalten der Zorja, wo sie zuerst erschien, eine lebhafte Po-
lemik hervorrief (Zorja 1893 und 1894), ferner Erinnerungen an Fed'kovyc, ge-
1) Eine bessere Textrecension gab die neueste kompakte Ausgabe des
Jul. Romancuk.
Bericht über die Thätigkeit der Sevcenko-Gesellschaft. 295
sammelt von Roman Zaklynskyj (Lit. wiss. Bote 1902, Heft 1 — 2) und eine
Reihe kleinerer Beiträge. Im J. 1901 schritt die Gesellschaft zur Herausgabe
einer vollständigen, wissenschaftlich ausgeführten Sammlung seiner Werke;
bisher erschienen drei Bände, welche seine Gedichte, Erzählungen und von
ihm übersetzte Dramen enthalten; zwei weitere Bände sollen originelle dra-
matische Schöpfungen, die Korrespondenz und sonstigen schriftlichen Nach-
lass, sowie eine Biographie des Dichters umfassen. Mehrere Arbeiten wurden
dem Kulis gewidmet: seine Biographie, geschrieben von J. Makovej (Lit. wiss.
Bote 1900 und separat), eine kritische Arbeit von Iv. Stesenko (Zap. 44), sowie
ein Artikel von V. Scurat über Kulis's letzten Aufenthalt in Lemberg (Zorja
1897). Mit ihm befasst sich auch hauptsächlich eine ausführliche kritische
Arbeit des St. Tomasivskyj «Marusia Bohuslavka in der ukrainischen Litera-
tur« (Lit. wiss. Bote 1901, Heft III— IV). M. Tersakovec gab einiges inter-
essante Material aus den Papieren des Markijan Saskevyc heraus (Zap., Bd. 58
— kleinere Ergänzungen und Berichtigungen dazu Bd. 61); Iv. Stesenko schrieb
einen Artikel über AI. Storozenko (Zap., Bd. 43), und eine ausführliche kri-
tische Uebersicht der Jubiläumsliteratur über Gogol' (Bd. 57 und 5S). Ausser-
dem findet man hier eine Reihe kleiner Mittheilungen über Rudanskyj, dessen
sämmtliche Werke ebenfalls von der Gesellschaft herausgegeben werden (bis-
her 7 Bände) u. a. m.
Eine Reihe literarischer Charakteristiken der modernen ukrainischen
Schriftsteller brachten die bisher erschienenen 27 Bände des Lit. wiss. Boten:
über Alexandra Kulisva (Hanna Barvinok) von Boris Hrincenko, über M.
Staryckyj und Lesia Ukrainka von Iv. Franko, über Karpenko-Karyj von
G. Kmit, über Kobylanska, Cajkivskyj, Hrabovskyj, Bordulak, Kovaliv von
J. Makovej, über Kobrynska und Semaniuk von mir u. dgl. m. Eine Statistik
der literarischen Produktion der Ukraine für das J. 1903 gab Iv. Kreveckyj
(Lit. wiss. Bote 1904, Heft 2). Ueberhaupt stellt die wissenschaftlich-litera-
rische Abtheilung des Lit. wiss. Boten für das Studium der modernen ukrai-
nischen Literatur ein förmliches Archiv dar, ebenso wie die letzten Jahrgänge
der Zorja, wo eine Menge literargeschichtlicher, biographischer und biblio-
graphischer Notizen zusammengetragen sind.
Für das Studium der kleinrussischen Sprache und ihrer Dialekte er-
wähne ich Folgendes : die von AI. Kolessa herausgegebenen Pergamentblätter
aus dem XII. — XIII. Jahrh. aus der Bibliothek des Basilianer Laura-
klosters, mit paläographischen und sprachgeschichtlichen Bemerkungen (Zap.
Bd. 54) ; die Abhandlung des Cyr. Studynskyj über die Lemberger griechisch-
ruthenische Grammatik Adelphotes vom J. 1591 (Zap., Bd. 7); J. Makovej's
über die ersten Schritte des wissenschaftlichen Studiums der kleinrussischen
Sprache in Galizien im XIX. Jahrh. (Zap., Bd. 51 und 54). VI. Ochrymovyc
veröffentlichte den ersten Theil seiner ausführlichen und sehr interessanten
Arbeit über die Betonung in der kleinrussischen Sprache (Zap., Bd. 33).
Sehr viel geben die Publikationen der Gesellschaft zur Dialektologie
der westlichen, der Karpathen-Territorien; ausführliche Arbeiten desIv.Ver-
chratskyj über ungarisch-ruthenische Dialekte (Zap., Bd. 27 und 40, 44, 45),
über den Dialekt der Lemken (Sbirnyk der philol. Sektion, Bd. V), der Nie-
296 Kritischer Anzeiger.
derungbewohner oder Dolynianen (bei Peremysl und Jaroslav), sowie der
Mischruthenen (oaMiuiaHui) im Bogen des Vislok (Zap., Bd. 3.5 und 36) — ent-
halten ausser einer Uebersicht phonologischer, morphologischer und zum
Theil syntaktischer Besonderheiten auch Text-Sammlungen und Lexica der
Idiotismen. Hierzu gesellen sich die Arbeiten VI. Hnatiuk's über die ungarisch-
ruthenischen Dialekte, speciell über die slovakisch-ruthenische Dialektgrenze:
»Die ßuthenen derEperjeser Diöcese und ihre Dialekte« (Zap., Bd. 35 und 36,,
kritische Bemerkungen zu derselben Frage (Bd. 38), welche auch separat u. d. T.
»Ungaro-ruthenica, 1900« erschien, und »Slovaken oder Euthenen?« (Bd. 42\
Eine reiche Textsammluug dazu wurde im IX. Bde. des Ethnographischen Zbir-
nyk veröffentlicht. Ich erwähne noch desselben Verfassers Notiz über einige
Besonderheiten des Bojken-Dialektes (Bd. 48). Schliesslich haben auch die
übrigen Sammlungen der Volksüberlieferungen von Hnatiuk, Jos.Rozdolskyj
u. a. einen bedeutenden Werth für dialektologische Studien, da sie mit voll-
kommener Bewahrung dialektologischer Merkmale aufgezeichnet worden
sind.
Zum Studium der Volkstradition übergehend muss ich vor Allem die
(posthume) Sammlung der Arbeiten Dragomanov's zur Literatur und Volks-
kunde erwähnen, welche von der philologischen Sektion in Angriff genommen
worden ist (Zbirnyk der philolog. Sektion, Bd. 11 und III). Die beiden bisher
erschienenen Bände enthalten (in Uebersetzung) die in Russland gedruckten
Studien; in den folgenden Bänden sollen die in verschiedenen anderen Spra-
chen veröffentlichten Arbeiten erscheinen. Hieran reihen sich folgende Ar-
beiten: Iv. Franko »Der Kosak Plachta, ein ukrainisches Volkslied, gedruckt
in einer polnischen Broschüre vom J. 1625« (Zap., Bd. 47) mit interessanten
Bemerkungen zur Geschichte des ukrainischen Volksliedes überhaupt; V.
Hnatiuk über die moderne Volksliederschöpfung, mit einer reichhaltigen
Sammlung solcher «neuer« Volkslieder (Zap., Bd. 50 und 52); derselbe, Volks-
lieder über den Räuber Janosik, sowie Erzählungen von ihm (Bd. 31); M. Dy-
kariv über die Weide in der Symbolik der Volkslieder (Zbirnyk der
philolog. Sektion, Bd. V); AI. Kolessa über die Elemente der ukrainischen
Volkspoesie in den Werken des polnischen Dichters Bogdan Zaleski (Zap.,
Bd. 1); Forschungen von Hnatiuk (Ethnogr. Zbir. 2) und Cyr. Studynskyj
(Zorja 1S94) über galizische Leiermänner, ihr Repertoire und ihr Argot. Sehr
viele Erzeugnisse der Volkstradition, besonders der galizischen und ungarisch-
ruthenischen wurden gesammelt und musterhaft, mit voller Beibehaltung der
ursprünglichen Form und Sprache, sowie mit Literatur- und Parallelen-Nach-
weisen herausgegeben. Auf dem ersten Plan steht eine Reihe systematischer
Sammlungen, deren Herausgabe die Gesellschaft in neuester Zeit unternommen
hat, mit kleinen, oft zufällig zusammengewürfelten Kollektionen, wie sie
gewöhnlich in verschiedenen ethnographischen Sammelbänden figuriren, sich
nicht begnügend. So gab V. Hnatiuk in zwei Bänden eine reiche Legenden-
sammlung (440 NN.), in Galizien aufgezeichnet (Ethnogr. Zbirnyk., Bd. XII—
XIII), einen Band Volksanekdoten (4700 NN.), ebenfalls in Galizien gesammelt
(ibid. Bd. VI), einen Band Volkserzählnngen zur Dämonologie (ibid. Bd. XV),
und begann eine reiche Sammlung der kurzen Lieder sog. Kolomyjki (erster
Bericht über die Thätigkeit der Sevcenko-Gesellschaft. 297
Theil Bd. XVII). Iv. Franko begann eine grossartige Sammlung galizisch-
rutheniseher Sprichwörter und Redensarten — die zwei bisher erschienenen
Bände enthalten nahezu lu. 000 NN. (sie sind nach Stichwörtern geordnet),
deren Stichwörter die Buchstaben A bis D umfassen, mit erklärenden Be-
merkungen und Parallelen zu jeder Nro. (Ethnogr, Zbirnyk, Bd. X und XVI).
Jos. Eowolskyj gab zwei grosse Sammlungen galizischer Volksmärchen und
Schwanke (ibid., Bd. VII u. VIII) heraus. Von kleineren Sammlungen hat eben
solchen einheitlichen Charakter Dykariv's Kollektion der Volkserzählungen
über Zarenkrönung (ibid., Bd. V), eine Kollektion von Volksanekdoten, ge-
sammelt von Symcenko (ibid.), eine kleine Sammlung obscöuer Hochzeitslieder
von Maxymovyc (Ethnol. Mater. I) u. s. w.
Eine zweite Serie bilden grössere Sammlungen folkloristischen Materials
aus einer bestimmten Ortschaft: V. Hnatiuk's Aufzeichnungen aus ungari-
schem Euthenenland in drei Bänden: die beiden ersten enthalten Legenden,
Schwanke, Märchen, Sagen und Anekdoten, gesammelt hauptsächlich im öst-
lichen Theile des ungar. Euthenenlands (Ethnogr. Zbirnyk, Bd. III und IV),
der dritte Band, im westlichen ungar. Euthenenland aufgezeichnet, gibt das
Material nach Dörfern geordnet, vornehmlich als dialektelogisches Material,
und dazu die in Backa ruthenischen Kolonien im Komitate Bacs-Bodrog —
ibid., Bd. IX) ; Iv, Kolessa's grosse Sammlung der Volkslieder aufgezeichnet
in einem einzigen Dorfe Chodovyci, Bez. Stryj, mit Melodien, welche von
demselben Sammler aufgezeichnet wurden 'Ethnogr. Samml., Bd. IX). VI.
Lessevic's reichhaltige Sammlung der Volkserzählungen aus dem Munde eines
einzelnen Mannes, Kosaken Cmychalo, aus dem Gouv. Poltava aufgezeichnet
(ib. Bd. XIV). Von kleineren Kollektionen haben solchen Charakter: Dyka-
riv's Volksmärchen und Anekdoten aus dem Kubangebiete (ibid. II), Prof.
Kaindls folkloristische Beiträge aus der Bukowina (ibid. V), Volksräthsel im
Dorfe Polove, gesammelt von J. Mykolajevyc (ibid.) u. s. w.
Nicht wenig wurde auch für das Studium des Volkslebens geleistet.
Das Volksleben und die Volkskultur ganzer ethnographischer Gruppen schil-
dern zwei grössere Arbeiten: von VI. Suchevyc über die Huzulen, diesem in-
teressantesten und originellsten unter den ukrainischen und vielleicht über-
haupt unter den slavischen Stämmen — bisher sind vier Hefte erschienen
(Ethnologische Materialien, Bd. 2, 4, 5 und '), welche ein äusserst mannig-
faltiges, in jahrelangen Beobachtungen gesammeltes, wenn auch nicht ganz
wissenschaftlich bearbeitetes Material bieten — eine schöne, mit vielen
Illustrationen versehene Publikation. Die zweite Arbeit von V. Hnatiuk
über die Euthenen in der Backa (ruthenische Kolonien an der Donau im
Komitate Bacs-Bodrog); ihnen widmete er eine ausführliche Arbeit u. d. T.
Euthenische Kolonien in der Backa (Zap., Bd. 22), eine reichhaltige Sammlung
der Liedertexte (Ethnogr. Samml., Bd. IX), und behandelt die Frage über ihre
Nationalität auch in seinen oben erwähnten Artikeln über die Dialektologie ;
überdies veröffentlichte er eine kleine Chronik von Kerestur, der wichtigsten
unter diesen Kolonien (Zap., Bd. 53). Leben und Bräuche der ungarischen
Euthenen schildert in einer kleinen Arbeit Georg Zatkovic, einer der lokalen
(leider so wenigen) ruthenischen Forscher aus Ungarn (Ethnogr. Zbirnyk,
298 Kritischer Anzeiger.
Bd. II). Schliesslich publicirte St. Tomasivskyj eine interessante Forschung
zur Statistik des ungar. Ruthenenlandes (Zap., Bd. 56).
Arbeiten über specielle Fragen: VI. Ochrymovyc über die Reste der
kommunistischen Ordnung unter den Gebirgsbojken (der Titel entspricht
vielleicht nicht ganz dem Inhalt, doch die Thatsachen der Gebirgswirth-
schaft selbst sind sehr interessant — Zap., Bd. 31); Iv. Cerkaskj'j über die
Beerbung nach ukrainischem Gewohnheitsrecht (Jurid. Ztschr., Bd. 9); Iv.
Franko und Phil. Kolessa Volksglaube im galizischen Pidhirje (Bez. Kolo-
myja, Stryj und Drohobyc — Ethnogr. Zbirnyk V) ; M. Dykariv's Beiträge zur
Mythologie, zur Volksbotanik, Volksglaube über den heil. Nikolaus, alle in
der posthumen Sammlung seiner Arbeiten. In seinem ungemein reichen hand-
schriftlichen Nachlass hat sich u. a. auch ein Volkskalender aus dem Gouv.
Voronez, gefunden, welcher im Bd. VI der Ethnologischen Materialien publi-
cirt wurde. Früher hat derselbe Verf. seine Beschreibung der Weihnachts-
feier aus dem Kubangebiete herausgegeben (Ethnogr. Zbirnyk Bd. I . Einen
kleineren Volkskaleuder aus dem westlichen Bojkengebirge in Galizien gab
Mich. Zubryökyj heraus (ibid., Bd. III,. Die Hochzeitsbräuche aus dem
Gouv. Cernihov wurden sehr ausführlich und sorgsam beschrieben von
P. Litvinova-Bartos (ibid.), sowie von Ch. Hrys aus dem Gouv. Poltava (ibid.,
Bd. I). Eine Sammlung huzulischer Zaubersprüche nach verschiedenen Auf-
zeichnungen gab Iv. Franko (Ethnogr. Zbirnyk V).; Kinderspiele, Kinder-
reime und Beobachtungen über das Leben der Kinder lieferte M. Derlyca (ibid) ;
über Zusammenkünfte der Dorfjugend gabDykariv ein Programm mit dem aus-
führlichen Kommentar (Ethnol. Mater. III) heraus, lieber musikalische Volks-
instrumeute schrieb der unter dem Pseudonym Bojan sich verbergende Ver-
fasser Zorja 1894), Ueber bemalte Ostereier aus nordöstlichem Galizien, ihre
Zubereitung und Ornamentation liegt eine Arbeit des M. Korduba mit einem
schönen Musteratlas vor (Ethnol. Mater., Bd. I). Für die materielle Kultur: V.
Hnatiuk über Volksspeisen und Volksküche in Galizien (Ethnol. Mater.. Bd. I),
und die sehr werthvoUe chemisch-physiologische Analyse der ruthenischen
Volksspeisen von dem bekannten Physiologen Prof. Iv. Horbacevskyj (Zbirnyk
der naturwiss. Sektion, Bd. V). Ueber die Einrichtung des Bauernhofes handelt
eine Arbeit von M. Mohyicenko (Beobachtungen aus dem Gouv. Cernihov) in
Ethnol. Mater., Bd. I ; über die Schafzucht bei den Bojken eine Arbeit des
M. Zubryckyj (ibid. VI) ; über die Fischerei der Ukrainer in der Dobrudza
eine Arbeit des J. Volkov (ibid., Bd. I). Zum Studium der Volksindustrieen
brachten die Bände I, III und VI derselben Materialien folgende Beiträge :
M. Mohyicenko über Töpferei in Olesnja, Gouv. Cernikov, M. Eusov über die
Töpferei in Oposnja, Gouv. Poltava, V. Hnatiuk über die Weberei und Kürsch-
nerei in Galizien, A. Veretelnyk und M. Rusov über verschiedene Arten der
Holzindustrie, P. Litvinova, A. Veretelnyk. M. Syskevyc über die Oelpressen
in Galizien und der Ukraine, Frau O.Radakova über die Bauernjuwelierkunst
im Gouv. Charkov.
Ich zählte hier nur dasjenige auf, was mir bei der modernen Richtung
der historisch-philologischen und ethnographischen Studien am werthvoUsten
und interessantesten schien. Die Interessirten können nach diesen Hinweisen
Iljinskij, Ein Fall der gramm. Analogie, angez. von Resetar. 299
mit Hilfe der jedem Jahrgange der Zapysky beigefügten Indices, sowie der
auch deutsch publicirten Chronik der Gesellschaft auch selbst das ihnen
Nötige finden. Wollte ich alles Neue hervorheben, was diese Arbeiten und
Publikationen für das Studium Südrusslands und des kleinrussischen Volkes
bieten, so müsste ich natürlich den Rahmen dieser schematischen Uebersicht
weit überschreiten. Auch so, wie die Sache gegenwärtig steht, in Betreff
einiger Fragen, z. B. bei einigen Abtheilungen der Geschichte Altrusslands
und speciell bei der Geschichte Galiziens in ihrem ganzen Umfange, bei der
Geschichte des Kosakenthums bis zur Epoche Chraelnyökyj's einschliesslich,
bei der Geschichte der neuen iikrainischen Literatur, bei der ukrainischen
Dialektologie, dem ukrainischen Folklore überhaupt kann kein Forscher ohne
genaue Bekanntschaft mit dem von der Sevcenko- Gesellschaft dazu Ge-
leisteten und Publicirten auch nur einen Schritt vorwärts kommen.
M. Hrusevsktp.
HjitHHCKiH, r.A., Oahhi. eüyiaH rpaMMaTH^iecKoä anajorm wh cepö-
cKOMi. H3BiKi (aus dem Cögphhk'b zu Ehren Lamanskij's).
Es handelt sich um die Erklärung der räthselhaften serbokroatischen
Endung -ä im Gen. pl. der nominalen Deklination. Da ohne weiteres zuzu-
geben ist, dass alle bisherigen Versuche nicht befriedigen können, stellt I.
eine neue Hypothese auf, wobei er — was von seiner Seite sehr angenehm
überrascht — in diesem -ü kein Pronomen sieht ; vielmehr nimmt er an, dass
dasselbe aus der ursprünglichen Endung -bjb der «-Stämme sich entwickelt
habe und dann auf alle Substantive übertragen worden sei; -yt hätte im
Serbokroatischen -bi, -bj, dann mit Vokalisation des Halbvokals -aj, endlich
nach Schwund des wortschliessenden -J (und gleichzeitiger Ersatzdehnung
des vorausgehenden -a-) ein -ä ergeben. Nach der Annahme I.'s hätte also
eine und dieselbe Endung -bß im Serbokroatischen bei den i-Stämmen ein -t
igösü, ndci), bei den übrigen Stämmen dagegen ein -ä [köüä, zenä) ergeben, in-
dem dort der erste Halbvokal verstummte und die auslautende Silbe Jb zu i
wurde, hier dagegen das erste & zum vollen a sich entwickelte und das y
schwand. Diese Divergenz in der Entwickelung einer und derselben Endung
sucht I. dadurch zu erklären, dass bei den t-Stämmen die letzte Silbe, d.i. der
letzte Halbvokal den Ton trug, während in den übrigen Kategorien «der Ton
jedenfalls auf das erste & fallen musste, wodurch dessen Vokalisation erklärt
wird« 'S. 6); wenn aber bei denselben Stämmen das auslautende/ schwand,
so erklärt sich das durch »den relativ späten und zufälligen Charakter
seines Ursprunges, der ihm keine Möglichkeit zuliess, sich zu befestigen«
(S. 7). Die Sache ist aber damit nicht erledigt, denn zunächst steht es speziell
für das Serbokroatische fest, dass die 2'-Stämme schon in der ältesten Zeit
aus der slavischen Endung -bß ihr gegenwärtiges -t entwickelt hatten; in
historischer Zeit konnten also die übrigen Stämme von den t-Stämmen als
Endung des Gen. pl. nur ein -l annehmen. Sollte man aber nur für das
300 Kritischer Anzeiger.
Serbokroatische an eine noch ältere konsequente Annahme der En-
dung der «-Stämme von Seiten der übrigen Substantiven denken, so muss
entschieden betont werden, dass es methodologisch nicht geht, für die ein-
heitliche Endung -hjb bei den übrigen Stämmen Betonung des vorletzten &,
bei den i-Stämmen selbst dagegen Betonung des letztens anzunehmen: hätten
die übrigen Stämme die Endung der «-Stämme angenommen, so hätten sie
ganz bestimmt auch die dieser Endung anhaftende Betonung angenommen
(vgl. z. B. prstä, noicdtä, aber prstt, nöJctt nach gdsü, nöct) und dann müsste
eben auch bei den übrigen Stämmen das urslav. -bjb zum -l werden. Es ist
ferner sehr fraglich, ob wir für das Serbokroatische als Mittelstufe zwischen
dem urslav. -hß und dem serbokroat. -i der «-Stämme ein -hi voraussetzen
dürfen, wie dies II. thut; höchst wahrscheinlich geht nämlich das -i auf die
Nebenform -iß zurück (mit der bekannten Verlängerung des 6 vor^), so dass
die von II. vorausgesetzte, in der Geschichte der serbokroat. Sprache gar
nicht vorkommende Form -hi, bezw. -hj, kaum als Ausgangspunkt für das -ü
genommen werden kann. Dies dürfen wir um so weniger thun, als die An-
nahme einer vorhistorischen Endung -y (woraus -«) bei den o- und a-Stämmen
direkt der schon genügend hervorgehobenen Thatsache widerspricht, dass
diese Stämme einen Halbvokal an vorletzter Stelle erhalten, bzw. in einer
auslautenden Konsonantengruppe sekundärer Weise entwickeln: otäcä, 7nä-
cäkä, bzw. vjetärä, sestdrä ; wenn man aber dem entgegen sagen wollte, dass
— was gewiss richtig ist — das auslautende -ä erst hinzutrat, nachdem der
urslav. auslautende Halbvokal verstummt war, daher auch der Halbvokal an
vorletzter Stelle sich erhalten, bzw. neu entwickelt hatte, so ist darauf hin-
zuweisen, dass 0- und a-Stämme, wenn sie wirklich die Endung der
«■-Stämme annehmen, auch in Bezug auf die Behandlung des Halbvokals
an vorletzter Stelle nach den letzteren Stämmen sich richten (vgl. nokdta,
inäjäkä, mazdkä, crkävä, bresäkä u. s. w., aber nökü, majki, mäzgt, crkv'i,
hreskvi u. s. w.). Das -« hat somit mit der Endung -hß der «-Stämme wohl
nichts zu thun ; woher es aber kam, das ist allerdings schwer zu sagen.
* M. Resetar.
Heinrich v. Ulaszyn, Dr. phil., lieber die Entpalatalisirung- der ur-
slav. e-Laute im Polnischen. Leipzig 1905, 92 SS.
Die Abhandlung ist ein Theil einer grösseren Arbeit, wie der Verf. im
Eingange des Vorwortes schreibt, um auf den Umstand hinzuweisen, dass
der für das Ganze gewählte Titel für diesen veröffentlichten Theil vielleicht
zu weit ist, da ja in der That nicht alle Fälle der »Entpalatalisirung«, z.B. im
Anlaut und in den Zusammensetzungen hier behandelt sind. Aber auch dieser
Ausschnitt zeugt von der grossen Gründlichkeit, mit welcher der Verf., der
früher schon auf dem Gebiete der historischen Studien gearbeitet hat, jetzt
in der slavischen Sprachwissenschaft die unternommenen wissenschaftlichen
Aufgaben erfasst und behandelt, man sieht den Einfluss seiner Lehrer und
V. ülaszyn, Entpalatalisirung, angez. von Nehring. 301
Führer, Baudouin's de t'ourtenay, früher in Krakau, der ihn in die slavische
Philologie eingeführt hat, Jagiö's in Wien und zuletzt Leskien's in Leipzig,
wo er die letzten zwei Jahre verblieb. Die Aufgabe, die Dr. v. Ulaszyn hier
sich gestellt hat, betrifft die Erscheinung im Polnischen, dass die Vokale e
und e, beide weich, vor den harten Konsonanten d t, z s, l n r zu io bezw.
ia umgelautet werden: wiosna las, vor weichen Lauten oder weichen Nach-
silben, und vor;?- und A-Lauten dem Umlaute ausweichen und in ihrer Qua-
lität verbleiben. Dieser Lautvorgang, der in der angegebenen Umgrenzung
dem Polnischen seit Beginn seines Sonderlebens eigenthümlich ist, war seit
jeher unter dem Namen Umlaut allgemein bekannt und wiederholt beleuchtet,
hier aber ist er mit einer wohl unnöthig gewählten neuen Benennung zum
ersten Male von Grund aus physiologisch und historisch geprüft und sowohl
in seiner lautgesetzlichen Folgerichtigkeit als auch in seinen Schwankungen
und Abweichungen, die auch erklärt werden, eingehend behandelt. Aus die-
sem Grunde ist die Arbeit des Dr. v. Uiaszyn als eine treffliche Einzelunter-
suchung, — und an solchen fehlt es in der polnischen Grammatik — , mit
Anerkennung zu begrüssen, und es ist zu wünschen, dass der Verf. auch an-
dere Eigenthümlichkeiten des Polnischen mit derselben Sorgfalt behandele,
oder dass andere zu ähnlichen Untersuchungen angeregt werden.
Im Einzelnen scheint mir in der besprochenen Abhandlung manches der
Vervollständigung oder Richtigstellung bedürftig zu sein. Zunächst wäre
der Hinweis auf die Assimilation im Bulgarischen in zelezo und zelezen, vera
und veren u. ä., und auf den Umlaut des e in e im Eussischen unter gewissen
Bedingungen: veselyj, bereza am Platze gewesen, — aber freilich, aus dieser
nur theilweisen Gemeinsamkeit waren für das Polnische keine Schlüsse zu
ziehen; vielleicht sind nachhaltigere Anklänge im Lausitzischen anzutreffen:
piscec und piscai, fensi und rany, aber auch diese Anähnlichung ist mit dem
polnischen Umlaute nicht gleichartig, und der Verf. beschränkte sich mit Recht
auf das Polnische. Bei dieser Beschränkung vermisse ich bei der Prüfung
des Lautvorganges, dass die p- und A-Laute den Umlaut aufhalten, den Hin-
weis darauf, dass diese Konsonanten im Polnischen auch sonst mit weichen
zusammengehen, die Gaumenlaute mehr, die Lippenkonsonanten weniger:
wielki nagi st. wielky nagy, wielkiego nagiego; gumien trumien pewien,
okien bagien; wieku duchu wie koniu u. s. w. ich darf mich begnügen, auf
diese Neigung des Polnischen hinzuweisen, — aber nicht des Polnischen
allein, hier möchte man auf grossrussische Dialekte hinweisen, welche nach
Potebnja (Zürn, minist, nar. prosv. 1874, HI 116) »zur unorganischen Erwei-
chung der Gutturalen und Labialen inkliniren«, worauf auch, sowie auf
gleichartige polnische Erscheinungen Jagic im Archiv I, 347 f. hinweist; es
ist demnach in der Natur der polnischen Lippen- und Gaumenlaute begrün-
det, dass sie den Umlaut aufhalten.
Was die einzelnen Erklärungen anbetrifft, so muss ohne Bedenken zu-
gegeben werden, dass das Fehlen des Umlautes bei dem Worte kobieta
richtig in dem Umstände gefunden wurde, dass dieses Wort spät in der
Sprache erscheint, denn erst im XVI. Jahrb. bei M. Bielski in Sejm nietciesci
im verächtlichen Sinne anzutreffen ist, dasselbe kann aber auch von anderen
302 Kritischer Anzeiger.
Wörtern, z. Th. von demselben Typus gesagt werden: zaleta podnieta, das
letzte folgte auch dem etymologisch homogenen, häufig auftretenden Worte
niecid, und wich dem Umlaute aus; tasak mag viel älter sein, die Wurzelsilbe
cies- wird aber durch eigenartigen Ablaut {e:a] sich zu tas und nicht zunächst
erst zu cias- und dann durch Verlust der Jotation zu tas gewandelt haben.
Die Wahrnehmung, dass der Vokal e, wenn er den Halbvokal 6 reflektirt, an
dem Umlaute nicht theilnimmt (pies nicht pios, giezlo-gzlo) ist im allgemeinen
richtig, aber es konnten solche Abweichungen wie dzionek wioska u. a. er-
wähnt werden : dzionek Deminutivum zu dzien folgte der Analogie von
pierscionek, promionek u. a., von Subst. auf -en gebildet, welche der Verf
S. 66 bespricht, wioska scheint eine unmittelbare Bildung zu sein, ist aber
vielleicht aus dem regelrecht gebildeten, vorauszusetzenden *wieska ent-
standen, ein Adjectivum *wieski (wiejski ist doch wohl nach der Analogie
von miejski aus miestski geformt) mag auch zur Bildung von wioska beige-
tragen haben, vielleicht existirte auch ein Deminutivum przycioska zu przy-
cies; an eine Analogie von piosnka, wie man meinen könnte, ist nicht zu
denken, weil in früherer Zeit, in welcher wioska entstand, das Deminutivum
zu piesn piasnka war. Mit wioska hängt zusammen wiochna und schliesslich
auch wiosnianka, wofür ein polnischer Dichter des XVII. Jahrh. willaneczka
aus dem Italienischen als ländliches Gedicht gebraucht. In chrzest wurde
der e- Vokal wegen der Flexionsformen chrztu chrzcie und wegen chrzcic als
ein beweglicher empfunden, aber chrzesny (mit Verlust von t) scheint die
Sphäre überschritten zu haben und erzeugte die Nebenform chrzasny. An
dieser Stelle möchte ich die Bemerkung einfügen, dass in den lautlichen Er-
scheinungen des Polnischen manches an Willkür streift, dass das Polnische
von einer gewissen Launenhaftigkeit nicht freizusprechen ist ; — man kann
es auch Hang zur Mannigfaltigkeit nennen — man vergleiche z. B. lesny und
wezesuy niewczesny doczesny, Adjectiva zu las und czas, dort s hier s, die
Wörter mögen früher doczesny n. s.w. gelautet haben. In der Erklärung nun
der Adjectiva mit dem Suffix -tny und -tnik, auch -Bszy möchte ich lieber
bei dem früher geltenden Satze stehen bleiben, dass bei diesen Bildungen f
z s und k g ch durch das einst wirksame 6 regelrecht erweicht oder palatali-
sirt wurden: dzielny, przasny, wieczny u. s. w., dass aber d < und r, auch n
ehedem den Konsonanten unmittelbar erweichten, die Erweichung aber all-
mählich einbüssten, so dass kwiet'ny, wier'ny u. s. w. zu kwietny, wierny etc.
geworden sind; wietrzny entwickelte die weitere Wandlung des r' in ?-r, weil
es an opatrzny, wnetrzny, in denen die Lautfolge -trzn- nothwendig war,
gleichsam ein Vorbild und einen Halt fand. Dass sich der Verf auf die Wör-
ter mit dem Suffix (dem »Formans«) -tni'y) beschränkt hat, ist vielleicht nicht
richtig, denn auch die Suffixe -Bski und -tstwo verdienten Berücksichtigung:
rodzenstwo (aus plur. rodzeni), mieszczanski (aus mieszczanin) u. s. w.
Noch eine Bemerkung. Die zwei besprochenen Umlautsprozesse (e : io,
e : ia) gehen parallel neben einander, ohne in einander zu greifen, d. h. e geht
nicht in ia, e nicht in io über, ein Zeichen, dass beide e einst verschieden
gelautet haben müssen. Daher sindUebergänge in die andere Sphäre äusserst
selten: piosnka für das ältere piasnka, vom Verf besprochen, wspomionac,
Trstenjak, Slovenen im Somogy. Koro., angez. von Jagic. 303
pieczara, kolaska, welches doch wohl den Stamm koles hat, und obiotowac,
welches einmal im Ps. flor. vorkommt. Nehring.
Slovenci v somodski zupaniji na Ogrskem. Napisal Anton Trste-
njak. V Ljubljani 1905. S«. 115.
Nicht um alle Bewohner slovenischen Volksstammes, die in Südwest-
ungarn wohnen, handelt es sich iu diesem kleinen Büchlein, das als Sonder-
abdruck aus dem »Slovenski Narod« vor kurzem erschienen ist, sondern nur
um die versprengten Reste in dem Somogyer Komitate. Der Verfasser er-
zählt theils aus Autopsie (Reiseeindrücke), theils nach gedruckten Werken.
Das erste Kapitel ist einem Dorf Tarany (1 1/2 Stunden Weges von Nagy Atäd
entfernt) gewidmet, dessen rein slovenische Bevölkerung nach der letzten
Volkszählung 1597 Seelen haben soll. Die Einwohner sprechen fast alle auch
magyarisch, namentlich die schulpflichtige Jugend singt nur patriotische
magyarische, in der Schule erlernte Lieder. Auch die Kirche ist durchwegs
magyarisch, mit dem Pfarrer an der Spitze. Der Verfasser vergass zu fragen,
ob die Leute auch magyarisch beichten müssen. Einst, vor mehr als fünfzig
Jahren, pflegten die kroatischen Franciskaner des Warasdiner Klosters
hauptsächlich in der Fasten- und Beichtezeit, den ungarischen Pfarrern jen-
seits der Mur Aushilfe zu leisten. Ob noch jetzt diese vernünftige Toleranz
geübt wird, weiss ich nicht. Im nächsten Kapitel wird nur ganz flüchtig von
den kroatischen Dürfern des Somogyer Komitates berichtet. Wichtiger ist
der Inhalt der weiteren drei Kapitel, der von der einstigen Verbreitung des
Protestantismus bei den ungarischen, jetzt zumeist magyarisirten Slovenen
handelt und namentlich auch über den bekannten ugroslovenischen Schrift-
steller Stefan Kuzmic einige Daten gibt. Zum Schluss werden die Erfolge
der energisch, um keinen härteren Ausdruck anzuwenden, betriebenen Ma-
gyarisation in diesen von vielen Kroaten und Slovenen bewohnten Gegenden
besprochen. Dieses Thema beherrscht überhaupt das ganze Büchlein, wogegen
ethnographische Schilderung stark zurücktritt, die Charakteristik der Sprache
fehlt leider gänzlich. Das letzte muss man sehr bedauern. Wir wissen über die
dialektologischen Eigenthümlichkeiten dieser Slaven so wenig ! Beachtens-
werth ist nur die auf S. 23 rhitgetheilte Notiz, dass die Bewohner von Tarany
früher tüdi (also ü für u) sprachen, jetzt aber rein u [tudi] aussprechen. Ist
das die Beeinflussung seitens der nicht weit abliegenden Kroaten ? V. J.
Kleine Mittheilungen.
Beiträge zur Geschichte der slavischen Philologie.
Briefe Vuk St. Karagid an Ign. AI. Brliö und Andr. T. Brliö. Mitgetheilt von
Prof. ö. Surmin in Zagreb.
Herr Dr. V. Brli6, Advocat in Brod a/S. erlaubte mir gütigst, diese
Briefe mitzutheilen, und ich hoffe, es wird sich manches in diesem brieflichen
Verkehr für die Entwicklung der slavischen Philologie finden.
I.
y Eeqy 6/18 okt. 825.
iby6e3Hii u MHoronoiuxoBaHH npnjaxe.ijy!
OjasHo 6h BaM oaroBopiio Ha hhcmo Bame oa 23. pyJHa, a.iu caM cne o^ie-
KHBao Urtheil, Kao raio cie mh nuca-ra, Äa hy ra ao ocaM aana äoöhtu. Ebo
caji CHHoh npuMuo u »era. 3a ose saM BejiuKa *a.!ia ! Bp.10 cre Äoöpo yiUHH.ra,
lUTO Mu Urtheil y opuruaajiy Hnjecie ca« no nomxu nocjiajiu. Ca CeöacTiija-
HOBüheM rJteÄajxe (F. CKajiHua u sn) KaKO sac Eor y^u: aKO ne anejrupa oh,
r.3eaajie He öiicxe atx ßapen rJiaBHe HOBiie (x. j. 57 ayKaxa) HniqynaJii, a Haj-
noc-iHJe II 500 f. W.W. ysiviuie (Eo.te je u nixa, ner' Huraxa — Oa sjia ayacHHKa
H Koay 6e3 MJtuKa). CaMO, ano ycHpaBUxe Vergleich, neMojxe aa Bac npeBaj)H,
aa ra HanoBO genaxe, Hero oaMa totobo aa ussaau u aa n-iaxu. Bp^io he aoCpo
6hxh, aKO öyaexe MorjiH yjarMuxu 10 150 f. oa $epHha; onaa 6hcmo ra Mor.JH
663 uixexe y ancy paHHXH, aKO He njaxu. SnaM aa F. CKa.3HHa caa pacxe. Oh
je jora npoteioc Kasao, aa he CeöacxHJaHOBHhy o6yhu ryaaH raoKaiKu, a Kanyx
aa he My npoaaxu.
Kanre Koa ce. Ane ja caM y3eo oaaia, KaKO caM npmino hhcmo, ajiu
HCMa Ocjegana, aa BaM jii noraibeM. CBaKii apyru aan nnxaM Koa npECHora
nnjexjra 3a OcjeiaHe, na ao caa Heaia HUKora. Jy^e mu Kasanie, aa he obo
aana HCKaKa 1^3T^)CKa KOJia no.Ta3HiH y Ocujck; saio caM mojiuo T. TupKv, aa
niixa one, Koju la kqjiz. onpeMajy, h, KaKo mh je oh Ka3ao, mucjihm sa unjejio,
aa he ce Bame KH>Hre ose He^e-f.e onpaBHxa xaMO. H3 obc Heay.i>e oa Kftuacäpa
Koa CB. Ane BHanhexe, aa caM ja 22 Kp. njiaxHO mio cy KH>Hre saMoiane, a ne-
KOJHKe cy BaM Kaare u Maibe aaJin, jcp Kaacy aa cie bu p^Bo pa^iyHajiu.
Mjioro caM ce Mopao HHaxmu c H>HMa: Hujecy hejin aa BaM ocxase 30 na 100,
Kleine Mittheilungen. 305
roBopehu aa cy saM npuje caMo 20 ocxaB.LaJii ; saxo cy roBopH.iH, aa bem na-
lucM, aKO ue hy laKO npuMiixu; a Kaa caM jum ja Kaaao, aa ucMa BpeivieHa aa
nHcaibe, OHaa cy ipaaui^iu no npoxoKyjiaMa, u jeasa iiaijy, aa cy bem no 30
0CTaB.i>a;iii ! 3a Te HCKO^uKe Kifaure, iuto cy EaM Maae aa^H, bh mohcctc ipa-
5KHTH, aKO MHCJHTe, aa Cy BaM HCnpaBO y^HHIUH.
$aja BaM ua npeaÖpojniiuHivia! Hero ce qyaHM, uito mu AaaM $u;iiraoBHh
iiHuiTa HG oaroBopu ! ^a cc ne 6yae pacpauo, luio caM My Bpjio cbojckh nucao?
To 6ii MU Bpjo acao 6uäo.
Konurap joni Huje ynpaBO iiauuHuo oiiii cjoBa, nero mh je caMO noKasHBao
KaKO MUCvin oa npujiuKe; iteroBo 6h h> 6h;io OBaKo tj^ (n u j), a ^ Ij (1 h j); i
ou MHCJH aa ce ysMC ynpaso c^raBCHCKO, a h h ^ cpncKa, a lu 6h ce Mopa^o
KaKO Ha^HHHTU, jep Kaate, aa cjiaBeHCKO ne Ba^a, a ac on mhcjih OBaKO x.
npoiuaBiue je roauHc Hsnuiao Lehrbuch der Windischen Sprache, von
Peter Dainko. Grätz bey Johann Andr. Kienreich 1824; a oBe je roanne
usHin.ia MeTCbKOBa (Metelko) KpaacKa rpaMaxHKa y ibyö.Laiiii (Laibach).
Te o6je Ba.-ba aa HapyiHxc (jep ju osi^e HCMa, a ja 6u BaM ju nociao); h y
jbHMa uMa HOBH c^EOBa. ÜHOMaaiie mu Kasa Konuxap, aa je ueKaKaB EurJiea
Bpjo CKopo Ha^uHuo ij^ sa HHaujauiie. Dainko UMa ij^ u ciaBCHCKO i, ajiH je
Mjecio m yseo 8 ! lo ue Ba.i>a. EyaHie sapaBU !
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sa KftHre, h rjeaahy aa saM u no npBOJ npu.aHniu onpaBUM y Ochjck ua
Tupuepa. /Kao mu je mxo cy BaM le npsauiibe uenpaBO y Epoa nociaxe; ja
caM Toöoace muciuo, aa ju xaKO aoöujexe kojh aau npuje, u Kojy Kpajuapy
je<s>iHHHJe. KaKO 6u 6ujo, aa mu apyru nyx numexe, aa saM KH.nre OB^e
aaM BesaxH (na 6u ouaa u apMuuuja, mhcium, 6uja Mana)? — SaöaBHUKe
caM nocjiao y Ilenixy JocH*y MuJOByKy, ue suaM jejiu JH BaMa onpaBHO. Ja
hy H c OBHM niKOJCKUM KH.nraMa nociaxu BaM 20 3a6aBHHKa (oa kojh asa, mo-
.1HM, noaajie AaaMy $HJHnoBuhy, koju mh je nucao, u nosapaBuxe ra .työesHo) ;
na aKO 6u aoin.au u ohu u3 IleniTe, a bu rjieaajxe aa mu jh pacnpoaaxe no
2 f. W.W. (a HU3ce He). HMa h KajieHaap y H>HMa. üpoaahe ce u no 2 f.
CBH, jep caM uauixaMnao caMO 1000 enseMn^iapa, a iniaM oko 700 npenyMe-
paHxa ! — Ebo BaM nia.T,eM jeano o6jaB.T>eHuje o »npoaojiaceHiio« acuBOxa, ue
aa ce noxnumexe, uero caMO aa ra Buauxe, a Kitury ly bu MOHceie 6o.'be lu-
laxH ua acMaiKOM jesuKy.
Ca OBUM uiKOJCKHM KiburaMa noc^ahy saM ueKO-iuKO or.ieaa cb. nucMa
Ha CpncKOM jesuKy, xe r.ieaajxe ne 6h .lu ju icaKOMe Capaj.iuju npoaaJiu
(6apeM no 10 npajnapa CM.), aa hoch onaMO sa ^euy — a u sa .i.yae.
luxe ce xHie CeöaciujaHOBuha rjieaajxe BU xaMO c F. ÜKajuuoM Kano sac
Eor yqu, a OB^e hy ce ja cxapaxu.
Archiv für slavische Philologie. XXYII. 20
306 Kleine Mittheilungen.
Elenchus vocabulorum Slavicorum magyarici usus ja caM aoöno, h Bpjio
je Äo6pa KBHra (y cbom poay) nero je ^einio npehepaHo, h. n. deak,
Erdel, paputs &c. — Ulxa qHHHie bh c rpaMaxHKOM ? Ohe jih cKopo 6hth
roTOEa? Ja 6h Bpjio ace^iiio ja ce OBl?e mxaMna.
IIo3/ipaBHTe Mu .iyöesHO TT. IIonoBuha, Paaii^eBHha nony, KyMa Mhj^'
(h CBHMa juM *a.?ia aa noajpaBy) ; nosüpaBHie mh laKo^ep ii T. Dr. E.iac.ia h
CoHeHÖepra, a CaHaaKyca KcMaarepa u ocia^e CBe nosnaanKe, a ocoöhto Bame
CBe aoMahe. KoiuiTapa hy BaM aanac nosapaBara.
EyÄHie sjpaBH a Bece.iH! C hcthbhm BHCOKonoiHTaanjeM ociajeM
Bam npajaie.'b
ByK Cie*. Kapaaah.
36H.i.a! nosapaBaie Ma a Aija-Cxjenaaa CMa.BaHaha, a aa T. CKajiaay,
10 ce Bch 3aa. —
III.
y Beiy 9. acK. (no Phmck.) 825.
ibyßesHH a BacoKono^HxajeMH npajaie.-by!
MacJiBM aa exe aaBHo npaMHja moj oaroBop na iihcmo Bame oa 8ra ciy-
aena. Kitare caii Bau oaMa Kynao, a.ia ao OHOMaane najecaM Morao yaecaxa
npajHKe aa a noni.iCM. Caa cy oxBni.!ie y OcajcK na Tapaepa, a oh Ba.ta aa
Beh 3Ha, mia he aa.te c H>aMa lanaxa. Hs obc aeay.te, ajH Koaxe, Baaaheie,
Äa caM ja 1 f. 22 fr. CM. Mopao aonjiaxHxa 3a Kaare: oaa Kaacy, aa bh Hajecie
Äo6po pagyaaJiH (caa Ba paqyaaxe aa hobo); a aa naKOBaibe n;iaiBO caM 36 xr. C.M.;
a apMaaaje 2 f. 24 xr. — Veltls Sprachlehre acMa ebko y Beiy (aaxa kg
apyra, ocbm oaa Koa cb. Ahhc, Ciiaje HMaia), a Koa cb. Ahhc ce mxaMna, Kao
raxo cy H aa kohxh xoj sanacaJiH. — Ca obbm KaaraMa nocjao caM 20 3a6aB-
HHKa a 20 orjieaa cb. nacMa aa CpncKOM jesany; 3a6aBBHKe, mcibm noKopao,
c npHJioaceHaM OB^e hbcmom noma.baxe y BaBKOBue T. npo*ecopy Bece.aoM
(caMO H saBBJie Majio, aa ce ae acKBape); a orjieae rjteaajie aa aaMeiaeTe
KaKBM CapajjHJaMa, Kao mio caM BaM aacao. Kaa 6a exe Morja KaKBora Ca-
paj.!iBJy aaroBopaxa, aa y3Me Kojy 100 xaje orjeaa, MaKap My aajia a je*iB-
Haje, caMo aena a aoca, aa ce qaxajy no Bocaa h no EpaeroBaaa. Bh exe
Bame SaöaBaaKe Beh mbcjibm npaMB^ia, jep mb Ma.iOByK name, aa BaM a je
nocjiao. — Illxa qaaHxe ca Ce6aciBJaaoBaheM? UosapaBBie mh r. CKajHay, a
Bame aoMamae, a a ociajie npajaxe.be a nosaaaHKe. üoaapaB.-ba Bac .i>y6e3HO
r. Koanxap. ^OK.ie exe aorn^a y aamoj rpaMaxana? Kaa hexe 6axH totobb"?
HaBajBxe mio 6pace. C bcxbebm BBCOKono^aiaaBJeM
jecaM Bam c-iyra
ByK.
Herrn Ignatz AI. Berlich in Brood
per Ofen — Essegg. in Slavonien.
Kleine Mittheilungen. 307
IV.
y Beqy 12/24 Jauyapa 826.
ibyÖeaHU u MHoronouixoBaHu npujaTCby!
HajaM ce na. exe npHMH.3ii Moje nucMO oä 9. ÄeKCMBpuja h y üeMy Konry
OÄ mK0.3CKU Kaura, KOJe exe Mopaju xaKoljep oaaBHO npHMHXH. Ja ca.M npuMUO
Baiue HHCMO OÄ 29. CryÄCHa (aa Jiu je oöuiHHJe cxysiba? Nora.: ciyaaifc,
PycKH: ciyÄCH)) h y fteiiy 20 f. W.W. Ebo ca;[ uixo caM ja sa Bac nJtaxuo:
ÄonaaxHO 3a npBe KH>iire — 22 Kp.
apMuuuje — — 1 f. 33 —
Äonjaxuo 3a Äpyre KibHre 1 — 22 —
apMHUHJe — — 2 — 24 —
lUTO cy aaBHJeHe — — — 36 —
6 f. 17 xr. CM.
TaKo npexjeqe Baiuu HOBaiia Koa MeHC 1 f. 43 xr. CM. Joui hy k obom
ja aojaxH 57 xr., xe hy saM KynHiH Taj'tuJHe njecMe, u no npBHM Ocjeqa-
HUMa noc.iaxu. IIIxo exe Haui.in MJecio 17 20 saoaBHHKa, lo Ba.La na. caM ja
2 nocjiao 3a A^aMa $u.iHnoBiiha, a jeaau Baiia sa cKyn-taibe (aecexaK) ; nero sac
MOJHM, rjieÄajie AaaMa aa HaMHpuxe, jep My u ja caj HeMaM npcKO Kora apy-
ror Qocjaxu.
JLo roauHe, aKO Bor aa 3ÄpaB.i>e, rjieaahy, aa 6yae saöaBHHK nyaujn 3a-
6aBe. ^uiuje Be.tKOBO CByaa iHiajy Hajpaauje, ajiH ^ckojh (ocoöuto KaJiy-
l^epa) Ha Ka.ieHaap Buiy ao 3.3a Bora, mxo caii ^eKoje CBCije noMcxao CpncKU,
H. np. BoKiih, CnacoBaaH h. t. a.
C.iaBOHCKHM Ka./ieHaapuMa, mxo mh 3 oöpuyexe nocjaxu, pajyjeM ce. Oßbe
HBKO npHJe Kasa, aa je y Byaujiy 3a OBy roanny H3iimao HeKaKaB CjaBOHCKH
3a6aBHHK noa hmchom Eßpona! He sHaM je jh io HCXHHa? TaKO^ep caM
qyo, aa ce u HSKaKa CjiaBOHCKa rpaMaxHKa y ByaHMy inxaMna; ho hh xo
He 3HaM saacia. 3a Bauiy rpaMaxHKy joui HHJecaM Morao pacnaxaxH, nomxo he
oa npu.3UKe xaöaK aohn 3a 500 KOMaja; ajin hy jaMaino rjieaaxu aa pacnuxa>r
KOJiHKo je Moryhe ( jep söor ohu KojeKaKU cjoBa, Koja he ce MopaxH naHOBO cjehn,
He MO/Ke ce ynpaBO Hasuaiuxn). HaBa.Juie bu caMO, xe CBpuiHxe rpaMaxHKy, a
ociajio he cbc öhih jiacHo. Ja ca.M qyo, aa ce Ka^uhese njecMC y ^yöpoBHiiKy
HaHOBo uiiaMnajy, a.iH aa cy OB^e y HCHsypu, HHJecaM Morao aosHaiH (npnje
he 6hxh y 3aapy); a 3a OcMaHuay ^yo caM, aa he je TpjecTancKu yiaxe-t,
Je*xa üonoBHh (poaoM U3 CpujeMCKU KapjiOBaua), HamuMa ciobume aa aaae
niiaMnaxH.
Ulxa yquHHCxe ca CeöacxujaHOBuheM? Ja jeaHaKO Koa anejramije pacnu-
xyjeM, naK jom neMa Humxa, a u bu mucihm aa 6h mu imca-iu, aa je mxo
nocjiaHO. Ba.i>a aa cy My onex npoayacu.iu poK 3a anejaijujy. r.!ieaajxe bu
caMO aa Bac xy ne npeBa2)u, a osaMO Kaa ao^e, Moja he 6nxu 6pura. TjieaaJTe,
He maJHxe ce, aa ce xu $epuheBH hobhh saapace. üosapaBHxe mu .työesHO T. Cna-
jiHHy, H r.ieaaJTe, xe paauxe KaKO Bac Bor yiu.
no3apaBnxe mh npBO CBe Barne aoMaiUH.e, na onaa CBe npujaie.bc u n03Ha-
20*
308 Kleine Mittheilungen.
HHKe ! Bac nosapaB.ia .iyöesHO F. Konmap. Ako ce i)e cacTaHeie c AaaMOM,
no3ApaBHTe ra .ty6e3HO oä
Bauiera noKopHor cjyre u
npiijaTe.Tja Byna.
n.n. Eto BaM lua.-LCM jejHO oßjaB.'beHHJe o Hochzeitlieder der Serben,
Koje he ce, mhcjium, o iiayheM üeniTaHCKOM Bamapy jiohH äoöhtu (noKypja-
^HJiH MB ynpaBO !). Ba.i>a na, hcMO CKopo u lIIa*<i>apiiKOBy HcTopujy jesuKa ir
JlmepaType CBujy CiaBeHCKn Hapo;ia äoöuth; HajiaM ce, aa he to öhxu suaTHa
KH>Hra.
V.
y Ee^y 29. Janyap (no Hain.) 826.
.l>y6e3HU npujaTe.-by !
Hauia cy ce nucMa onei MHMOiinua. IIo nucMy BameMy oä 26. CjeiH.a
iua.i>eM BaM Statuten von allgemeiner Versorgungs-Anstalt &c., sa Koje caM
naaTHO 24 xr. CM. — Weltgeschichte von Schneller, ano noje*THHo ysecuM
Koa KaKBa aiiiuKBapa, Kynnhy Baw ; .Iuuäob ETHMOJioriiKOH xeiuKO he ce äoöhtu
OB^e. — KoÄ ^(iBanoBuha 6iio caM ABanyx (jom noaaBHo), aum ce ayro HHJecMO
MorjiH pasroBapaiH, jep caai ra o6a nyia Hamao y hpkbh ^e qnxa pHmhaHHMa
II pHinhaHHiiaMa MCiHXBe u pasaaje 6.3arocjiOBe. Omhii hy My joni jeaan nyx,
u onex hy ra nosapaBuiu oa sac.
Ja MHC-iHM aa je oh jom (u Mopahe ocxaxii) npaBii lüoKaii. — Ha npe-
^aiuftera niiCMa Mora Bul)eheie, na, mc hh MaJio HHJecxe yBpHJeaiiJu c jiniii.'be-
H>eM BaniHM ii onhancKUM o iiojoj Jl&uunu; ajiu onex ja ne ap5KHM, aa je y
cy^eay o KauraMa vox populi vox Dei. Ty rocnoaapii sapaBH pasyii ti
HCTHHa, KOJH, «aHac HJiii cjyipa, Mopajy noÖHJeÄiixii. HMa KH>nra, KOJe
je Hapoa y no^exKy y SBajes^e KOBao, a nocjiHJe cy cbh npn3Hajrii, aa je
HiiuiTa; a iiMa ii, Ha Koje je Hapoa iis no^eiKa BUKao, a nocjiuje cy u npnsHa.iu
sa HajaparoujeHHJe cxBapu. Ja nnuiyhu HHKaa He mucjium Ha aanaiUHje iHxa-
ie.i>e OA npocxoxe, nero Ha KpuxiiKy ii na hoxomcxbo. — IIo npBOJ
npHJiHmi nocjiahy saM FpaMony rpaMaxuKy, a u Ta.a*UHe njecMe (aKO h Mor-
6yaeM äoöhxh). 3a CKa-aiiqiiHe ciBapa Hapy^HO caM jeanoMe koä anejianuje, u
^HHHhy ÄparoBO-tHO, nixo je ro^ Moryhe. FjieaaJTe h bu laMO ca CeöaciiijaHO-
BiiheM KaKO Bac Eor yqu. — IIosapaBnxe cbc.
ByK Cxe*. Kap.
Im Briefumschlag:
njecMe Ha ILeMa'jKo:\i jesiiKy u FpxiMOBy rpaMaxuKy nocJiahy BaM ca
SaöaBHHHHMa, jep cy Baiue niKo^iCKe KH>ure cnpeM-iene. IIjecMe npeBda Khii
Cxa(xc)paxa von Jacob, also Talvj snaqu Teresia a h i h xo Ba.ta aa cy ne-
KaKa ftCHa UMcna, vj je jaMaqno von Jacob. Ona ce poiiiJia y Pycitjii, u
xaKO nopea PycKora .lacno je Mor.ia CpncKU HayiuiH. 36ii.La ! ina**apuK,
npo*ecop y HoBocaacKOJ ruMHasHJii, H3Äao je oöjaB.teHHJe o aeroBOJ Ilcxopiiju
-iHiepaxype CBujy c.iiaBeHCKii Hapje^HJa. Iliijena äo ÄeKCMBpHJa 1 f.
30 xr. CM. a nocjuje he 6iixu 2 f. 30 xr. ja 6u BaM jejHO DöjaB-iennje nocjiao.
Kleine Mittheilungen. 309
a.m MU je /Kao ja n-iaruxc 14 Kp. BUiue. IIo3Äi>aBUTe iT.y6c3HO Baiue ÄOMahe h
CBe npHJaTe.T.e. Konuiap Bac nosapaB^a jbyöesHO. —
Herrn Ignatz AI. Berlich in Brood
per Ofen — Essegg. in Slavonien.
VI.
y Eeqy 12/24 *e6pyapa 826.
IIpeÄparu npHJaTe.Ly!
^aaac 15 jana, KaKo caM saM nociao Statuten von allgemeiner Ver-
sorgungs-Anstalt, H HaaaM ce, «a cie jh hphmhjih; caMo ne snaM, je.;iii iuto
noMorao Kreutzband, jep ^yjcM, «a ce 0Bi)e cjiaöo Ha to naau (a y TepMaHujir
je Bp.JO OÖUIHO).
Jyqe caM npuMuo oä CeöacTHJaHOBiiha obo hhcmo Ha KOJe My ja HHuiTa
HHJecaM oüroBopao, huth hy My niia OÄroBapaTU, Hero nucMO obo ma.LeM BaMa
u r. CK&JiuuTi, Äa sHaxe, luia mhmu Ce6acTHJaH0BHh. KaacuTe T. CKajiHUH, Hena
My Kaace (aKO je nyacHO) , aa ce oa Mene oaroBopy ne Haaa. Ja hc hy aa snaM
3a Kpa'^yHOBHha ; Hero bh (F. CKajtHua h bii) HaBa.iiuTe, HSKa npoiiec aae cbo-
JHM nyiCM, aa 6u ce uito npuje CBpinuo. Ako 6u CeöacxHJaHOBHh (nao mio
cie MH BH Her^e npuje nuca^u) noMOJiuo uapeM 500 f. W. W., CKajiuua UMa
B.iaci Ha^UHuiu Vergleich; a ano CeöaciHJaHOBHha Mpsu xo noMeayxH CKaAuuu,
a BH rjieaaJTe, xe oxBopHxe laj nocao npeno KaKBora CeöacxujaHOBuheBa npHJa-
xe.La; caMO r.!ieaajxe ao6po, aa Bac CeöacxujaHOBuh ne npcBapu, nero aa nojo>KH
roiOBO (ja MUCJHM aa 6h xo öhjio Hajöe/be u sa Mene h 3a CeöacTHJaHOBuha) ;
aKO -lu CcoacTHJaHOBHh hc 6yae heo Hainnum xaKOBora Vergleicha, a bh sa-
Ba.iuxe, aa ce cspum no cyay h no npaBUUH, na hcMO ra aaxBopuxH (nya
je oxHui^ao jyne, hck uae h J'^kc], a ja sa uuje.io muc;ihm, aa he u y KpuMU-
Ha.T aohH.
Ja ce ocjiaibaM na Bac u na T. CKa.iuuy, aa hexe bu xo cBpmuxu, KaKo
ce 6yae Haj6o.i>e MorJio. Hs nacMa OBora BHan ce, aa je CeÖacxHJaHOBHh yme-
npx.LHO, na 6h heo c hobom npajesapoM aa ce noMorne. Caa Ba.i>a HaBajHxn.
Moace 6hih, aa ce oh 6ojh anejtauHJe (a HMa u npaBO mio je ce 6ojh). — 3a
nociOBe r. CKa^mne Koa anejiaHHJe roBopuo caM c jeanuM, Kao niio caM BaM u
npnje nncao, a.iu joui HujecaM Humia Morao pasaöpaxu, ocoohio söor pl)aBa
EpeMCHa, Koje mu, HMa 10 aana, ne aa y rpaa oxnhu; nero öyanxe ■j^jepeHH, h
BH H OH, aa hy c naJBehoM paaocxH rjieaaxH, miorol) 6yae Moryhe oa Moje
cxpane. — Ha Koa ''IcBanoBuha 3a one KftHre jom HHJecaM 6ho. — IIo3apaB.-ba-
jyhu .T>y6e3HO, KaKO sac h Bauie aoMamae, xaKO h T. ÖKajiuHy, ociajeM c
uciHHHM noiuxanujeM Baui noKopHH cjiyra ByK. —
VII.
y Eeiy 13/25 AnpHJtuja 826.
üpeaparu u MHoronomxoBaHU npHJaie.i.y!
IIpuMUo caM Bauie .i,y6e3HO hhcmo oa 6. OBor MJecena (xpaEfta), laKo^ep
c'
H OHO Taapa CKa.iHHe oa 8. Mapxa. Ja caM joui npuje oBora nncMa Bauiera
310 Kleine Mittheilungen.
OB^e 6no Ä03Hao, «a je CeöacTHJaHOBHh peKypirpao Ha ane^iauHJy, a mhcjum aa
je oaaBae seh OTiiniJio Ha TaMoniKH MarHCTpai, aa ce jaBii, no oöH^ajy, KaKO
Ta CTBap CTOJH. CeöacTHJaHOBHh Mopa jaram u pacxesaxu kojihko je Moryhe,
ajtH he CBeiay tomc ÄohH Kpaj ; caMo F. CKajHuy mojihm, «a My ce ne Äocaaa,
na fla naM ce nocjiHJe cbcth h noacMHJCBa CeöacxujaHOBHh; nero HeKa ce apacH,
u HaBajiHTe, kojihko je Moryhe «a 6h ce Jurotulirung — Tagsatzung jpacao,
caMO Äa ce je^iaH nyi Ha anejranujy onpaBH. r.iejajxe n bu, mo.thm Bac, le
noMaacHie T. CKa^HUu y ^oiy öy^e nyacHO u Moryhe.
Bpjo MH je 5Kao Illxainipajöepa KpaHHa, aJH ce onex paayjeM mxo je ly
r. EpKHh Äouiao. KaÄ ce ibeuy caMO Äonaja aioj npaBonnc, sa jesHK heMO
JiacHo: MH hcMO aera yBJepHxn, «a je y BHAaKOBHheBUM (Kao ii y ocxajiHJe,
KOJH onaKO nHiuy) KanraMa HHKaKaB jcshk; a h mh heivio npu3Haxu aeiviy,
aa je H y ^eKOJHM luoKaqKHM KiburaMa jesHK Harp^eH ao sja Bora.
MojHM Bac, nosapaBHie mh .työeano F. BpKuha; Ba.-ba aa je npHMuo oaasHO Moj
oaroBop Ha nncMO aeroBO oa 10. *c6pyapuja.
C '"leBanoBHheM caM ce ao6po nosnao, h Bp;ro mc paao npuMa; MO»ce 6hxu
aa hy ra h cjyipa pano nooauxu. nocbeaan nyi Kaa caM 6ho Koa aera, aao
MH je 4 Ka^reaaapa nauiera AaaMa $ujunoBuha, oa kojh caM jeaan aao ^Ly-
öHöpaxnhy (KonHiapy), apyrn PyMHJy, xpehu noaiao ^oöpoBCKOMC, a leiBpin
yciaBHO 3a ceöe. Ako ^e suauxe AaaMa, noaapaßuxe mh ra .lyöesHO, h *ajia
My Ha KaJieHaapHMa I Moace 6uxh, aa iiy u ja ueuixo nanucaTH o aeroBoj pe-
uensHJH nioKuiy, na hy My nociam, (aKO 6yae heo) HCKa mcxhc y Ka.ienaap
3a roaHHy 1827.
Ba-ta aa Bch uMaie ina**apuKOBy Hciopujy CjiaBencKora je3HKa h .ime-
paiype? KaKO BaM ce aonaaa? Ja My ocoöuxo ÖJiaroaapHM, mxo h CjaBonne
H JajMaiHHne h PsahaHe (nauie, a ho KcKaBue) ysHMa (no npasau) Me^y
Cp6e, Kao h BouiHiaKe u IIpHoropue.
nixa ^HHUxe BU c BamoM FpaMaiuKOM ? Kaa MucjiHie, aa he ce no^eiH
mraMnaiu? ileae HaBajiHie aa 6yae uixo öpace, jep 6h h ja paa aa nnmeM sa
Cp6e joui jeany (nosehy) FpaMaxHKy, na saxo acejiHM, aa sama Hajnpnje u3H^e,
aa yBMCM Bani CuHiaKcuc, aa ce ysa^iya ne MyquM oko aera (?).
Ja hy (aKO Bor aa 3apaB.-be) Hajaa.i>e ao aeceiaK aaaa nohH oaaBae y
IXemxy, 3äio auo mh mxo ycnuuiexe, usBOJuie nucMO onpasuxH Hä Mu^iOByKa
(mit Briefen des Herrn Jos. Milovuk in Pesth); lo ucxo, mojium, KaacHxe u
F. BpKHhy. Ako mh noiu.i.eie Kano nucaMue na F. Ha^a, 6uhe mh Bp.xo mh.io,
jep hy caa jaMaiHo rjieaaxu, aa ce c ann nosnaM.
üosapaBUxe mh .'by6e3HO F. GKajiuny. 3a no.aaHiHha npouec pasyMHJo
caM, aa je (e)xtrairat, ajiH ne 3HaM, Kaa he ce pe*epHpäTH, jep cy anejaHHOHC-
Räthe roiOBo cbh 6ojrecHu, a Ko3eji je (Kao mxo exe, mhcjihm, qyjiu) nocxao
Hofrath. ^hhu mh ce aa ce OB^e ciaöo rjeaa Ha Apelations-Beschwerde u
Ha Apelations-Einrede, Hero na npohec (Acta &c.), na onaa Ha cyaujuH
Urtheil u na Beweggründe. Saxo bh aKO ycnnniexe Einrede, r.ieaajxe aa
6yae mxo je Moryhe Kpahc; jep Kaa ce Kojemia naxpna, Kao mxo oöu^ho
qHHH CeöacxujaHOBuh, onaaj ce c.ia6o h ^uia. —
F. KonHiap h anpcKxop Joa.1 no3apaB.i>ajy sac .i)y6e3H0. Oa mchc, mojhm,
nosapaBHie Barne aoMamae, anpCKTopa Bjiacja, F. IIonoBHha ca CBHMa aoMahuM,
Kleine Mittheilungen. 311
Hauiera nony, aoKxopa CoHCHÖepra, T. PaÄii^cBiiha, A5H-CMH.i>aHHha h ocia^e
cse nosHaHDKe h npHJaxe.ie.
Bam
noKopHH Myra h npHJaxe.T,
ByK Cie*. KapauHh.
VIII.
y ByaHMy 19/31 Mauja 826,
jty6e3HH II MHoronoiuTOBaHn npHJaTe.i>y!
^aHac caM npiiMHO oj T. CKajiHue nucMo same oa 26. OBor MJecena. Bpjo
BaM ÖJiaroÄapHM na nucMy Ha T. Ha^a. Obo Äana otuKh hy aa ra noTpaacHM.
— ÜByaa je OHOMaüHe npoiuao laMO naiu aoöpn Fpra HcBanoBHh. Ako saM xy
ao^e, MOJUM, Äa Me ibOMy u yciMeHO npenopyiHxe. y Eeiy mc cbojckh no-
lacxHO y CBOMe HaaiacxHi^y. — ^Ccjihm aa Baia ÄHapHJa 6yae 2chb h aapaB h
cpehaH a geciHi; h aa cboj'hm poaHie.i.UMa 6yae Ha paaocx h na SHKy, Kao h
BH Bamuiia mxo exe. — F.ieaajxe FpaMaiHKy aa CBpniHie mio öpace. Moace
6hih aa 6h cie ETHMo.-ioruKOH bh sacaa uovjia h HaociaBHiH? —
CeöaciujaHOBHhy npunoBHJeaao T. CKa.iuHa cujia.. FjeaaJTe h y Ha-
npeaaK, iio.ium Bac, u HaBaJiuxe, mxo je Moryhe, aa 6h ce jeaaH nyi CBpmnjo.
— F.ieaajxe, mojhm Bac, aa mh no obom oöjaB.LCHHJy Hat)exe Kora npeaöpoj-
HHKa. — nosapaBHxe mh jtyÖesHO F. EpKiiha, a h AaaMa, aKO ra ^e Bnanie ;
xaKO H ocxajie npHJaie.te h nosHaHHKc, a ocoÖhto Bame aoMamae. — 3a qyao
MH je, KaKO ina**apHKOBe Hcxopuje HHJecie joni npHMu.in! Ba.i>a aa he BaM
je caa nooziaiu. — Bam npujaxe.t u no^Hiaici,
ByK Cie*. KapauHh.
IX.
y ByaHMy 26. aBr. (no namaMy) 1826.
Ilpeaparu n MHoronomxoBaHH npnjaxe.by!
Exo BaM ma.BeM 4 o6jaB.T>eHHJa o momc 3a6aBHHKy 3a roa. 1827. Uo
jeano, M0.IHM, noma.T>Hie y ITo/Kery n y FpaaumKy (a.iH KaKUM nosnaEHnuMa,
KOJH he ce noxpyaHiH aa 6u HamjH Kora npeHyMepama;. HaaaM ce, aa hexe
MH BH xy CKynnxu npeuyMepaHia 6apeM kojuko u JiaHH. nayheMy UemiaH-
CKOM Bamapy npenopyquie KaKOMe sameM EpoJjaHHHy, neKa ce npnjaEH Mujo-
ByKy 3a KH>Hre. IIo3apaB.i)ajyhH KaKo Bac u Bame aoMamae laKo h F. CKajiHuy
H ociajie iipHJaxe.i.e h no3HaHHKe, ociajeM
Bam noKopHH cjyra
ByK Cxe*. Kapaijah.
Hern Ignatz AI. Berlich in Brood
per Efsegg.
312 Kleine Mittheilungen.
X.
y Beqy 15/27 okt. 826.
ilayöesHU H MHoronoiuTOBaHH npnjaTe.i>y!
Ebo aie caa onei y Beqy. Ca« ano Baai Tpeöa mKOJiCKH Kaiira, sah iuto
apyro, H3Eo;iHTe mh nncam. He cyMH>aM, aa cie npuMu^iH Moje nucMO ms Ey-
auivia c oöjaB.tenujaMa o 3a6aBHUKy aa roÄHHy 1827. Ako ctg mh CKynujiH
IUTO npcHyMepaHxa, ii3B0.aHTe ii hobuc h iiMeHa nocaam OB^e MeHu, jep ce
OB^e KH>Hra iniaMna.
Iliicao caM BaM H3 EyÄUMa, aa ce y ^yöpoBHHKy lUTanna roHayjHheB
OcMaH, Kojera npsa KH>Hra (6uhe CBera ipu KüHre) qyjcM aa je Bch
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ÄHMCKOMe 3 f. C. M.
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HCKH MujaTOßuh H3 3arpe6a, Kojii je caa oa PujcKe ($iijyMe) y Hotrjbj Ha
ÄHJeTii. H lIIa**apiiK cnoMHH>e Majio ly CupcHy.
HaBajiHTe Bh c FpaMaiiiKOM saraoM iuto öpace.
Obo aaua rjieaähy aa paaöepcM Koa ane^ai^uje, niTa ce paau c nauiuM
npouecoM.
IIosapaBiiTe MU .-byöesHO r. CKa.iuuy, h ocTajie nosHauHKe u npHJaTe.te.
Bac .iiyöeäHo uosapaB.ta T. KonuTap; a ja ocoöuro nosapaB.tajyhz u sac n sauiy
Focny c ucthhum BucoKonoiuTauujeM jecaM Baui noKopHU ciyra
ByK Ctc*. Kapauuh.
NB. IIucMa MU y nanpeaaK HaxnHcyjie : auf der Landstraße N^o 291 im
Hofe rückwärts im 1. Stock.
XI.
MHoronouiTOBauu Focnoauue!
IIpuMHO caM KaiaHiuheBO cbgto hucmo y 6 Kibura, KOJe ctc mh nocjia.3u
y uapyi, u BCJiuKa BaM xsajia 3a to. Kaa mh BHuie ue ycTpeÖa, Bpamhy BaM
ra ca 3axBa.Momhy, a aoTjie ucKa BaM obo HenoAUKO pujequ 6yay CBJeaoqaHCTBO,
aa cy noMGHyTe KibHre y Meue,
y Eeiy 2/14 aeKCMspa 846. ByK Cie*. Kapayuh.
BucoKoyqeHOM rocnoaHHy
Ah ap uj u EpüHhy y IlasMaHOBHHU.
XII.
y Beqy 4/16 JyjiHJa 1860.
MuoronouiTOBaHU rocnoauue u npHJaTe.i)y!
Eto BaM uia.icM 66 Mojujex HOBUjex KftUJKima: 60 sa Baute npeuyMe-
pauTe, a 6 oÖhihh aeceiaK. XBa.;ia BaM ua .i>y6aBH h ua ipyay.
Ja ce MUCJHM OBaje öaBHTU joui aBHJe ueaje.te aaua. Kaa öucie mh sa
Kleine Mittheilungen. 313
xo BpHJCMc Mor.TU HOCJiaTU aMO (y Moj cxapu KBapTup Landstrasse N° 517.)
uoBue 3a le Kiburc, yiiiHu^iu öHcxe mh bcjhky .työaB; aKO ;iu to ucöyae mo-
ryhc, a Bu ux noma.mTe y ScMyH Bacu.iujy BacuJHJCBiihy (Basilius Wasilije-
vits in Semliu).
yiunuju ÖHCTC Mu .i.yöaB KaA öuctc mu jaBUJiu mio oä Eociie, ocoöiito
iiiia ce qyjo sa one EomibaKc iuto cy npo.beioc 113 CpöHJe npeöjcrju npeno
/IpHHe y BocHy: aa PHCiy Jcjuha qyjo ce Äa cy ra Typuii >KiiBa yBaTn;iii,
a.iu lUTu ÄU jo ÖHito ozn Phctc JoBH^Hha kojh je oko J^yp^cBa Äue ca ueKO
7 — 8 apyra npeöjerao npcKO ^piine UH2te JIoaeHime? Ako ce obo niicMO c
KH>iiraMa He sasomm, mojihm Bac Äa öucie mu OÄroBopii;iu na ifa aMO, aKO äü
ce aaÄOiiHH, a Bu mu numre y Euorpaa. Baui ÄOJaKouiiLU npujaie.L
ByK Cie*. Kapayuh.
Spolari — Spolarich.
Ich erinnere mich aus meiner Jugend des Familiennamens Spolaric in
«Sveti Ivan na Zelini«, Damals lebte ein Arzt dieses Namens dort, von dem
man allerlei lustige Geschichten erzählte, z. B. wie er am Pulsschlag eines
Patienten erkannte, dass er nur — betrunken sei. Er hatte aber den Puls
seiner eigenen Hand betastet. Nach vielen Jahren, es war in Petersburg, im
gastlichen Hause des Fürsten Vjazemskij, während einer üblichen Freitags-
versammlung, kam mir das Buch »CurriculumPhilosophiae Peripatheticae etc.
Autore R. P. Melchiore Cornaeo« (Herlipoli Anno 1657) in die Hände, auf
dessen innerem Umschlag ich eine Notiz fand, die mir den oben erwähnten
Spolaric in Erinnerung brachte. Ich theile sie hier mit:
Ego Franciscus Spolari natus sum anno 1639 mense novembri tribus cir-
citer diebus ante festum S. Martini episc. et confessoris.
Quando igitur fui annorum 11, tunc incepi studere apud S^ura Joannem
in Zelina meaque ibidem studia inchoavi in anno dmni 1650 in initio mensis
Agsti. Deinde in anno dni 1652 recte ante festum S. Georgii veni Varaadi-
num, ibi factus sum maior parvista sub Rndo Magistro Magiaradi.
Man ersieht ans dieser unscheinbaren Notiz, dass der spätere Familien-
name Spolaric einmal (um die Mitte des XVII. Jahrh.) noch die fremde Form
Spolari führte. Nachher war die Slavisirung durchgeführt, das sieht man aus
einer späteren Eintragung in demselben Buch. Ein Besitzer desselben näm-
lich, vielleicht ans dem XVIII. Jahrh., trug seinen Namen so ein:
Fratris Michaelis Spolarich Ordinis Sancti Pauli primi Eremitae Pro-
fessoris.
Was für eine Schule in Sveti Ivan im J. 1650 vorhanden war, lässt sich
schwer sagen, jedenfalls nur irgend eine Elementarschule. Denn der Unter-
richt dauerte, wie man sieht, nur zwei Jahre. Gleich darauf kam der junge
Mann nach Warasdin, olfenbar in die dortige lateinische Schule, vielleicht
bei den Paulanern. Sein Lehrer seheint ein Ungar gewesen zu sein. V. J.
314 Kleine Mittheilungen.
Zier Etymologie von »pre^ustvou.
Schon Kopitar hat über dieses, wie es scheint, nur dem Slovenischen
eigenthümliche Wort nachgedacht, woher es wohl kommen mag. In seinem
Schreiben an Dobrowsky vom 7. IV. 1809 heisst es nämlich: »Woher wohl
unser preshustvati, ehebrechen? Die neueren Bibelübersetzer haben es von
shesti (sextus) abgeleitet und schreiben preshestvati: aber das wäre ein ku-
rioses 6tes Geboth auf dem Berge Sinai: 6tens du sollst nicht übersechsten:
Trüber schreibt preshushtvati, preshushnik, preshustnik«. (Siehe Briefwechsel
zwischen Dobrowsky und Kopitar, S. 56). — Ich glaube nicht, dass die Ab-
leitung von shesti die Schreibweise preshestvati veranlasst hätte, bin vielmehr
der Ansicht, dass die angeführte Schreibweise nur die spätere, jedoch von
shesti (sextus) durchaus nicht beeinflusste Aussprache wiedergibt, — wenn
es auch vielleicht richtig sein mag, dass die Ableitung von shesti (6tus) allen-
falls bei der Katechese der Kinder, wo man sich in die eigentliche Erklärung
dieses Gebotes begreiflicher Weise nicht recht einlassen kann, also etwa in
usum delphini ganz willkommen gewesen sein dürfte. Der Grund aber, dass
das ursprüngliche preshi^stvo mit der Zeit zu preshestvo wurde, ist annehm-
barer Weise in der eminent starken Betonung der Vorsilbe und die dadurch
hervorgerufene Enttonung der Stammsilbe zu suchen. In Folge der Tonver-
Bchiebung ist der volle Vocal der Stammsilbe zum Halbvocal eingeschrumpft,
während das einfache shustvo, das Trüber noch ganz wohl kennt, wenn es sich
erhalten hätte, wohl kaum zu shestvo hätte werden können.
Dobrowsky wusste auf die obige Frage Kopitars momentan — wie es
scheint — keiue Antwort; aber auch die, die er ihm diesbezüglich nach
21 Monaten zukommen Hess, konnte diesen bei der (fast möchte ich sagen)
cynisch-burlesken Auffassung des Wortes wohl kaum befriedigen. Dobrowsky
schrieb nämlich am 2. I. 1811 an Kopitar: »Ihr preshustvati ist wohl von
ssaustati, alt ssustati, wetzen reiben — also ein niedriger metaphorischer
Ausdruck für subo, subare. Die figürlichen Ausdrücke sind gewöhnlich nicht
am leichtesten zu erklären«. (Briefwechsel, S. 63). — Einen lediglich auf das
Slovenische sich beschränkenden Ausdruck aus einem xar iSo^v*' cechischen
»soustati« abzuleiten, das erregt schon an sich einiges Bedenken abgesehen
von der gar zu derb- sinnlichen Auffassung, die da zu Grunde gelegt wird.
Kopitar konnte sich mit dieser Naturwüchsigkeit in der erwähnten Etymologie
Dobrowsky's sicherlich nicht abfinden, doch er schwieg und Hess es auf sich
beruhen.
Nun kommt Miklosich in der vergleichenden Grammatik (II, 178) mit
seiner Ableitung von ched (resp. sid), die Form presestvo zu Grunde legend
und fasst das Wort als transgressio. Zu dieser Etymologie mag ihn wohl,
was die formale Seite betrifft, das altslovenische LUkCTBHI€ noQeia und
lUkCTKOKaTH odevBiy verleitet haben, in semasiologischer Hinsicht aber
dürfte die bekannte geläufige, aber deswegen noch nicht richtige Deutung
des lateinischen adulter (quod ad alteram se confert) für ihn entscheidend ge-
wesen sein, vielleicht auch das russische pacnyxcTBO (Liederlichkeit, Unzucht).
Es soll noch hervorgehoben werden, dass sich Miklosich die Ableitung nicht
Kleine Mittheilungen. 315
mit dem Suffix -Bstvo vollzogen denkt, sondern mit -tvo, wobei er die noth-
wendige Dissimilation des Dentals d vor t zu s annimmt. Diese Erklärung von
presestvo wiederholt Miklosich auch noch in seinem etymologischen Wörter-
buche auf S. 80, obschon sich mittlerweile P. Skrabec auf den bescheidenen
Umschlagblättern seines »Cvetje z vertov sv. Franciska« (111,4; ganz ent-
schieden dagegen hatte vernehmen lassen. Die Ausführungen des P. Skrabec
verdienen, insofern sie die Ableitung von der Wurzel sid zurückweisen und
das w in der Stammsilbe von preswstvo mit Berufung auf Trüber, Dalmatin
und Gutsmann in Schutz nehmen, die vollste Anerkennung, denn die Ab-
schwächung des presustvo zu presestvo ist leicht erklärbar, der Wandel von
presestvo zu presustvo wäre es jedoch nicht. Die ausschliessliche Verthei-
digung von presustvo dem presustvo gegenüber und die Annahme einer Wurzel
sus kann jedoch nicht auf gleiche Anerkennung Anspruch erheben. Wenn
ferner Skrabec sagt, er wisse nicht, woher Miklosich die Form »sustvo« habe,
denn ihm sei nur das Wort »zustvo« (Wucher vom mhd. gesouch = usura, Zins
od. Nutzen von geliehenem Gelde) bekannt, welches nach seiner Vermuthung
des Reimes wegen mit »presustvo« verbunden in Trubers metrischer Aus-
legung des Dekalogs sich finde: so ist dieser seiner Aeusserung folgende Er-
wägung entgegenzuhalten. Es ist zwar richtig, dass in Trubers »Ta celi cate-
hismus eni pfalmi« &c. sowohl in der Ausgabe von 1584, als auch in der von
1595 in der "ten Strophe der brevis ac dilucida decalogi explanatio zu lesen
steht: «Prefhufhtva sAuf htva varuj fe | sa tiga volo Svejt vus Potupil fe | lubi
Sakon, Vduftvu inu Divizhtvu« &c., — allein dieses »shufhtvo« ist wohl nicht
zustvo (Wucher), sondern sustvo (Unzucht). Trabers ausführliche Erklärung
der zehn Gebote ist nämlich so eingerichtet, dass nach der Einleitungsstrophe
in jeder einzelnen der darauf folgenden Strophen ein Gebot vorgeführt wird,
und demnach behandelt die Tte Strophe ausschliesslich nur das 6te Gebot, der
Wucher aber verstösst nicht gegen das 6te, sondern gegen das 7 te Gebot,
welches bei Trüber in der 8ten Strophe erörtert wird, wo es heisst: »Nekradi,
shuhaj, nenorri, | dobitak tiga della vus ti sgory, | tuj Kruh dobivaj vfem
Ludem pres f hkode, | Od shegna delanja tvojga, | vbosim resdeli ga«. (Ver-
gleiche die entsprechende Fassung bei Luther: »Du solt nicht stelen Gelt noch
gut I nicht wuchern jemandts Schweiss vnnd Blut« &c.). Es ist zwar sehr
naheliegend, neben zuhati (fenerari) auch ein zustvo (feneratio) anzunehmen,
doch in der angeführten Zusammenstellung mit presustvo ist es nicht richtig,
»sAufhtvoaals feneratio aufzufassen, sondern wir müssen dem Trüber hierin
einen orthographischen Fehler, d. h. eine Verwechslung des tönenden und des
tonlosen palatalen Zischlautes imputieren und shufhtvo als sustvo, nicht als
zustvo lesen. Solche Verwechslungen kommen bei der bekannten Mangel-
haftigkeit der Truberschen Orthographie häufig vor, ja sie sind beinahe Regel.
Krell war zwar bemüht, eine strengere Unterscheidung von /und s, von/A
und sh einzuhalten, doch Trubers orthographischer Wahnkurs behauptete sich
noch. Das parallele Auftreten von sustvo (Hurerei) neben seinem Compositum
presustvo (Ehebruch) kann aber noch durch andere Belegstellen bei Trüber
nachgewiesen werden, in denen die angeführte Bedeutung von sustvo durch
die entsprechende Übersetzung klar hervortritt. Im Jahre 1562 erschien neben
316 Kleine MittheiluDgen.
Truber's »Articuli oli deili te prave ftare vere kerszhanfke« auch die von
Stephan Consul und Anton ab Alexandro besorgte kroatische Übersetzung
des genannten Werkes und zwar in zwei Auflagen , in glagolitischer und cy-
rillischer Schrift. Diese Übersetzung bietet an mehreren Stellen für Truber's
»Curbarya inu Preshuftuu« die Version «blud i preljubodejstvo«, und ganz
die gleiche Version geben die Übersetzer an einer Stelle für Truber's »Shu-
shtuu inu Preshushtuu«, woraus ganz klar der Schluss resultirt, dass »sustvo«
gleichbedeutend ist mit »kurbarija«, resp. mit »blud« (ka;^^!^). Die be-
treffende Stelle ist im Schlussabsatze des Artikels »Od zakona ili zenitve po-
pov« auf der ersten Seite des SO. Blattes zu lesen und lautet: »Obtu to Gofpo-
fzhino viffoku opominaio, de tako Nezhiftoft, Shushtuu, Preshushtuu ne dopufte
poiti naprei, Temuzh de Smezhom, fto Jezho inu pregauenem shtrafaio inu
fubper ftoye«, und in der kroatischen Uebersetzung': »Zato gospodu telesnu
modno opominaju da takovoj necistosti, bludu, preljuhodejstcu nedadu naprid
poiti ni rasti , neg da s mecem, z vuzu s tamnicami i prognanjami kastigaju i
suproti stojen. — In Trubers Catechismus vom Jahre 1567 auf S. 17 lautet das
6te Gebot: >'Ne Preshußuai inu ne Shußuaiu mit der deutschen Uebersetzung:
»^icht Ehebreche vnd nicht Unkeusche». (Archiv XXIV, S. 165) und im »Cate-
hismus 3 dueima islagama« vom Jahre 1575 auf S. 26 wieder: »Ta shefta, Ti
ne imash Preshuhtuati inu shushtuati«. Noch eine Belegstelle findet sich auf
S. 470 des letztgenannten Catehismus mit folgendem Wortlaut: »Inu poteh-
mal ta hudizh ie vfi Boshy praui Ordningi inu poftaui fourash, fufeb timu
Sakonu, Vdushtuu inu Diuizhtuu, fatu on te ftauuue zhel'tu na nezhiftoft,
vshushtuu inu PreJ'ushtuu obrazhuie inu naklane« &c.
Aus den hier angeführten Stellen Truber's geht klar und deutlich hervor,
dass presustvo als Steigerung von sustvo aufgefasst werden muss, und dass
das pre- des Compositums nicht bloss die fast rein locale Auffassung von trans-
gressio (Uebertretung im Sinne der Phrase »über das Büglein treten«, sloven.
crez ojnice atopati = dem Ehegemahl untreu werden) markiren soll, sondern
dass es ein Uebertreffen des einfachen sustvo, also ein eminentes sustvo
ausdrückt. Wir haben es mit der gleichen Function des Präfixes pre- zu thun,
wie etwa in den aus dem Volksliede bekannten Compositis »joj prejoj « (wehe
überwehe), »cud' precud'« (wunder überwunder), wie in der Zusammenstellung
»lek in prelek« (medicamentum efficacissimum, bei Micaglia230 lik priki), wie
in »prelep« (wunderschön), »precista devica« (die reinste Jungfrau) u. s. w. —
Es verhält sich also presustvo zu sustvo gerade so, wie AWKO^'traHHie
noQyela zu np'kAK»K0;i,'6iaHHI€ /hoixeUc Eine analoge Steigerung dieses
Begriffes lässt sich auch im Deutschen nachweisen. Ich erinnere nur an die bei
Schmeller I, 11 5S sub voce Huer angeführten Citate: »Fornicatio huer, adul-
terium uherhuer, incestus sipphuer, stuprum magdehuer« — und weiter: »der
adulter wird der uberhuor, die adultera die uberhuor'm genannt«. Ich erinnere
ferner an Matthiae Coleri decisiones Germaniae in lucem editae a Jacobo
Schultes Elbingensi, Lipsiae 1603, wo wir auf S. 529 den Satz finden: »Das
heisst man Oberhurerei/, wann sich ein ehelicher Mann zu einer Ehefrawen
legt«. Desgleichen will ich noch Fiied. Jul. Rottmann, Rituale nupturientium
S. 395 citiren : »Wenn ein Ehemann mit eines andern Eheweibe sich fleisch-
Kleine Mittheilungen. 317
lieh vermischet und Unzucht treibet, ist die größeste schlimmste und böseste
Art des Ehebruches, dahero es auch insgemein ein doppelter Ehebruch oder
nach dem Sachsen-Rechte Ober -Hurerei/ genennet wird«. — Dieses Steige-
rungsverhältniss hat übrigens auch schon Miklosich in der vergleichenden
Grammatik II, 59 hervorgehoben, wo er sagt: »Ijuby verhält sich zu preljuby
wie ahd. huorä zu überhuorä«; sonderbar, dass er dabei trotzdem die Ana-
logie mit sustvo und presustvo nicht wahrgenommen, denn sonst müsste er
gleichzeitig ja auch die Unhaltbarkeit seiner Etymologie eingesehen haben.
Nachdem nun aus den bisherigen Darlegungen das Steigerungscompo-
situm presustvo klar geworden ist, erübrigt uns nur noch das einfache sustvo
richtig zu etyraologisiren. In Anbetracht dessen, dass sich das Wort pre-
sustvo auf das Slovenische zu beschränken scheint und in anderen slavischen
Sprachen nicht vertreten ist, wird man versucht, an Entlehnung aus einer
fremden Sprache zu denken. Diese Vermuthung hat schon P. Skrabec in
seinem Cvetje (X, 1) ausgesprochen; er gibt jedoch selbst zu, dass sich seine
dort gemachte Annahme nicht beweisen lässt. Auch ich habe anfänglich
unter dem Eindrucke der Form shuf htvo (als iustvo gelesen) an fremden Ur-
sprung gedacht. Und da ist denn das Wort Sucht (krankhafte Begierde,
leidenschaftlicher Trieb) mit seinen Compositis Buhlsucht, Mannssucht,
Weibersucht, Eifersucht, Löffelsucht, Vogelsucht gar so verführerisch. Der
deutsche Uebersetzer des Trostspiegels von Petrarca (De remediis utriusque
fortunae) gebraucht in derUebersetzung des Kapitels ,De gratis amoribus' au
zahlreichen Stellen regelmässig den Ausdruck Sucht; er übersetzt amor,
delectabilis morbus mit «Liebe, sanfte Sucht« und delectatio mor-
bum alit, sanus enim fieri respuit, quem delectat aegrotare
mit folgender Wendung: »der Lust aber zu der Sucht ist der Sucht Mästung«
und weiter: »Liebe ist gar ein schendtliche Sucht — die Sucht hat kein Ver-
nunfft — solche Sucht kann niemand heilen dann die Zeit — etliche setzen
unter dieser Sucht ein Artznei die Ersättigung des Wohllusts« &c. — Und
bei sustvo mit s im Anlaut drängte sich mit Hinsicht auf Truber's »susterna«
für Zisterne der Gedanke an Zucht (in Unzucht, Nothzucht &c.) vor. Allein
da gab es wieder allerlei Bedenken und Schwierigkeiten, die sich nicht ein-
fach beseitigen Hessen. Das einfache Fremdwort »zuht« oder »suht« kann
nicht belegt werden, und doch wäre es eigentlich für die weitere Zusammen-
setzung mit dem Suffix -tstvo unerlässlich. £s muss aber hier das Suffix -hstvo
(nicht -tvo!) angenommen tverden, wie uns die Ausdrücke ljubodejstvo(ljubodin-
stvoHabd.), lotrstvo, kurbarstvo, hotimstvo (concubinatus), hotinstvo (pellica-
tus), priljubodivstvo (= puteni grieh s tujom zenom, Divkovid), ferner vdov-
stvo (viduitasj, devistvo (virginitas) u. s. w. beweisen. — Ferner Hesse sich
aus einem angenommenen Fremdwort »suht« bei der Erweiterung mit -hstvo
nur die Form sustvo erklären, nicht aber auch sustvo, welches, wenn auch
jene Form häufiger vorkommen mag, dennoch so gut belegt ist, dass man es
nicht übersehen darf. (Vgl. Truber's Ta celi novi teftament v. J. 1582 S. 17 :
»kateri fe lozhi od fuie shene [famuzh fa volo Curbarie] ta fturi, de ie ona
ena preshus/ifniza, inu kateri eno odlozheno porozhi, ta ifti preshu/i^uje«.)
Wir sind also auch aus phonetischen Gründen gezwungen, uns nach einem
318 Kleine Mittheilungen.
andern Stamm umzusehen, aus dem sich mittelst des Suffixes -tstvo die Form
sustvo (mit s] ableiten Hesse, — die Form sustvo wollen wir erst dann zu er-
klären versuchen. Den Nominalstamm, aus dem mit der Ableitung'ssilbe BStvo
unser »sustvo« gewonnen werden kann, finden wir aber in UJOyT^K, nugator,
Lapp,Cver!iebfer] Narr. Aus sut wird sustvo mitAusfoll des t vor s ebenso ge-
wonnen, wie aus gospod gospostvo, aus bogat bogastvo. Vgl. das neusloven.
«bistvo« (die Wesenheit) mit dem asi. KTüTkCTKO fr7T«o^<5- substantia) und
das serb. npoKjecTBo (Fluch) neben npoK.iexcTBo. Nach den Ausführungen im
Archiv XXIV, 226 bezeichnen die mit dem Suffix -Bstvo gebildeten Substan-
tiva einen Zustand, also ist sustvo der Zustand eines löffelnden Buhlnarren oder
einer mannstoUen Th'örin und buhlsüchtigen Närriti. Um die semasiologische
Verwandtschaft der Begriffe Buhle und Narr [Thor, Läpp] darzuthun, will
ich einige Bibelstellen und sonstige Citate anführen. Im IX. Kapitel des
Ecclesiasticus lesen wir: »Ne fedi per eniga drusiga sheni inu fe shno ne
obiemli inu ne goftui fe shnio, de fe tuoie ferze k nei ne naklony inu tuio
pamet neijrenori . . . . leipe shene fo mnogiteriga obnorile« fschüne Weiber
haben manchen bethürt), «vinu inu shene prenorio te modre« (Wein und Wei-
ber bethören die Weisen). Auf alte Weibernarren und verliebte Närrinnen ist
das Sprichwort gemünzt: »Kdor mlad ne nori, pa star znori« (Wer in der Ju-
gend nicht thvrt, wird oft mit greisem Haupt ein Thor\ Damit zu vergleichen
der Ausspruch im Jesus Sirah [XXV. Kap.' : »Tri rizhy is ferza fourashim
inu mi ie flu shal na nih diaine: Kadar ie ta vbogi Offerten, ta bogati rad
lashe, inu kadar ie en ftar Norez preshushnik«. — Ich erinnere an Ausdrücke,
wie: »toll verliebt, liebetoll, liebebethürt, mit Mädchen thören und tändeln,
närrelen = tändelnd lieben, Sinnentand und Liebesgetändel, Lüffelei = Ka-
ressieren, Löffeler = Mädchenjäger, löffeln = sich tändelnd und läppisch
(wie ein Läpp oder Laffe) benehmen, Närrin = Geliebte, Bube (opp. Ehe-
mann) ist ein eitler Geck und wankelmüthiger Windheutier (Garcio vel bofo,
bub, est vir inutilis, qui sequitur vayiitates)« u. s.w. Erwähnenswerth ist auch
der wortspielende lateinische Ausspruch: »omnis amans est ametis [in quo,
respectu obiecti amati, non ratio sed appetitus sensitivus et affectus in amo-
rem proni, captivä ratione, inordinate dominantur]« und die Epitheta des
Amor: »stu/tus, pravus, insanus«. »Wan lieb macht läppen, des tregt meniger
ein jiarrenAappen". — Den schönsten Beleg für die aufgestellte Etymologie fin-
den wir aber in einem bei Miklosich im Lexicon palaeoslov. S. 1138 sub voce
lUOYTKAHK'k angeführten, dem russisch-slovenischen Homiliarium Izma-
ragd entnommenen Citate, worin die nugae amatoriae berührt werden ; es
lautet: HH HrpaHTf HrpOW, AWKHMH, UJ K»T A H BO W CTv MWJKHMH
H^fHaMH, HH CT». K0\'Mail1H, HH CK /ÄTpCKMH, HH CHOyaMH HH HAA-
UJHTf CK HHMH. Eine Stelle im Buche Genesis (XXVI, 8} erzählt, dass
Abimeleh das wahre Verhältniss des Isaak zu Rebekka, die dieser für seine
Schwester ausgegeben hatte, an dem Scherzen und Schäkern der beiden er-
kannte, als er ihnen durch's Fenster zuschaute (loci amatorii). — Error ist
der Liebeswahn als Gegensatz des concessus amor, und personificirt als !'Vr/;
(Verblendung, Verstandesverwirrung, Urheberin aller thörichten Handlungen)
erscheint er bei Ovid (Am. I, 1, 35) mit Blanditiae und Furor vereint im Ge-
Kleine Mittheilungen. 319
folge des Amor. Dieser »error« ist unser »blud« (ka;I\^V,'K) und »blazn«
(BAdSHTi) Wahnwitz, insania, und bei Micaglia: »mahnitost od gljubavi
(patja d'amore) rabies amoris« = ludost, ludovanje, mamenost. In diese
Sphäre gehören auch einige Personennamen, die häufig als Zunamen begeg-
nen, z. B. Blaznik, Blodnik, Grobnik, Praznik, Susnik (Susnik), Suc u. s. w.
Grobnik von rp;!^^!^^!!! (stultus, ineptus); Praznik von npaBA^^HTi (otio-
sus), eigentlich der Müssiggänger und dann fornicator, moechus, denn der
Miissiggang ist aller Laster Anfang, des Teufels Ruhebank, heckt tausend
Rasereien aus, er ist nach Logau auch ein Agent der Venus; — Susnik scheint
aus Susnik (sustvtnik) durch eine Art Metathesis der Sibilation entstanden
zu sein, so wie die bei P. Marcus in seinem «Tu malu besedishe« verzeich-
neten Formen: i)resushtne, a, u, ehebrecherisch, presushtnek Ehebrecher
und presushtujem (presushtuvam) ehebrechen; Suc ist aus suttc, wie Muc
aus mutBC, Buc aus buttc, Trenc aus Trenttc u. s. w. — Die bei Pletersnik
(II, 639) aufgenommenen Formen »sljuta« (tändelnde Person) und »sljutav«
(tändelnd' sind auch wahrscheinlich aus »sutlja« und »sutljav« entstanden.
Nachdem uns die Entstehung von «sustvo« aus «sut« (Narr) begreiflich
geworden, wollen wir aus dem Compositum »preäustvo« die weiteren Ablei-
tungen zu entwickeln versuchen, die nominalen (presusttn ehebrecherisch,
presustnik adulter und presustnica adultera) und die verbale presustvovati
(moechari). Aus presustvo wird mit dem Suffix tui. das Adjectiv presustvtn
gewonnen, welches sich zu presusttn verkürzt, analog wie rojsten (Geburts-)
aus rojstven oder velicasten (majestätisch] neben velicastven — und auf die-
ses Adjectiv gründen sich weiter die erwähnten zwei Substantiva presustnik
und presustnica (*presustvi.nik, *presustvi.nica). Andererseits ergibt pre-
sustvo (Erznarrheit) mit dem Suffix -ova den Infinitivstamm presustvova- ;
doch das presustvovati (bis terque stultum esse, ein Erznarr sein) wird natür-
licherweise bald zu presustovati und weiter zu presustvati. Dass dieses
unter der Wirkung des auf dem Präfix ruhenden Tones, wie oben eingangs
erwähnt wurde, sich leicht zu presustvati gestalten konnte, ist auch nicht
schwer zu begreifen. Ja der Vokal der Stammsilbe zum Halbvokal abge-
schwächt ist später sogar ganz geschwunden, die beiden Zischlaute vereinig-
ten sich, und das Wort erschien um eine Silbe reducirt. So lesen wir in Joh.
Nep. Edling's »Isvlezhik tiga velikiga Catehisma« aus dem Jahre 1779 auf
Seite 67 zweimal die Form »prifhtvo«, d. i. prestvo für presT.stvo — (: »V na-
zhiftoft all prifhtvu sapejle nefpodobnoft v' gvantnofte ali gvantanju« [Zur
Unkeuschheit verleitet Frechheit in der Kleidung]:]. Auf Seite 54 des gegen
Ende des XVIII. Jahrh. in Graz s. a. in mehreren Auflagen erschienenen »Ta
veliki Katechismus s prashanjam inu s odgovoram« (per Johannefi Kaiferi
Bukuvefarji] lautet das 6tp Gebot: »Ti nimafh preßvati ali Nezhiftofti fto-
riti« (sie!). — Diese Kürzung des presustvo zu prestvo hat ihre Parallele in
der Kürzung der Form »odresitvo« bei Trüber und Dalmatin, welche bei
Joannes Baptista a Santa Cruce im Sacrum promptuarium als »odrestvo«
erscheint. — Was schliesslich die Form sustvo neben sustvo anbelangt, so ist
zweifaches möglich, entweder hat der Zischlaut der ersten Silbe assimilirend
auf die zweite Silbe eingewirkt, analog der rückwirkenden Angleichung in
320 Kleine Mittheilungen.
cvicek neben evicek, zvizgati neben zvizgati &c. oder es ist, wie dem sustvo
sut, so dem sustvo suc oder suttc zu Grunde zu legen. Vgl. vdovstvo (Wit-
wenstand) von vdova, aber vdovstvo (*vdovcBStvo) (bei Trüber Cateh. 470
»vdushtuu«) und vdovistvo von vdovec oder vdovica. —
Das eine glaube ich bis zur Evidenz nachgewiesen zu haben, dass das
Etymon dieser ganzen Wortsippe in lilOYT'K (Narr) zu suchen sei.
Laib ach, im September 1904. L. Fintar.
Nachtrag zum Aufsatz »Eine altrussische Schrift« (S. 168 — 172).
Da Prof. V. Gardthausen in seiner oben gedruckten Abhandlung »Eine
altrussische Schrift« die Aufmerksamkeit auf die Kerbhölzer und auf die
darauf eingeritzten Zeichen gelenkt hat, wird es nicht ohne Interesse sein,
die Literatur darüber anzuführen und auf die Werke hinzuweisen, die mit
den Abbildungen versehen sind.
Vor allem kommt hier in Betracht die von AI. Petrow in der polnischen
ethnographischen Zeitschrift »Wisla« angestellte Umfrage über die Bilder-
schrift, deren Resultate in jedem Bande, vom 2. au bis zum 15. in der Ab-
theilung »Poszukiwania« veröffentlicht worden sind. Hier ist auch nicht nur
die betreffende polnische Literatur, sondern auch die anderer Slaven heran-
gezogen (z. B. L. Krzywicki in »Biblioteka Warszawska«, 1892. X. S. 91, 97 ;
über die Bulgaren VIL S. 172 u. s. w.).
Besonders aber wichtig sind die folgenden Stellen, wo ganze, interes-
sante Abbildungen gegeben werden: Ignacy Matuszewski: V. S. 918 — 921;
A. P. und Dowojna Sylwestrowicz : VL S. 672—675; ferner V. 431 ; XL 351 ;
XIII. 680. Zahlreiche Proben der Bilderschrift sind auch bei L. Malinowski
»Obraz pisma obrazowego« (Materyaly antrop.-arch. i etnogr., XI. S. 351) zu
finden. Ueber die serbischen Kerbhölzer erwähnt M. J. Milidevic in »^eeot
Cp6a ce.T>aKa« (Äpyro npepal)eiio h nonyiteHo usÄaite. y Eeorpasy 1894. S. 334;.
Die ruthenischen sind bei Kaindl: »Huzulen«. Wien 1894. S. 64, und bei Su-
chevyc: rynyjiBmiiua. IL lacxt (Maiepiajiu äo yKpaiHCi.KO-pyci.Koi exHO.iBorii.
T. IV). 1901. S. 209, behandelt und abgebildet. Ueber die russischen im eth-
nographischen Sinne kann ich nichts näheres angeben.
Endlich sei noch erwähnt, dass die sogenannte Kinder-Bilderschrift, die
von Säsinek (in »Dejiny drievnych narodov na üzemi terajsieho Uherska«.
V Skalici 1867. S. 239—240) mit der glagolitischen Schrift in Zusammenhang
gebracht wird, mit der aufg-^worfenen Frage nichts gemeinsames hat. Uebri-
gens vergl. darüber Fr. Bartos: Nase deti. V Brne 1880. S. 168, Ö. Zibrt in
»Cesky Lid« 1898. VII. S. 246—248 (Obrazove pismo-detska hra) und Ö. Lid
1900. IX. S. 56—57; Ed. Domluvil: Die Kerbstöcke der Schafhirten in der
mährischen Walachei (Festschrift aus Anlass des 10jährigen Bestehens des
Vereins f. österr. Volkskunde, hrg.v.M.Haberlandt. 1904. S.206— 210-i-3Taf.).
Z. Kuziela,
Die Vokale t, h in den Codices Zographensis
nnd Marianns.
Die folgende Untersuchung ist eine Fortsetzung meiner Ab-
handlung »Noch einmal 1%,, h», Archiv XXVII, S. 1 — 40, verfolgt aber
ein etwas w^eiteres Ziel. Wenn ich nach den grundlegenden Abhand-
lungen von Jagic (Arch. I, II), auf die ich mich gegebenen Falles
beziehen werde, noch einmal den Cod. Zogr. in Bezug auf ii, k be-
handle, so geschieht es, weil mir einige Punkte noch weiterer
Aufklärung und schärferer Bestimmung bedürftig erscheinen. Die
Grammatik des Altkirchenslavischen muss nothwendig auf die
Frage kommen, ob die Eigenthümlichkeiten der sUdslavischen
Ueberlieferung der Sprache, wie sie unseren Handschriften vor-
liegen, Niederschläge von Lokaldialekten der Schreiber und von
weiter entwickelten Sprachzuständen sind, oder ob einige dieser
Eigenheiten bereits in älterer Zeit vorhanden wareo, also auch in
den handschriftlichen Quellen der uns erhaltenen Texte. Es ist
klar, dass man am ehesten zu einer Entscheidung dieser Frage
kommen kann, wenn man einen inhaltlich gleichen Text in ver-
schiedener handschriftlicher Gestalt hat. Das ist der Fall bei dem
Evangelium in den zwei Tetraevangelien, Zographensis und Ma-
rianus, und in den beiden Lektionarien, Assemanianus und Savina
kniga. Zuletzt würde es darauf herauslaufen, ob es möglich ist,
ein Bild von der sprachlichen Beschaffenheit des ältesten Evan-
gelientextes der Zeit Konstantins zu gewinnen.
Zweifellos ist der Cod. Zographensis, wenn auch nicht in allen
Punkten, die hier in Betracht kommen können, doch in Bezug auf
die lautliche Seite der Sprache die alterthümlichste dieser Quellen,
die Betrachtung muss daher von dieser Seite ausgehen. Zeigen
sich, rein theoretisch gesprochen, bei Handschriften, die nicht eine
aus der andern geflossen sind, gleichartige Züge lautlicher Ent-
wicklung, so ist der Schluss gerechtfertigt, dass bereits eine ältere
Quelle, aus der beide stammen, solche gehabt hat.
Archiv für slayische Philologie. XXVII. 21
322 A. Leskien,
Die folgende Untersuchung ist bestimmt, einen Beitrag zur
Lösung dieser Frage zu liefern, soweit es die das Tv und h, betreffen-
den Vorgänge angebt. Dabei beschränke ich mich für den Cod.
Zogr. auf den sogenannten Umlaut des i». und k, weil die sonstigen
Schicksale dieser Vokale, Ab- und Ausfall oder Wandlung zu o, f,
weniger in Betracht kommen und von Jagic genau behandelt sind.
Bei der Betrachtung des Umlauts gehe ich zunächst von der wohl
allgemein angenommenen Ansicht aus, dass es sich dabei um einen
rein vokalischen Vorgang handelt, d. h. der Vokal i». in k, k in Tv
übergegangen ist. Auf eine andere mögliche Betrachtungsweise
komme ich am Schluss.
I. Codex Zographensis.
A. Wandlung des k in t», vor folgender Silbe mit nich,
palatalem (hartem) Vokal. Es muss von vornherein auffallent
dass der Vorgang sehr beschränkt ist; es werden von dem Umlaut
betroffen: 1. eine gewisse Wortgruppe lautlich gleichartiger Form,
die Infinitivstämme K-kpaTH, ^i.'kpdTH, 3Tv;i,aTH, n'kpaTH, ct'k-
AATH (für ursprüngliches KkparH u. s. w.); 2. die Adjektiva auf
-kHTi., deren altes k vor folgender harter Silbe bald erhalten ist,
bald als t^ erscheint; ihre ganze Masse bildet ja eigentlich nur
einen einzigen gleichartigen Fall; 3) eine Anzahl häufiger wieder-
kehrender, einzelner Wörter zeigen statt k entweder ganz oder fast
regelmässig!».: KT^^OBa K'k;i,OBHU,a (Smal, im Ind. lect. vor Lu-
kas, Bl. 129, steht Bk^OBHi^A); M'kS^k.a mit seinen anderen hier-
hergehörenden Formen (14 mal, Mk3A'» 4 mal, s. Arch. 1,40); TTvMa
regelmässig (etwa 12 mal, TkMa steht J 12. 35 im Text, aber die
Lesung ist unsicher); TiviUTa (3 mal), CB'tT'kAO cB'kT'Ka;?» regel-
mässig (5 mal) ; npaBT^A^ regelmässig (14 mal, cnpaBk4,ai*iuTn
L 16. 15 ist unsicher). Dazu kommen einige ganz vereinzelte Bei-
spiele: KHCkpa M 13. 45, b-kcä^^-R b'kc;ra<5V M 1. 45, L 9. 6
(Bkck und seine Ableitungen haben sonst immer k), ;i,'kHO\' J. 4. 43
gen. dual, zu A^^nk, das sonst immer k hat (A'*"'^V M 26. 2), ko-
T'kAor.n», Ma7. 4, ockaa L 13. 15, pacn'k.H;RTT». Ma 15. 15 (sonst
immer nkH-). Dabei habe ich ausgeschlossen cTivrHa, weil mög-
licherweise dies neben CTkrHa vorhanden war, a'^^*^'*? '"'eil hier
Tk als alt anzusehen ist, und Bp'k.T'kn'k (3 mal so), obwohl man
nach dem russ. BkpTkniv BepTtn-k. das k ansetzen möchte, weil
Die Vokale -h, b in den Codicea Zographensis und Marianus. 323
man bei dem etymologiscli dunkeln Worte zweifeln kann, ob nicht
eine Form auf -TiRTv vorhanden war (vgl. das in anderen Quellen
vorkommende ßpivTcmv). Vielleicht muss man auch Riv^oßa aus-
scheiden, weil es nicht sicher ist, ob nicht das i%. schon aus älterer
Zeit stammt. Vorläufig sind auch die Zusammensetzungen mit
-km;>r (h3km;i^, BT^aKM;^ u. s. w.) unberücksichtigt geblieben, die
später zu behandeln sind, weil sie aus den sonst bei t»., k zu beob-
achtenden Vorgängen ganz herausfallen.
Gegenüber den ausserordentlich häufigen Fällen, wo einer
k-Silbe eine andere mit hartem Vokal folgt, ist der Bestand der
Fälle des Umlautes von k zu 'k ein recht geringer. Warum bleibt
ausnahmslos das k in mkto, -;Kk,i,o u. ä., in B'SpkH'K und überall
bei diesen Adjektiven, wenn -kwi». die beiden letzten Silben bildet,
in -kCK'k und -kCTBO. Es muss also für die Wirkung des Umlauts
gewisse Schranken geben, und es sind in der That solche und zwar
ganz feste vorhanden.
1. Tv, obwohl ein harter Vokal, wirkt nicht auf ein k
der vorhergehenden Silbe, einerlei ob t», im Wortauslaut oder in
einer inneren Silbe steht, daher immer B'KpkH'k, ncnaAkHi^, hcth-
NkHiv, npaßk^i.kH'k, iiik;i,'k ujk;i,'kuja u. s. w., mka'k, npocTkp'k,
GHCkp'k, HikSAT»,, HaMkNlv HaHkH'klUf, npORkH'kmf , OVMkp'klUk,
OCkA-k, CB'kTkA'k, /k.kH'k (g. pl. zu AI^HI^lj Ol^kTTv, Orkp^kLUH,
BkSHkS'k, ^i.'STkCK'k, THTkATi, die Casusformcn der i-Stämme
wie Tpk]("k, AKJ^kMTv u. s. w. Davou gibt es im ganzen Denkmal
keine Ausnahme. Wenn man annimmt, dass zu der Zeit, als der
Umlaut von k zu t^ vor folgender harter Silbe eintrat, die schwachen
Vokale noch gesprochen wurden, muss man zu der Frage kommen :
warum wirkt gerade Tv nicht wie andere harte Vokale? Man pflegt
Ti, k als irrationale Laute zu bezeichnen; ich möchte den Ausdruck,
bei dem man sich nichts rechtes vorstellen kann, lieber vermeiden
und sie Ueberkürzen nennen, denn sie hatten, wie die gesammte
Entwicklung der slavischen Sprachen zeigt, den normalen Kürzen
gegenüber ein Mindermass von Ausdehnung. Es könnte demnach
der Satz aufgestellt werden : die Ueberkürze 'k wirkt wegen ihres
geringen Gewichts in der Aussprache nicht auf ein k der voran-
gehenden Silbe. Es würde aber dabei zu erwägen sein, dass, wenn
man in luk^x'kiuf, BlvpkH-k u. s. w. die beiden k-'k-Silben als
gleich kurz ansetzt, es nicht recht verständlich ist, warum ein über-
21*
324 A. Leskien,
kurzes 'k nicht auf ein ebensolches h wirken kann. Ich bin daher
der Ansicht, dass noch ein anderer Umstand in Betracht kommt:
die hier in Rede stehenden, durch t». der folgenden Silbe nicht affi-
cirbaren i^-Silben tragen entweder den Hochton des Wortes oder
einen Nebenton; Hochton oder Nebenton haben aber dem h, eine
der normalen Kürze gleiche oder annähernd gleiche Ausdehnung
gegeben ; auf ein solches k wirkt dann folgendes 1%. nicht, so wenig
wie etwa auf ein vorangehendes h oder (. Wo aber vor folgender
harter Silbe t». statt h, erscheint (ß'Sp'kHa u. dergl.), enthält diese
Silbe stets einen vollen harten Vokal und das i^ ist in diesem Falle
ganz tonlos. Auf diesen Umstand gehe ich indess hier nicht weiter
ein, da er nur durch eine Gesammtbetrachtung der slavischen
Sprachen begründet werden kann. An dieser Stelle genügt es, die
Thatsache festzustellen, dass kein t». auf ein k der vorangehenden
Silbe verändernd einwirkt. Man kann übrigens, was mit dem
gesagten zusammenhängt, alle oben angeführten Fälle auf eine
Formel bringen, es sind sämmtlich solche, in denen bei der Weiter-
entwicklung der Sprache das h nicht ausfallen kann und dann
auch in vollen Vokal, c, übergeht: EUpcH-k, me^'k uuf^-kuif,
Tßi^^ AlO^fM'k U. S. W.
2. Nach den palatalen Consonanten ik h m lur jka ^
H A stehendes k bleibt unberührt vom Einfluss harter
Vokale der folgenden Silbe, z. B. das sehr häufige HkTO, vgl.
sonst pasAHHkHTviMH, Mkco, HkT;i^T'k, B'tMkH;?»!:»^ (In allen laut-
lich gleichartigen Formen sehr häufig), KpdMkH'kll/Ä, HdHkH;?iT'k,
HCA'^^'^MI^'^? -H^k^O, TAIKkKO, B-kSMOJKkHO, CA^^HikK;^, npH-
AfJKkHO, KpamkHO, npHUJkAA, C'kllJkA'kl, HfMOllJTkHa,TT»-llJTkHO,
HC»iuTkH;*ibii, pojKAkCTBC (Über -kCTßO im allgemeinen s. u.),
cu,kTa, orHkH;^, EOAkiua, KO^nakHaaro u. s. f. Es kann also
k nicht entpalatalisirt werden, wenn es durch einen vorangehenden
palatalen Consonanten gestützt ist.
3. Vor palatalen Consonanten, h m lut u, s, h a fin-
det kein Wandel des k in ii statt. Die Sache liegt hier
einfach : da jene Consonanten noch = S' s' st' c u. s. w. sind,
lautet die folgende mit ihnen beginnende Silbe weich an , ihr an
sich harter Vokal ist daher unwirksam. Ich führe daher auch nur
einige Beispiele zur Veranschaulichung an: das -km- der präteri-
talen Participien und das gleichlautende Comparativsuffix bleibt
Die Vokale i, t in den Codices Zographensis und Marianus. 325
stets unverändert; bei diesen Formkategorien kommt natürlich zu-
gleich in Betracht, dass dem k immer auch ein palataler Consonant
vorangeht; sonst vgl. KOHkna, OBbi|;t^ oßhu,a u. s. w., 0ßkHax"k,
KOHKMaTH, miiIiit;?;, noAbsa; vor jka kommt kein Beispiel von
h vor. Ausnahme macht nur das dreimal vorkommende T'kiuTa
T'KiiJT;*i M 8. 14, Ma 1. 30, L 4. 38 (TkiuTH Index lect. Luc. hat
folgende weiche Silbe).
Also palatale Consonanten wirken genau so, wie palatale Vo-
kale der folgenden Silbe, sie erhalten das ihnen vorangehende k.
Die Sache liegt ja überhaupt so, daß die Wirkung nicht unmittel-
bar vom Vokal der folgenden Silbe ausgeht, sondern von dem durch
ihn beeinflussten vorangehenden Consonanten, z. B. B'fep'kHa kann
entstehen, weil das h hart bleibt, B'kpkHH bleibt, weil das h durch
H erweicht ist vdrhhi^ wie KOHkU,a KOHknaTH bleibt, weil = komca,
ko7ib6ati. Damit soll natürlich nicht gesagt sein, dass die Palatali-
sirung durch folgende weiche Vokale denselben Grad der Stärke
besass wie die der altererbten palatalen Consonanten, ein vSrhhi
ist verschieden geblieben von etwa koni kohh. Ich bezeichne daher
die durch palatale Vokale erfolgte Erweichung durch \
4. Unverändert bleibt k im Suffix -kCKT».; einzige Aus-
nahme «AHH'kCKaiuiH L 23. 38 gegen fast 50 Fälle mit k vor fol-
gender harter Silbe. Das eine -'kck- kann daher nur als eine zu-
fällige Verschreibung angesehen werden, jedenfalls lässt sich aus
der Sachlage nicht schliessen, dass der Schreiber oder seine Vorlage
ein -TkCK- gekannt hat.
5. Das k von -kCTßo bleibt unverändert mit Ausnahme
eines Falles, ^•feB'kCTBa L 2. 36; das gesammte Vorkommen er-
laubt aber keinen ganz sicheren Schluss: npoposkCTBö -HkCTBO-
BaTH, pO/K/\,kCTBC, MHCJKkCTBO, BAa^XTÜMkCTBO, BfSOMkCTBO,
c'kB'feA'^TeAkCTBO -AkCTBOBaTH müsseu nach 2. ihr k behalten;
i^'tcapkCTBO, das häufiger vorkommt, ist nie ausgeschrieben, sein
p war ebenfalls palatal. So bleiben nur wenig Beispiele : Bora-
TkCTBO -CTBa, A;RKaBkCTBC>, RklvHkCTBO, BAaCTkTBOBaTH,
zusammen 6 Fälle; es lässt sich darnach nicht bestimmen, ob js.'k-
BT^cTEa ein zufälliger Fehler ist oder ob in den 6 Beispielen mit
k eine ältere Vorlage befolgt ist, dem Schreiber aber eigentlich Tv
gemäss war.
Auch wenn man den letztgenannten Fall ausser Betracht lässt,
326 A. Leskien,
so zeigen doch 1 — 4, wie stark der Umlaut des k in 'k einge-
schränkt ist. Will man nun andererseits prüfen, in welchem Um-
fange dieser Umlaut nach Abzug der Fälle, wo er gesetzmässig
nicht eintreten kann oder thatsächlich fehlt , wirklich eingetreten
ist, so bieten sich dazu die zahlreichen Formen der Adjektiva auf
-kHT», dar. Ich zähle 124 Beispiele, wo -^h- vor folgender Silbe
mit vollem hartem Vokal zu -'kh- geworden ist (vgl. z. B. das häu-
fige K'fec'KHa u. s. w., K'feC'KHOBaTH, immer mitii), und zwar kann
das T». zwischen allen möglichen Consonantenverbindungen stehen.
Dagegen stehen 34 Fälle , wo in gleicher Stellung -kh- verharrt,
davon 14 auf ein und dasselbe Wort fallend, no/i,OKkHC> noA^EkHa^
alles andere sind vereinzelte Beispiele (s. Arch. II, 261). Wie vor-
eilig es wäre, aus dem häufigen no^OKkHO no;i,c»KkHa, neben denen
nur einmal nc>;i,OK'KHO L 13. 20 vorkommt, zu schliessen, die Ver-
bindung K-H hindere den Umlaut, erkennt man sofort an norplv-
c'kHOif M 6. 21, JCA-KB-kHadro M 16. 2.
B. Wandlung von ^k zu k vor folgender Silbe mit
palatalem Vokal. Es ist zweckmässig, aus den in Betracht kom-
menden Fällen die Formen ßk ßk.3 der beiden Präpositionen B'k
ß'KB als besondere Gruppe zu bebandeln und im Anschluss an sie
die andern Präpositionen. Ich beginne daher mit den andern Vor-
kommnissen.
1. Auffällig ist, dass der Umlaut regelmässig nur bei
einigen wenigen Wörtern auftritt: Kk;i,'kTH (15 mal, nur so),
BkH'R (10 mal, nur so), A^^ß^ A'^^t»''^'* (13 mal, nur so), 3kAH SkA'k
(5 mal, STvAli neben 3kA'k J 18, 23). Sonst kommen nur verein-
zelte Fälle vor: BpoTki^H M 5. 5, npoMkMc M 28. 15, nkXHi^k und
nkT1v^ik^a L 2. 24, 12. 24, OBkA« Ma 13. 21, L 17. 21, 23, an
allen drei Stellen in der Parallele ckA^ — oßkA«, wo also sehr
leicht das ckA^ ein OßkAC statt Oß'kAf uach sich gezogen haben
kann. Stellt man dies wenige zusammen mit dem sonstigen Vor-
kommen des gleichen Lautverhältnisses (Silbe mit t». vor folgender
Silbe mit weichem Vokal), so steht man eigentlich vor einem Räthsel:
ausnahmslos steht i». in den Formen und Ableitungen von K'kHHra
(93 mal), in den Casus der «/-Stämme auf --kek --kb« --kbh (45 mal),
in den Formen von at^iüT'h (24 mal), in B'kS'knHTH (23 mal), K'kAf
(18 mal), im Präsens ckakr (19 mal), in den Formen und Ableitun-
gen von KikHASk (17 mal), im Präsens ckoh- mit oYC'kn« oyc^knc-
Die Vokale -h, h in den Codices Zographensis und Marianus. 327
HHf (15 mal), KiknHTH (13 mal), a'kikk iVWA^i iVKHiH (l3mal),
CKTKHHK'U mit C'kT'k CkT-kYT». (13 mal), npHT'kMA -HH -MflA
(Umal), T'KUJTk -UIT/Ä OT'KUITfTHT'K (6mal), T'kKHfT'K -HfUJH
-HH (5 mal), Formen von at^^A»^ A'^^A"T" (4 mal), Participia
saB'kBEH'k, H3- oY-urkKeHT». (5 mal), »bj^^'kuh (3 mal). Dazu
kommt eine Anzahl vereinzelter Beispiele: /xaKT^Tk (2mal), x^-
mTHu,a (1), n-kc-kut (1), ckiuitax-;!^ (2), ckcki^a (1), onpHcH'kii,H (2),
O^CKUlf HCTsLlllfTT», (2), CkHlv (1), KfT'kCH (2), p'kHTj.UJTHT'k (1),
KTkJKkAO (1), die Instrumentale CAO\f\"kMk, C'kH'kMk, r/xackMk
(zusammen 4 Beispiele). Das macht in runder Zahl 340 Fälle;
eigentlich muss man noch dazu rechnen die 35 Beispiele von npH-
TTvMa -MaYT». -MaMH, da auch hier dem t». eine mit m palatal an-
lautende Silbe folgt, ebenso p'kn'kiiJT;iiT'k, A'kJK;R A'k/K;siiuTe;
endlich bleibt in der grossen Zahl der präteritalen Participien auf
-•KUJ- das T». unverändert (HiiikAt^iuf Ma 9. 30, noc'kAaßkmafrc»
J 13. 20 können dem gegenüber nur als Fehler angesehen wer-
den; an den Stellen Ma 6. 44, 8. 3 hat die Ausgabe 'kA''^i"M'Y''^)
'RA't^^u^'^j die Lesung ist hier unsicher). Wenn man annehmen soll,
der Schreiber des Codex oder der seiner Vorlage habe in seiner
Sprache den Umlaut von ix zu k allgemein oder in grosser Aus-
dehnung gehabt, so würde daraus folgern, dass er hunderte von
Malen eine ältere Quelle, die noch überall t». hatte, getreulich ab-
schrieb, aber gerade nur bei KkA'tTH, A'*^'^ A"»^^'^'^^: KkH'fe,
3kAlv 3kAH uud ciu paar seltenen einzelnen Beispielen in die Art
seiner Aussprache verfiel , ein schwer denkbarer Fall. Soll man
andererseits annehmen, er habe den Umlaut zu k nur in bestimm-
ten Fällen, nicht allgemein vor folgender weicher Silbe gekannt,
also nur in den oben genannten Wörtern, so ist die Frage nicht zu
umgehen , warum denn unter den gleichen Lautverhältnissen in
allen andern Wörtern nicht ? Es muss zunächst untersucht
werden, ob die Lautbewegung vor gewissen Schranken Halt ge-
macht hat.
a) Sicher lässt sich sagen, dass ein k der folgenden Silbe
nicht auf ^k der vorangehenden wirkt, daher a^'^^^A'»)
AAK'kTk, CkCklUa, T'kUJTk, T'kUJTkHO, AT»,JKK, C'kTkHHK'k,
KT».}KkAO, acc. wie i;pTs.KT».Kk, instr. wie CAOXfY'kiuik. Es sind
das die Fälle , wo in der späteren Entwicklung t». nicht ausfallen
kann und unter Umständen in vollen Vokal, o, übergeht. Der Vor-
328 A. Leskien,
gang deckt sich also genau mit dem oben S. 323 besprochenen bei
dem Lautverhältniss k-Silbe + 'K-Silbe.
b) Bei einer Anzahl von Fällen, wo in der zweiten Silbe ein
voller Palatalvokal folgt, kann man annehmen, dass die Stellung
zwischen Consonanten, die das t». weggedacht, eine schwere
Gruppe bilden würden, dem Tv eine grössere Fülle und damit
Widerstandsfähigkeit gegen den Umlaut verliehen hat : die Formen
von A^^iA^TH , die obliquen Casus von ai^h;ai»^ und at^^A^t"?
AT^ujTHi^a, HSA'KUJ«, T'KiKAf (Mar. tojka«), t-kiuta, ottvIut«-
THTH, pTkR'KlUTHTf, 0\f CTi.llJf, H'feC'kl^'fe, OHp'SCH'KUH, T'kKHeT'K
TI^KHH, ATiJKH.
Wenn man nun auch diese beiden Gruppen von Fällen als
normale Erhaltung des t^ abrechnet, bleibt immer noch eine ge-
waltige Zahl, der gegenüber man vor der Frage steht : warum nie
etwa KkHHTd, npHTkMa, BkHHTH, vih.,\i, chAm. u. s. f.; wie unter-
scheiden sich K'kA'^'rHj ß'KH'K von b'khhth, dass jene immer als
KkA'KTH, KhH'k erscheinen, dies niemals als b^rmth ? Dazu kommt
noch ein besonderer Umstand: der Codex hat nicht blos die Wand-
lung von altem 'k in k vor folgender weicher Silbe, sondern lässt
auch altes h vor solcher Silbe in 'k übergehen, ja diese Fälle sind
in ihrer Gesammtzahl sogar zahlreicher als jene, in runder Zahl
50 Beispiele der Wandlung von t». und h (wie ^kK'fe u. s.w., s. S. 326),
60 der Wandlung von k in ^k. Dabei will ich die mehr oder minder
vereinzelten Beispiele, wie das dreimalige K'kS'kp'kß'k u. a,, ganz
ausser Betracht lassen, weil man da vor zufälligen Verschreibuugen
nicht sicher sein kann. Aber siebenmal liest man TT^Mt: gegen
viermal TkMli. Man kann das, wie Jagic es Arch. I. 45 thut, er-
klären durch die Analogie von Ti^Ma, allein man gewinnt dabei
wenig, denn man fragt sich sofort, wie hier das durch den Umlaut
von k zu T». neu entstandene T'kima so stark wirken kann, dagegen
das 36 mal vorkommende j^^'KKA (Arch. 1. 19) nicht dazu geführt hat,
ein AT^B'Sj dessen t». ein altes ist, zu erhalten. Noch sonderbarer
ist das Verhalten der "on der Wurzel -kW- abgeleiteten Formen:
diese behalten gemäss der oben (S. 323) gefundenen Regel ihr k,
wenn dem im ein i». folgt, daher K'kSkU'k, HSkM'k, c'kHkM'k, OKkin»,,
B'kSkM'kiiiH (ausgenommen nurc'kH'kM'kMal5. 1 [LI 5.1, Arch. 1.49
ist Druckfehler], civH'kiui'kUJEM'k L12. 1); in B'k3'kM;RT'k h31i.m;i;
c'kH'KM'ki folgt eine harte Silbe mit vollem Vokal, daher ist die als
Die Vokale t, b in den Codices Zographensis und Marianus. 329
normal angesehene Wandlung eingetreten. Aber dem gegenüber
beisst es bei folgender Silbe mit vollem weichem Vokal 30 mal
CTvH'KMHUJTe (mir einmal ckhkmhuitio J 1. 49); die Formen des
Präsens -km;r (mit k'K3- H3-) haben vor weicher Silbe 20 mal TvI
B'KS'kM'Ktc, HS'kMfT'K, H3'kMn u. 8. w., nur 5 mal das zu erwar-
tende K: B'KSkMH ßk3kJlltT'K Kk3kM'kTf, dazu einmal OTkMeTTi.
(s. Arch. I, 48). Dass hier etwa die Analogie der beiden Präsens-
personen, die harte Silbe nach der k-Silbe haben, -'km;*^ -TvM;rt'k
oder das Particip -'kM;siiiJT- gewirkt hätte, wäre doch nur eine
willkürliche Annahme, und wie sollten diese Formen auf CKHk-
M H uiTf noch Einfluss gehabt haben ? Das ausnahmslos selbst und in
seinen Ableitungen mit Tv geschriebene ckpEKpo lasse ich bei Seite,
weil möglicherweise hier das t». älter ist als die uns beschäftigen-
den Vorgänge. Dass in dem T'kM'k, ckH'kMHiuTe eine beträcht-
liche Schwierigkeit für die Umlautstheorie vorliegt, wird man kaum
bezweifeln. Ich komme unten nach Besprechung der Präpositionen
darauf noch zurück.
2. Der Wechsel von ß^k und ßk, ß'k3- und Bk3-. Vor
folgender Silbe mit weichem Vokal wird so ungleichmässig bald
ßTv bald ßk, bald ß'k3- bald Kk3- geschrieben, dass die Masse der
Beispiele, in ihrer Gesammtheit betrachtet, nur den Eindruck eines
völligen Wirrwarrs macht. Es wäre unnütz, die Fälle der einen
oder andern Schreibung bei den gleichen Wörtern oder Verbindun-
gen aufzuzählen und neben einander zu stellen, denn es ist aus den
Zahlenverhältnissen nichts zu entnehmen. Ob einige Male mehr
ß'kHHTH oder ßkHHTH, BTvS/ÄTH odcr Bk3/ATH, BT». CA-tAT»^ odcr
Bk C/\ -6/1,1». u. dgl. vorkommt, kann bei der Möglichkeit, dass der
Schreiber in jedem Falle auch anders schreiben konnte — in neben
einander stehenden Beispielen im selben Satze kommen beide Schrei-
bungen vor — gar nicht in Betracht kommen.
I. Das Verhalten des bt». Es kommt auch hier darauf an
zu bestimmen, ob es Schranken für das Eintreten von ßk für bt».
gibt. Einige lassen sich sicher erkennen:
a) BTi. vor anlautendem h i€ hÄ ra (-k) wird nie ßk, daher
nur z. B. bt». hm/ä, ß-k (3tß0, ß-k lAS-kiK-k, ß-k -Km;^. Die Sache
ist bekannt, man kann sie, wenn man anlautendes h als n fasst,
so ausdrücken : vor folgendem i [j] bleibt ß-k unverändert. Die
Erklärung, das Verbleiben beruhe auf einer Art Dehnung des -k vor
330 A. Leskien,
i zu einem y-artigen Vokal ist richtig, vgl, die Schreibungen ßiü-
hh;^ e'ki-hcthh;s^.
b) Vor einem h der folgenden Silbe, das in der späte-
ren Entwicklung ausfällt, bleibt KT», ohne Ausnahme er-
balten; es ist die oben (S. 323) bei der Wandlung des k besprochene
Erscheinung in ihrer Anwendung auf t^. Es heisst daher ß'ksii-
P'Rth (22 mal; ich führe es hier mit auf, obwohl ß'ks- darin ent-
halten ist, weil es nur auf die Lautverbindung ßi»- ankommt), ß^K
TkMli (TikMli) ßi^ T'kM;!; (8 mal), E'k Hk BTs. Hk^KC (29 mal), ßi».
MkH-k (luiHt:, m'h'K; 11 mal), ß'kMkHer'k (2mal), ßT^NkSH (Imal),
vor den obliquen Casus von ai^">^: ^^ A^^hh, bt». a»^m*> ^'^ A^-
ütX'^ (17 mal), vor den obliquen Casus von ßkck, z. B. bt». ßkcsi
B'k BkCfH u. s. w. wie vor ßkC'SK'k (15 mal), b^k HkTO.
Dagegen schwanken die Formen B'k und ßk vor solchem k,
das nicht ausfallen kann und in der weiteren Entwicklung zu (
wird, in derselben Weise wie vor folgenden Silben mit altem vollem
palatalem Vokal: B'kmk^i.'k mit seinen Formen (10 mal) und ßk-
ujk;^''^ (2mal), B'k TkiuikHHi^H -u,;s^ (lOmal) und ßk t. (3 mal), B'k
BkCk (7 mal) und ßk b. (2mal), B'k ^kHk (5 mal) und ßk ji,. (5 mal).
Das ßk ck ß'KK'k (einmal vorkommend) ist keine Ausnahme,
denn sicher fiel das k von Ck in solchen Verbindungen nicht ab.
Die Umlautsregel für B'k ist demnach so zu fassen: B'k wird
zu ßk nur dann, wenn in der folgenden Silbe ein voller
palataler Vokal steht, dazu zu rechneu k, das gleich
späterem e ist.
Scheidet man die beiden oben behandelten Fälle als regel-
rechte Erhaltung des btv aus, so ist die übrige Menge einfach ein
Chaos: vor jedem beliebigen palatalen Vokal der folgenden Silbe
steht bald B'kn- bald ßkH-, vor jedem beliebigen Consonanteu und
folgendem palatalen Vokal bald B'k bald ßk; es ist mir wenigstens
nicht gelungen, hier irgend eine Regel zu finden. Zugegeben nun,
es sei in allen Fällen ßk vor folgender weicher Silbe in der Sprache
des Schreibers das normale und die so vorkommenden B'k nur ge-
treue Befolgung einer älteren Vorlage, so muss sich daran notwen-
dig die Frage knüpfen, warum gehen die ck, B'k, OT'k u. s. w. vor
folgender weicher Silbe nicht in ck u. s. f. über. Man sagt wohl,
solche Fälle kommen auch vor (vgl. Arch. IL 249 fg.): ck kommt
einmal vor in ckß-fe/i.'kTfÄkCTBOYH J 18- 23, in ck nißict MS. 11
Die Vokale x, b in den Codices Zographensis und Marianus. 331
ist die Lesung unsicher, für Ch HfKfce Ma. 11. 30 bat die Ausgabe
ch, ckKAsaKTkiuk M 27. 2 ist zweifelhaft, CKYO,\,/ÄiiJTk Mal. 10
und das zweifelhafte ckKOHKnaü^Ti». L. 21. 34 haben die Präpo-
sition vor harter Silbe und sind offenbare Verschreibungen ; — Kk
TfK'K M 14. 28, Kk HtMO^ M 13. 36 ist unsicher, vor harter Silbe
Kk oYMfHHKOM'K L 12. 1 (Lcsung unsicher); — OTk ß'c'kYT». L 21. 17j
OTk HHyk M 14.52 (zweifelhaft), OTkß'kujTaiU/Sv Ma 8. 4, OTk-
ß'feujTa M 15. 23, 24 (Lesung unsicher), OTkK'kmTaß'k. L 11. 17
(ebenso), vor harter Silbe OTk k;^^\'S Ma. 6. 2; — naehrmals steht
np'K;i,k: np-k^ki^i.eT'k L 1. 17, np1i/i,kiA^uiTa L 18. 39, np'k-
AikC'kA^*"'^'^ L 20, 46, npk^k AHi^fMk Ma 1. 2, L2. 31, npt^k
HHMk L 1. 17, 75; 5. 18, npU^k hhmh M 9. 2, dazu dreimal vor
harter Silbe: np'k^kCTOtAiUTHiM'k L 19,24, np'S/k.knoAardKRT'k
Ma 8. 6, np'k^k^C'A'ÄiUTa Ma 11. 9, aber dass diese Fälle zu
einem Wandel von t». in k gehören, ist äusserst zweifelhaft, denn
es wird neben dem Adverb np-fc^H eine Form npU^k existirt ha-
ben, vgl. das häufige Vorkommen von np'fe/i,H vor Verben der Be-
wegung; — OBk steht in OKkfMAMvTi». M 7. 16, OKkbÄTT». J 1, 15,
vor harter Silbe in 0Kk\-0JK;i,aaiuf Ma 6. 6, OKkCTOHWk L 21. 20,
es ist aber OKk eine alte Form neben ck'k. Man kann unmöglich
nach diesem Befunde den beiden Fällen von Kk, ck und den beiden
OTk gegenüber der Masse von ct\ kt^ ottv irgend eine andere Be-
deutung zuschreiben, als dass sie zufällige Versehen sind.
IL Das Verhalten des bt^b- vor folgender Silbe mit
weichem Vokal. Auch hier gehen die Schreibungen k'ks- und
ßk3- bei den gleichen Wörtern und vor gleichen Lauten oder Laut-
verbindungen, die Gesammtheit der Fälle betrachtet, völlig durch-
einander: ß'kSAWBHTH und ßk3-/\., BT^SHTH Und ßk3-, ßTv3/ATH
und Bk3ATH, ß'K3B«CTH Und ßk3ß., B'KSB'SCTHTH Und Bk3ß.
u. s. f. Es wird zunächst zu untersuchen sein, ob irgend ein fester
Punkt zu finden ist. Mir ftillt auf, dass vor den Präsensformen von
-hUüx ganz selten ßk3- steht: ßkSkmeTT». (3 mal), ßkSkiuiEM'K
(1 mal), fikSkUi-kTf (Imal), die sonstigen ca. 20 Fälle mit B'K3-
(s. Arch. I, 4S). Man trifft hier dieselbe Regel wie oben S. 323:
ein schwaches k nach der 'K-Silbe wirkt nicht auf i^ ; und man darf
annehmen, dass die wenigen Beispiele des ßk3- dem Schreiber
entschlüpft sind, weil er sonst so häufig Bk3- vor folgenden Silben
mit vollem palatalem Vokal schreibt.
332 A. Leskien,
Vergleicht man die bei den Präpositionen beobachteten That-
sachen mit den Erscheinungen bei den andern Wörtern, so stellt
sich heraus : die Präposition ktv geht nicht vor folgender weicher
Silbe in Kk über, dasselbe ist der Fall bei allen andern K'k-Silben:
KTvHHra K^KH/ftsii K'KA« (s- S. 330). Dieselbe Gleichmässigkeit
herrscht im Verbleiben der Präposition c'k und den sonstigen ck-
Silben vor folgender Silbe mit palatalem Vokal, es heisst ohne Aus-
nahme CKRH- (Präsensstamm zu cknaxH), ckai* ckAfTik, c'kM'tTH
u. s. f. (s. S. 327), obwohl an sich c vor jedem beliebigen palatalen
Vokal stehen kann und sehr oft steht, vgl. Ck, cfAO, chaj, cKth,
CA^/^. Wollte man die Fälle kt^- und ck- in Parallele stellen und
sagen, k könne überhaupt in der Sprache vor Palatalen nicht stehen,
es sei stets hart und bewahre daher auch folgendes t». vor dem
Umlaut zu k ; da ck ebenfalls bleibt, müsse man annehmen, auch
s sei nicht erweichbar und wo es, wie in cHAa u.s.w. vor palatalen
Vokalen steht, sei es doch an sich hart gesprochen worden, — so
käme man dabei mit andern Vorkommnissen in Widerspruch : man
müsste nämlich demnach auch annehmen, z. B. in sUd^ habe das
palatalisirte / nicht auf s palatalisirend gewirkt; wie soll man
dann aber Kk CA'k^'k u.a. erklären? Andrerseits ist auch nicht
abzusehen, warum bei der Ansetzung einer umlautenden Wirkung
z. B. des H auf ein Tv einer vorangehenden Silbe nicht ein KkHHra
= Hhniga hätte entstehen können, denn ein Ä-, wenn auch in älterer
Zeit nicht vorhandeo, konnte sich ja im gegebenen Falle sekundär
entwickeln, wie z. B. in Fremdwörtern, Kccapk u. dgl.
n. Codex Marianus.
Diese Quelle zeigt in Bezug auf die ümlautsverhältnisse auf
den ersten Blick nur völlige Regellosigkeit, 'k für k tritt vor folgen-
den weichen Silben wie vor harten ein, z. B. K'Sc'kH'RfMk wie
B'KcTvHa, KpaH'KHHH wic KpaM'KHOf, ßkcK wic K'kC'K, ^\s.ww wic
A'KHH U.S.W. Das braucht hier nicht weiter ausgeführt zu werden,
da sich jeder nach d3m erschöpfenden Index, den Jagic seiner
Ausgabe beigefügt hat und nach den Angaben in den ITpH-ioatemK
dazu (S. 427 fg.) sofort davon überzeugen kann. Die Frage ist für
mich hier, ob sich hinter dem Gewirr noch Züge entdecken lassen,
die sich mit denen des Zographensis decken ; und das ist in der
That der Fall.
Die Vokale t., b in den Codices Zographensis und Marianus. 333
A. Umlaut von k zu Tv vor folgender harter Silbe:
dabei muss bei der Beschaffenheit des Codex z. Th. die Erscheinung
des Wechsels von t». und k vor folgenden weichen Silben hinein-
gezogen werden.
1) Auf K wirkt ein 'b, der folgenden Silbe, das im
späteren Verlauf dem Ab- oder Ausfall unterworfen ist,
nicht ein, sondern entweder bleibt k, der seltnere Fall, oder es
ist bereits, der gewöhnliche Fall, zu ( geworden. Das k ist bewahrt
in bÄMkHTv, RHCkp'K (3 mal), ;i,kH'k g. pl. (daneben a^ht^)? uii^A^^
lUkA'kUJa U.S.W. (15 mal, regelmässig ujjat»^ uiij\,'KiuA), HdMkH'KlUE
(daneben -HfH'kiuf), nponkH'kiuc (2 mal), HfK-kpkHk (L-hts.), cawa-
pkCK'k. Die ausserordentlich zahlreichen Fälle, in denen altes k in
solcher Stellung zu ( geworden ist, zeigen eben, dass hier überall
in älterer Zeit k geblieben, nicht t». entstanden war. Wenn nun
abweichend von dieser Regel in dem Codex stehen: KOT-kai».
(1 mal), A;RKaß'KHTi. (1 mal), HfK'Sp'kHk (1 mal, vielleicht blosse
Verschreibung für Hgß'KpkH'k) neben öfterem K-kpfHi»., ockat».
(Imal), oi^TiTT». (1 mal), uitvAT^ (in npum'kA'K, lU'kA'^, uj'kAT^iU'»,
lU'kA'Kmf, also viermal), chat^ht». (1 mal, neben cHAfH-k), c-kin-fe-
lU'kH'k (1 mal), cHAoyaM'kCK'k (1 mal), T^'p'kCK'k (1 mal), HiTKp'k-
AkHEBivH'k (1 mal), so sind das weiter nichts als Fehler, d. h, bei
seiner nicht mehr sicheren Empfiudung für die richtige Stellung
von Ti und k schrieb der Schreiber in einigen Fällen t^ statt des
richtigen k oder seines normalen e. Gesprochene Formen sind ko-
TTiA'k ui'kAT* für ihn, oder wenn er sie schon übernommen hat, für
den Schreiber seiner Vorlage sicher nicht gewesen, denn man mag
sich noch so complicirte Lautverhältnisse eines altbulgarischen
Dialekts zurechtlegen, undenkbar ist es, dass in einer und derselben
Mundart lautlich gleichstehende Wörter, z. B. CK'tTkA'k und ko-
TkA'k einmal CK'tTfA'k, d. i. altes -TkAi»., einmal kottvAT». ge-
sprochen seien. In diesem Punkte deckt sich also der Marianus mit
dem Zographensis (s. o. S. 323).
2) Die Regel (s. o. S. 324), dass auf k nach palatalen Conso-
nanten ein harter Vokal der folgenden Silbe nicht wirkt, zeigt sich
deutlich bei der Stellung nach a : 64 mal steht c'KB'kA'^'''^^^**c'rß<5j
-cTßOBATH gegen 2 mal --kctb-, vgl. dazu 3anAkßaiiJ/?k nakBarH
nAkBaa\';^, KovnAkHaaro, auch orHkH;^»* kann hierhergezogen
werden; abweichend nur stMATvCKaaro (1 mal). Auf diesen Punkt
334 A. Leskien,
kann mau noch weiter eingehen : bei dem Suffix -km- des Compa
rativs und des Part. prät. akt. scheint der Codex ganz durcheinan-
der -1S.U1- und -Kiu- zu schreiben, z. B. A^cajKA'^ii^'^} KpkUJTkiue,
CKpaiUTkUlH, TpOY^A»^UJf, AO^MbUlf und Kp'KUJT'KUJf, B'Knpo-
iii'hiUHY'K, poJKA'kLUff, AoyMTviuHH u. s. f. Aber eine bestimmte
Grenze ist doch vorhanden: nach a (dazu zu rechnen auch die La-
bialen, wenn das /'nach der bekannten Regel nicht eingetreten isf ,
H, p' bleibt k in 68 Fällen: KOAkma u. s. w. 12 mal, ropkma 4,
AHBklllE CA 1, HSBaBAkLUEMk J, HCnA'kHklUE 1, MkHkUJH\"k Mk-
HkUJkMH 2, ocraBkiue ocTaBAkuie u. s. w. 10, noKaoHkiii« no-
KACtHkmaM'k. 2, npHCT;^nkiija u. s. w. 18, pas^'kakiue 1, ckTBO-
pkiue u. a. 12, OYtSBkUJf 1, -kBAkma 1, ;k,ptBkHHH\"K 2 (das Er-
weichungszeichen, das im Codex nicht geschrieben wird, habe ich
der Deutlichkeit wegen eingesetzt); t». ist ganz vereinzelt: ocTa-
BAikUja, AptB'kHHHMT». (2 mal). Man sieht jedenfalls, dass nach
a" h p" das k festgehalten wird vor folgender Silbe mit hartem wie
mit weichem Vokal ; in diesem Punkte herrscht also Uebereinstim-
mung mit dem Zographensis, d. h. der Schreiber des Marianus hat
die alten Formen getreu bewahrt, auch wo er das k, wie etwa in
BOAkUja rop'kma, nicht mehr sprach. Auf die andern palatalen
Consonanten, mit denen es eine besondere Bewandniss hat, komme
ich unten.
3) Anzuknüpfen ist zunächst die Frage, wie es sich verhält
mit der Bewahrung des k vor folgenden palatalen Consonanten
(s. 0. S. 324). Gegenüber der sonstigen Gleichgiltigkeit gegen 'k
und k vor folgenden weichen Silben, z.B. HacA'k.A.'kHHK'k, npaßi».-
A'fe u. s. w., zeigt sich vor h a p mit grosser Regelmässigkeit das
alte k: BAHH;kH/ivi>fv (2), BkH-RmTkHff (2), B'kH;i;TpkHfe (3), ji,o-
lUiamTkHHH -H/SVf/Ä (2), ^•»^MKkH'fearO (1), KpOlUI'tlUTkHIil^liR (3),
lUlkHHH U.S.W. (12), nC»CA'R;V,kHHH (26), nptAI^Hff U.S.W. (4),
np-KMkHiT^rT^ (1), nkp'S pacnkp'R c;f»nkp'K (7), ckB/ftakH-k (2),
TkAt (3), o^TpkHHH (3), 72 Fälle; denen gegenüber mit 'k :
APfB'kHHHM'k (2), M'kHHH U.S.W. (3), OC'kA"H (1), Oyxp'k.HHH (1).
B'k-(Bk-)H'KmTkH£« -HHHMk (2), B'kllU'kHliarC» U.S.W. (11), HHJK'k-
H'Karo -HH\"k (2), also 22 Beispiele (unberücksichtigt ist geblieben
HCKpTvHHH, weil hier die Schreibung der p^k-, pk-Silben hinein-
spielt), davon aber 15 mit iut lu jk vor k. Das führt nun zu der oben
ausgelassenen Betrachtung der Wirkung der palatalen Consonanten
Die Vokale i., b in den Codices Zographensis und Marianus. 335
ausser a h p : m jk uit tkjs, u, (s) auf folgendes k. Dies kann nach
hnen erhalten bleiben und wird in Befolgung älterer Tradition und
älterer Vorlage geschrieben vor weichen w^ie vor harten Silben, z. B.
epaH^KA'Ki, K'kMKH'KiH, rpHiuKHHK'K, onKTa u. S.W., cbcnsowohl
aber auch KKH-kujTTvHff, rpUiu'KHHK'K, A'^-kh^'khh, houjt'khIvH
U.S. f. Mau kann also zunächst daraus gar nichts schliessen. Nimmt
man aber eine bestimmte, häufig wiederkehrende gleichartige Wort-
kategorie, so löst sich die Sache. Ich muss dabei etwas weiter aus-
holen. Scheidet man aus der Menge der Adjektive auf -khtv
zunächst einmal diejenigen aus, wo dem -knix ein h jk iut :K,i,
vorangeht, so zeigt sich bei den übrigen, dass in nur 12 Fällen vor
folgender harter Silbe k bleibt: BOAkHJ (1), roY^i^no (2), ;\,o-
BOAKHO (1), A*>'^<^K"^"<^f (l)j 3aK0HkH0M0\f (1), HCTHHKHOf (1),
npanp;(^yi,kH;i>i7^ (1), ck^P'^"^"^ (^)> c;R/i,kH'KiH (1), tkmkho (2);
dagegen steht in 170 Beispielen t^, z. B. ka;rat^m*^> ka'Ra'^h^V'
KP'kMtHTvHOY, H3B'kcT'kHC>, AosikHaaro, norp'tB'kHOY U.S. f. Die
Beispiele aufzuzählen unterlasse ich; bei der angegebenen Zahl
kann ich mich um einige Einheiten verzählt haben, darauf kommt
es nicht an, von dem Gesammtbestande kann sich jeder durch den
Index überzeugen. Wo nun -kh- ausserhalb der obigen 12 Beispiele
erhalten ist, steht es jedesmal vor folgender weicher Silbe; die
Zahl der Fälle ist sehr gross, gezählt habe ich 176, wobei natürlich
die K vor oder nach a h nicht mehr mit gerechnet sind. Zur Charak-
teristik führe ich einige Beispiele an: B'tpkH« B'KpkHH, B'kp'kH'ki ;
A;^KaBkHH, AA^KAB'kHo; noA^BkHH no^OB'kHO -Ha (16 mal nur so);
CAAEkH-S, CAAB'kHTJ -H'klH)("K; KaMCHkH'kEMk, KaMtH'KH'klY'K i
paBkHti -HH, paB'kH'ki -Ha -HO. Nimmt man endlich dazu die Fälle,
in denen vor folgender weicher Silbe -TiH- erscheint, so beweist
den gegebenen Zahlen gegenüber ihr geringer Bestand, dass es
sich nur um eineAbirrung handelt; es sind: B'tvC'kH'keMk (1), B'ks-
raaB'KHHi^H (1 , AO\fX'<>ßT^n'^" (1), nah iuit^hhkt». (2), HacA-K^Tv-
HMKlk (3), HaCTaB-kHHMf (4), npaßC^'kHHK'k (3), npHCTaBTiHHKT».
(2), cB-kTHA-kHHK'k (2), cMOKOBiiHHU,a (5; -kHHU,a steht 10 mal),
C'kpEBp'kHHK'k (1), CkT-kHHKI». (3), TfM'kHHU.H -U,A (2; -kHHl^a
15 mal), zusammen 30 Fälle. Alles das zeigt, dass der Codex aus
einer Quelle geflossen ist, die in diesem Punkte genau so beschaffen
war wie der Zographensis oder dessen Quelle. Ganz anders aber
wird das Bild, sobald man das nach m :k u. s. w. stehende -kHi».
336 A. Leskien,
betrachtet, hier ist auch vor folgender weicher Silbe -'kh- in ausser-
ordentlicher Ueberzahl eingetreten. Ich stelle alle Fälle zusam-
men, wobei die als Stichwort gegebene Form zugleich die sonstigen
Formen des Wortes, wo -'KH- vor weicher Silbe steht, mit bezeich-
nen soll: KpaM-kHHH (1), KTvHtUJT'KHfe (3), B'WUJ'KHtarO (12),
K'&M'kH'bEMb (1), rOpWIJJ'KHt (1), rp-KlUlvH-Kf Mb (3), rpUUi'KHHK'k
(26), A'^''»^^'^""'^'*»^ (5)> K'kHHHiTvHHK'K (41), HHJK'KH'KarO (2), HO-
H;'KHKI^a (1), HOUIT'KH'SH (1), H;i^»;/^'kHHL^H (1), npHCTpamiiHH
(2), R'tHAIK'KHHK'K (1), Cß'KUJT'KHHK'k (4), Tp'K:K'KHHK'k (2).
T'kic;riijt'khhk'k (1), I/AS'kim'khhi^h (1), das sind 109 Fälle; da-
gegen ist -KH- erhalten: ßT»,3MC»KkH0 (1), ropo\fuJi^HO -Hoy (2),
rp'feUJKHHK'K (1), A'^T»^^!*"" (U, A'^'*»^^'»^""'^'^ (3), HCTOMKHHK'K
(2), K'kHHH;h.HHK'K (15), H^A^^'^HHK'k (2), OBElUTkHHl^H (1), npH-
AtTKhH'kt (1), n'bH/fVH^kHHKOM'k (1), Tp'kJKkHHK'K (2), T'KIC;SiUJTIi-
HHKTs. (1), Y'kiiijtkhhi;h (2), jjÄS'kiMkHHKT». (2), zusammcu 37 Bei-
spiele. Vergleicht man einen bestimmten einzelnen Fall, wie ein-
maliges rp'femkHHK'K gegen 26 mal rp'tiu'kHHKT». und stellt dazu
das Zahlenverhältniss der -hH- zu -'kh- ausser der Stellung nach
M u. s. w., so leuchtet ein, dass für den Schreiber des Codex oder
den seiner Vorlage nach diesen Consonanten 1%. das normale war.
Das lässt sich noch durch zwei andere Vorkommnisse stützen :
1) während -hiu- des Comparativs und Particips nach a h p sein
h behält (s. 0. S. 334), geht es nach m jk u. s. w. in i», über, vgl.
B'kSBpaiuT'kiu« (5), BksrH'tujT'klueM'K (1), B'ksaon^'kiiJf (1),
BTkSaOJK'kUJK» (1), BTvnpOllJ'kUJHHY'K U. a. (8), Kp'kUJT'kllJe (1),
aOVHT».UJH (2), HOLU'kUJ£ (1), CTp'fellJTs>llJa (2), IIOl'lllT'kllJH (1),
POJKA''^^^ (= P'^^Am 1)j pOJKAT^^lAlf -UiW (2), CTi.KpOYLU'KUUH (1),
OYK'feH^AT^^iAJ""'^''»^ (1)? YOJKA''»^^'^ (0> 29 Beispiele; dagegen ist
-km- erhalten: A^^canc^i^uJ« (1), KpkiuTkme (2), aoyHkiJUf (1), 3a-
CA;^>KAkLU<ftlift -lUHH^Tk (2), OBpaUJTkllJH (1), npHBAHJKkUJIC» (1),
npHKAWHkiuK» (2), TpoY^Ai^iu« (1), also in 11 Fällen. — 2. Mit
der beobachteten Erscheinung deckt sich das Verhalten von ur-
sprünglich auslautendem k nach m n; u.s.w., auch hier der Gegen-
satz von A H p und den andern alten Palatalen: in über 120 Bei-
spielen steht nach den a h p" das k, vgl. B-kSBaa-k, BT».3Aic>EA"k,
AtiAaTfA'k, HcnA'kHk (part.), npHCT;i^nk (= -nA'^k, 19 mal), c'kB'S-
AliTfAk, c'kTBopk, orHk u. s. f., dagegen t». nur in B'KRA'k (1),
KopaB'k (4; 15mal KOpack) KopacA'K (1), cphti (2; ISmal orHk),
Die Vokale i., b in den Codices Zographensis und Marianus. 337
nacTTüpT». (2 , np-twAOM-K (pait., 1), pasAt^^-K (part, 1], n-kcapTv
(22mal, 1 2 mal -pk), dessen Häufigkeit sich einfach durch das Hart-
werden des p erklärt, die bewahrten -pu sind Erhaltung der Schrei-
bung einer älteren Vorlage, wie das p in ulicaplv ivlvcap^». Sobald
man aber wortanslautendes k nach m, uj, ;k, ujt, ik/i,, u,, s be-
trachtet, beginnt das Schwanken mit grossem Uebergewicht von i%
(270 "K, 94 k): ein -i^k kommt überhaupt nicht vor, Hauj'k ßauiii
stehen immer so, zusammen gegen 40 mal, vgl. noch ß'ksrAaui'K,
OKpauJT'K (12mal, OKpauiTk 3mal), ß'kcaiKATv, n-tHAS'k (8mal,
vgl. zur Härte des s a. pl. ii'kH/AS'Ki], K'KHAS'K (8mal, KT^HASk
einmal) u. s. w. Es sind also diese Consonanten für den Schreiber
oder einen seiner Vorlage hart, daher das is.. Wenn öfter noch
k nach ihnen steht, z. B. M;*;H;k (17 mal), M;iiJK'K (IGmal), so hat
hier noch die älteste Quelle, die diese Verhärtung nicht kannte,
nachgewirkt. Die beschriebene Wirkung des m u. s. f. bildet einen
starken Gegensatz gegen den Zographensis, der sie gar nicht hat.
Es ist vielleicht nicht nutzlos, da einmal vom Wortauslaut
die Rede war, diesen überhaupt etwas näher zu betrachten. Bei
den alten k-Stämmen und den auf k auslautenden Adverbien hält
der Codex in beträchtlich über 600 Fällen das k fest; sie aufzu-
zählen, hätte keinen Wert, ich gebe nur einige charakteristische
Beispiele: 42mal KkCk (Dorf) und Rkck (omnis), 4mal ßkci».; 80 mal
^kHk (^fHk), 1 mal ;k,eH'k,; 23mal Kat.ifHk, ImalKaMCH'k: ITmal
uaTfpknurso; 14mal na'kTk, 4mal na'kT'k; 25mal n^Tk nur
so; 17mal n;^Tk, 4mal n;^^^; 20mal ce^Ok nur so; 13mal 3a-
noß'S^k, Imal-A'k; 17mal ßaacTk, Imal EAacTi^; lOSmal ck,
15 mal Ck. Von t». am Ende der betreffenden Formen habe ich
137 Fälle gezählt, darunter 39 mal rocno;i,'k, erklärlich durch die
Flexion rocno;4,a u. s. w. (28 mal steht rocnoAk). Die palatalen s
u. s. f. lassen in diesem Falle meist auch k nach sich bestehen,
doch nicht ganz: HOUiTk 11 mal, HOiur-k 5 mal, p'tHk 2mal, Imal
p'kMTk. ^lan kann also sicher sagen, dass eine Tradition verbun-
den mit dem Bewusstsein, dass diese Wörter einer bestimmten
grammatischen Kategorie angehören, hier wie auch in andern alt-
kircbenslavischen Quellen das k im Auslaut der e'-Stämme festge-
halten hat auch da, wo offenbar der Schreiber, wie hier der des
Marianus, ebenso gut hätte t». setzen können und es in einer immer-
hin beträchtlichen Anzahl von Fällen auch tbut.
Archiv für slavische Philologie. XXVH. 22
338 A. Leskien,
3. Die AuseinaudersetzuDg unter 2. habe ich angeknüpft an
den Umlaut bei den Adjektiven auf -kH^K, um an einem Falle, der
in so zahlreichen Beispielen vertreten ist, zeigen zu können, wie
es mit dem Umlaut von k zu 'K vor harter Silbe steht. Es müssen
noch die Fälle ausser jenen Adjektiven betrachtet werden. Wäh-
rend im Zographensis -kck- vor harten Silben unverändert bleibt,
ist das hier nicht der Fall; die Beispiele, in denen 'k steht, über-
treifen die mit k fast um das Dreifache (45: 17)^ beispielsweise
raA<»pHHT»^CK;K, «AHH'kCKa, AarHH'KCK'Ki, pHiiiini,cKaMH. Im Gegen-
satz dazu bleibt -kCK- vor folgender weicher Silbe in der Ueberzahl
der Fälle unverändert : roMopkcij^lvH (1), fAeoHkcii,1i (4), /\K>,\kcu,Hii
(4), MopkCT'K (3), CHAoraMkci^'t (1), C(5a«"^'i»cU'S (2), TaBopkt:-
Akcu,tyk (1), MactßliHkcii,1vrjk (l); t». nur in «AfOH'kcn'k (1), hhs-
poycaaHU'KCLili (1), Hop^aH'kCL^Ii (2), fifHHcaprr-kci^t (1). Aehn-
lich verhält es sich mit -kCTßC», die Schreibung schwankt, indess
steht auch hier von harten Silben 36 mal -'kCTKC, vgl. z. B. ^i^li-
K'KCTKa, .\;*\Kaß'kCTßO, HacA't^V'k.cTBOYKR, Hfßlip'kCTßO, nur
9mal k, z.B. nn-knkCTßO, HfßljpkCTßc; bemerkenswerth ist aber,
dass -kCTßH« fast regelmässig k behält: KoraTkCTßH« (2), ahyoh-
MkCTßllC (1), HEß-kpkCTßHC (2), OTk(f)MkCTBHf (6), WOZU UOCh
kommt ii,1icapkCTßHf, das so nie ausgeschrieben ist, dagegen öfter
als n'ScapfCTBHe d.i. -kCTBHf; die Schreibungen ßaa^'KiH'kCTBHf,
OT'kM'KCTBHe siud uach der Regel o. S. 336 normal.
Bei den Formen der Wörter auf -kii,k, ki^f, ki;a herrscht das
grösste Schwaaken zwischen 'k und k vor hartem wie vor weichem
Vokal nach i^, wenn auch die Zahl der "k (81) die der k (57) über-
wiegt. Als Beispiele seien angeführt: rpa;\,ku,A und rpa;k,'ki;/A ;
M'kiiLns.i;a M'kiLUi<i.u,ci;^; oßki;/Ä (4 mal) c»B'k^/A (18 mal); OTku,a
-^l<^ -u^iy^k, -n,H (zusammen 7 mal), OT'kii,a -i^n.ik -u,k> -uov; -u,u
(29 mal); ca'knkna und CA'kll'K^a; cp-k^ku.f cp'k^i.ki^HY'k und
cpTs.^k,!*!^« cp'k,\'Ku,n\"K. Ich möchtc dies Schwanken nicht auf
blosse Gleichgültigkeit gegen 'k und k, das in solchen Silben vom
Schreiber nicht mehr gesprochen wurde, zurückführen, sondern
annehmen, dass die Erscheinung des 'k zusammenhängt mit der
Entpalatalisirung des n, wodurch die so anlautende Silbe hart
wurde. Dafür spricht einmal das oben erwähnte beständige -i^'k
im Auslaut für altes -ij,k und die so häutigen Fälle von OT'Ki;a,
Oß'kH/Ä.
Die Vokale -h, i. in den Codices Zographensis und Marianus. 339
4. Zuletzt sind uoch die einzelnen Wörter wie TKMa u. s. w.
und die mit seltenen Suffixen wie -k,\^^ zn betrachten. Dabei muss
man sicli auf häufiger vorkommende, gleichartige Falle beschrän-
ken, denn bei der Beschaffenheit des Codex kann man bei mehr
vereinzelten Beispielen niemals ausmachen, ob eine zufällige Ab-
weichung oder Befolgung einer Regel vorliegt. Die Infinitivstämme
von B'i^paTH, AT^P'^TH, nKpaTM, cT'k/\aTH, STvA^^TH stchcn regel-
mässig so, in runder Zahl zusammen 60 Beispiele, dagegen i% nur
in c'kKKpauiA, CKKkpaAh., CKKkpa, also dreimal, wohl keine
Alterthümlichkeit, sondern eine Abirrung des Schreibers; iun»..3A*^
in den hierherzuziehenden Formen 13 mal, MkSA^» 3mal; K'kAOßa
B'kA<^i^Hi|,a 14 mal immer so (doch s. die Bemerkung o. S. 323);
TT^Ma in den Formen vor harter Silbe 12 mal, und wie im Zogra-
phensis erscheint auch ttvMIv 7 mal gegen einmaliges tkm'K ;
npaß'KA^ vor harter Silbe 11 mal, dagegen vor weicher npaßkA^
onpaßk^HTH 7 mal (neben je einmal npaß'k/k.'R onpaßT^AHU^H);
cßliTTvAC» 7 mal nur so.
Die Vergleichung der Gesammtbeschaffenheit der Handschrif-
ten ergibt, dass, da Zograph. und Marianns nicht einer aus dem
andern stammen, beide auf eine Quelle zurückgehen, die: 1. eine
umlautende Wirkung von 'k auf k der vorangehenden Silbe nicht
hatte, sondern nur die vollen weichen Vokale (darunter k = späterem
() so wirken Hess; 2. die den Umlaut hatte a) in den Adjektiven
auf -kHi».; b) in bestimmten einzelnen Wörtern , sicher in TT^Ma,
B'K.VCßa, ykSA*», npaß'k.V'») den Infinitiven E'kpaTH, ;k,'kpaTH,
R'kpaTH, CTTvAaTH, .s'kA'^THj ^^ cß'RT'kAo; ob noch weiter, ist
aus der Vergleichung des Marianus nicht sicher zu entnehmen;
3. der Marianus hat einige Erscheinungen, die im Zographensis
nicht vorkommen oder zweifelhaft sind: a) die Ausdehnung des
Umlautes auf -kCK- (fehlt Zogr.) und -kCTßO (Zogr. zweifelhaft);
b) Marianus hat die alte Regel, dass vor und nach palatalen Con-
sonanten k unverändert bleibt, nur noch bei a h" p", lässt dagegen
abweichend von Zogr. nach m. jk u. s. w. k in Tv übergehen.
B. Umlaut von T\ zu k vor folgender weicher Silbe.
I. Die Fälle ausser den Präpositionen bt». bt%3-. Die Ueber-
einstimmuugen mit dem Zographensis bestehen in folgendem :
a) negativ, in dem Unterbleiben der Wandlung der 'k zu k
nach gewissen Consonanteu und in gewissen Wortkategorien , und
22*
340 A. Leskien,
zwar: 1. Die Präpositionen ktv und ck bleiben unverändert; es
kommen zwar einige Kk vor, Kk iht».h'6 M 1. 28, Kk Hfiuio^ M 13.2.
26. 7, L 5. 33, 8. 4, ebenso einige Ck, ckHEiui-k M. 26, 59, ck muh
L 10. 37, ckHMHLUTa M 6. 2, aber diese bedeuten gegenüber der
ungeheuren Masse von Ck K'k eben so wenig wie die paar Fälle,
in denen auch andere auf Tv auslautende Präpositionen k zeigen:
^\A,^,h. Hk L 10. 37, H3k whocth L 18. 21, np'R;i,k MiHtWK L 9. 52.
np-S^k HHMH J 12. 37, np-k.vk H^A^uJTfH L 18. 39 (über np'k^.k
vgl. oben S. 331). — 2. Nach k und c unterbleibt überhaupt die
Wandlung, daher regelmässig K-kHHra, K'kHAS'k, K'k^e, c'kAi*
u. s. w., CTkRH-, c'kM'kTH, ckT'lv. Auch hier finden sich einige k
neben der Masse der 'k: KkHii/KkHHi^H M 23. 27, KkHHr'ki J 10.35,
19. 37, KkCHHT'k KkCH/ÄUiToy M 24. 48, 25. 5, L 12. 45 (aber
K'kCH'kauiE Ll,21), KkH<fvSM Ma3. 22, KkHASOv; L 12. 58, KkH/fisiv
J 12. 42, Kk^e J 20. 13, nockAJTk J 14, 26, ckH-k M 27. 19, die
Verschreiöung ckC'kU.H L 23. 29. Ein Verzeichniss der Fälle mit
erhaltenem 'k zu geben, wäre unnütze Papierverschwendung, jeder
kann sich durch den Text oder den Index vergewissern, wie regel-
mässig in den betreffenden Wörtern 'k geschrieben wird. Die
wenigen Beispiele von k stehen auf demselben Boden wie z. B. das
öfter wiederkehrende luikHor'k, sie sind Abirrungen des Schreibers
oder Ausfluss einer Stumpfheit gegen die richtige Stellung von
Tik, k. — 3. In A'kJKk und seinen Formen bleibt 'k; AkH;k nur
J 8. 44. — 4. Im Participium auf -t^uj- bleibt 'k; davon einige
kaum nennenswerthe Ausnahmen: LUEAkiiiE M 13. 28, L 17. 14,
1i.A,kLUTv M 15. 32, nponkHkuif M 27. 35. — 5. ß'k.s'knHTH wie
B'kRHTH bleiben so, und es kann kein Zweifel sein, dass der Codex
auf eine Vorlage zurückgeht, die hier 'k hatte: von K'kS'knuTH
kommen 24, von R'knnTH 12 Fälle mit 1%. vor, mit k nur KknHlvY;^
Ma 11. 9, L 13. 21, B'kSknMUJ/Ä Ma 15. 12, BkSknn M 27. 46. —
6. ^i.'kmTM mit seinen Formen hat nur 'k, obwohl öfter vor-
kommend.
Man kann natürlich noch eine Anzahl Fälle aufzählen, in
denen t». ohne Wechsel mit k steht, wie KfT'kC'k M 9. 16, ,^1^-
JK^HTTs. M 5.45, HSA'kiuf Ma 15. 37, L 23.46, K'kHfA'k L24.42 u.a.,
es hat aber keinen Werth, da man hier vor dem Zufall nicht ge-
sichert ist.
b) Nach der positiven Seite stimmen Zographensis und Ma-
Die Vokale t, i. in den Codices Zograpliensis und Marianus. 341
rianiis Uberein in der Wandlung von 'k zu k in folgenden Fällen
ausserhalb der Präpositionen K'k kt^s):
;i,kRlv ^v'^^'l^Ma an denselben Stellen in Zogr. wie Mar. M 10.
29, L 3. 11, 17. 35, J 2. 6 (im Text Zogr. A'»^R''i"*»: die Lesung ist
unsicher), 0. 7, 9; an den andern Stellen, wo die beiden Formen im
Mar. mit k stehen, M 5.41, 6. 24, 9.20; 14. 17,19; 18.8,9; 21.28,
24. 41, Ma 5. 25, 16. 12, schreibt der Zogi*. das Zahlzeichen oder
AB- A'ß- oder der Passus fehlt ihm; J 1 1. 9 steht eine andere "Wen-
dung mit ;k,'KKi\. Dagegen ist auch im Mar. x^^<^ die stehende
Schreibung, vgl. den Index, wo nur einmal ^KKa vorgezeichnet ist.
3KAlv M 17. 15 (fehlt im Z.), L 3. 19 (Z. ebenso), skah L 11. 13
Z. ebenso).
BkHt M 26. 69, Ma 1. 45, 3. 31, 32; 11. 4, L 1.10, 8, 20 (an
diesen Stellen Z. ebenso; KkH-k J 20. 11 fehlt im Z.); ßkHHf7i.A0V
M 23. 27, 28 (fehlt im Z.]; KkHUiUTkHfe L 11. 39 (Z. ebenso).
Formen von Kk^-feTH mit k in Z. und M.: M 25. 13, 26. 38,
40, 41, Ma 13. 34, 35, 37; 14. 34, 38, L 2. S, 12, 37, 39; 21, 36.
Beispiele dieser Wörter mit i». bei folgender Silbe mit wei-
chem Vokal: S'KAH M 12, 34, a-kA-k M 15. 22, L 7, 7, wo Zogr. k
hat; s-kA-k M 21. 41 fehlt dem Z. — at^kU AT^ß^iMa M 18, 8
fehlt Z.), M 6, 9, Ma 5. 13, 6. 37, 12. 42, L 14. 31, 16. 13, J 21.8,
an diesen Stellen Zogr. k; A'»^ß'*^ L 21. 2 (Z, im Text ebenso, doch
ist das 'k unsicher); an den übrigen Stellen M 5. 12, Ma 6, 38, 41;
9. 45 hat Zogr. Zahlzeichen oder ^ß-.
B'kH'kiiJT'kHef Ma 4. 11 (fehlt Zogr.), K'kHtujTkHce L 11. 40
Z. BkH-).
Was sonst vorhanden ist, sind einzelne Beispiele: nkTHUH
M 10. 29 (Z. HTHUH), MkllJM^;F. M 23. 24 (Stelle fehlt im Z.), npc-
MkHC M 28. 15 (Z. ebenso), ov'MkBfnaina Ma 7. 2 (Z. 'k), TkiuTk
Ma 12. 3 (Zogr. -k), saKkßfHa L 12. 6 (Z. -k), obka« L 17, 21 (Z.
ebenso), HrkAHU-t L IS. 25 (Z. t».), p'kn-kuiTHT« p-kiiiiiuT/iiT'k
J 6. 43, 7. 32 (Z. beidemal 'k), AWKkBk AioKkBe AK>BkBH J 5. 42,
13. 35, 15.9,10, 13 (Z. nur'k). Die ganz vereinzelten Fälle können
nicht in Rechnung gezogen werden: das Wort ii'kTHU.a wird ausser
der angeführten Stelle und ii-kTHU'k L 12. 7 (Z, nkTHU,k) abge-
kürzt iiTHi;- geschrieben, neben ov'MkBtHaMa steht zweimal ov'M'k-
BfHaMa, neben TkUJTk dreimal T'kiuTk ('k kann hier nach der
Ptegel S. 323 überhaupt nicht umgelautet werden), neben OBk^f
342 A. Leskien,
zweimal OK'k^e, neben htkahhIv zweimal ht'kahh'S; auch die
Gleichheit des Zogr. und Mar. in npoMkHf kann ein Zufall sein.
Dass man endlich nicht weitgehende Schlüsse aus dem -kß- der
y-Stämme ziehen kann, zeigt einmal AWKkßk (neben awe'KBTv
L 11. 42), wo 'k sich vor -Bk überhaupt nicht verändern konnte
(vgl. CKfKpoßk L 12. 53), daneben HeiiAo;i,'kßH L. 1. 36, 23. 29.
Aus den obigen Zusammenstellungen wird klar, dass beide
Codices hervorgegangen sind aus einer Quelle, die Umlaut t». zu k
hatten in Ai^ß'*^ ^kß'feya, 3k/\H SkAt, ßkHlv, Ek;k,1vTH. Der
Zographensis ist in dem k hier überhaupt konsequent, der Marianus
nur bei ßkN-K und Kk,\1vTM , die beiden andern Wörter schwanken
stark. Das kann auf einem Schwanken der gemeinsamen Quelle
beruhen, das im Zographensis ausgeglichen wurde, kann natürlich
auch auf üngenauigkeit des Marianus beruhen; das ist nicht auszu-
machen, sicher nur, daß in der älteren Vorlage ,\hE,'k u. s. w. be-
standen haben. Tm ganzen ist die Uebereinstimmung der beiden
Handschriften in dem Umlaut 'k — k nach der negativen wie posi-
tiven Seite so, dass mir kein Zweifel bleibt, es gehöre die Erschei-
nung in ältere Zeit. Um so verkehrter wäre es, aus ihr ohne
weiteres Schlüsse auf den Lokaldialekt eines Schreibers zu machen.
II. Das Verhalten der Präpositionen ß'k kt^s- vor fol-
gender weicher Silbe. Hier schwankt der Codex wie der
Zogr. zwischen ßi». und ßk, ß'ks- und ßks-, aber nicht in gleicher
Weise, er hat an vielen Stellen ein k, wo Zogr. t». hat. Dennoch
bekommt man bei genauer Vergleichung den Eindruck, dass beide
Handschriften aus einer Quelle stammen, die ungefähr an denselben
Stellen 'k oder k gehabt hat. Den Vergleich durch den ganzen Text
durchzuführen, würde hier zu viel Raum einnehmen, ich gebe daher
nur einige längere Stelleu. ]\[an vergleiche z. B. Joh c. 8 — 12:
übereinstimmend ß'k, R'kh haben Zogr. und Mar. an folgenden
Stellen: ß'k np'ki\K>KOA'liaHH 8. 4, ß'k T'kyK 8. 12, ß'k rp-kcKY'k
(bis) 8. 24, 9. 34, ß-k HHpt 8. 26, 9, 5, ß'k Hsro (Z. ß'k Hk) 8. 30,
ß'k ßtK'k 8. 35. 51. 52; 10. 28, 1 1. 26, ß'k MHp-k 9. 39, 10. 36, ß'k
npHTopt 10.23, ß'k urkHlv 10. 28, ßk ,i,»^mh U. 9, ß'k ,\w»( 11.9,
ß'k BHTaHHiÄ 11. 17, ß'k lU/Sv 11. 25. 26, B'kSkUi'kTe 11. 39, ß'k
H'K (= Hk) 11. 48, B'k3'ky;^T'k 11. 48; — für ßk ßkck UHpk
11. 27 hat Zogr. ß'k ünp'k;
übereinstimmend ßk, ßk3-: ßk ntuh 8.44, Bk3/AC<A 8.59,
Die Vokale £, l in den Codices Zographensis und Marianus. 343
10.31, 11.41. Rh Hii\"k 0.16, RK3eM/\niiH 19.24. KkHH,\<T'k(bis)
10. 9, KkCKp'kllJfHHf 11. 25, ßk CfKk 11. 38, Kk3Ke,V,t 11. 41, Kk
i\(rc< II. 45, Kk3ii,\,;si 11. 55;
Marianus hat 'k, Zogr. k: R'K3»iiiTiTi 8. 21 (Lesung k in Z.
unsicher], irkSHtcere 8. 28, R'k H«rc» 9. 3(3, 10. 42.
Marianus hat k, Zogr. t».: Kk npUAiCKOA'li'JHHH 8.3, Kk rp'kck
8. 21, Kk Hk 8. 31, KkM'kiiiTaar'k 8. 37. Kk3kMrr'K 10. 18, ßkc-
KpIvlUfHH« 11. 24, Kk KfCk 11. 30, KkCKpkCHfT'k 11. 24,
Im Marianus ist ein Ueberschuss von k vorhanden, trotzdem
stimmt er in der Erhaltung- des 'k bis auf 4 (3) Stellen mit dem
Zographensis zusammen.
Selbstverständlich ergeben sich aus andern Stellen andere
Verhältnisse, vgl. die beiden ersten Kapitel Lukas :
übereinstimmend im i^ beide Codices an folgenden Stellen:
KT», ^hH\i 1.5, KTx MHHOr 1. 8, ß'klUf^V'kmW 1. 9, K'KUJf.V'^ 1.28,
KT». ;K{Ha\"K 1.28, K'k.U.'kCapHT'k 1.33, K'k K-kK'kl 1. 33, K'k KkCfH
1. 65, K'K Hf3aan/i; 2. 13, Kk ,v,i^nf\'''*^ -• '^^5
übereinstimmend im k: Kk H/äike 1. 25, Kk cfß'k 1. 29, Kk
Hp-kK-k 1. 31, 2. 21, RkHH;i,e 1. 40, Kk3Hrpa 1. 41, 44, Kk3KfAH-
MHA-K 1. 58, Kk3AßHJK£ 1. 6), Kk HH\"k>Ke 1. 78, ßk3H;\6 2. 4,
Kk HHY'K 2. 9, KkK'kcTf 2. 27;
Marianus 'k, Zogr. k: K'k Kp-kr.i/A 1. 20, kt». lUfCT'ki 1. 26, K'k
Hp'kK'k 1. 41, K'k. JKeHay-k. 1. 42, K'kSHtce 1. 52, K'k.3H'kC/Ä 2. 22
(Z. k zweifelhaft), K'k \huw 2. 25, K'kSHCKaiiRUJTa 2. 45;
Marianus k, Zogr. 'k: Kk ,i,kHJ\"h. 1. 7, 18, Kk ;i,kHH 1. 25,
Kk T'kM'k 1. 79, Kk Ahmt 2. 1, Kk TkY'K 2. 49.
Die Fälle des Plus von k im Marianus sind bis auf Kk T'k\'k
solche, in denen der Zographensis überhaupt kein Kk haben kann
(S. 323), und ich komme hier auf die Frage, ob sich aus dem Ma-
rianus noch beobachten lässt, dass die Regel, nach der vor stumm
werdendem k der folgenden Silbe kein Wechsel von 'k zu h vor-
kommt, auch hier gegolten habe. Fälle wie Kk BkCH, Kk Hk (Hk),
Kk ;i,kHf\"k, Kk T'kUl-k. Kk3kp'kK'k. Kk KkC'kK'k, Kk ükH'k siud
häutig genug neben Kk ,vt^HH, ^'^ m*, Kk r.i'kH'k, K'k T'kU'k, K'k
K'KC'kKO u. a. Ich zähle sie hier nicht auf, weil ich meine, es lässt
sich erweisen, dass die Kk Kk3- an solchen Stellen nicht auf einem
lautlichen Vorgang beruhen , sondern einfach in der Unsicherheit
des Schreibers gegenüber 'k und k begründet sind, hier begünstigt
344 A. Leskien,
durch die Gewohnheit, das ßh bks- in vielen andern Fällen vor
folgendem weichem Vokal zu schreiben. Wäre nämlich ein bk
/k,kHH u. s. w. einmal wirklich vb chni oder vh dni gesprochen wor-
den, so hätte es bei weiterer Entwicklung te-dni ergeben müssen;
irgend eine Spur einer solchen Weiterbildung mUsste vorhanden
sein, es ist aber nie der Fall, vielmehr steht in allen gleichartigen
Fällen, wo die Quelle dem späteren Lautbestande nachgibt, bo bos-,
d. h. es ist bt». b'ks- von alter Zeit her erhalten geblieben, t^ nicht
zu K geworden, z. B. bo BKcei M 6. 29, L 12. 7, bo Bkcnjik J 13. 1,
BO Bkc1i\"K L 9. 48, BO BkC/Ä L 9. 13, ßo Bkc;s\ M 1. 28, L 2. 3,
6. 12, BO A>^"H 24. 37, L 6. 12, bo Hk Ma 7. 15, L 8. 30, J 2. 11,
7, 31 (u. s. w. s. Jagic S. 428), BOSkMH M 9. 7, boch1vKT».uik» (wo
zu denken ist BOCk-kETviuio) M 13. 6. Wenn die Präposition vor
k-Silben steht, deren k in der späteren Entwicklung nicht ausfällt
(zu E wird), kann wie im Zogr. Bk stehen, z. B. Bk A*^"*^ (A^mi*)?
Bk TkMkHHij|,H (TfMH-). Ich kommc daher zu dem Resultat, dass
sowohl dem Zogr. wie dem Mar. eine Quelle zu Grundes liegt, die
eine Wandlung von Tj. zu k vor einer Silbe mit schwachem k nicht
hatte.
Im Zographensis fanden wir (s. o. S. 328) einige Fälle, wo 'K
statt k auch vor folgender weicher Silbe steht. Diesen Punkt am
Marianus ins einzelne hinein zu verfolgen, würde zu nichts führen,
denn die Handschrift ist hier zu unregelmässig; man kann sagen,
dass in jedem Falle, wo k in offener Silbe steht und ausfallen kann,
vor jeder beliebigen Silbe auch ^ vorkommt, z. B. Bivce, B'kck,
B-kckyk, B'kcer.va, Ai^"^ Ai^"") AT^"*\*t^? AT^h^^i*- A*^"T^A*'*^*'
ocKAH, S'kpHiiJH, npHS'kpli, co.^Ti.pliaT'K U.S.W. Es ist ja
offenbar, dass dies nicht ursprünglich so war, sondern beruht auf
der Stummheit des alten k, auf einer Aussprache ßce, ^Hf, 3p1iTH
u. s. w., so gut wie die gelegentlichen k für 'k vor folgender harter
Silbe, z. B. LikHor'k, BkH;i^Tpk, BkK'Kicfe u. dgl. Daraufgehe ich
nicht weiter ein , nur auf einen Punkt möchte ich zur Beurteilung
des Verhältnisses von Zogr. und Mar. noch aufmerksam machen.
Es zeigte sich (s. o. S. 328), dass in der W. -kM- der Zographensis
auch vor folgender weicher Silbe fast regelmässig k hat; hier ist
entschieden der Mar. altertümlicher, es kommen vor mit k: bt^b-
(Bk3-)kMfT'k 9mal, B-kSkiuieiHTv Imal, B'K3-(Bk3-jkM'kTf 7mal.
B'k3-(B03~, Bk3)kMH 9mal, HSkOfTT». 1 mal, H3kMH3mal, OTk-
Die Vokale i., t iu den Codices Zographensis und Marianus. 345
UfT'K linal. also 31 Beispiele; dagegen mit i*: K'K3-(Kk3-]'KMfTTv
3 mal, K'kS'KMfUJH Imal. ii'K3-(KK3-)kLiH Imal, H3'kMn"K Imal,
H3'KMH Imal, also 7 Fälle. Noch auffälliger ist das Verhältuiss
bei CKHkMHiUTe: Zogr. einmal so, ckh'kmhuit« 30mal, dagegen
Mar. c'KH-(coH-)kMHiiiTf 3Umal, c'KH-(cOH-)'kyHiiiTf 6 mal. Es ist
klar, dass hier im Zogr. eine Manier vorliegt, die nicht in der älte-
ren Vorlage bestanden haben kann. Mau kann noch im Mar. die
Beobachtung machen, dass wenn -kui- vor einer harten Silbe steht,
regelmässig t». steht: K'k3'KMAi Imal, B'K3-(ßk3-)'kiui;*iT'k 4 mal
(einmal daneben K'k3u;RT'K), h3t%m;^ 2mal, c'KH'kMaaY;i^ Imal
^'on CTs>HkMaTH, kein Fehler für ckHHinaTH, sondern -kuaTH ist
in der Zusammensetzung der regelrechte Infinitiv zu i€Ma;^^); nur
einmal k in B'kHkiiiaTH M 16, 11.
Zu erwähnen ist endlich noch, dass im Zogr., wie wir sahen,
E'K erhalten bleibt vor folgenden i€, k», iwv, ra (-R), m^, h. Marianus
hat eine Anzahl Fälle, wo auch hier Kk steht: ßk 'Kupfx M 15. 14,
L 6. 39, Bk f,A,""^ M 20. 6, Ma 16. 2, L 17. 12, J 20. 19, Bk Uc-
a'SY'k L 2. 7, Bk nK>,\,fiiR L 2. 4, sonst steht b'k, und der Codex
widerlegt selbst, dass hier Bk lautliche Bedeutung habe, durch
seine Schreibung btü, vgl. das öfter begegnende B'ki HCTHH;ii(-H'fe),
B'ki HHA\ u. a. (s. Jagic S. 426).
Bei der ganzen bisherigen Ausführung bin ich, wie oben er-
wähnt, von der allgemein angenommenen Voraussetzung ausge-
gangen, dass es sich um wirklichen Umlaut von k zu t^, von 'k zu
k handle, d. h. also, dass ein in alter Zeit gesprochenes k in den
betreffenden Fällen als 'k, ein altes t^ als k wirklich gesprochen
sei. Aber mir ist es nicht zweifellos, ob die Annahme wirklich zu-
trifft. Ich möchte die These aufstellen, dass die ganze sogenannte
Umlautserscheinung auf einem Sprachzustand beruht, wo die
schwachen Vokale an den Stellen, in denen sie als umgelautet in
der Schrift erscheinen, überhaupt nicht mehr gesprochen wurden,
stumm waren, dass vielmehr was uns als Umlaut in der Schrift er-
scheint, Ausdruck für gewisse Consonantenveränderungen ist, und
gehe dabei zunächst von folgender Erwägung aus. Die alte Form
des Infinitivstammes nkca- (nkcaTH, präs. nHiij;si) steht lautlich
altem Sk^aTH (präs. 3hHvV,^) völlig gleich ; hier heisst es nun im
Zographensis beständig 3'k,V'^T") dagegen nie*n'KcaTH, der Codex
kennt nur nca- und n'ca (Arch. I. 41 werden ca. 50 Fälle aufge-
346 A. Leskien,
zählt). Jagic, dem das natürlich aufgefallen ist, meint: «offenbar be-
günstigte die Consonantengruppe nc die Auslassung des dazwischen
stehenden Vokals «. Die Annahme ist misslich , n c ist eine sonst in der
Sprache nicht vorkommende Lautgruppe, dagegen bekommt einer,
der aus 3k^\,aTn das k weglässt und zdati erhält, eine geläufige Con-
sonantenverbindung (Mk3A**, sb'Ss;»,**? ''ß'^^A'i^), trotzdem schreibt
der Schreiber immer 3T\,i,aTH, wie auch regelmässig E'kpaTH ck-
iU\TH, wo ein KpaTH ca^th gar kein Hinderniss fänden. Ferner,
neben nca- n'ca- kommt 5 mal cna- c'na vor; will man diese Fälle
nicht als Fehler ansehen, so zeigen sie, dass gerade die Lautgruppe
nc unbequem war und deswegen umgestellt wurde zu dem geläufi-
gen cn. Verlegt man den «Umlaut« von S'^A'*'''" in eine Zeit, wo
der schwache Vokal zwischen 3-^ noch gesprochen wurde, so hätte
nothwendig auch ein *n'KcaTH entstehen müssen; ich sehe wenig-
stens nicht ab, wie sich dies Wort hätte dem Umlaut entziehen
können; das zweimalige nkCCiuiTk M 15.26, Ma7.27 kann dagegen
nicht geltend gemacht werden, weil es zu vereinzelte Beispiele
sind (M 7. 6 steht ncoin'k). Mau kann aber einwenden: ein *inv-
caTH wird existirt haben, nur kommt es für uns nicht zum Vor-
schein, weil überall schon nca- n'ca geschrieben wird; es lässt sich
dabei nicht ausmachen, ob k oder 'k ausgefallen ist. Wie man sich
nun auch dazu stellen mag, es bleibt immer auffällig, dass Jemand,
der S'K.A.aTH u. s. w. regelmässig schreibt, aus einem nkcaTH oder
nikCaTH den schwachen Vokal ebenso regelmässig weglässt. Viel-
leicht liegt die Sache so, dass ein geschriebenes K'kpaTH, 3'kA'^I'"
neben gesprochenem braii zdati u. 8. w. das Sprachgefühl nicht
störten, weil in vielen andern Wörtern an zahlreichen Stellen 'k, w
geschrieben, aber nicht gesprochen wurden, dagegen wohl ein nb-
caTH oder '"n'kcaTH, weil der Schreiber überhaupt als gesprochen
nur nncaTH kannte (vgl. das regelmässige nnca- des Mar., der nur
vereinzelt nca- hat) und an einem nkcaTH oder etwaigem m».caTn
Anstoss nahm als in keiner Beziehung zu seinem nncaTH stehend:
er merzte es daher aus und schrieb überall das von ihm so gelesene
ncaTH (vgl. meine Bemerkung zur Sav. kn. Arch. XXVIL 14). Es
wird dabei, wie man sieht, von mir eine gewisse grammatische
Regulirung angenommen, und ich meine, ohne die Annahme einer
solchen kommt man unsrer Ueberlieferung gegenüber allerdings
nicht aus. Mir scheint es auch, gegen die Ansicht, die ich noch in
Die Vokale -h, l in den Codices Zographensis und Miuianus. 347
meiuem Handbucbe ausgesprochen habe, wahrscheinlich, dass die
bekannten Schreibungen wie f.iKp'IvTH für Mp'k'rii, K'KAaTH für
KAaTH, K'KpaTH (Supf., ZU Kopi*) für KpaTH, keine lautliche Be-
deutung haben, sondern zu einer Zeit entstanden sind, wo man
brafi zu Kfp;*^ , zreti für 3kp'kTH sprach, aber traditionell likpaTH
K'KpaTH, SLplvTH u.s.w. schricb, und darnach in die Schrift auch
Mkp'IvTH, K'KaaTH einführte. Ausserdem ist es mir unzweifelhaft,
dass wir es häufig mit orthographischen Manieren zu thun haben.
Im Zographensis wird das alte m-KHori». nach der Aufzählung Arch.
1.25 gegen 90 mal r.iHor'k geschrieben, ca. 20mal LrkHon»., der
Schreiber sprach sicher mnog- und ist auf dem Wege, das 'k in der
Schrift ganz aufzugeben; ähnliche Verhältnisse zeigen sich bei
MHOHf; M'KHOKR, MHlc MkH'U (Arch. I. 26j Und andern ähnlichen
Fällen, vgl. dazu die Neiguüg in den obliquen Formen von BkCk
und in ßkckK-k das k nicht zu- schreiben (ßCH, BCkKO u.s.w., Arch.
I. 31). Ich kann nun nicht glauben, dass Jemand, der lihop'k für
iH'KHcr'k sprach, noch ckaaTH und nicht caaTH, noch iHk-
HliTH und nicht LiHliTH gesprochen habe, weil ich mir keine ge-
sprochene Sprache denken kann, in der ein und dasselbe Lautver-
hältniss ganz willkürlich, bald so bald anders, behandelt wird.
Trotzdem wird beständig CKaaTH und mit einer Ausnahme konse-
(juent MkHivTH geschrieben (Arch. I, 27, 38). Das Verhältniss von
UHorTv und r.ikH'kTH u. a. d. A. ist demnach für den Schreiber der
Handschrift, möglicher Weise schon für einen seiner Vorgänger,
nur der Ausdruck einer orthographischen Wahl, einer Manier.
Nimmt man nun an, dass die schwachen Vokale an den Stellen,
wo sie später ausfallen — im allgemeinen da, wo eine Silbe mit
vollem Vokal folgt — schon nicht mehr gesprochen wurden, und
verlegt in diese Zeit die Erscheinung, die uns in der Schrift als
»Umlaut« entgegentritt, so muss man sich den Unterschied, an
einem beliebigen Beispiel demonstrirt, also z. B. von B'bp'kHa und
K'kpkHH folgendermassen vorstellen. Zur Zeit, als die schwachen
Vokale noch gesprochen wurden, hiess es virhna und verhul
mit ' will ich die schwache Erweichung des Consonanten durch
folgenden palatalen Vokal bezeichnen); als das k geschwunden
war, blieb verhna verhi^ in dem letzten erhält das palatalisirte ?i das
vorangehende )• in seiner palatalen Färbung, in ceYna dagegen
wurde }■ durch das folgende harte n entpalatalisirt, es entsteht
348 A. Leskien,
vSrna. Jemand aber, der in seiner gesprochenen Sprache veryia
hatte, kann wohl in Nachahmung seiner Vorlage B'tpkHa schreiben
und wird das, wenn er getreu abschreibt, sehr oft thun, aber nicht,
wenn er seiner Sprechweise folgt, dann wird er Bl;p'kHt\ setzen,
für veriii aber B'SpbHH behalten. Mit andern Worten, für ihn sind
Tv und K nur noch Zeichen der Härte oder "Weichheit des voran-
gehenden Consonanten. Es begreift sich darnach auch ohne wei-
teres, warum nur ß'h. A^^n^ aber nicht ßk A"*"*; dagegen wohl ßh.
A^Hk (neben ßi^ \h.y\h. aus älterer Vorlage) geschrieben wird. Ver-
legt man den »Umlaut ' in eine Zeit, wo das b in ßi^ ;k,kHf. ßi». x^y\h^
noch gesprochen wurde, so kann die umlautende Wirkung auf t^
doch nur ausgehen von der gesprochenen Silbe A"*-- "nd man muss
sich fragen, was ist denn der Unterschied zwischen ,\\^- in X^^^
und in ai*hk, dass es einmal wirkt, das andre mal aber nicht. Ich
kann mir keinen denken. Ein Unterschied kommt erst heraus,
wenn man einen späteren Lautzustand einsetzt: vo-dne (weiterent-
wickelt daraus vo-dne] und v-dui (weiter v-den)^ der eine ist =
?5?.-(r/we, der andere = ^^ew, d. h. in der Schrift ßT». J^y^wi und ßw
AbHK (A«Hk), und so in gleichartigen Fällen: X^v.& = dva^ ,\^^'^
= dve, s'KAO = c/o, 3kAli = zie u. s. w. Wenn nun beständig in
KTkHHra, c'KA'kcTH. CKHHT'k U.S.W, uud Überall da. wo dem alten
•K ein K oder c vorangeht, kein k erscheint, obwohl nach der obigen
Annahme hniga^ slesü., spit gesprochen wurde, kann das danach
nicht anders verstanden werden, als dass k und c auch in Conso-
nantengruppen, deren zweiter Bestandtheil palatal war, hart blie-
ben. Das ist nicht nothwendig ein Widerspruch gegen ßk caIv^Tv
u. ä., denn hier stand die Lautgruppe c -|- Consonant von jeher zu-
sammen, während bei dem Ausfall von 'k nach k, c solche Gruppen
sekundär entstanden sind, und die Gruppenpalatalisirung später
nicht mehr einzutreten braucht. Thatsächlich tritt im Zographensis
k statt altem 'k als eine einigermassen durchgehende Erscheinung
ja nur auf nach b. v (ok;i,'feTH. ßkH-K, ßk, ßks), nach z (3kAH
SkA'K), nach d [,\h.^ls. ,i.kßtMa), d.h. die Gruppen h, v, s, c?-|-Cön-
souanten waren erweichbar. Allerdings wird solche Erweichung
weiter gegangen sein (s. die andern Beispiele o. S. 326), aber aus
unsrer Ueberlieferung ist nicht völlig sicher auszumachen, wie
weit, denn mit vereinzelten oder seltenen Beispielen kann man
nichts erweisen.
I
Die Vokale t., h in den Codices Zographensis und Marianus. 349
Auf der gegebenen Grundlage lässt sich auch verstehen, wa-
rum TTvMlv und R'Ka'kM'kTf cTkH'KMHLUTf scheiubar gegen die
angenommene Umlautsregel geschrieben werden kann; es wurde
gesprochen ima tmd^ nzfuefe. Sonmiste, d. h. in den Grujtpen tm zm
nm wurden z, /", w von der Erweichung nicht ergriffen, daher nach
ihnen geschrieben.
Ich möchte ausdrücklich noch einmal hervorheben, dass ich
damit nur eine These zur weiteren Prüfung vorlege. Sie ist mir
erwachsen aus der Betrachtung aller bei t^ und k in Betracht kom-
menden Entwicklungen , die mir immer von neuem den Eindruck
hinterlässt, dass man sich die Alterthümlichkeit unsrer südslavi-
schen Quellen des Altkirchenslavischen in Bezug auf die Erhaltung
von gesprochenem 'k, k zu gross vorstellt. Man kann demgegen-
über natürlich einwenden, dass in den allermeisten Fällen, nament-
lich im Zographensis, 'h. und k wirklich geschrieben werden, die
Weglassung hier verhältnissmässig selten ist. Aber hier wirkt
eben die überkommene ältere Form der Schriftsprache in der Or-
thographie nach, die überall sehr konservativ ist. Mein College
Sievers drückte mir das einmal so aus : wie lange muss eine Ver-
änderung der Sprache schon bestanden haben, ehe sie auch nur
ein oder einige Male in dem Geschriebenen zum Vorschein kommt.
A. Leskien.
350
Die neuesten Forschungen über den slayischen
Klemeus.
Der slavische Klemens (K.in-
MeHTt cjiOBiHCKiil) und seine lite-
rarische Thätigkeit fesseln in
einemfort die Aufmerksamkeit der
Forscher der altkirchenslavischen
Literatur, was auch begreiflich
ist. Denn während man von den
übrigen Schülern der beiden Sla-
venapostel sehr wenig, kaum mehr
als ihre Namen weiss, besitzen
wir über Klemens zwei Biogra-
])hien in griech. Sprache, eine
ausführlichere und eine kürzere.
Aus der ausführlicheren schöpft
man eingehende Charakteristik
seiner literarischen und kulturel-
len Thätigkeit und die Daten der-
selben werden durch die zahl-
reichen noch in verschiedenen
Abschriften erhaltenen literar.
Produkte Klemens' sehr gut bestätigt. Das Studium der auf Grund der
handschriftlichen Beglaubigung unzweifelhaft von Klemens geschriebe-
nen Werke gibt die Möglichkeit einer genauen Bestimmung ihrer cha-
rakteristischen Züge in der Darstellung, in dem Aufbau und der Aus-
führung. Auf Grund der so gewonnenen Resultate ist man dann im
Stande, weitere Nachforschungen über andere Werke Klemens' anzu-
stellen, um eine möglichst vollständige Uebersicht aller literar. Produkte
dieses ersten bei den Slaven selbständigen Verkünders des Wortes
Gottes zu gewinuen. Diese Vorarbeiten sind noch nicht zu Ende ge-
führt. Noch vor kurzem wurden mit dem Namen Klemeus neue Texte
gefunden: eine Lobrede auf 40 Märtyrer, von uns nach einer Chilen-
Die neuesten Forschungen über den slavisclien Klenieus. 351
darer Handschrift in den akad. IlsnicTia (III. S. 1086 — 1109) abge-
druckt; eine Rede auf den Palmsonntag, von L. Stojanovic in einer
Belgrader Handschrift vom J. 132S entdeckt, sie wird in dem akademi-
schen Petersburger) CöopimKii erscheinen; eine Rede von der heil.
Dreifaltigkeit, sie wurde von N. L. Tunicki in IIsBicxifl B. IX, 3. S. 215
bis 232 herausgegeben. Während bei diesen Texten die Autorschaft
Klemens' durch die Nennung seines Namens in den betreflfenden Hand-
schriften gesichert ist, sprechen bei vielen anonymen Reden oder Be-
lehrungen die inneren und äusseren Merkmale mit grosser Wahrschein-
lichkeit für Klemens als den Verfasser derselben. Zu solchen gehören:
eine Lobrede auf den Propheten Elias, herausgegeben von uns in den
akad. IlaBicxifl VI, 3. 236 — 280, eine Lobrede auf den heil. Irenäus,
herausgegeben von Sobolevskij in denselben Il3B. VIII, 4. 03 — 66, eine
andere aufdieKreuzerhebung, von ihm herausgegeben inn3B.IX.2.4 — 9,
und auf Christi Begegnung im Tempel, ib. 10 — 13, und mit weniger Be-
stimmtheit eine Lobrede auf das Kreuz, nach zwei Handschriften IIsb.
VIII, 4. 66 — 71 abgedruckt. Endlich schreibt L. Stojanovic auf Grund
einer Handschrift der Belgrader Nationalbibliothek aus dem XVI. —
XVII. Jahrh. (Nr. 479) noch folgende Belehrungen Klemens zu: auf
Maria Empfänguiss, auf Christi Geburt, auf Christi Taufe, auf Christi
Begegnung im Tempel, auf das Gedächtniss des Apostels Markus, auf
die Apostel Petrus und Paulus, auf Christi Verklärung, auf Maria Him-
melfahrt, auf den Sonntag des Cavniprivium, auf den Sonntag der Butter-
woche, dann die Rede von dem geistigen Vortheil, die Belehrung vom
Zöllner und Pharisäus, von dem Verlorenen Sohn, vom Fasten — im
Ganzen vierzehn Reden, darunter 12 neue. Dieses ganze Material wird
in dem Petersburger akadem. CöopiiHKi. erscheinen. Und auch damit
sind noch nicht endgültige Resultate erzielt. Zwei neue Reden haben
wir gefunden: 1) Lobrede auf den heil. Kosmas und Damian, 2) Lobrede
auf den Apostel Paulus.
Diese bisher genannten Bemühungen betreffen die Bereicherung
des Materials selbst, die Auffindung der Werke Klemens'. Einen an-
deren Charakter trägt die vor kurzem erschienene Forschung Prof. W.
Vondräk's, die unter dem Titel Studie z oboru cirkevneslovansk^ho
pisemnictvl (V Praze 1903) in den Schriften der Prager Akademie der
Wissenschaften herausgegeben worden ist. Hier handelt es sich um eine
andere Art der Konstatirung, welche Werke Klemens zuzuschreiben
sind; ohne neue Texte beigebracht zu haben, versucht Prof. Vondräk
352 P- A. Lavrov,
betreffs einer ganzen Reihe früher bekannter kirchenslavischer Literatur-
produkte den Beweis zu führen, dass sie Klemens zum Verfasser haben.
Darunter sind solche Texte enthalten, die Prof. Vondräk zuerst Klemens
zuschreibt, und zwar 1) Ordo Confessionis im Euchologium Sinaiticum.
2) einige Texte des Glagolita Clozianus. Für einige andere Texte war
schon früher von anderen Forschern die Vermuthung ausgesprochen,
dass sie Klemens zum Verfasser haben. Dazu gehören die sogenannten
pannonischen Legenden, dann einige Reden, wie auf die Geburt Christi
und Taufe Christi (Klemens zugeschrieben von A. N. Popov und mir).
Prof. Vondräk bespricht endlich in seiner Schrift auch noch solche
Denkmäler, wie die Freisinger Fragmente und die Legenda italica.
Bekanntlich hatte schon Vostokov auf die nahe Verwandtschaft
des Zweiten Freisinger Fragmentes mit einer Homilie auf einen Apostel
oder Märtyrer, die man in einer Moskauer Handschrift der geistlichen
Akademie, und zwar in einem Kodex saec XII, ohne Nennung des Ver-
fassers, aber zwischen zwei den Namen Klemens tragenden Texten vor-
fand, hingewiesen. Es kann kaum einem Zweifel unterliegen, dass auch
dieser mittlere Text (die Homilie) von Klemens herrührt. Allein über
das Verhältniss der Homilie zum Freisinger Text sind entweder gar
keine, oder ganz verschiedenartig lautende Ansichten ausgesprochen
worden, was den Verfasser vei'anlasste, diese Frage einer nochmaligen
Prüfung zu unterziehen (S. 5 — 18). Die eingehende Analyse der Texte
führte ihn zu dem Resultate, dass das zweite Stück der Freisinger
Fragmente vor der Homilie Klemens' da war, der aus demselben ein-
zelne Gedanken entlehnte. Der Gedankengang sei in dem Freisinger
Text konsequenter durchgeführt als in der Homilie, in welcher Stelleu
vorkommen, die man nur unter der Voraussetzung der Abhängigkeit der
Homilie von dem Freisinger Texte erklären könne, selbst die Beeinflus-
sung im Stile und in einzelnen Wendungen sei nachweisbar. Ausserdem
bemerkt Prof. Vondräk, das Freisinger Stück stehe in Zusammenhang
mit der Beichte, schliesse daher mit der Aufforderung zur Beichte.
Wenn man nun dasselbe auch in der Homilie Klemens', die auf den
Namen eines Heiligen lautet, vorfindet, so sei es klar, dass der Prediger
die einzelnen Stellen aus den Beichtgebeten, wie ein solches das zweite
Stück der Freisinger Fragmente darstellt, entlehnt haben muss. Man
könnte demgegenüber die Frage aufwerfen, ob nicht der unverkennbare
Zusammenhang davon herrühre, dass Klemens das Gebet, als es noch
unabhäno-ig von dem ganzen slavischen Officium war, benutzte. Prof.
Die neuesten Forschungen über den slavischen Klemens. 353
Vondräk antwortet darauf verneinend. Die allgemeinen Ausdrücke
weisen auf die Abhängigkeit der slavischen Texte voneinander hin, eine
direkte lateinische Quelle für Klemens' Belehrung anzusetzen sei aus-
geschlossen.
Im nächsten Kapitel weist Vondräk durch Parallelen nach, dass
die Belehrung auf die Commemoratio apostoli wirklich von Klemens
herrühre (S. 19 — 22). Gleich darauf folgt die Analyse des Ordo Con-
fessionis im Euchologium sinaiticum, durch welche Prof. Vondräk den
Beweis liefern will, dass auch dieser ganze Ordo Confessionis Klemens
zum Verfasser hatte (S. 23 — 44). Auf die Arbeit Almazov's über dieses
Denkmal sich stützend und theilweise seine Schlussfolgerungen berich-
tigend, kommt Prof. Vondräk zu dem Resultat, dass dieser Ordo Con-
fessionis zum Theil selbständig nach verschiedenen Quellen der östlichen
und westlichen Kirche bearbeitete Stücke — das erste und vorletzte —
zum Theil Gebete, die wörtlich aus der griechischen Beichtordnung des
Johannes des Fasters entnommen sind, enthält. Ein Gebet ist aus dem
althochdeutschen Original übersetzt, wodurch auch die Behauptung
Prof. Almazov's, der den griech. Ursprung desselben in Abrede stellte,
bestätigt wurde. Die Autorschaft Klemens' betreffs der ganzen Beicht-
ordnung sucht Prof. Vondräk durch die Aehnlichkeit der Gedanken des
Ordo Confessionis mit anderen "Werken Klemens', durch die Aehnlich-
keit des Stils und durch die Uebereinstimmung in den Lesarten der aus
der heil. Schrift entlehnten Citate zwischen dem Ordo Confessionis und
den Reden Klemens' nachzuweisen. Dabei beschränkt sich in manchen
Fällen die Verwandtschaft auf einzelne Ausdrücke, wie z. B. npHM'k-
CHTH C/Ä, npHnd,i,aTH, KfcSMfHH, Hf Hp'KcTaHkHO, noAKHn».,
nOABHrH;RTH C/A, 0\fK/\OHHTH C/Ä, KTvSAPI^Jt^JTH CA, npHMA-
CTHTH C/Ä, BOAEI^ Hf ßOAJlTSx, CAOKCMk ^k.'KAOMIi H nOIUl'KIlUAeHH-
fMK. Alles das sind Wörter und Ausdrücke, die man in jedem beliebigen
kirchenslav. Texte antreffen kann. Nach unserem Dafürhalten muss
daher die Frage über Klemens als den Verfasser dieses Ordo Confessio-
nis, soweit die von Prof. Vondräk angeführten Argumente in die Wag-
schale fallen, nur als eine Vermuthung angesehen werden.
Wir übergehen das nächste Kapitel S. 45 — 66), in welchem über
den Entstehnngsort der Freisinger Fragmente gehandelt wird, und kom-
men auf die Frage über die pannonischen Legenden (Vita Cyrilli und
Vita Methodii). Prof. Vondräk hält beide Legenden für das Werk eines
Autors und als solchen lässt er Klemens gelten. Bekanntlich war diese
Archiv für slavische Philologie. XXVII. . 23
354 P. A. Lavrov,
Ansicht schon früher von anderen vertreten und doch erfreut sie sich
noch immer nicht der allgemeinen Anerkennung ^j . Prof. Vondrak be-
mühte sich, das ganze Material zusammenzustellen, in welchem An-
klänge dieser Legenden an die unzweifelhaften Werke Klemens' ent-
halten sind, woraus er dann die Autorschaft Klemens' folgert. Wir
persönlich stimmen der Ansicht Vondräk's bei, auch uns kommt die
Autorschaft Klemens' betreffs der beiden Legenden wahrscheinlich vor,
doch für uns hat in dieser Frage die handschriftlich beglaubigte Autor-
schaft Klemens' betreffs der Lobrede auf Kyrill ausschlaggebende Be-
deutung, Aus der ausführlichen griech. Vita Ciementis weiss man, in
wie nahen Beziehungen Klemens zu Method stand. Beides zusammen-
genommen gibt uns Grund zu der Annahme, dass die Biographien der
beiden Apostel von ihm geschrieben wurden.
Hier möchten wir aber der Frage über den Inhalt und Bestand der
beiden Legenden, namentlich der Vita Cyriili, etwas näher treten. In
letzter Zeit hat V. I. Lamanskij der letztgenannten Legende eine lange
Reihe kritischer Bemerkungen in seiner noch nicht vollendeten aus-
führlichen Studie »CjiaBflHCKoe aciixie cb. KHpiiJija KaKX pejiiiriosHO-
9nHqecKoe nponsBeAeHie h KaKt HCTopH^iecKiH hcto^hhki« (im Journal
d. Min. d. Aufkl. B. 346, 190.3 ff.) gewidmet. Lamanskij bezweifelt, dass
die Legende in unveränderter Gestalt so auf uns gekommen sei, wie sie
im IX. Jahrh. geschrieben wurde. Er erinnert daran, dass sich die Le-
gende erst in späten Abschriften aus der zweiten Hälfte des XV. Jahrh.
erhalten hat. »Wer wagt es zu behaupten, dass in der der Abfassung
nächstfolgenden Zeit, im X. und XI. Jahrh., die Legende nicht modifi-
cirt, berichtigt, ergänzt werden konnte und dass der heute bekannte
Text genau das Original des IX. Jahrh. wiedergibt und nicht jene be-
richtigte, ergänzte, folglich mehr oder weniger im Laufe der XL — XV.
Jahrh. umgearbeitete Fassung des Denkmals, das ja bekanntlich in Bul-
garien, Serbien, Kroatien und Russland vielfach abgeschrieben und ver-
breitet wurde«. Bei einer solchen Auffassung des Denkmals entsteht
die Frage, was der ursprünglichen Redaktion angehört hatte und was
später dazukam. Es ist zwar richtig, dass wir bis heute keinen älteren
Text dieser Vita kennen, als aus der zweiten Hälfte des XV. Jahrb.,
allein wir sind doch nicht ganz entblösst von Hilfsmitteln, um ihren
vermuthlichen Umfang: auch für das IX. — XI. Jahrh. zu bestimmen.
Vergl. nach dieser Abhandlung »Meine Zusätze«. V. J.
Die neuesten Forschungen über den slavischen Klemens.
355
Ein solches Mittel besteht in Folgendem. Wir besitzen bekanntlich die
Vita Methodii nebst einer Lobrede auf die beiden Glaubenslebrer schon
in einer Handschrift aus dem Ende des XII. Jahrh. Ihr Original dürfen
wir, ohne fehlzugehen, wenigstens um die Mitte des XI. Jahrh. setzen.
Ist das der Fall, dann sind wir in der Lage, für verschiedene Stellen
der Cyrilli-Legende den Beweis zu führen, dass sie schon damals ebenso
lauteten, wie wir sie jetzt haben. Die Einleitung dieser Vita stimmt in
einer Reihe von Ausdrücken mit der Einleitung der besagten Lobrede
überein. Das zweite Kapitel, das über die Abkunft der beiden Brüder
handelt, erinnert ebenfalls im hohen Grade an die Lobrede. Leo hat in
der Lobrede wie in der Vita sieben Kinder, er wird mit Job verglichen.
Vergl. noch solche Wendungen, wie: HC Toro KOpEHE ß'KCHiacTa
H3AP'ÄA•»^^'S A'kTCtpacAH in der Lobrede und: h A'^^pa KopfHf
;i,c»Kpa /VKTopacAh, in der Vita. Die Phrase der Lobrede np'KiuiOY-
APCtCTh. CfK'K raKO H cfCTpoy CTßopkUja lässt in der Vita die Er-
zählung vom Traume voraussetzen. Aus verschiedenen Worten der
Lobrede kann man erschliessen, dass die Vita in der That von der Dis-
putation bei den Sarazenen und Chazaren erzählte. Der Anfang der
Erzählung, wo in der Lobrede der Vergleich mit David erwähnt wird,
ist dem 6. Kapitel der Vita entnommen. Vergl. die beiden Stellen in
folorender Parallele:
Lobr. (Bodjanskij,^TeH. 1 865, IL 6) :
BT». CpaUHH-SYT», }K( H K03A-
pIv^Tv raBAi%iija CA HEnoB't/k.kHa
H-K raKOJKf A^^ßHAT«^ HHonae-
MEHkHHKOV,' HHlvr^a HHS'KAO-
M^HB-K r'Kp'k^'KlHK' I€r0 RO-
TpliBH, npooBpasoBaBTv Tpo-
\i\i,K> TpklUH KaMeHH H CBOHMk
tMoy MEHkMk ri\aBO\' orckK'k-
Vita Cyrilli ed. Mikl. 17:
CBCTkiE TpoHi;« cao\fra h
OyMEHHKk • • • raKO AP^^V'"'^''*^
/i,aBHA4 HOBa tdBHTk Ha Fo-
M\t3J{,A Ck rpkMH KaMtHkMH
H noB'S/K/i.kUja.
Die Ausdrücke der Lobrede cbohmh hmtv KHHraMH h aS'U-
K'kMk fallen mit den Hinweisen der Vita auf die Reden Mohammed's
(Kap. VI — XI) zusammen. Die Wirkung der Predigt Konstantin's wird
in der Lobrede sehr ähnlich den Worten des X. Kapitels der Vita aus-
gedrückt :
23*
356
P. A. Lavrov,
Lobr. ib. :
H H;HAOßkCKC\fK» SAOßOy
AOY\'OBH'KIHMk LlfMkMk OT-
c'KK'kiua noTpUKHCTa /äko
RA'fcBeA'K H nonaAHcra A<>V"
YOBHOK» KAarO^.aTHK'.
Vita Cyr. ib. 23 :
OySpHTk CAOBfCkHOYKt CH-
AO\f OTk KO^KHie KAarOA'tTH
»KO H HAaMEHk ropEi(jk Ha
npoTHBkHkiie.
Man vergleiche noch diese Parallele
Lobr. ib. :
a CAOBO rccnO;i,kHf BikcK-
lacTa MKC» H nkmfHHi^M» bt».
Ckp;i,HkH'bMk CEA'k H BkC<ft
HaCAa;i,MCTa UtA^^TOMH-KIHMH
CAOBEClvI.
Vita Cyr. ib. :
AOCkiTH HacAa;K;L,k Bk-
CK^k Hkl ME^kBkHklMH CAC-
BECkl CBETkiyk KHHTk.
Die Zahl der getauften Chazaren ist in beiden Texten dieselbe. In
der Vita dankt Chagan dem Kaiser dafür, dass Cyrill CKasa jCpHCTH-
raHCKOr B'fepOY CAOBOMk H BCljJkMH, CBfTOy TpC»HU|,0\,' H OyB't-
A'fe\'C»Mk raKo TO i€CTk HCTaid BUpa nnd in der Lobrede heisst
es: o^KABacra bt». i€;i,HHOMk coynJkCTB'k paBkHkCTB'kiuik cHia-
HMIja OTku,A H c'kJHa H cBATarc ;k,oy\*a, TaKO la oyaoBHCTa
raKO H p'kiE'kl CAOBfCkHOW Mp'KJKfK».
So entnehmen wir aus den Worten der Lobrede, dass ihr dieselbe
Vita Cyrilli zu Grunde lag , die auch wir noch heute besitzen. In ihr
stand auch die Erwähnung von der üebersetzung der Disputation Kon-
stantin's bei den Chazaren aus dem Griechischen durch Method, denn
die Ausdrücke nonaAHCTa ;i,ov'XC»bhc>k> KAaro;i,aTHK» sind daraus
entnommen.
Die Erzählung von der Mission der Brüder zu den Slaven steht
gleichfalls in der Fassung der Lobrede sehr nahe der Vita Cyrilli. Die
Worte BkCk L^kpK'KBkH'KiH saKOHTi. Rp'tAOHikiua entsprechen dem
in Kap. XV Gesagten : BkCKOp'K JK« ßkCk u^pkKOBHkiH MHHk np-fe-
AOH;k; die Worte Tpkias'KiHkHHKOiil'k S'KAOKOY HMSTkACiKkiua be-
ziehen sich auf Kap. XVI; MpaKa rp-KyoEkHa orrHaB'Kiija iipo-
CB'feTHCTa BoyKiiBaMH dürften eine Anspielung enthalten auf die
heidnischen Aberglauben, von denen im XV. Kap. der Vita die Rede
ist; die Worte HaoyMkma c>\'MeHHK'ki i^kpKBkHOLiov; MUHoy hc-
niiAHk beziehen sich auf den Anfang desselben XV. Kap., nur steht
Die neuesten Forschungen über den slavischen Klemens. 357
hier statt des Ausdruckes saKOHii. der in der Vita angewendete mmhiv.
Die weitere Erzählung von der Reise nach Rom und dem Empfang durch
den ihnen entgegengekommenen Papst berührt sich mit den Worten :
H^f CBfTHTk cyMEHNKk CBOHY«^ in Kap. XV, mit dem VI. Kap. der
Vita Methodii und dem Anfang des XVU. Kap. der Vita Cyrilli. Endlich
zeigt auch die Erzählung von dem Tode Cyrill's in der Lobrede, dass das
letzte Kapitel der Vita entsprechend dem heutigen Texte lautete. Wenn
man noch die von Klemens verfasste Lobrede auf Cyrill heranzieht, ge-
winnt man noch weitere Parallelen. Und zwar den Hinweis auf die Er-
zählung von dem Streit CyriH's mit den Ikonoklasten und ihrem Anführer,
dem Patriarchen Jannes, den Hinweis auf die Predigt Cyrill's bei dem
Volke Phul (es ist OovlXa oder al OovXlot in der Krim gemeint), wovon
die Vita spricht. Die Erzählung von dem Aufenthalt Konstantin's in
Cherson wird durch den Brief des Anastasius bestätigt, ebenso durch die
slav. Uebersetzung der griech. Legende von der Auffindung der Reliquien
des heil. Klemens. Die Nachricht von der Erlernung der hebräischen
Sprache findet in gewisser Hinsicht ihre Bestätigung durch die italische
Legende, die von der Erlernung der chazarischen Sprache spricht.
Wahrscheinlich sind beide Sprachen gemeint, die von den Unterthanen
Chagans, den Mohammedanern und den Hebräern gesprochen wurden.
Das Interesse Konstantin's für die hebräische Sprache kommt auch sonst in
der Vita zum Ausdruck. Neben der Entzifi'erung einer Inschrift sei auf die
Gespräche mit einem Hebräer über Christus in Rom hingewiesen, woraus
sich die nothwendige Voraussetzung der Kenntniss der hebräischen
Sprache für Cyrill ergibt. Zuletzt ist auch nach der üblichen Deutung
der slavischen Alphabete, mag nun das glagolitische oder cyrillische von
Konstantin herrühren, ein Zusammenhang mit der hebräischen oder
samaritanischen Schrift nicht abzuweisen. Die Erzählung von einem
grammatischen Leitfaden der hebräischen Sprache wird zwar von V. I.
Lamanskij in Abrede gestellt und natürlich auch der für die hebräische
Sprache nicht anwendbare Hinweis auf octo partes orationis. Allein
diese Einzelheiten werden auch von Lamanskij so aufgefasst, dass sie
auf der Wiedergabe des durch Vermittelung Method's Gehörten und
zwar in einer erst in dritter Reihe folgenden Darstellung des Verfassers
beruhen. In der That kann man in diesem Falle eher an eine Ueber-
treibung oder ein Missverständniss schon seitens des Verfassers der Vita
denken, als alles das erst einer späteren Umarbeitung zuschreiben. Zu
solchen Stellen gehört auch die Erzählung von den auf den christlichen
358 P- A. Lavrov,
Häusern gezeichneten Figuren der Dämonen nach der Vita statt der an
die Häuser angelehnten Holzfiguren des Teufels nach den arabischen
Quellen. Hier steckt allerdings eine üngenauigkeit, aber anderseits
auch ein Beweis dafür, dass der Verfasser auch diese ihm vielleicht von
den Reisebegleitern Konstantin's zu den Chazaren mitgetheilte Erzäh-
lung nicht ganz übergehen wollte. Ist das der Fall, dann mögen auch die
Gespräche Konstantin's mit den Sarazenen auf gleicher Quelle beruhen,
wodurch sich auch ihr Charakter erklärt. Man hat es nicht nöthig, sie
als urkundliche Aufzeichnung aufzufassen, wovon in der Vita keine Rede
ist, aber auch die Behauptung, dass sie Auszüge aus polemischen, gegen
die Mohammedaner gerichteten Schriften des XH. — XIH. Jahrh. enthal-
ten, müsste erst bewiesen werden. Ebenso wird es kaum einem Zweifel
unterliegen, dass der Autor der Vita bei der Wiedergabe der Disputa-
tionen Konstantin's bei den Chazaren eine von Method übersetzte Nie-
derschrift Konstantin's vor Augen hatte. V. I. Lamanskij findet eine
solche Arbeit seitens Method's unwahrscheinlich, zumal er als Erzbischof
keine Zeit dazu gehabt hätte. Allein wenn Method bei dieser Gelegen-
heit als Erzbischof bezeichnet wird, so ist damit noch nicht gemeint,
dass er erst in der letzten Periode seines Lebens, da er Erzbischof war,
diese Uebersetzung zu Stande gebracht. Die Zweckmässigkeit aber einer
solchen Uebersetzung ergibt sich schon aus der Erwähnung (in den
Antworten des Papstes auf die Fragen der Bulgaren) von gottlosen
Büchern, die die Bulgaren von den Sarazenen bekommen haben sollen.
Der Ausdruck np'kAOH^HTH wird in der Vita von der Uebersetzung der
gottesdienstlichen Bücher in Kap. XV, in der Vita Methodii Kap. XV
ebenso betrefifs des Apostolus, Evangeliums und Psalters u. s. w. ange-
wendet, dagegen steht K£C't;)i,OY nHcaTH fßaHrfAKCKOY nur dort, wo
es sich um die erste Anwendung der neu erfundenen Schrift handelte.
Es bleiben somit ohne jede weitere Bestätigung durch auderwärtige
Quellen nur die Behauptungen der Legende von den samaritanischen
Buchstaben, von dem Psalter und dem Evangelium mit russischen Buch-
staben und von dem Lidividuum, das dieser Sprache kundig war. Uu-
beglaubigt sind ausserdem einige Einzelheiten aus der Jugendzeit Kon-
stantin's, solche Stellen wie das Kapitel und die Erzählung von der
Entzifferung des Bechers Kap. XHL V. I. Lamanskij hat gegen die
übliche Deutung der russischen Schrift und Sprache als gotische sehr
gewichtige Gründe vorgebracht, die beachtet werden müssen, allein die
Annahme späterer Einschaltungen in die Vita Cyrilli hat schon wegen
Die neuesten Forschungen über den slavischen Klemens. 359
der Gleichartigkeit der Darstellung in allen Texten der Legende wenig
Wahrscheinlichkeit für sich. Die von V. I. Lamanskij in den Bestand-
theilen der chazarischen Disputationen hervorgehobenen Ungleichheiten
können leicht erklärt werden. Die Ausdrücke HW^m und /KH,\,okhh'K
mit ihren Ableitungen werden auch sonst promiscue angewendet: in
Kap. IX. X. XI steht HK»^\fH, aber auch Kap. X JKH^OKHH'k und
Kap. XI npHraTEAEF.ik -.KH;i,OBCKKiMk, iKHAOBCKiü MOAHTBKi. Aber
auch im Inhalt der Erzählung ist nichts ungleichartiges wahrzunehmen.
Sie besteht aus mehreren Theilen : aus dem Gespräch Konstantin's mit
dem ihm entgegengeschickten Mann, aus den Tischgesprächen bei Cha-
gan, aus dem Disput mit den wortgewaltigen Hebräern, in welchen
von den Citaten der heil. Schrift häufig Gebrauch gemacht wird, aus der
Rede in Parabeln, wobei neben den Hebräern auch die Mohammedaner
als Zuhörer auftreten, die nicht so sehr auf schriftkundige Männer wie
auf das einfache Volk berechnet war. Abgesehen von dem Disput mit
schriftkundigen Männern, wo selbstverständlich die volle Aufmerksam-
keit auf den Büchern konzentrirt ist, alles Uebrige trägt den Charakter
der Gemeinverständlichkeit, die allerdings in erster Linie dem Verfasser
der Vita zuzuschreiben ist ; wie es sich damit in der Darstellung Kon-
stantin's verhalten haben mag, das ist freilich eine andere Frage. Auf
jeden Fall trägt die Redaktion dieses Theiles der Vita alle Anzeichen
der Ursprünglichkeit an sich. Wir hatten schon bei der Uebersetzung
der Vita ins Russische (im zweiten Heft der von Prof. Vinogradov heraus-
gegebenen Vorlesungen über die Geschichte des Mittelalters) Gelegenheit
darauf hinzuweisen, dass die Erzählung von verschiedenen Arten der
weltlichen Herrschaft die damaligen Menschen sehr interessirte, und bei
Johannes Exarchus bulgaricus liest man in dem Theil, der als originelle
Arbeit gilt, die bekannte Erzählung, die an die Auseinandersetzung
Konstantin's in seinen Gesprächen mit dem Chagan der Chazaren erin-
nert. Wenn dieser Parallelismus zeigt, dass solche Gespräche im IX.
und X. Jahrh. geführt werden konnten, so ist es gar nicht nothwendig,
zu der Vermuthung zu greifen, dass in der Vita »alles das aus einer
späteren slav. Uebersetzung irgend eines noch unbekannten griechischen
Traktates über die Disputationen mit den Sarazenen und Hebräern ent-
lehnt sei« und dass »in der ursprünglichen Redaktion der Vita Constan-
tini, wenn sie zu Ende des IX. oder zu Anfang des X. Jahrh. geschrie-
ben wurde, solche Auszüge nicht enthalten waren« i).
1) Ich verweise auf noch eine Quelle, die als Nachweis, dass sich die
360 P- A- Lavrov,
Nach unserer Ueberzeugung kann man also die Vita Constantini in
der Gestalt, wie wir sie kennen, als ein Denkmal des IX. Jahrh. gelten
lassen, unter Ablehnung der Annahme von späteren Interpolationen ^);
Vita Constantini in treuer Ueberlieferung erhalten hat, dienen kann. Das
sind die Lektionen in den Glagolit. Breviarien, von denen die Monographie
Brcic's (Dvie sluzbe rimskoga obreda za svetkovinu svetih Öirila i Metuda,
U Zagrebu 1870) handelt. Man vergl. dazu noch meine Bemerkungen in dem
»Fünften bibliographischen Beitrag« (Anzeiger der philos.-histor. Classe vom
18. Oktober 1899, Nr. 20), wo ich für den sprachlichen Ausdruck der Vita in
ihrer ältesten Fassung einige nicht unbedeutende Beispiele lieferte, wodurch
der Text der Vita Cyrilli demjenigen der Vita Methodii näher gebracht wird.
V.J.
1) In der Abhandlung »TojKOBaa IlajicH h JßxonHCB« brachte A.A.Schach-
matov jene Stellen der Palaea zur Sprache, die in ihr aller Wahrscheinlich-
keit nach aus der Vita Cyrilli entlehnt sind. Er meint, dass die Disputationen
der kommentirten Palaea aus den von Konstantin, dem Slavenapostel, mit
den Hebräern und Sarazenen gehaltenen Disputationen hervorgegangen
seien. Auf die bekannte Stelle von der Uebersetzung der Disputationen Kon-
stantin's durch seinen Bruder sich berufend, folgert er daraus, dass Method
nicht das, was in der Vita Cyrilli steht, sondern etwas anderes übersetzt habe.
Wir haben in einem am 4. Okt. 1894 in der Archäolog. Gesellschaft zu Moskau
gehaltenen Vortrag bezüglich einer Chilendarer Redaktion der kommentirten
Palaea (vgl. die Protokolle zu TpyÄii ciaB. komm. I, S.35) auf zwei Stellen hin-
gewiesen, die mit der Vita Cyrilli zusammenfallen (es sind dieselben, auf die
sich Akad. Schachmatov bezieht) und gleichfalls die Entlehnung derselben
für die Palaea aus der Vita Cyrilli vorausgesetzt. Allein in Ermangelung an-
derer Berührungen konnten wir an die Disputationen Konstantin's als Quelle
der kommentirten Palaea nicht denken. In der Vita steht ja deutlich aus-
gesprochen, dass die Disputationen Konstantin's sein Bruder Method über-
setzt habe. Wenn also die Palaea die Uebersetzung Method's erhalten hätte,
80 würden wir in ihr mehrere Parallelen zu dem in der Vita Cyrilli vorliegen-
den Auszug aus jenem Werke vorfinden müssen. Weiter verweist A. Schach-
matov auf die Parallelen in dem Kommentar zu den Propheten (nach einem
KijewerText des Golddachigen Michaelklosters) und meint, dass dieser Kom-
mentar einen Theil des ursprünglichen Palaeatextes bildete. Allein auch
dann würden wir volle Uebereinstimmung mit dem in der Vita Cyrilli be-
findlichen Text erwarten. Diese beschränkt sich jedoch nur auf einzelne
Stellen. Wir dürfen weitere Aufklärung von neuem Material erwarten, fürs
erste kann ein gewisser Zusammenhang zwischen dem in der Vita Cyrilli ent-
haltenen Text der Disputationen Konstantin's und der Palaea sowie dem
Prophetenkommentar zugegeben werden. Diese Thatsache, da sie nicht so
gedeutet werden kann, dass die Vita aus der Palaea geschöpft hätte, spricht
schon wieder gegen die Annahme einer späteren Einschaltung dieser Episode
in die Legende.
Die neuesten Forschungen über den slavischen Klemens. 361
sie kann also mit anderen Texten aus jener Zeit, wozu die verschiedenen
Werke Klemens' gehören, verglichen und geprüft werden. Doch wollen
wir auf die von Vondräk vorgenommenen Vergleiche nicht näher ein-
gehen, es sei unsererseits nur auf die in beiden Legenden wahrgenom-
mene Liebe zu Antithesen hingewiesen. So lesen wir in der Vita Cyrilli
Kap. IV EW MaAtyk CACßtcf^i^ bcankk o^mii, Kap. V oysptBK
$HAOCO$a K"Ha T'KAOMk, A H« ß'^A'^ CTapa 0\'Ma Rk HfMK,
Kap. XVI TpkHK H CAA^I^KK RAOA^, ib. V Ht AK>AkCKaro OBKiHara
Api^^KH c( HK BC»/KHH\'K sanoBtA"" 3pH , Vita Meth. Kap. III
npÜAOHIH SfMKH'Kira TkM'Kl BOAK> HA HtBECkH'kira MIÜCAH, ib.
Kap. II CAOBfCkHTviia a'^^tjakk» np'tcn'feB'K a A'^TfAkHivira cao-
K'kMk, ib. CAOBO CHAKHOie H KpOTT»,KOl€, CHAh.HO HA npOTHBk-
HTjjra a KpoTTi.KOie Ha npHi€MAK>4iAra kasahhic, ib. Kap. IV chh
/K« MOAHTBOKJ A 4>HA0C0$'k CAOBtCKl.
Wir kommen zur Frage über die Abkunft Klemens'. Prof. Vondräk
äussert sich dahin (S. 92), dass er wahrscheinlich aus Macedonien oder
jedenfalls aus einer Gegend, wo man die Sprache der cyrillo-methodia-
nischen Uebersetzung der heil. Schrift sprach, stammte. Er sei kein
pannonischer Slovene gewesen, sonst würde man bei ihm Spuren der
Sprache der Freisinger Fragmente wiederfinden, er war auch kein
Mährer, da auch keine Spuren der westsl. Sprache in seinen Werken
durchschimmern. Er sei fortwährend unter dem Einfluss der üeber-
lieferungen der griech. Kirche gewesen. Mit den angeblichen Spuren
des Bogomilismus, welche Vor